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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 26.02.2003
Aktenzeichen: 13 U 85/02
Rechtsgebiete: AGBG, BGB, VerbrKrG, ZPO


Vorschriften:

AGBG § 3
BGB § 366 Abs. 1
VerbrKrG § 11 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2 S. 1 n.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 767
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 5
ZPO § 795
ZPO § 797 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 28.05.2002 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 10 O 45/02 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus der vollstreckbaren Urkunde Nr. ..../1996 des Notars Dr. N., H.-R., vom 02.05.1996 in das im Grundbuch von B. Bl. .... eingetragene Grundstück Gemarkung B. Flur ., Nr. ..., Gebäude- und Freifläche, S.straße ., groß 2,25 ar, für unzulässig erklärt, soweit diese wegen einer den Betrag von 10.271,45 EUR (entspricht 20.089,21 DM) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.08.2002 übersteigenden Forderung betrieben wird.

Die durch dieses Urteil verursachten Gebühren werden der Beklagten auferlegt. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu je 20,09 % und die Beklagte zu 59,82 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1, 544 ZPO n.F. , 26 Nr. 5., 8. EGZPO)

Die zulässige, zuletzt stark beschränkte Berufung der Kläger hat in der Sache ganz überwiegend Erfolg.

Die gemäß §§ 767, 794 Abs. 1 Nr. 5, 795, 797 Abs. 5 ZPO zulässige Vollstreckungsabwehrklage, deren landgerichtliche Abweisung die Kläger nach der zum Schluss der letzten Verhandlung erklärten teilweisen Berufungsrücknahme nur noch insoweit angreifen, als die Beklagte die Zwangsvollstreckung aus der im Tenor genannten notariellen Grundschuldbestellungsurkunde vom 02.05.1996 wegen eines höheren Betrags als 10.271,45 EUR betreibt, ist bis auf den zusätzlichen Zinsanspruch der Beklagten begründet.

I.

Die Kläger können der Beklagten allerdings nicht die Unwirksamkeit der GrundschuldZweckvereinbarung der Parteien vom 20.11.2000 entgegenhalten. Der Senat hat bereits in seinem eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung ablehnenden Beschluss vom 08.10.2002 (Bl. 310 ff. GA) einen im Sinne des § 3 AGBG überraschenden Charakter dieser Sicherungsabrede verneint, was von den Klägern angesichts ihrer teilweisen Berufungsrücknahme offenbar nicht mehr angegriffen wird. Es sei daher nur kurz wiederholt, dass mit der Zweckerklärung vom 20.11.2000 keine Haftungserweiterung gegenüber der vorausgegangenen Sicherungsabrede vom 15.04.1996 verbunden war. Vielmehr sind wegen einer Umschuldung der Kreditverbindlichkeiten der Eheleute P. und R. G. mit ausdrücklichem Einverständnis der Kläger die bis dahin gesicherten Darlehen mit den Kontonummern ... ... ... (im Folgenden: ...) und ... ... ... (nachfolgend: ...) lediglich durch das neue Darlehen Nr. ... ... ... (nachfolgend: ...) ersetzt worden. Die Kläger tragen selbst vor, dass die früheren Darlehen Nr. ... und ... durch die Beklagte vollständig getilgt worden sind und das neue Darlehen Nr. ... der Höhe nach sogar noch hinter den letzten Sollständen der abgelösten Kredite zurückgeblieben ist. Dass die Beklagte buchungstechnisch keine unmittelbare Ablösung des alten Darlehens Nr. ... durch das neue Darlehen Nr. ... vorgenommen, sondern in die technische Abwicklung der Umschuldung (nicht aber in die Grundschuldhaftung der Kläger) auch noch das weitere neue Darlehenskonto der Eheleute G. mit der Nummer ... ... ..., das noch andere Kredite ablöste, mit einbezogen hat, belastet die Kläger nicht und kann daher für sie auch nicht in rechtlich erheblicher Weise überraschend gewesen sein.

II.

Trotz der demnach nicht zu beanstandenden Sicherungsabrede vom 20.11.2000 kann die Beklagte gegen die Kläger nicht die gesamte verbliebene Forderung (§§ 607 ff. BGB a.F.) bezüglich des gesicherten Darlehens Nr. ... in Höhe von - gemäß Schriftsatz der Beklagten vom 14.10.2002 (Bl. 329 GA) - 72.532,- EUR geltend machen, und zwar unabhängig vom Höchstbetrag der streitgegenständlichen Grundschuld. Zur Ermittlung des vorgenannten Saldos hat die Beklagte den aus der Zwangsversteigerung des Hausgrundstücks der Eheleute G., W.straße 40 in W., erzielten Erlös von 144.138,70 EUR nach eigenen Angaben nämlich nur mit einem Teil in Höhe von 50.584,26 EUR angerechnet, obwohl den Klägern bei der Bestimmung ihres Haftungsanteils der gesamte Versteigerungserlös zugute kommen muss.

