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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 08.09.1999
Aktenzeichen: 13 U 42/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GKG


Vorschriften:

ZPO § 399
ZPO § 355 Abs. 1
ZPO § 139 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
BGB § 116
BGB § 242
GKG § 8 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 42/99 18 O 148/98 (LG Aachen)

Anlage zum Protokoll vom 8. September 1999

Verkündet am 8. September 1999

Hilgers, JHS als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Berufungsrechtsstreit

pp.

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 8. September 1999 unter Mitwirkung des Richters am Oberlandesgericht Hentschel, der Richterin am Oberlandesgericht Scholz und der Richterin am Amtsgericht Wagner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 4. Februar 1999 - 18 O 148/98 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin wendet sich im Ergebnis ohne Erfolg dagegen, daß das Landgericht die von der Klägerin mit 18.440,55 DM geltend gemachte - streitige - Restwerklohnforderung bereits daran hat scheitern lassen, daß die Klägerin auf weitergehende Ansprüche wirksam verzichtet hat. Die Restwerklohnforderung der Klägerin ist jedenfalls mit der Einlösung des zweiten Schecks über 15.000,00 DM, den die Beklagten ihr mit Schreiben vom 12.03.1998 übersandt haben, erloschen.

1. Die Berufung rügt allerdings mit Recht, daß das angefochtene Urteil auf verfahrensfehlerhafter Grundlage ergangen sei. Das Landgericht hätte nicht ohne Vernehmung des Bauleiters T. entscheiden dürfen; jedenfalls hätte es sich durch Nachfrage vergewissern müssen, wenn es die im Haupttermin zu Protokoll genommene Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, "auf den Zeugen T. für diese Instanz nicht verzichten" zu wollen, nicht als gegenbeweisliche Benennung dieses Zeugen verstehen zu müssen glaubte.

a) Die Beklagten hatten bereits mit Schriftsatz vom 18.08.1998 auf eine Vernehmung des von ihnen für die Vereinbarung vom 29.01.1998 als Zeuge benannten Bauleiters T. verzichtet, sofern dem Gericht die urkundenbeweisliche Verwertung des Protokolls über die Vernehmung dieses Zeugen im einstweiligen Verfügungsverfahren vor derselben Kammer (allerdings in anderer Besetzung) genüge. Der Zeuge wurde daraufhin durch prozeßleitende Verfügung zum Haupttermin geladen (unter Anforderung eines entsprechenden Kostenvorschusses der Beklagten). Da er nicht zum Termin erschienen ist, erging gegen ihn ein Ordnungsmittelbeschluß. Nach vergeblichen Vergleichsbemühungen des Gerichts wies der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin auf das gegen den Geschäftsführer der Klägerin anhängige, auf eine Anzeige der Beklagten wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung im einstweiligen Verfügungsverfahren beruhende Ermittlungsverfahren (11 Js 359/98 StA Bonn) hin und beantragte die Aussetzung des Zivilrechtsstreits wegen Vorgreiflichkeit jenes Ermittlungsverfahrens. Als die Kammer daraufhin in Aussicht stellte, über den Aussetzungsantrag "in einem gesonderten Termin - ggfls. auch in einem Urteil" zu entscheiden, kam es zu der Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, auf den Zeugen T. nicht verzichten zu wollen.

b) Unter diesen Umständen ist bereits die Annahme der Kammer verfehlt, der Bauleiter T. sei von den Beklagten nicht mehr als Zeuge für die von ihnen behauptete Vereinbarung vom 29.01.1998 benannt und damit nicht mehr als Beweismittel in das Verfahren eingebracht. Die Erklärung der Beklagten, auf eine Vernehmung des Zeugen vor dem Prozeßgericht zu verzichten, falls das Gericht den Beweis bereits aufgrund urkundenbeweislicher Verwertung als erbracht ansehe, ist kein Verzicht auf den Zeugen i.S.d. § 399 ZPO, sondern lediglich ein Verzicht auf die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355 Abs.1 ZPO) unter hilfsweiser Aufrechterhaltung des Zeugenbeweisangebotes. Die Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, nicht auf den Zeugen verzichten zu wollen, wäre sinnlos, wenn man sie nicht als gegenbeweisliche Benennung des Zeugen verstehen würde. Der urkundenbeweislichen Verwertung konnte die Klägerin nicht widersprechen und hat sie auch nicht widersprochen, so daß sich die Frage, ob ein solcher Widerspruch allein bereits als (gegenbeweislicher) Antrag auf Vernehmung des Zeugen zu verstehen wäre (verneinend z.B. BGH VersR 1970, 322) oder jedenfalls dem Gericht gemäß § 139 Abs.1 ZPO Veranlassung zu einer Nachfrage geben müßte (so z.B. OLG Köln, VersR 1993, 1366), nicht stellt. Da prozessuale Erklärungen grundsätzlich so auszulegen sind, daß sie einen Sinn ergeben, wäre unter den dargestellten Umständen eine klarstellende Nachfrage des Gerichts unabweisbar geboten gewesen, wenn die Kammer die Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin nicht eindeutig als konkludenten Antrag auf Vernehmung des Zeugen ansah.

