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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 20.07.2005
Aktenzeichen: 13 U 62/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 518
BGB § 2247
BGB § 2301
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 8. März 2005 - 10 O 161/04 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Auslegung und Wirksamkeit einer handschriftlichen Verfügung, welche die am 05.05.2003 verstorbene Frau S. L. am 26.03.2003 unterzeichnet hat. In diesem in Gegenwart der Begünstigten (Frau I. T.) sowie eines Zeugen (Herrn K. E.) aufgesetzten, von der Erblasserin lediglich unterzeichneten Schriftstück (nachfolgend als S 1 bezeichnet, Original Bl. 4 der Beiakte 74 IV 884/03 AG Aachen) hat letztere bestimmt, dass im Falle ihres Todes die bei der Beklagten geführten Festgeldkonten mit den Nummern x 9 und x 2 an Frau I. T. ausgezahlt werden, und zwar - wie es in dem Schriftstück weiter heißt - als Dank für deren aufopfernde Hilfe, die sie der Erblasserin in den letzten Jahren geleistet habe. In einem zweiten handschriftlich aufgesetzten, wiederum von der Erblasserin nur unterzeichneten Schriftstück gleichen Datums hat diese bestimmt, dass im Falle ihres Todes Rechtsanwalt Dr. V. aus B. ihre Erbschaftssache regele, sofern zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Bevollmächtigungen vorliegen (nachfolgend als S 2 bezeichnet, Kopie Bl. 5 der Beiakte 74 VI 501/03). In einem dritten handschriftlich aufgesetzten, ebenfalls von der Erblasserin nur unterzeichneten Schriftstück gleichen Datums hat diese bestimmt, im Falle ihres Todes in der Familiengrabstätte der Familie L. auf dem Waldfriedhof B. beigesetzt zu werden (nachfolgend als S 3 bezeichnet, Kopie Bl. 4 der letztgenannten Beiakte).

Am 14./15.05.2003 zahlte die Beklagte das auf den vorgenannten Konten bestehende Guthaben in Höhe von 189.208,65 € aufgrund der ihr von Frau T. vorgelegten Verfügung der Erblasserin vom 26.03.2003 (S 1) an die Begünstigte aus.

Mit der Klage hat der zum Nachlasspfleger bestellte Rechtsanwalt N. für die damals noch unbekannten Erben der Frau L. die Beklagte auf Auszahlung des vorbezeichneten Guthabens in Anspruch genommen, weil es sich bei dem Schreiben der Erblasserin vom 26.03.2003 (S 1) um ein formunwirksames Testament handele und die Beklagte deshalb unberechtigterweise über die streitgegenständlichen Kontenguthaben zugunsten von Frau T. verfügt habe.

Mit Urteil vom 8. März 2005, auf das hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes einschließlich der gestellten Anträge verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger als einer der zwischenzeitlich festgestellten Erben mit dem Antrag auf Leistung an alle Erben gemeinschaftlich (§ 2039 BGB) das Klagebegehren weiter. Er hält an der Auffassung fest, dass es sich bei dem Schreiben der Erblasserin vom 26.03.2003 (S 1) um eine letztwillige Verfügung im Sinne des § 2247 BGB handele, welche mangels Einhaltung der gesetzlich gebotenen Form unwirksam sei. Er sieht sich in diesem Verständnis dadurch bestätigt, dass die Beklagte dieses Schreiben am 30.10.2003 dem Nachlassgericht zur Testamentseröffnung übersandt und das Nachlassgericht das Schreiben auch als privatschriftliches Testament eröffnet, jedoch mangels Eigenhändigkeit als unwirksam angesehen hat. Da die Erblasserin das Schreiben weder an die Beklagte adressiert noch ihr in irgendeiner Weise zur Kenntnis gegeben habe, könne das Schreiben nicht als Anweisung an die Beklagte verstanden werden. Ein etwa in dem Schreiben zu sehendes Schenkungsversprechen an die anwesende Begünstigte scheitere an der Vorschrift des § 2301 BGB; eine Heilung des Formmangels komme nicht in Betracht, da der Vollzug noch durch den Schenker selbst hätte erfolgen müssen, was nicht der Fall sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Erbengemeinschaft nach der am 05.05.2003 in B. verstorbenen Frau S. L., bestehend aus 1) - 26) 189.208,65 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 16.05.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung. Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Angriffen der Berufung entgegen.

