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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.02.2003
Aktenzeichen: 13 W 41/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 567
ZPO § 569
ZPO § 850 c Abs. 1
BGB § 138 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 19. 07. 2002 gegen den die Prozesskostenhilfe verweigernden Beschluss des Landgerichts Köln vom 25.06.2002 - 3 O 786/01 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die nach den §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Landgericht hat der Beklagten zu Recht Prozesskostenhilfe verweigert, da die von ihr beabsichtigte Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 114 ZPO.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ihre Bürgschaftserklärung vom 22. 10. 1998 für die Darlehensverbindlichkeiten ihres damaligen Lebensgefährten aus dem mit "Auto-Darlehens-Vertrag" überschriebenen Kreditvertrag vom 22./26. 10. 1998 zur Finanzierung des Kaufs eines Kraftfahrzeuges der Marke Peugeot/206 Style zum Preis 26.305.- DM nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig.

Es kann dahinstehen, ob die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Sittenwidrigkeit von Mithaftung und Bürgschaft finanziell überforderter Lebens- und Ehepartner entwickelten Grundsätze auf einen bürgenden Lebenspartner Anwendung finden können, der sich - wie hier - für ein den Umfang üblicher Konsumentenkredite nicht übersteigendes Darlehen verbürgt hat. Denn auch bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Bürgschaftserklärung der Beklagten vom 22. 10. 1998 im Ergebnis nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig.

1.

Allerdings spricht bei einer krassen finanziellen Überforderung eine - widerlegliche - Vermutung dafür, dass sich der Lebenspartner bei der Übernahme der Bürgschaft nicht von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos hat leiten lassen, sondern allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner gehandelt und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat. Eine krasse finanzielle Überforderung liegt vor, wenn der Mithaftende voraussichtlich nicht einmal die vertraglich festgelegten laufenden Zinsen aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles auf Dauer tragen kann (BGH WM 2001, 1330 = NJW 2001, 2466 (IX. ZS); BGH WM 2002, 125=NJW 2002, 746 (XI. ZS); BGH WM 2002, 1649, 1651 jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzung ist bei der Beklagten gegeben. Das der Beklagten, einer Mutter von vier minderjährigen Kindern, zur Verfügung stehende Monatseinkommen von 550.- DM - gleich, ob es sich hierbei um Unterhaltszahlungen ihres geschiedenen Ehemannes oder um Nettolohn aus einem Arbeitsverhältnis handelte - muss entgegen der Auffassung des Landgerichts in den in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 23. 07. 2002 in Bezug genommenen Entscheidungsgründen des am gleichen Tage verkündeten Urteils schon deswegen unberücksichtigt bleiben, weil es unter der Pfändungsgrenze des § 850 c Abs. 1 ZPO in der bis zum 31. 12. 2001 geltenden Fassung bleibt (zur notwendigen Beachtung der Pfändungsgrenzen vgl. BGH BKR 2002, 626, 627). Deshalb war nicht zu erwarten, dass die Beklagte während der vereinbarten Darlehenslaufzeit von sechs Jahren jemals aus eigenem pfändungsfreien Arbeitsverdienst auch nur einen geringen Teil der laufenden Zinslast würde tragen können, die sich nach den vertraglichen Vereinbarungen in dem Kreditvertrag hinsichtlich des Nettokreditbetrages von (26.305.- DM Fahrzeugkaufpreis + 1.081.-DM Restschuldversicherungsprämie) 27.386.- DM bei einem effektiven Jahreszins von 7,90 % auf anfänglich monatlich 180,29 DM belief.

2.

