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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 08.01.2003
Aktenzeichen: 13 U 98/00
Rechtsgebiete: GesO, BGB, ZPO


Vorschriften:

GesO § 2 Abs. 4
BGB § 772
BGB § 777 Abs. 1 S. 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 09.12.1999 - 12 O 99/99 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit der vorliegenden Teilklage über 100.000,00 DM nimmt die Klägerin die Beklagte aus einer befristeten Ausfallbürgschaft in Anspruch, welche die Beklagte nach dem sog. DtA-Bürgschaftsprogramm bis zu einem Höchstbetrag von 1,2 Mio. DM für einen der Firma G. GmbH in I. (im folgenden: Hauptschuldnerin) von der Klägerin zum Zwecke der Betriebsmittelfinanzierung gewährten Kontokorrentkredit in Höhe von 1,5 Mio DM übernommen hat. In der Bürgschaftserklärung der Beklagten vom 21.12.1995 heißt es zur Befristung:

"Die Bürgschaft erlischt mit Rückgabe dieser Erklärung, spätestens aber am 31.12.1996, wenn wir nicht bis zu diesem Tage daraus in Anspruch genommen worden sind."

Als weitere Sicherheiten für den der Hauptschuldnerin von der Klägerin mit Vertrag vom 22.12.1995 gewährten, ursprünglich bis zum 31.12.1996 befristeten Kredit dienten selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaften der beiden Gesellschafter der Hauptschuldnerin über jeweils 735.000,00 DM sowie die Sicherungsabtretung sämtlicher Forderungen der Hauptschuldnerin.

Mit Schreiben vom 18.12.1996 verlängerte die Beklagte in Abstimmung mit der Klägerin die Laufzeit ihrer Bürgschaft bis zum 31.12.1997; dementsprechend verlängerte auch die Klägerin die Laufzeit ihres Kredits bis zum 31.12.1997.

Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Hauptschuldnerin kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 16.10.1997 den Kredit und stellte den auf 1.585.383,84 DM ermittelten Saldo zur sofortigen Rückzahlung fällig. Mit Schreiben vom 20.11.1997 informierte die Klägerin die Beklagte unter Beifügung des Kündigungsschreibens über die hierfür maßgeblichen Gründe.

Mit Schreiben vom 09.03.1998 forderte die Beklagte die Klägerin zur Rückgabe der Bürgschaftsurkunde auf, weil die Laufzeit der Bürgschaft ohne Inanspruchnahme der Beklagten verstrichen sei. Die Klägerin hat daraufhin Teilklage erhoben und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 100.000,00 DM nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der deutschen Bundesbank (seit dem 01.01.1999 über dem Basiszinssatz nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz) seit 17.03.1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 09.12.1999 hat das Landgericht der Klage unter teilweiser Abweisung der Zinsforderung stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat der Senat mit Urteil vom 27.09.2000 die Klage abgewiesen.

Auf die Revision, mit der die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt hat, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 13.06.2002 - IX ZR 398/00 - das Urteil des Senats vom 27.09.2000 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - zurückverwiesen. Die Zurückverweisung hat der Bundesgerichtshof damit begründet, dass das Schreiben der Klägerin vom 20.11.1997 - seiner Natur als Zwischenbescheid entsprechend - die Rechte der Klägerin zwar vorläufig gewahrt habe, so dass die Bürgschaft nicht mit Ablauf des 31.12.1997 erloschen sei, dass damit aber noch nicht feststehe, dass sie auch heute noch bestehe. Die Beklagte könne in der Folgezeit gemäß § 777 Abs.1 S.1 BGB frei geworden sein, nämlich dann, wenn die Klägerin nicht die Einziehung der gesicherten Forderung unverzüglich nach Maßgabe des § 772 BGB betrieben, das Verfahren ohne wesentliche Verzögerung fortgesetzt und unverzüglich nach seiner Beendigung der Beklagten angezeigt habe, dass sie nunmehr wegen des Ausfalls in Anspruch genommen werde. Zu alldem habe die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin bisher nichts vorgetragen; dazu sei ihr nunmehr Gelegenheit zu geben.