Letzteres folgt zwar nicht aus dem Schreiben der Eheleute G. vom 31.07.2002 (Anlage BB 9, Bl. 258 GA), in dem sie die Verrechnung des Versteigerungserlöses mit den klägerseits gesicherten Darlehensforderungen bestimmt haben. Diese Erklärung geht ins Leere, weil das Tilgungsbestimmungsrecht des § 366 Abs. 1 BGB einem Schuldner in der Zwangsvollstreckung nicht mehr zusteht (BGH, Urteil vom 23.02.1999 - XI ZR 49/98, NJW 1999, 1704 f.).

Dass die Kläger für das Darlehen Nr. ... nur abzüglich des gesamten Erlöses aus der Versteigerung der G. Immobilie haften, ergibt sich aber als Inhalt eines Schadensersatzanspruches, den die Kläger der Beklagten wegen einer Aufklärungspflichtverletzung bei der Bestellung der streitgegenständlichen Grundschuld im Frühjahr 1996 (culpa in contrahendo) entgegenhalten können. Die Beklagte hätte die Kläger nämlich vor Abschluss der neuen Sicherungsabrede vom 15.04.1996 (Bl 26 ff. GA) darauf hinweisen müssen, dass sich ihr Haftungsrisiko im Vergleich zur früheren, an einem Hausgrundstück in Neuss bestellten Grundschuld dadurch deutlich erhöht hatte, dass die von den Eheleuten G. am eigenen Hausgrundstück bestellte Grundschuld durch die bereits am 08.02.1996 erfolgte Ausweitung der diesbezüglichen Zweckerklärung (Bl. 430 ff. GA) nun nicht mehr nur die ursprünglichen, bislang zusätzlich durch die N. Grundschuld der Kläger besicherten Baudarlehen Nr. ... und ..., sondern weitere Kreditverbindlichkeiten in beträchtlicher Höhe (nominal 55.000,- DM mit - nach eigenen Angaben der Beklagten - steigender Tendenz) sicherte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Gläubiger zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, den Sicherungsgeber, der zur Sicherung von Ansprüchen gegen einen Dritten eine Grundschuld bestellt, ungefragt über den Umfang des Risikos zu unterrichten. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Gläubiger durch sein Verhalten erkennbar einen Irrtum des Sicherungsgebers über dessen erhöhtes Risiko veranlasst hat (BGH, Urteil vom 09.10.1990 - XI ZR 200/89, WM 1990, 1956 f.).

Vorliegend ergibt sich eine solche Irrtumserregung aus den fortwirkenden Angaben, die die Beklagte im Zusammenhang mit der ersten Sicherungsabrede vom 27.09.1995 (Bl. 21 ff. GA) gemacht hatte. Nach den ohne weiteres plausiblen und auch sonst glaubhaften Bekundungen des Zeugen C., die durch die Aussage des Zeugen R. G. bestätigt und durch die insoweit unergiebigen Angaben des an den Verhandlungen gar nicht beteiligten Zeugen B. nicht in Frage gestellt werden, hat er als damals zuständiger Mitarbeiter der Beklagten die Kläger dahingehend über ihr Haftungsrisiko aufgeklärt, dass bei einem notleidend werdenden Kredit "das Grundstück der Eheleute G. verwertet werden würde und dass ggfls. - falls noch eine Deckungslücke für die Bank verbleiben würde - auch eine Inanspruchnahme der Eheleute R. aus der Grundschuld erfolgen würde". Diese Erklärung konnten die Kläger schon nach dem eindeutigen Wortlaut nur so verstehen, dass ihre Grundschuld lediglich nachrangig hinter derjenigen der Eheleute G. für einen im Falle der notwendigen Verwertung der G. Immobilie unter Umständen noch verbleibenden Fehlbetrag haften müsste. Das war auch nachvollziehbar, weil die Grundschuld der Eheleute G. zu diesem Zeitpunkt ausschließlich dieselben Baudarlehen (Nr. ... und ...) wie die klägerische Grundschuld besicherte. Diese Haftungssituation verschärfte sich für die Kläger jedoch am 08.02.1996 in gravierender Weise durch die bereits angesprochene Ausweitung des Sicherungszwecks der G. Grundschuld. Angesichts dessen hätte die Beklagte die Kläger nicht in dem Glauben lassen dürfen, dass es sich bei der nachfolgenden Bestellung der streitgegenständlichen Grundschuld nur um einen durch ihren Umzug (Verkauf der N. Immobilie und Erwerb eines Hausgrundstücks in B.) bedingten formalen Pfandaustausch ohne jede Änderung ihres Haftungsrisikos handelte. Dass den Klägern die erst kurz zuvor vorgenommene Ausweitung des Sicherungszwecks der Grundschuld der Eheleute G. auf weitere erhebliche Kreditverbindlichkeiten bereits bekannt gewesen wäre, behauptet die Beklagte selbst nicht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Beklagte kann nicht etwa darauf verweisen, dass die Kläger ohnehin stets mit Änderungen der zwischen den Eheleuten G. und ihr getroffenen Sicherungsabreden hätten rechnen müssen. Richtig ist zwar, dass solche Änderungen jederzeit möglich waren und insbesondere nicht der Einwilligung der Kläger bedurften. Darum geht es jedoch vorliegend nicht. Hier ist allein die Frage zu beantworten, ob die Beklagte die Kläger über die erfolgte Haftungsausweitung der G. Grundschuld, die mittelbar auch das Haftungsrisiko der Kläger in gravierender Weise erhöht hatte, vor der Bestellung der streitgegenständlichen Grundschuld hätte aufklären müssen. Dies ist deswegen zu bejahen, weil die Beklagte durch die im Zusammenhang mit der ersten Sicherungsabrede der Parteien vom 27.09.1995 gemachten, bereits oben zitierten Angaben selbst bei den Klägern den Eindruck erweckt hatte, sie würden für die besicherten Baudarlehen Nr. ... und ... allenfalls für den nach einer vorrangig erfolgenden Verwertung des Grundstücks der Eheleute G. unter Umständen noch verbleibenden Differenzbetrag haften müssen. Die Beklagte traf daher auch die Verantwortung, die Fehlvorstellung der Kläger, ihre Haftungssituation habe sich insoweit im Frühjahr 1996 nicht verändert, auszuräumen.

