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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 11.12.2000
Aktenzeichen: 14 UF 130/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, FGG


Vorschriften:

BGB § 1600e II
BGB § 114
BGB § 616
ZPO § 640 I
FGG § 12
LEITSATZ

1) Im Abstammungsprozeß, in dem der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, muss erforderlichenfalls auch eine Gewebeprobe eines Verstorbenen, gegebenenfalls nach Exhumierung, untersucht werden.

2) Prozeßkostenhilfe kann im Antragsverfahren nur bewilligt werden, wenn das auf Feststellung der Vaterschaft des Verstorbenen antragende Kind darlegt, ob noch Gewebeproben vorhanden sind (z.B. in Krankenhäusern) oder wo der Verstorbene beerdigt ist und dass die dazu Berechtigten der Exhumierung zustimmen. Es ist im FGG-Antragsverfahren auch bei Amtsermittlung nicht Sache des Gerichts, von sich aus die Voraussetzungen der Amtsermittlung zu schaffen.

3) Weiter kann Prozeßkostenhilfe wegen Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung nicht gewährt werden, wenn der Antragsteller nicht dartut, dass ein begüterter Antragsteller die Aufwendungen für die Feststellung der Vaterschaft selbst tragen würde.

OLG Köln, 14. Zivilsenat - Familiensenat - Beschl. v. 11.12.2000 - 14 UF 130/00


OBERLANDESGERICHT KÖLN Beschluss

14 UF 130/00 52 VII L 24/94 Amtsgericht Köln

In dem Vaterschaftsfestellungsverfahren

betreffend das minderjährige Kind pp.

gesetzlich vertreten durch das Jugendamt der Stadt K. als Amtsvormund

hat der 14. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am OLG Dr. Büttner, den Richter am OLG Quack und den Richter am OLG Thiesmeyer

am 11.12.2000

beschlossen:

Tenor:

Der Prozeßkostenhilfeantrag zur Durchführung einer Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 27.9.2000 (52 VII L 24/94) wird zurückgewiesen.

GRÜNDE

I.

Die minderjährige am 7.10.1993 geborene Antragstellerin ist Tochter der Frau M. L. (geb. 18.9.1960), die drogenabhängig ist. Die Antragstellerin ist der Auffassung, der am 2.10.1994 vermutlich an einer Drogenüberdosis verstorbene M. C. (geb. 4.3.1966) sei ihr Vater, weil ihre Mutter erklärt habe, in der Empfängniszeit ausschließlich mit M. C. verkehrt zu haben. Das Kind lebt seit Jahren in einer Pflegefamilie und das Jugendamt der Stadt K. ist Vormund.

Schon am 14.8.1995 hat der Vormund - mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts - beantragt festzustellen, dass der am 2.10.1994 geborene M. C. Vater des Kindes sei. Die Eltern von M. C. sind verstorben. Das Amtsgericht hat die Großmutter von M. C., Frau A. C. (geb. 28.7.1907) 1997 in ihrer Wohnung vernommen. Sie hat bekundet, M. C. habe sich als Kindesvater angesehen. Nach zahlreichen Versuchen und mehreren erfolglosen Vorführungsbefehlen ist es schließlich am 15.4.1999 gelungen, eine schriftliche Erklärung der Kindesmutter beizubringen, in der diese erklärt, in der Empfängniszeit nur mit Herrn C. verkehrt zu haben. Zur Blutentnahme ist Frau L. erst nach mehreren ergebnislosen Vorführungsbefehlen am 30.5.2000 erschienen. Prof. Dr. P. hat unter Einbeziehung des Kindes Lo. , der Kindesmutter, der Urgroßmutter des Kindes Frau A. C. und einer Tante des M. C. ein Blutgruppengutachten erstattet. Das Gutachten hat einen Wahrscheinlichkeitswert von 55,0826 % für die Vaterschaft von M. C. ergeben. Er konnte nicht als Erzeuger des Kindes ausgeschlossen werden, aber der Gutachter hat bemerkt, dass die Vaterschaft völlig ungeklärt sei, da die untersuchten Personen mit dem Vater nicht nah genug verwandt waren.