Die Klägerin hat diese Gelegenheit mit Schriftsätzen vom 25.11.2002 (nebst Anlagen) und 24.12.2002, auf die Bezug genommen wird, wahrgenommen. Auf der Grundlage dieses Vorbringens beantragt sie erneut,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

während diese weiterhin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin im Hinblick auf die Ausführungen im Revisionsurteil vom 13.06.2002 nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 22.11. und 18.12.2002, auf die ebenfalls verwiesen wird, entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung führt erneut zur Abweisung der Klage. Die Bürgschaft der Beklagten ist erloschen, weil die Klägerin es versäumt hat, im Anschluss an ihren Zwischenbescheid ihre Rechte aus der befristeten Ausfallbürgschaft durch die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 13.06.2002 geforderten unverzüglichen Maßnahmen zur Feststellung des Ausfalls als Voraussetzung für die wirksame Inanspruchnahme der Beklagten weiter zu wahren.

Der Bundesgerichtshof hat die im Urteil des Senats vom 27.09.2000 vorgenommene, den Kern des Streits ausmachende Bewertung der Höchstbetragsausfallbürgschaft der Beklagten als Zeitbürgschaft bestätigt, jedoch das Erfordernis einer fristgerechten "Inanspruchnahme" der Beklagten wegen der für die Ausfallbürgschaft geltenden Besonderheiten "untechnisch" dahin ausgelegt, dass die fristgerechte Anzeige einer krisenhaften Situation der Hauptschuldnerin zunächst genüge, dass die Beklagte jedoch in der Folgezeit von ihrer Bürgschaftsverpflichtung gemäß § 777 Abs.1 S.1 BGB frei geworden sein könne. Das ist der Fall:

Bei der Ausfallbürgschaft gehört nicht nur der objektiv eingetretene Verlust, sondern auch dessen Unvermeidbarkeit trotz gehöriger Sorgfalt bei der Verfolgung des verbürgten Anspruchs und der Verwertung vorrangiger Sicherheiten zu den vom Gläubiger darzulegenden und zu beweisenden Anspruchsvoraussetzungen (BGH NJW 1999, 1467, 1469 f.; Urteil des BGH in dieser Sache vom 13.06.2002, Seite 5/6 des Urteilsabdrucks). Bei der hier vorliegenden befristeten Ausfallbürgschaft kommt das Zeitmoment hinzu: die Rechtsverfolgung hatte - nach nur vorläufiger Wahrung der Rechte der Klägerin durch das Schreiben vom 20.11.1997 - unverzüglich zu erfolgen. Diesen Anforderungen hat die Klägerin nicht Genüge getan. Sie vermochte auch im Anschluss an die Ausführungen unter Ziffer III. des Revisionsurteils vom 13.06.2002 nicht aufzuzeigen, dass sie die hiernach zur weiteren Wahrung ihrer Rechte gebotenen Maßnahmen zur Vermeidung, Begrenzung und ggf. Feststellung ihres Ausfalls ergriffen hat. Was die Klägerin hierzu in ihrem Schriftsatz vom 25.11.2002 nebst Anlagen anführt, stellt sich im Wesentlichen nur als eine Wiederholung dessen dar, was bereits Gegenstand ihres erstinstanzlichen Vorbringens war (insbesondere gemäß Schriftsatz vom 26.10.1999 nebst Anlagen, Bl. 140 ff. GA), nämlich

* dass Sozialversicherungsträger (zunächst zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt, jetzt bezüglich des Antrags der D. auf den 07.01.1998 und bezüglich des Antrages der S.-G. Ersatzkasse auf den 12.01.1998 konkretisiert, Bl. 436/437 GA) die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gegen die Hauptschuldnerin beantragt haben,