2. Einer Beweisaufnahme zu der strittigen Vereinbarung vom 29.01.1998 bedarf es indessen deshalb nicht, weil sich die Klägerin jedenfalls aufgrund der Einlösung des ihr mit Einschreiben der Beklagten vom 12.03.1998 übersandten zweiten Schecks über 15.000,00 DM so behandeln lassen muß, als habe sie diese Vereinbarung nachträglich bestätigt.

In ihrem Schreiben vom 12.03.1998 haben die Beklagten erneut - wie schon zuvor mit Schreiben vom 11.02.1998 - aus ihrer Sicht das Ergebnis des Gesprächs vom 29.01.1998 dargestellt. Weiter heißt es in jenem Schreiben: "Den ersten Teil unserer vereinbarten Ratenzahlung erfüllten wir durch die Zahlung vom 29. Januar 1998. Zum Ausgleich der zweiten Teilzahlung und somit Abschluß unseres Vergleichs erhalten Sie anliegend einen Verrechnungsscheck in Höhe von DM 15.000. Hiermit sind alle gegenseitigen Forderungen mit Ausnahme derer aus Gewährleistungsansprüchen erfüllt und ausgeglichen, was auch Sie durch Annahme dieses Schecks und dessen Einlösung noch einmal ausdrücklich bestätigen".

Die Klägerin hat zwar durch Antwortschreiben ihres Geschäftsführers vom 13.03.1998 erklärt, weiterhin auf der Begleichung ihrer Gesamtforderung zu bestehen. Das schließt es aus, die Einziehung des Schecks im Sinne einer Bestätigung der von den Beklagten behaupteten Vereinbarung oder als Annahme eines in dem Schreiben der Beklagten zu sehenden Vergleichsangebotes zu deuten. Eine andere Frage ist es, ob sich die Klägerin nicht aufgrund ihres Verhaltens jedenfalls so behandeln lassen muß, als sei ein solcher Vergleich oder Erlaßvertrag zustande gekommen. Dies ist unter den vorliegenden Umständen zu bejahen:

a) Aus dem Schreiben der Beklagten ergab sich unmißverständlich, daß die Klägerin von dem beigefügten Scheck nur Gebrauch machen durfte, wenn sie akzeptierte, daß damit alle gegenseitigen Forderungen mit Ausnahme derer aus Gewährleistungsansprüchen erfüllt und ausgeglichen sind. Der Empfänger eines solchen Schreibens verhält sich mit der Einlösung des Schecks grundsätzlich nur dann rechtmäßig und redlich, wenn er auch die Voraussetzungen akzeptiert, an die der Absender sie geknüpft hat (vgl. BGH NJW-RR 1986, 415; BGH NJW 1990, 1656). Ausweislich seines Schreibens vom 13.03.1998, das auf das Schreiben der Beklagten vom 12.03.1998 Bezug nimmt, hat der Geschäftsführer der Klägerin dessen Inhalt zur Kenntnis genommen. Er muß sich daher dessen bewußt gewesen sein, daß er den Scheck nur annehmen und einlösen durfte, wenn er die hieran im Schreiben der Beklagten geknüpfte Bedingung akzeptierte. Die Erklärung eines gegenteiligen Willens gleicht der Abgabe einer Willenserklärung unter dem geheimen Vorbehalt, sie solle nicht gelten, und ist daher entsprechend § 116 BGB rechtlich unbeachtlich (so auch BGH NJW-RR 1986, 415 und OLG Hamm, NJW-RR 1998, 1662). Im Ergebnis gleich bleibt es, wenn man das Erklärungsverhalten des Geschäftsführers der Klägerin als sog. "protestatio facto contraria" (Verwahrung gegen die Deutung des eigenen Verhaltens als Willenserklärung bestimmten Inhalts) dem Anwendungsbereich des § 242 BGB zurechnet und deshalb die Klägerin so behandelt, als sei der Vergleich (oder Erlaßvertrag) zustande gekommen (in BGH NJW-RR 1987, 937 ist dies nur deshalb verneint worden, weil die Scheckübersendung dort mit einem Angebot zum Abschluß eines Treuhandvertrages verbunden war und es nicht vertretbar erschien, den Empfänger unter Berufung auf Treu und Glauben "in die Pflichten eines Treuhandvertrages hineinzuzwingen").