Die wegen der krassen finanziellen Überforderung grundsätzlich bestehende tatsächliche Vermutung, dass die Beklagte sich bei der Übernahme der Bürgschaft nicht von einer realistischen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos, sondern von ihrer emotionalen Bindung an den Hauptschuldner hat leiten lassen und die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, ist hier jedoch mit Rücksicht auf die weiteren besonderen Umstände des Falles widerlegt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein auf einen freien Willensentschluss hindeutendes oder ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit voll ausgleichendes Eigeninteresse des finanziell krass überforderten Bürgen an der Darlehensgewährung anzunehmen, wenn er zusammen mit dem - gefühlsmäßig verbundenen - Partner ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hat oder wenn ihm aus der Verwendung der Darlehensvaluta unmittelbare und ins Gewicht fallende geldwerte Vorteile erwachsen sind. Solche Vorteile sind vor allem dann gegeben, wenn der Bürge ähnlich wie ein Mitdarlehensnehmer über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheidet (BGHZ 120, 272, 278; BGH NJW 1999, 135). Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise besteht dann kein wesentlicher Unterschied zu den Fällen, in denen die Partner den Kredit als gleichberechtigte Vertragspartner aufgenommen und verwandt haben (BGH NJW 2001, 815, 817). Der Bürge hat dann auch ein eigenes - sachliches und/oder persönliches - Interesse an der Kreditgewährung; sein Handeln kann daher nicht fremdbestimmt sein, so dass es gerechtfertigt erscheint, die finanziell krass überfordernde Bürgschaftserklärung nicht als sittenwidrig anzusehen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn mit dem Kredit ein Familienauto oder notwendige Haushaltsgegenstände finanziert werden sollen, an deren Anschaffung der bürgende Lebenspartner ein eigenes Interesse hat und die er auch selbst nutzt (vgl. BGH NJW 1993, 322, 323 f.; NJW 1994, 1278, 1280; NJW 1994, 1726, 1727 ; Gundlach, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch Bd. II, 2. Aufl., § 82 Rn. 102). So liegt es auch hier. Mit dem Kredit wurde der Kauf eines neuen Kraftfahrzeugs zum Preis von 26.305.- DM finanziert. Es ist offensichtlich, dass von der Anschaffung dieses Fahrzeugs die damals bei dem Darlehensnehmer wohnende Beklagte mit ihren vier minderjährigen Kindern in erheblichem Umfange selbst profitierte, wie das Landgericht zu Recht hervorgehoben hat. Anders als in dem Fall, wo ein Kredit zur Finanzierung eines teuren Kraftfahrzeuges dient, mit dem der Kreditnehmer vorwiegend seine Autoleidenschaft befriedigen will (vgl. hierzu BGH NJW 1974, 1726, 1727), diente der Neufahrzeugkauf mit Rücksicht auf die Verhältnisse auf Darlehensnehmerseite ersichtlich der Verwirklichung der gemeinsamen Lebensplanung. Hinzu kommt, dass der Zweck des Kredits in der mit "Auto-Darlehens-Vertrag" überschriebenen Vertragsurkunde, welche die Beklagte als Bürgin mitunterzeichnet hat, genau festgelegt ist. Der Kreditvertrag enthält zudem genaue Angaben über den Typ des zu erwerbenden Neufahrzeuges und weist dessen Kaufpreis aus. Aufgrund dieser Vertragsgestaltung des mit der Bürgschaftserklärung in einer Urkunde zusammengefassten "Auto-Darlehens-Vertrages" hat die Beklagte, auch wenn sie ihre Unterschrift nur als Bürgin geleistet hat, ähnlich wie ein Mitdarlehensnehmer über die Verwendung der Darlehensvaluta für den Kauf des genau bezeichneten Kraftfahrzeuges mitentschieden, so dass ihre finanziell krass überfordernde Bürgschaftserklärung nicht als sittenwidrig anzusehen ist. Wegen dieser Besonderheit des Falles kann dahinstehen, ob bei einer Bürgschaft für ein Darlehen, das den Umfang üblicher Konsumentenkredite nicht übersteigt und bei dem im Kreditvertrag der Verwendungszweck genau angegeben ist, die von der Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Mithaftung und Bürgschaft finanziell überforderter Lebens- und Ehepartner entwickelten Grundsätze schon von vornherein deswegen keine Anwendung finden können, weil sich aus derartigen Konsumentenkrediten in der Regel unmittelbare wirtschaftliche Vorteile nicht nur für den Kreditnehmer selbst, sondern auch für den in Lebensgemeinschaft mit ihm stehenden und das finanzierte Konsumgut mitnutzenden Bürgen ergeben, wie das Landgericht gemeint hat. .

3.

Den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zu der von der Beklagten angegriffenen Höhe der verbürgten Hauptforderung und zur Aktivlegitimation der Klägerin ist nichts hinzuzufügen.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (vgl. §§ 1 GKG, 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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