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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 13.06.2001
Aktenzeichen: 13 W 29/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GKG


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 567 ff.
ZPO § 127 Abs. 4
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 242
BGB § 570
GKG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

13 W 29/01

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Eßer, die Richterin am Oberlandesgericht Wahle und den Richter am Amtsgericht Bröder

am 13. Juni 2001

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin vom 2. Mai 2001 gegen den ihr die nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigernden Beschluss des Landgerichts Aachen vom 11. April 2001 - 9 O 147/01 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Das Landgericht hat der Antragstellerin zu Recht Prozesskostenhilfe verweigert, da die von ihr beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO). Zwar kann bei der Beurteilung der etwaigen Sittenwidrigkeit der von der Antragstellerin eingegangenen Verpflichtung entgegen der Auffassung des Landgerichts jedenfalls auf der Grundlage des unter Beweis gestellten Vorbringens der Antragstellerin nicht (allein) auf ihre formale Stellung als Mitdarlehensnehmerin abgestellt werden; jedoch ist, was auch die Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis trägt, zu berücksichtigen, dass der Antragstellerin durch den hälftigen Miteigentumsanteil an dem erworbenen Grundstück, dessen Finanzierung das Darlehen diente, ein unmittelbarer und ins Gewicht fallender geldwerter Vorteil erwachsen ist, der eine Bewertung des Darlehensvertrages als sittenwidrig hindert.

In dem angegriffenen Beschluss geht das Landgericht zutreffend davon aus, dass allein die Tatsache, dass sich die Antragstellerin mit der gegenüber der Beklagten eingegangenen Verpflichtung wirtschaftlich überfordert haben mag, nicht zur Sittenwidrigkeit des Vertrages führt. Zum einen ist es zunächst Sache des Darlehensnehmers selbst, seine Leistungsfähigkeit zu prüfen; er kennt seine finanziellen Verhältnisse selbst am besten und muss grundsätzlich in eigener Verantwortung und in eigenem Interesse prüfen, ob er die eingegangene Verpflichtung erfüllen kann (Senat WM 1999, 1817; Nobbe, Bankrecht - Aktuelle höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung, 1999, Rn. 462 - je zur Frage entsprechender Aufklärungspflichten der Banken). Zum anderen müssen zu der finanziellen Überforderung weitere, dem Darlehensgeber zurechenbare Umstände hinzutreten, durch die ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern hervorgerufen wird, das die Verpflichtung als rechtlich nicht hinnehmbar erscheinen lässt (Nobbe, a. a. O., Rn. 1338 m. N.). Erst bei einer krassen finanziellen Überforderung besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese zusätzlichen Umstände ebenfalls gegeben sind.

Den von der Antragstellerin angeführten, vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen zur Beachtung der Privatautonomie bei der Auslegung der §§ 138 Abs. 1, 242 BGB trägt die Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat anschließt, und zwar sowohl des früher für das Bürgschaftsrecht zuständigen 9. Zivilsenats sowie des für das Bankrecht und damit für die Fragen der Mithaftung bei Darlehensverträgen zuständigen 11. Zivilsenats (vgl. die Darstellung bei Nobbe, a. a. O., Rn. 1010 ff. und 1324 ff. je mit umfangreichen Nachweisen), zuletzt nochmals ausführlich im Urteil vom 14.11.2000 (NJW 2001, 815 ff.), wie folgt Rechnung:

