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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 25.10.2001
Aktenzeichen: 14 UF 106/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1592 Nr. 2
BGB §§ 1594 ff.
BGB § 1600 c II
BGB § 1600
BGB § 1600 b I
BGB § 1600 b
BGB § 1600 a IV
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

14 UF 106/01

Anlage zum Protokoll vom 25.10.2001

Verkündet am 25.10.2001

In der Kindschaftssache

pp.

hat der 14. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 25.9.2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am OLG Dr. Büttner und der Richter am OLG Quack und Thiesmeyer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom 25.1.2001 (304 F 214/00) wird zurückgewiesen. Es wird klarstellend festgestellt, dass der Kläger nicht der Vater der Beklagten ist.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der am ...1945 in S. geborene Kläger ist Weißer und heiratete am 30.3.1999 die am ...1964 in K. geborene Mutter der Beklagten, die schwarzer Hautfarbe ist. Die Beklagte wurde am ...1984 in K. geboren und ist ebenfalls schwarzer Hautfarbe. Zur Zeit der Heirat (und weiterhin) war der Kläger infolge einer hochgradigen Zuckerkrankheit mit 100 % MdE schwerbehindert.

Am 25.5.1999 erklärte der Kläger vor dem Standesbeamten in Kö. die Anerkennung der Vaterschaft für die Beklagte, dem stimmte die Mutter der Beklagten vor dem Standesbeamten in Kö. am 8.6.1999 zu.

Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger nicht der biologische Vater der Beklagten ist. Der Kläger kannte die Mutter der Beklagten in der Empfängniszeit noch gar nicht, sondern er hat sie erst Weihnachten 1998 kennengelernt.

Der Kläger räumt ein, eine bewußt wahrheitswidrige Vaterschaftsanerkennung abgegeben zu haben. Er habe die Hoffung gehabt, mit der Mutter der Beklagten und der Beklagten eine Familie gründen zu können. Schon bald habe er aber erkennen müssen, dass die Mutter der Beklagten und die Beklagte dazu nicht bereit gewesen seien, insbesondere nicht, seine Behinderung zu berücksichtigen.

Schon kurz nach der Eheschließung hat er einen "Antrag auf Aufhebung der Ehe" bei Gericht eingereicht (304 F 166/99 AG Köln), der am 9.9.1999 zurückgenommen worden ist. Am 7.8.2000 hat der Kläger Scheidungsantrag gestellt (304 F 269/00 AG Köln), über den noch nicht entschieden ist. Mit der am 18.6.2000 eingereichten Klage ficht er sein Vaterschaftsanerkenntnis an.

Er hat beantragt,

festzustellen, daß er nicht der Vater der Beklagten sei.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, der Kläger habe sein Anfechtungsrecht verwirkt, weil er ein bewußt falsches Anerkenntnis abgegeben habe. Die Anfechtung verstoße auch gegen das Kindeswohl, da sie infolge des Anerkenntnisses und auf Wunsch des Klägers ihre Schulausbildung in K. zwei Jahre vor dem Abitur abgebrochen habe. Auf seinen Wunsch sei sie nach Deutschland gekommen, wo sie jetzt ihr Abitur machen wolle.

Das Jugendamt ist am 9.2.2000 als Ergänzungspfleger bestellt worden (51 VIII C 105/99 AG Köln).

Durch die angefochtene Entscheidung, auf deren Inhalt wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Vaterschaftsanerkennung für unwirksam erklärt und so auch tenoriert.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, die Vaterschaftsanfechtung sei wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam, jedenfalls verstoße sie gegen das Kindeswohl.

Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung. Er erhebt Anschlussberufung mit dem Antrag,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen,

dass der Kläger nicht der Vater der Beklagten ist.

Er meint, bei der Tenorierung des Amtsgericht handele es sich um eine offenbare Unrichtigkeit, denn es müsse festgestellt werden, dass der Kläger nicht der Vater der Beklagten sei, die Tenorierung des Amtsgerichts, die nur die Vaterschaftsanerkennung für unwirksam erkläre, sei nicht ausreichend. Eine Kindeswohlprüfung sei bei der Anfechtungsklage des Anerkennenden nicht vom Gesetz vorgesehen, im übrigen habe die Beklagte aber auch gar kein Interesse an einer Vater-Tochter-Beziehung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet. Die "Anschlussberufung" führt nur zu einer ergänzenden Klarstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.