* dass am 20.01.1998 auf Antrag dieser Gläubiger vom AG Magdeburg die Erstellung eines schriftlichen Gutachtens zum Vorliegen eines Eröffnungsgrundes und zur Feststellung einer die Verfahrenskosten deckenden Masse sowie gemäß § 2 Abs.4 GesO die Einstellung anderweitiger gegen die Schuldnerin gerichteter Zwangsvollstreckungsmaßnahmen angeordnet wurde (Bl. 438 f. GA),

* dass nach den Feststellungen im Gutachten vom 02.03.1998 (bereits erstinstanzlich vorgelegt, Bl. 150 ff. GA, jetzt erneut Bl. 441 ff. GA) die Schuldnerin zahlungsunfähig und überschuldet war und eine die Verfahrenskosten deckende Masse nicht ermittelt werden konnte,

* dass mit Beschluss des AG Magdeburg vom 01.04.1998 (Bl. 47 f. GA, erneut Bl. 453 f. GA) die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens mangels Masse abgelehnt wurde,

* dass nach (am 04.05.1998) eingetretener Rechtskraft jenes Beschlusses unternommene Versuche der Klägerin, die Globalzession gegenüber den Drittschuldnern offen zu legen und die Forderungen einzuziehen, erfolglos geblieben sind (Bl. 141 ff. GA nebst Anlagen Bl. 163 ff. GA),

* dass die Gesellschafter der Hauptschuldnerin mit Schreiben vom 16.10.1997 aus ihrer Bürgschaft in Anspruch genommen und Mahnbescheide beantragt wurden (jedoch nur gegen Herrn V. auch aus der Bürgschaft für die Hauptschuldnerin, Bl. 145 f. GA, erneut Bl. 432 GA), dass nach Rücknahme der Einsprüche zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt (jedenfalls vor dem 07.05.1998) Vollstreckungsbescheide ergangen sind, jedoch wegen voraussichtlicher Fruchtlosigkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen abgesehen wurde (Bl. 148 GA; 466 GA),

* dass die Beklagte jeweils zeitnah über den Verlauf informiert wurde (so mit Schreiben vom 12.03.1998, Bl. 52 f. GA, in dem es u.a. heißt: "Bisher steht die Höhe des Ausfalls unserer Forderungen noch nicht fest, zumal die Bürgschaftsschuldner gerade dabei sind eine neue Existenz aufzubauen, die es ermöglichen soll wenigstens Teile der Forderungen zu bedienen. Dies nimmt jedoch einige Zeit in Anspruch" und mit Schreiben vom 07.05.1998 (Bl. 463 ff. GA), dem eine nicht zu den Akten gereichte Zeittafel über den gesamten Ablauf beigefügt war.) In dem letztgenannten Schreiben heißt es u.a.: "Eine betragsgemäße Inanspruchnahme war zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich, da der genaue Betrag bis heute nicht zweifelsfrei feststeht und die Ausgleichsbank nach ihren eigenen Bedingungen erst zahlen muss, wenn feststeht, daß mit nennenswerten Zahlungen nicht mehr zu rechnen ist.. ... Die Bürgen Frau W. und Herr V. wurden aus ihren Bürgschaften in Anspruch genommen. Zahlungstitel liegen vor. Mit ihnen wurde vereinbart, zunächst auf eine Vollstreckung zu verzichten, da sie sich bemühen, über die von ihnen betriebene Firma G. mit dem Vertrieb von Windeln eine neue Existenz aufzubauen und auf diese Weise wenigstens für eine ratenweise Reduzierung der Forderungen zu sorgen..... Sobald die Bürgen wieder über regelmäßige Einkünfte verfügen, ist über eine Ratenvereinbarung zu entscheiden" (Bl. 465 f. GA).