b) Es liegen hier keine Umstände vor, welche die Annahme rechtfertigen können, daß die Klägerin unbewußt in eine sog. "Erlaßfalle" heineingelockt worden ist, wie sie unter Ausnutzung der oben angeführten BGH-Rechtsprechung zunehmend von "pfiffigen" Schuldnern aufgebaut wurde, um sich durch Scheckübersendungen mit völlig unrealistischen Vergleichsangeboten, die in krassem Mißverhältnis zu unstreitigen oder gar titulierten Forderungen des Gläubigers standen, von ihrer Schuld "freizutricksen" (E. Schneider, "Der Trick mit dem Scheck", MDR 1999, 195 f.; OLG München, MDR 1998, 1236; OLG Dresden, WM 1999, 488 m.w.Nachw.). Unstreitig hatte hier am 29.01.1998 eine Verhandlung zwischen den Parteien - in Anwesenheit des Bauleiters T. - stattgefunden mit dem Ziel einer Einigung über die noch offenen Restwerklohnforderungen der Klägerin. Unstreitig ist auch, daß der Geschäftsführer der Klägerin hierbei durchaus zu einem - dem Umfang nach allerdings streitigen -Nachlaß unter Einschluß der angekündigten Nachtragsforderungen bereit war. Auf die Mahnung der Klägerin vom 09.02.1998 über eine Restforderung in Höhe von 15.965,31 DM aus den beiden Hauptrechnungen vom 30.12.1997 (nach Abzug des Schecks vom 29.01.1998) haben die Beklagten mit Schreiben vom 11.02.1998 das "Ergebnis unserer Vereinbarung vom 29. Januar 1998" wie folgt festgehalten:

"1. eine angemessene Reduzierung der Schlußzahlung auf insgesamt 30.000 DM

2. Zahlung in zwei Raten, und zwar

a) sofort 15.000 DM

b) bis spätestens in drei Monaten - ohne jegliche Zinsvereinbarung - die restlichen 15.000 DM

Nachdem wir die erste Rate fristgemäß geleistet haben und seit unserem Gespräch noch keine 14 Tage vergangen sind, ist uns Ihr vorbezeichnetes Mahnschreiben völlig unverständlich........ Wir gehen daher davon aus, daß Ihnen ein Versehen unterlaufen ist."

Die Klägerin hat hierauf kommentarlos mit weiteren Mahnungen und der Erteilung einer Zusatzrechnung vom 28.02.1998 reagiert. Die Beklagten haben hierzu in dem bereits oben auszugsweise zitierten Schreiben vom 12.03.1998 angemerkt:

"Ihre aktuellen Rechnungslegungen, die wenig bis nichts mit unserer Vereinbarung zu tun haben, werden wir im Sinne unseres Vergleichs unbeachtet lassen. Abschließend dürfen wir vielleicht noch erwähnen, daß unser Architekt uns davon abriet, diesen Kompromiß mit ihnen einzugehen, weil er der Meinung ist, daß wir mit der versprochenen und hiermit auch geleisteten Zahlung (immerhin insgesamt 50.050 DM) zuviel Entgegenkommen bewiesen hätten, weil ihre tatsächlich gerechtfertigte Forderung doch deutlich unter der Gesamtsumme zurückbliebe. Da aber der Sinn eines Kompromisses wohl immer der ist, daß beide Seiten aufeinander zugehend "etwas dazu tun" und zur Vermeidung eines Streits beitragen, haben wir diesen Rat nicht befolgt, vielmehr den Kompromiß geschlossen und ihn auch gehalten. Nun ist es an Ihnen, dies auch zu tun und sich an unsere ebenso gerechtfertigte wie beweisbare Vereinbarung zu halten."

Die Beklagten handelten damit aus ihrer unmißverständlich dargelegten Sicht vertragskonform. Wenn die Klägerin dem widersprechen wollte, dann durfte sie redlicherweise auch den ausschließlich zur Erfüllung dieser Vereinbarung unter der Voraussetzung ihrer Bestätigung übersandten Scheck der Beklagten nicht einlösen. Als Folge ihres widersprüchlichen Verhalten ist daher unabhängig davon, ob tatsächlich am 29.01.1998 die von den Beklagten behauptete Vereinbarung zustande gekommen war, mit der Einlösung des zweiten Schecks über 15.000,00 DM die Restwerklohnforderung der Klägerin insgesamt erloschen.

3. Aus den vorstehenden Gründen muß es im Ergebnis bei der Abweisung der Klage verbleiben.

Gemäß § 97 Abs.1 ZPO hat die Klägerin auch die Kosten der Berufung zu tragen. Die verfahrensfehlerhafte Handhabung des Landgerichts gibt dem Senat keine Veranlassung zu einer Anordnung nach § 8 Abs.1 S.1 GKG, weil nicht davon ausgegangen werden kann, daß allein diese Verfahrensfehlerhaftigkeit die Klägerin zu der Berufung veranlaßt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Streitwert der Berufung und Beschwer der Klägerin durch dieses Urteil: 18.440,55 DM.

Ende der Entscheidung

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