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 29.06.2005 verwiesen.

Die zur Information beigezogenen Akten 74 IV 884/03 und 74 VI 501/03, beide Amtsgericht Aachen, waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Berufung des Klägers, mit der er in zulässiger Weise im eigenen Namen die auf Leistung an alle Erben gemeinschaftlich gerichtete Zahlungsklage weiterverfolgt, ist unbegründet. Das angefochtene Urteil hält jedenfalls im Ergebnis den Angriffen der Berufung stand:

Das Landgericht hat in dem Schreiben der Erblasserin vom 26.03.2003 (S 1) mit Recht keine testamentarische Verfügung i.S.d. § 2247 BGB, sondern eine belohnende Schenkung unter Lebenden auf den Todesfall gesehen, deren Formunwirksamkeit (§§ 125 S.1, 518 Abs.1 BGB) durch Bewirkung der versprochenen Leistung (§ 518 Abs.2 BGB) geheilt worden ist. Für die Richtigkeit dieses Auslegungsergebnisses - unbeschadet der fragwürdigen Anknüpfung an die Konstruktion eines Vertrages zugunsten Dritter - spricht bereits der in § 140 BGB verkörperte Grundgedanken, dem wirklichen Willen des Erklärenden so weit wie möglich Geltung zu verschaffen. Wenn es - wie hier - um die Frage geht, ob eine Erklärung des Erblassers als Rechtsgeschäft unter Lebenden oder als eine Verfügung von Todes wegen anzusehen war, ist im Rahmen einer Auslegung gemäß § 133 BGB auch der Rechtsgedanke des § 2084 BGB nutzbar zu machen, d.h. es ist im Zweifel diejenige Auslegung zu wählen, bei der der Wille des Erblassers Erfolg haben konnte (BGH, NJW 1988, 2731, 2732). Kommt schon allgemein den Vorstellungen der Beteiligten über die rechtliche Einkleidung ihres Handelns bei Laien nur untergeordnete Bedeutung zu, weshalb die Verwirklichung ihres Willens an Zweifeln über die rechtliche Einordnung des Geschäfts nach Möglichkeit nicht scheitern soll, so gilt dies um so mehr bei der nicht einfachen Abgrenzung der lediglich auf den Todesfall befristeten oder bedingten Schenkung unter Lebenden und der Schenkung von Todes wegen sowie der verschiedenen Konstruktionsmöglichkeiten, solchen Schenkungen trotz Formnichtigkeit des Schenkungsversprechens durch Vollzug der Schenkung zur Wirksamkeit zu verhelfen (BGH, NJW-RR 1986, 1133, 1134).