Das Amtsgericht hat den Vaterschaftsfeststellungsantrag zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Jugendamts der Stadt K. als Vormund. Es meint, unter den gegebenen Umständen müsse auch die festgestellte Vaterschaftswahrscheinlichkeit genügen, da nähere Verwandte nicht zur Verfügung stünden und Herr C. sich zu Lebzeiten als Vater des Kindes bezeichnet habe.

Der Senat hat darauf hingewiesen, dass nur durch eine Exhumierung des Vaters und eine Gewebeuntersuchung die Vaterschaft hinreichend sicher festgestellt werden könne. Es möge daher das Interesse an der Vaterschaftsfeststellung näher dargelegt werden und mitgeteilt werden, wo der Verstorbene beerdigt sei und ob die zustimmungsberechtigten Angehörigen mit einer Störung der Totenruhe einverstanden seien.

Das Jugendamt hat dazu erklärt, es bestehe nur das allgemeine Interesse jedes Menschen an der Klärung seiner Herkunft, es gehe nicht um wirtschaftliche Fragen der Erbenstellung. Es hat keine Angaben zum Beerdigungsort gemacht, weil es eine Exhumierung für unnötig hält und meint, schon aufgrund der Erklärungen der Kindesmutter und des Verstorbenen könne die Vaterschaft festgestellt werden.

II.

Das Prozeßkostenhilfegesuch zur Durchführung der Beschwerde war zurückzuweisen, da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

1)

Gegen den Beschluss des Amtsgerichts, mit dem der Antrag auf Feststellung der Vaterschaft zurückgewiesen worden ist, ist gem. § 621e II ZPO, der § 1600e II BGB besonders erwähnt, i.V.m. § 55b FGG die befristete Beschwerde statthaft (Keidel/Kuntze/Engelhardt, FGG, 14. Aufl. (1999) § 55 b Rn. 10). Diese ist auch rechtzeitig eingelegt worden.

Zwar hat das Amtsgericht noch als Vormundschaftsgericht entschieden, nach Art. 15 § 1 II KindRG ist der Senat aber als Beschwerdegericht zuständig, da die Entscheidung nach dem 1.7.1998 ergangen ist.

Gem. §§ 1592 Nr.3, 1600 d I BGB kann die Vaterschaft auf Klage (Antrag) des Kindes gerichtlich festgestellt werden, wenn - wie im Streitfall - keine Vaterschaft nach §§ 1592 Nr.1, 2, 1593 BGB besteht. Die Feststellung kann sich auch auf einen Vater beziehen, der bereits verstorben ist (§ 1600e II BGB; § 1600n II a.F. BGB).

2)

Das Persönlichkeitsrecht des Kindes umfaßt das Recht auf Kenntnis seiner Abstammung (BVerfG FamRZ 1989, 255 (258); FamRZ 1994, 881; Art. 7 I UN-Kinderrechtskonvention (BGBl. II 1992, 990; FamRZ 1992, 253 ff.) . Es kommt daher nicht darauf an, ob das Kind ein wirtschaftliche Interessen mit dem Antrag auf Feststellung der Vaterschaft verfolgt. Anderseits verleiht Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG kein Recht auf Verschaffung von Kenntnissen der eigenen Abstammung, sondern schützt nur vor der Vorenthaltung erlangbarer Informationen (BVerfG FamRZ 1989, 255 (258).

Da im Abstammungsprozeß der Amtsermittlungsgrundsatz gilt (§§ 640 I, 616 I ZPO; Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl. (2001), § 640 Rn. 30), muss das Gericht alle Beweismittel benutzen, die erreichbar sind und Aufklärung versprechen. Dazu gehört nach heutigem Kenntnisstand auch die Beweiserhebung durch DNA- Gutachten anhand von Gewebeproben eines bereits Verstorbenen, selbst wenn dazu dessen Exhumierung erforderlich ist (vgl. allgemein zum Beweiswert von DNA-Analysen Gaul FamRZ 2000, 1461 (1470) m.w.N.). Insoweit muss in sog. Defizienzfällen über die Einbeziehung von zur Verfügung stehenden Verwandten hinaus auch eine Gewebeuntersuchung bereits Verstorbener in Betracht gezogen werden. Sie wird jedenfalls dann einer Einbeziehung entfernter Verwandter in die Begutachtung vorzuziehen sein, wenn z.B. noch Gewebeproben oder Blutreste bei Krankenhäusern, in denen der Verstorbene behandelt worden ist, zur Verfügung stehen (Rahm/Künkel, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, III C 193 (Erg.lief. von September 2000) erwähnt diese Möglichkeit noch nicht).