Für den Fall einer entsprechenden Aufklärung muss davon ausgegangen werden, dass die Kläger die neue Grundschuld nur gegen die Zusage der Beklagten, einen Erlös aus der vorrangigen Verwertung der G. Immobilie unverändert in vollem Umfang auf ihren Haftungsanteil anzurechnen, bestellt hätten. Das ergibt sich aus der stets deutlich gemachten und auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Absicht der Kläger, ihr Haftungsrisiko als bloße Drittsicherungsgeber nicht über den ursprünglichen, im Herbst 1995 festgelegten Umfang hinaus zu erhöhen. Das im Zusammenhang mit der Umschuldung im November 2000 angeführte Argument der Beklagten, bei einer Weigerung der Kläger zur Änderung der Sicherungsabrede hätte sie deren Grundschuld mit letztlich gleichem Ergebnis eben auf der Grundlage der bisherigen Sicherungszweckerklärung vom 15.04.1996 verwertet, überzeugt nicht. Die Beklagte hätte die hier erörterte Aufklärung bereits im Frühjahr 1996 vor der erstmaligen Bestellung der streitgegenständlichen Grundschuld vornehmen müssen.

Als Folge der Aufklärungspflichtverletzung können die Kläger die volle Anrechnung des aus der Versteigerung des Grundstückes der Eheleute G. erzielten Erlöses in Höhe von 144.138,70 EUR auf ihren Haftungsanteil verlangen. Dass sie diesen Erlös von dem nominell besicherten Darlehensbetrag in Höhe von 154.410,15 EUR (entspricht 302.000,- DM) und nicht von dem tatsächlich (ohne auch nur teilweise Berücksichtigung des Versteigerungserlöses) auf dem Darlehenskonto Nr. ... verbliebenen Sollsaldo in Höhe von lediglich 123.116,- EUR (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 14.10.2002; Bl. 328 f. GA) abziehen und so zu einem eigenen Haftungsanteil von 10.271,45 EUR (entspricht 20.089,21 DM) gelangen, ist eine für die Beklagte günstige Auslegung der Schadensersatzfolgen, die der Senat für den Vergleichsvorschlag übernommen hat und an die er nach der entsprechenden teilweisen Berufungsrücknahme der Kläger für diese streitige Entscheidung gebunden ist.

III.

Der Zinsanspruch der Beklagten ergibt sich aus Verzug (§ 284 BGB a.F.) unter Berücksichtigung des § 11 Abs. 1 VerbrKrG sowie des Umstandes, dass die vorrangige Verwertung der G. Immobilie erst am 30.08.2002 abgeschlossen worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 entspr., 100 Abs. 1, 516 Abs. 3 S.1 ZPO n.F.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10., 711, 713 ZPO.

Eine Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO n.F. entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erfüllt sind. Der Senat leitet die Aufklärungspflicht der Beklagten auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus den besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles her.

Streitwert des Berufungsverfahrens:

* bis einschließlich 13.01.2003: 25.564,59 EUR (entspricht 50.000,- DM); zur Begründung wird auf die in dieser Sache ergangene Streitwertbeschwerde-Entscheidung des Senats vom 08.10.2002 - 13 W 53 /02 - Bezug genommen (Bl. 319 ff. GA);

* danach: 15.293,14 EUR (entspricht 29.910,78 DM).

Beschwer beider Parteien durch dieses Urteil: jeweils unter 20.000,- EUR.

Ende der Entscheidung

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