Schon der Wortlaut des Schreibens vom 26.03.2003 (S 1) gibt für eine testamentarische Verfügung wenig her. Es hat lediglich eine auf den Todesfall bezogene Bestimmung über zwei Festgeldkonten der Erblasserin bei der Beklagten zum Gegenstand, wobei aus der Angabe des Motivs (Dank für die aufopfernde Hilfe, welche die Begünstigte der Erblasserin in den letzten Jahren geleistet hatte) deutlich wird, dass es sich bei der Bestimmung, die Festgeldkonten im Falle des Todes der Erblasserin an die Begünstigte auszuzahlen, um eine belohnende Schenkung handelt (darunter versteht man ein Rechtsgeschäft, durch das der Schenker dem Beschenkten für eine von diesem erbrachte Leistung eine rechtlich nicht geschuldete Belohnung gewährt). Da das Schreiben im Beisein der Begünstigten aufgesetzt und von der Erblasserin unterzeichnet worden ist, kann auch bedenkenfrei davon ausgegangen werden, dass die Begünstigte die Schenkung angenommen hat, auch wenn dies nicht eigens in einer Gegenzeichnung des Schreibens Ausdruck gefunden hat. Das Schreiben ist zwar adressatenlos verfasst, jedoch sprechen das angegebene Motiv, die Gegenwart der Begünstigten, die Zweckbestimmung des Schreibens, die Begünstigte gegenüber der Beklagten als Anspruchsberechtigte auszuweisen, und die Tatsache, dass das Schreiben nach dem Tode der Erblasserin von der Begünstigten der Beklagten vorgelegt worden ist, entschieden dafür, dass die Schenkung auch sofort vollzogen wurde (zur rechtlichen Konstruktion nachfolgend unter 4.), unabhängig davon, ob das Schreiben der Begünstigten als Empfängerin des Schenkungsversprechens bereits bei dieser Gelegenheit ausgehändigt worden ist (dies soll der Beklagten nach ihrer in der Berufungsverhandlung zu Protokoll gegebenen Erklärung so von Herrn E. bestätigt worden sein) oder ob es zusammen mit den beiden weiteren Schriftstücken (S 2 und S 3) nach dem Tode der Erblasserin in deren Wohnung aufgefunden wurde (wie das Schreiben des Rechtsanwalts Dr. V. vom 13.05.2003 an das Nachlassgericht nahe legt, Bl. 1 f. der Beiakte 74 VI 501/03). Die Beklagte behauptet selbst nicht, vor dem Tod der Erblasserin Kenntnis von diesem Schreiben erhalten zu haben. Daran krankt auch die vom Landgericht bemühte Konstruktion eines erst postmortal zustande gekommenen Vertrages zugunsten Dritter: ein erst dadurch begründeter Leistungsanspruch der Begünstigten und dessen Erfüllung durch die Beklagte würde nicht mehr das lebzeitige Vermögen der Erblasserin, sondern den Nachlass betreffen und deshalb dem Schenkungsversprechen nicht zur Wirksamkeit verhelfen können.

Unabhängig davon, dass es nach den vorstehenden Ausführungen für die Auslegung des Schreibens der Erblasserin vom 26.03.2003 (S 1) auf das Verständnis der Beklagten nicht ankommt, kann auch aus dem Umstand, dass die Beklagte Monate nach Auflösung der in Rede stehenden Festgeldkonten und Auszahlung des Guthabens an die Begünstigte das Schreiben der Erblasserin vom 26.03.2003 (S 1) zur Testamentseröffnung an das Amtsgericht gesandt hat, kein maßgebliches Indiz für ein solches Verständnis gesehen werden. Die Ablieferungspflicht nach § 2259 BGB betrifft alle Schriftstücke, die eine Verfügung von Todes wegen des Erblassers zum Gegenstand haben können, mag deren Eigenschaft als Testament auch zweifelhaft, aber immerhin möglich erscheinen. Die Beklagte hat das Schriftstück indessen nicht einmal von sich aus übersandt. Hintergrund der Übersendung vom 30.10.2003 (Bl 1 der Beiakte 74 IV 884/03) war vielmehr ein Anschreiben des Gerichts vom 23.10.2003 zum Aktenzeichen 74 VI 501/03, mit dem die Beklagte aufgefordert wurde, die Urschrift des (vermeintlichen) Testaments der Erblasserin vom 26.03.2003 zur Eröffnung einzureichen. Rechtsanwalt Dr. V. hatte dem Nachlassgericht mit Schreiben vom 13.05.2003 Kopie der drei Schriftstücke vom 26.03.2003 (S 1-3), die in der Wohnung der Verstorbenen aufgefunden worden seien, übersandt und zu dem Schreiben S 1 angemerkt: "Bei dem Schriftstück vom 26.03.2003, mit dem die Verstorbene bestimmt, dass im Fall ihres Todes die Festgeldkonten an Frau I. T. ausgezahlt werden, handelt es sich um die noch zu Lebzeiten getroffene Vereinbarung der Verstorbenen, wonach Frau T. für die aufopfernde Hilfe in den letzten Jahren mit den Festgeldkonten honoriert werden soll. Diese Vergütung wurde fällig mit dem Tode der Verstorbenen" (Bl.2 der Beiakte 74 VI 501/03).