3)

Auch in Verfahren mit Amtsermittlungsmaxime muss aber die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung dargetan werden, insbesondere muss der Antragsteller oder Beschwerdeführer darlegen, dass das Beweismittel erreichbar ist.

Er muss daher im Streitfall erklären, wo der Verstorbene, der als Vater in Betracht kommt, begraben ist und dass die Totensorgeberechtigten mit einer Exhumierung einverstanden sind.

Es gehört nicht zu den Aufgaben des Gerichts im Rahmen der Amtsermittlung von sich aus diese Voraussetzungen der Amtsermittlung zu klären, wenn es ist dem Antragsteller möglich und zumutbar ist, diese Voraussetzungen zu klären (Keidel/Kuntze/Kayser, 14. Aufl. (1999), § 12 Rn. 88). Auf die Notwendigkeit der Darlegung dieser Voraussetzungen ist der Beschwerdeführer ausdrücklich vom Senat hingewiesen worden.

Der Beschwerdeführer hat nicht geltend gemacht, die Darlegung sei ihm nicht möglich, sondern ist bei seiner Auffassung verblieben, eine Exhumierung sei nicht erforderlich, da die Vaterschaft des Verstorbenen schon aufgrund der Zeugenvernehmungen bzw. des vorliegenden Sachverständigengutachtens als erwiesen angesehen werden könne. Dem ist nicht zu folgen. Bloße Erklärungen von Zeugen, daß der Verstorbene sich als Vater des Kindes angesehen hätte, reichen zur Feststellung der Vaterschaft nicht aus. Sie können zahlreichen Irrtümern unterliegen, was insbesondere im Streitfall gilt, in dem beide Eltern drogenabhängig sind bzw. waren. Das gilt auch für die Erklärung der Mutter, sie habe in der Empfängniszeit - die Jahre zurückliegt - mit keinem anderen Mann verkehrt.

Das Sachverständigengutachten hat nur eine Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 55, 0826 % ergeben. Der Gutachter hat zutreffend erklärt, dass damit völlig ungeklärt sei, ob der Verstorbene Vater des Kindes sei. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sind die Anforderungen an den Nachweis der Vaterschaft nicht deshalb zu senken, weil nur entfernte Verwandte in die Begutachtung einbezogen werden konnten. Den Nachteil der fehlenden Feststellung hat vielmehr der zu tragen, der die Vaterschaft des Verstorbenen geltend macht (vgl. zur Feststellungslast im Antragsverfahren Keidel/Kuntze/Kayser, a.a.O., § 12 Rn. 191).

Im Prozeßkostenhilfeverfahren muss der Antragsteller außerdem dartun, dass die Rechtsverfolgung nicht mutwillig ist, dass also auch ein Antragsteller, der das Verfahren selbst finanzieren muss, die Kosten für die Aufklärung seiner Abstammung in Kauf nehmen würde ( Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl. (1999), Rn. 447 m.w.N.) . Eine Gleichbehandlung der begüterten mit der bedürftigen Partei verlangt nicht, dass Prozeßkostenhilfe auch dann gewährt wird, wenn eine vernünftige begüterte Partei von der Rechtsverfolgung absehen würde.

Es liegt auf der Hand, dass die Kosten in Exhumierungsfällen eine beträchtliche Höhe erreichen können. Öffentliche Mittel für die Aufklärung können auch von einer bedürftigen Partei nur in Anspruch genommen werden, wenn sie dartut, dass die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft für sie von irgendeiner konkreten Bedeutung ist. Unabhängig davon, dass kein wirtschaftliches Interesse für ein Rechtsschutzinteresse an der Vaterschaftsfeststellung zu verlangen ist, muss daher bei der Inanspruchnahme öffentlicher Mittel doch dargetan werden, dass ein berechtigtes Interesse an der Aufklärung der Vaterschaft besteht, dieses ergibt sich bei Inanspruchnahme öffentlicher Mittel nicht schon aus dem Persönlichkeitsrecht als solchem.

Ende der Entscheidung

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