1)

Gem. § 1592 Nr.2 BGB ist der Mann, der nach §§ 1594 ff. BGB die Vaterschaft wirksam anerkannt hat, Vater des Kindes. Gegen die Wirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses bestehen auch dann keine Bedenken, wenn eine bewußt wahrheitswidrige Anerkennung erklärt wird. Das ergibt sich aus § 1600c II BGB, wonach die Vaterschaftsvermutung des Anerkennenden nur dann nicht gilt, wenn der Anerkennende die Vaterschaft anficht und seine Anerkennung unter einem Willensmangel leidet. Auch ein bewußt falsches Vaterschafts-anerkenntnis ist daher ansonsten wirksam.

2)

Gem. § 1600 BGB ist der Mann, dessen Vaterschaft aufgrund des Anerkenntnisses besteht, berechtigt, die Vaterschaft gerichtlich anzufechten. Diese Anfechtung muss gem. § 1600 b I BGB binnen zwei Jahren ab dem Zeitpunkt, in dem der Mann Kenntnis von den Umständen erlangt, die gegen seine Vaterschaft sprechen, erfolgen.

Bei einem bewusst unwahren Anerkenntnis beginnt die Frist mit der Wirksamkeit des Anerkenntnisses. Die Frist ist im Streitfall gewahrt, da vor Ablauf der Zweijahres-Frist die Anfechtungsklage bei Gericht eingereicht wurde. Das Gesetz sieht dagegen nicht vor, dass nur dann angefochten werden kann, wenn erst nach der Anerkenntniserklärung Kenntnis von den Umständen erlangt wird, so dass auch ein bewußt wahrheitswidriges Anerkenntnis angefochten werden kann (KG NJW-RR 1995, 70). Es ist mit Recht gesagt worden, dass dahinter der Gedanke der Förderung gerade auch von Gefälligkeitsanerkenntnissen steckt, die fast immer im Zusammenhang mit der Heirat der Mutter abgegeben werden und zu denen es bei einer Unanfechtbarkeit dieser Erklärung schwerer käme (Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 4. Aufl. (1994), § 52 IV 2 m.w.N.). Anfechtungsgrund ist nicht ein Irrtum der Beteiligten, sondern ausschließlich die objektive Unrichtigkeit der Anerkennung (Staudinger/Rauscher, 13. Aufl. (1997), § 1600g a.F. Rdnr. 7; MünchKomm BGB/Mutschler, 3. Aufl., § 1600g a.F. Rdnr. 3).

Damit stimmt überein, dass der Mann nach Zustimmung zu einer heterologen Insemination der Frau anfechten kann (BGH FamRZ 1995, 1272; dagegen Roth FamRZ 1996, 769; anders de lege ferenda Kirchmeier FamRZ 1998, 1281). Auch in diesen Fällen hat der Mann von Anfang an Kenntnis davon, dass das Kind nicht von ihm abstammt.

Entgegen der Auffassung der Berufung ist die Anfechtung im Streitfall nicht wegen Rechtsmißbrauchs ausgeschlossen. Wenn der Gesetzgeber die Anfechtung nicht davon abhängig gemacht hat, dass der Anerkennende erst nach dem Anerkenntnis von seiner Nichtvaterschaft erfährt, kann die blosse Tatsache des bewusst wahrheitswidrigen Anerkenntnisses nicht genügen, einen Rechtsmißbrauch anzunehmen (ebenso Palandt/Diederichsen, BGB, 60. Aufl. (2001), § 1600b Rdnr. 1). Innerhalb der Anfechtungsfrist nach § 1600b BGB kann die Vaterschaft daher auch dann angefochten werden, wenn sich die Erwartungen des Anerkennenden aus seiner Sicht nicht erfüllen. Innerhalb dieser Zweijahresfrist ist nach dem Gesetz eine freie Entscheidung möglich, ob von der Anfechtung Gebrauch gemacht wird oder nicht, insoweit hat der Mann Gelegenheit, innerhalb der Frist zu prüfen, ob er das fremde Kind auf Dauer als eigenes betrachten will. Das gilt auch dann, wenn - wie meistens - zunächst auf die Rechtsbeständigkeit der Anerkennung vertraut worden ist, denn auch das Kind bzw. seine gesetzliche Vertreterin wussten oder konnten wissen, dass die Anfechtungsfrist noch lief. Bei durch Hemmung der Frist besonders langem Fristlauf hat der BGH (LM 1952, § 1598 a.F. Nr.2) einen Rechtsmißbrauch für möglich gehalten, wenn besondere Vertrauenstatbestände geschaffen worden sind. Bei Anfechtung innerhalb der Zweijahresfrist können zwar auch besondere Umstände zum Verlust des Anfechtungsrechts führen, solche liegen aber im Streitfall nicht vor, insbesondere können sie - wie ausgeführt - nicht aus dem falschen Anerkenntnis als solchem oder aus dem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Anerkenntnisses und deshalb veranlassten Maßnahmen hergeleitet werden. Demgemäß wird auch ein rechtsgeschäftlicher Verzicht auf das Anfechtungsrecht als unwirksam angesehen, weil das Anfechtungsrecht der rechtsgeschäftlichen Disposition entzogen ist (BGH FamRZ 1983, 686; 1995, 1272 (1273); Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 4. Aufl. (1994), § 51 III 2; Erman/Holzhauer, BGB, 10. Aufl. (2000), § 1600 Rdnr.3; a.A. Roth FamRZ 1996, 769 bei Einverständnis mit heterologer Insemination). Wenn selbst ein ausdrücklicher rechtsgeschäftlicher Verzicht unwirksam ist, kann das blosse Vertrauen auf die Anerkenntniserklärung selbst keinen Ausschluss des Anfechtungsrechts wegen Rechtsmißbrauchs begründen. Das gilt auch dann, wenn der Anerkennde unter einen solchen stillschweigenden Verzicht z.B. einen Umzug des Kindes veranlasst hat.