Zu differenzieren ist zwischen sogenannten echten Mitdarlehensnehmern, die ein eigenes Interesse an der Kreditgewährung haben und im wesentlichen gleichberechtigt über die Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden, und solchen, die zwar formal Mitdarlehensnehmer sind, dem Kreditgeber aber lediglich wie ein Mithaftender gegenüberstehen (vgl. auch BGH NJW 1999, 135; Nobbe, a. a. O., Rn. 1328 - 1330). Während bei ersteren aufgrund des eigenen Interesses regelmäßig auch bei krasser finanzieller Überforderung eine Beurteilung als sittenwidrig nicht in Betracht kommt, führt bei einem lediglich Mithaftenden, jedenfalls wenn es sich um einen Ehepartner oder nahen Angehörigen handelt, eine krasse finanzielle Überforderung bei nicht ganz geringfügigen Verpflichtungen grundsätzlich zur Annahme der Sittenwidrigkeit. Grund hierfür ist, dass bei einer krassen finanziellen Überforderung eine tatsächliche Vermutung dafür besteht, dass sich der mithaftende Ehegatte oder nahe Angehörige nicht von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos hat leiten lassen, sondern allein von seiner emotionalen Bindung an den wahren einzigen Kreditnehmer, und dass dies der Kreditgeber in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat. Auch ist bei einer krassen finanziellen Überforderung des Mitverpflichteten regelmäßig davon auszugehen, dass der Kreditgeber die die Überforderung begründenden Tatsachen und Verhältnisse schon bei Vertragsschluss gekannt hat, da es banküblichen Gepflogenheiten entspricht, Sicherheiten auf ihre Werthaltigkeit zu überprüfen, oder dass der Kreditgeber sich diesen Tatsachen und Verhältnissen bewusst verschlossen hat.

Bei der Beurteilung der Frage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der etwaigen Überforderung ist allein auf das Leistungsvermögen, d. h. das Einkommen und das Vermögen des Mitverpflichteten abzustellen. Eine krasse finanzielle Überforderung ist dabei dann zu bejahen, wenn der Mitverpflichtete voraussichtlich nicht einmal in der Lage ist, die laufenden Zinsen mit seinen eigenen finanziellen Mitteln auf Dauer aufzubringen. Anderweitige, dem Kreditgeber eingeräumte Sicherheiten sind grundsätzlich nur dann zu berücksichtigen, wenn dadurch das Haftungsrisiko in rechtlich gesicherter Weise beschränkt wird. Auch sind bloße mittelbare Vorteile, insbesondere dadurch, dass der Mitverpflichtete mittelbar von der Darlehensgewährung an den Ehegatten oder nahen Angehörigen profitiert, nicht zu berücksichtigen.

Anders verhält es sich dagegen, wenn der Mitverpflichtete zusammen mit dem Ehepartner oder nahen Angehörigen ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hat oder wenn ihm aus der Verwendung der Darlehensvaluta unmittelbare und ins Gewicht fallende geldwerte Vorteile erwachsen. Denn in diesen Fällen besteht bei wirtschaftlicher Betrachtung kein relevanter Unterschied zu den Fällen, in denen der Mitverpflichtete zusammen mit dem anderen Ehegatten den Kredit als gleichberechtigter Vertragspartner aufgenommen und verwandt hat, mithin in den Fällen, in denen eine Verpflichtung als "echter" Mitdarlehensnehmer besteht. Hier muss sich der Mitverpflichtete bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit wie ein echter Mitdarlehensnehmer behandeln lassen (BGH NJW 1999, 2584, 2585; 2001, 815, 817 unter 4. a)). mit der Folge, dass eine Beurteilung der Verpflichtung als sittenwidrig auch bei krasser finanzieller Überforderung grundsätzlich nicht in Betracht (BGH NJW 2001, 815, 816 unter 1.) kommt.