Auch ohne Mitwirkung des Kreditinstituts kann eine Kontoforderung Gegenstand einer kraft Vollzuges wirksamen Schenkung unter Lebenden (§ 518 BGB) oder von Todes wegen (§ 2301 BGB) sein. Dass der Vollzug einer Schenkung bis zum Tod des Erblassers aufgeschoben ist, steht einer auf den Todesfall bezogenen Schenkung unter Lebenden nicht entgegen. Die Rechtsprechung sieht das maßgebliche Abgrenzungskriterium darin, ob es sich lediglich um eine Befristung handelt (mit der Folge, dass im Fall des Vorversterbens der beschenkten Person deren Erben Gläubiger der aufschiebend befristeten Schenkung werden) oder ob die Zuwendung unter der aufschiebenden Bedingung versprochen wird, dass der Beschenkte den Schenker überlebt (vgl. zur Abgrenzung BGH, FamRZ 1985, 693; NJW 1987, 840; NJW 1988, 2731; Hüffer/van Look, Rechtsfragen zum Bankkonto, 4. Aufl., Rz. 278 ff. m.w.Nachw.). Enthält die Schenkungserklärung - wie hier - keine ausdrückliche Willensäußerung, bedarf es zur Annahme einer konkludenten Überlebensbedingung (und damit zur Anwendung des § 2301 BGB) wegen des bereits oben angeführten Auslegungsgrundsatzes, dem Willen des Erblassers weitestgehend zur Durchsetzung zu verhelfen, besonderer Anhaltspunkte. Ob der in dem Schreiben vom 26.03.2003 (S 1) zum Ausdruck kommende belohnende Charakter der Schenkung an die nicht zur Familie der Erblasserin gehörende Begünstigte hierfür genügen würde, kann indessen dahinstehen, wenn die Schenkung bereits zu Lebzeiten der Erblasserin durch aufschiebend befristete Abtretung der Guthabenforderung vollzogen wurde. Es genügt, wenn die Abtretung mit dem Tod des Erblassers/Schenkers wirksam wird; eine aufschiebend befristete oder bedingte Abtretung reicht als Vollzug sowohl bei § 518 Abs.2 BGB als auch bei § 2301 Abs.2 BGB aus (BGH, NJW RR 1989, 1282). Eine konkludente Abtretung als Vollzugsgeschäft kann beispielsweise darin liegen, dass dem Begünstigten, der das Kontoguthaben nach dem Tod des Erblassers erhalten soll, unter anderem zu diesem Zweck eine trans- oder postmortale Vollmacht erteilt wird (Hüffer/van Look, a.a.O., Rz. 284 m.w.Nachw.). Dasselbe muss auch hier gelten, da mit der im Schreiben vom 26.03.2003 (S 1) getroffenen Bestimmung der Erblasserin, im Falle ihres Todes das Guthaben auf den genannten Konten bei der Beklagten an die Begünstigte auszuzahlen, letztere gerade als Anspruchsberechtigte gegenüber der Beklagten ausgewiesen werden sollte. Die oben (unter 2.) bereits angeführten Kriterien für eine Auslegung des Schreibens vom 26.03.2003 (S 1) als ein an die Begünstigte gerichtetes und von dieser angenommenes Schenkungsversprechen begründen zugleich den sofortigen Vollzug der Schenkung durch eine formlos wirksame aufschiebend befristete oder bedingte Abtretung der Kontoforderung an die Begünstigte.

III.

Nach alledem hat es bei der Klageabweisung zu verbleiben. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass kein Grund i.S.d. § 543 Abs.2 ZPO besteht, die Revision zuzulassen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen im Übrigen beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708 Nr.10, 711 ZPO.

Streitwert der Berufung: 189.208,65 €.

Ende der Entscheidung

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