Die Vorschriften über die Aufhebung einer Adoption (§ 1760 BGB) sind auf das Vaterschaftsanerkenntnis nicht entprechend anwendbar (BGH FamRZ 1995, 1272 (1274).

Die Anfechtung ist auch nicht deshalb rechtsmißbräuchlich, weil sie im Gegensatz zu den Interessen des Kindes steht, für das die Vaterschaft anerkannt wurde, wie sich aus der Unanwendbarkeit des § 1600a IV BGB auf die Anfechtungsklage des Vaters selbst ergibt (dazu unter 3). Die Lösung der Probleme infolge des Anerkenntnisses geschaffener Vertrauenstatbestände muss auf anderer Ebene gesucht werden, so z.B. in der rechtsgeschäftlichen Unterhaltszusage (so mit Recht BGH FamRZ 1995, 861, 865 bei Einverständnis mit heterologer Insemination) oder auch auf ausländerrechtlicher Ebene. Für den Streitfall muss daher nicht aufgeklärt werden, ob der Kläger veranlasst hat, dass die Beklagte ihre Ausbildung in K. abbrach und nach Deutschland kam.

3)

Entgegen der Auffassung der Berufung ist die Anfechtung nicht nur wie gem. § 1600a IV BGB zulässig, wenn sie dem Kindeswohl entspricht. Nur wenn die Anfechtung durch den gesetzlichen Vertreter des Kindes vom Kind selbst geltend gemacht wird, stellt das Gesetz diese zusätzliche Zulässigkeits-voraussetzung auf. Das ergibt sich daraus, dass der gesetzliche Vertreter für das Kind handelt und sichergestellt werden muss, dass seine Anfechtung dem Wohl des Vertretenen entspricht, da der Vertretene nach seiner Volljährigkeit an die Anfechtung gebunden bleibt. Für die anderen Anfechtungsberechtigten - den Mann, die Mutter und das volljährige Kind (vgl. § 1600 BGB) - sieht das Gesetz dagegen keine Kindeswohlprüfung vor, weil diese Anfechtungsberechtigten aus eigenem Recht handeln und eine Lösung des Eltern- Kind - Verhältnisses auch dann gerechtfertigt ist, wenn dies nicht dem Kindeswohl entspricht, da es um eigene Rechte und Verpflichtungen der Anfechtungsberechtigten geht (vgl. auch BGH FamRZ 1998, 1577 (1578) - die Anfechtungsklage dient allein der Klärung der Abstammung. Jedenfalls für den Mann ist diese Loslösung von der Kindeswohlprüfung auch sachlich gerechtfertigt und verfassungskonform, weil ihm nicht zuzumuten ist, die Rechtsbeziehung allein aus Gründen des Kindeswohls aufrechtzuerhalten (ebenso Gaul FamRZ 1997, 1441 (1457), der den Wegfall der Kindeswohlprüfung bei der Anfechtung der Mutter dagegen kritisiert; Stein/Scholz/Eckebracht, Praxishandbuch Familienrecht, Teil Q Rdnr. 78).

4)

Die Anfechtung der Vaterschaft aufgrund einer Anerkennung erfolgt durch Feststellungsklage, die darauf gerichtet ist, dass die Anerkennung unwirksam und der Anerkennende (demzufolge) nicht der Vater des Kindes ist (Künkel, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, Stand: Sept. 2000, III C 95). Nur zur Klarstellung war daher der Tenor der Entscheidung des Amtsgerichts zu ergänzen.

5) Der Senat hat geprüft, ob die Revision zuzulassen ist (§ 546 I ZPO). Da er der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt, hat er dies verneint.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 4.000 DM.

Ende der Entscheidung

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