Es bleibt daher nur festzustellen, dass es der Klägerin auch nicht ansatzweise gelungen ist, den fehlenden Vortrag zu einem den Anforderungen des § 777 Abs.1 S.1 BGB entsprechenden Vorgehen nachzuholen. An einem Vorgehen gegen die Hauptschuldnerin hat die Klägerin es gänzlich fehlen lassen. Stattdessen verweist sie weiterhin auf die im Januar 1998 von dritter Seite gegen die Hauptschuldnerin gestellten Anträge auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens. Das kann die Klägerin indessen hinsichtlich der eigenen Untätigkeit ebenso wenig entlasten wie der Umstand, dass die geschäftsführenden Gesellschafter der Hauptschuldnerin bereits aufgrund der von der Klägerin mit Schreiben vom 16.10.1997 ausgesprochenen Kündigung der Geschäftsverbindung nach eigener Einschätzung "Konkursantrag" hätten stellen müssen. Gegen die bürgenden Gesellschafter der Hauptschuldnerin hat die Klägerin zwar Anfang Dezember 1997 das gerichtliche Mahnverfahren eingeleitet (dabei allerdings nur gegen Herrn V. aus der Bürgschaft für die Hauptschuldnerin vorgehend) und zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt Vollstreckungstitel erwirkt, indessen erklärtermaßen auf Vollstreckungsmaßnahmen verzichtet und stattdessen auf den Erfolg von Bemühungen der Bürgen gesetzt, sich über die von ihnen betriebene Firma G. mit dem Vertrieb von Windeln eine neue Existenz aufzubauen und auf diese Weise wenigstens für eine ratenweise Reduzierung der Forderungen zu sorgen, sobald die Bürgen wieder über regelmäßige Einkünfte verfügen würden. Ebenso wenig hat sich die Klägerin um eine unverzügliche Einziehung der ihr zur Sicherheit abgetretenen Forderungen bemüht. Erstmals mit diversen Schreiben vom 30.06.1998 ist die Klägerin mit entsprechenden Zahlungsaufforderungen an die Drittschuldner herangetreten (Bl. 163 - 175).

Aus den bereits mit der Klageschrift vorgelegten allgemeinen Bestimmungen der Beklagten zum DtA-Bürgschaftsprogramm, in deren Nr. 3.1 die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Beklagten geregelt sind, ergibt sich keine andere Beurteilung. Wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 13.06.2002 hervorhebt, stand nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten Ende 1997 weder fest, dass die Hauptschuldnerin leistungsunfähig ist, noch dass die anderweitigen Sicherheiten wertlos sind. Gerade aus diesem Grunde hat der Bundesgerichtshof die im Berufungsurteil vom 27.09.2000 vertretene Auffassung des Senats, dass die Beklagte auch eine unbezifferte Inanspruchnahme gegen sich hätte gelten lassen müssen, verworfen. Hätte es keiner Feststellung des Ausfalls mehr bedurft, hätte die Klägerin sich auch nicht mit einem "Zwischenbescheid" nach Maßgabe des Schreibens vom 20.11.1997 zur "vorläufigen" Wahrung ihrer Rechte begnügen dürfen. Nur weil der Klägerin - so der BGH a.a.O. - zu dem angegebenen Stichtag mehr nicht möglich war, konnte die Beklagte erst in der Folgezeit gemäß § 777 Abs.1 S.1 BGB frei werden, weil die Klägerin den dort bestimmten Anforderungen an die unverzügliche Feststellung des Ausfalls nicht nachgekommen ist. Aus dem Vorbringen der Parteien und der Aussage des erstinstanzlich als Zeuge vernommenen Herrn T. (seinerzeit Gruppenleiter der Abteilung Bürgschaft der Beklagten) lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Beklagte etwa hinsichtlich der Verwertung anderer Sicherheiten, insbesondere der Globalzession, auf ein den Anforderungen des § 777 Abs.1 S.1 BGB entsprechendes Vorgehen der Klägerin verzichtet hat.

Nach alledem verbleibt es dabei, dass die Beklagte gemäß § 777 Abs.1 S.1 BGB von ihrer Bürgschaftsverpflichtung frei geworden ist. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass kein gesetzlicher Grund i.S.d. § 543 Abs.2 ZPO n.F. besteht, die Revision zuzulassen. Die prozessualen Nebenentscheidungen im übrigen beruhen auf den §§ 91 Abs.1 , 708 Nr.10, 711 ZPO.

Streitwert: 51.129,19 EUR.

Ende der Entscheidung

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