Nach den aufgezeigten Grundsätzen ist auf der Grundlage des Vortrages der Antragstellerin zwar eine finanzielle Überforderung, und zwar auch eine krasse finanzielle Überforderung zu bejahen. Die Zinsraten für beide Darlehen belaufen sich auf ca. 2.600,00 DM, hinzu kommt der Beitrag für die Lebensversicherung in Höhe von 740,00 DM. Dem steht ein damaliges Nettoeinkommen der Antragstellerin in Höhe von 1.264,00 DM gegenüber, so dass diese nicht in der Lage war, die laufenden Zinsen aufzubringen. Zu berücksichtigen ist aber, und darauf kommt es entscheidend an, dass die Antragstellerin einen hälftigen Miteigentumsanteil an dem zu einem Kaufpreis von 550.000,00 DM erworbenen Objekt, zu dessen Finanzierung die Aufnahme der beiden Darlehen diente, erworben und damit einen "ins Gewicht fallenden geldwerten Vorteil" erhalten hat. Hinzu kommt, was die Beklagte unbestritten vorgetragen hat, dass das auf dem Grundstück betriebene Restaurant vermietet bzw. verpachtet ist und daraus Mieteinnahmen erzielt werden. Diese stehen der Antragstellerin zusammen mit ihrem Ehemann als Gesamtgläubigern zu. Zwar hat die Antragstellerin diesbezüglich vorgetragen, ihr Mann habe das Restaurant selbst betreiben wollen. Dies wäre in Hinblick auf § 570 BGB aber nur dann möglich, wenn das Mietverhältnis gekündigt oder einvernehmlich aufgehoben worden wäre. Dazu hat die Antragstellerin keine Angaben gemacht; vielmehr hat sie den Vortrag der Beklagten unwidersprochen gelassen, das Restaurant werde von dem selben Pächter wie zuvor weiter betrieben und der Ehemann der Antragstellerin sei unbekannten Aufenthalts.

Die Behauptung der Antragstellerin, das Grundstück sei "über Wert" gekauft worden, ist zum einen nicht hinreichend bestimmt und rechtfertigt zum anderen auch keine andere Beurteilung. Für die rechtliche Gleichbehandlung mit einer Mitdarlehensnehmerin reicht es aus, dass durch die Kreditgewährung "ins Gewicht fallende geldwerte Vorteile" erwachsen. Es ist danach nicht erforderlich, dass als Vorteil der genaue Gegenwert der eingegangenen Verpflichtung dem Vermögen des Verpflichteten zufließt. Vielmehr zeigt sich in der Erlangung eines unmittelbaren Vorteils das Eigeninteresse, und es ist das wirtschaftliche Risiko des Kreditnehmers, welche Verpflichtungen er zur Befriedigung dieses Interesses eingeht.

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Beklagte eine ihr im Verhältnis zu der Antragstellerin obliegende Aufklärungspflicht verletzt haben könnte.

Ob und wie weit ein Kreditgeber eingeräumte Sicherheiten prüft, liegt ausschließlich in seinem Interesse und nicht im Interesse des Kreditnehmers (BGH NJW 1992, 1820; 1998, 305; Senat WM 1999, 1817). Sollte entsprechend der Behauptung der Antragstellerin das erworbene Grundstück weniger Wert sein als der gezahlte Kaufpreis, so wäre auch die in Form der dinglichen Absicherung der Beklagten eingeräumte Sicherheit weniger werthaltig. Eine etwaige unzureichende diesbezügliche Überprüfung durch die Beklagte betrifft somit nur deren Risikobereich, begründet aber keine Pflichtverletzung im Verhältnis zu der Antragstellerin. Auch dann, wenn die Beklagte positiv gewusst haben sollte, dass der Kaufpreis überteuert ist, hätte dies keine Aufklärungspflicht im Verhältnis zu der Antragstellerin und deren Ehemann begründet. Eine solche Pflicht kann sich vielmehr allenfalls dann ergeben, wenn der Kreditgeber von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Kreditnehmers durch den Verkäufer ausgehen muss (BGH NJW 2000, 2353). Dies kann dann angenommen werden, wenn der Wert der Leistung etwa doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Dafür, dass der Wert des Grundstücks noch nicht einmal etwa 300.000,00 DM betragen sollte, liegen aber keine Anhaltspunkte vor; dies wird auch von der Antragstellerin nicht behauptet. Im übrigen käme auch in einem solchen Fall nur dann eine Aufklärungspflicht in Betracht, wenn die Beklagte positiv von einem solch niedrigen Wert gewusst hätte. Denn sie war nicht gehalten, selbst etwaige Nachforschungen in dieser Hinsicht durchzuführen (vgl. Nobbe, a. a. O., Rn. 467).

Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht, §§ 1 GKG, 127 Abs. 4 ZPO.



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