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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 20.02.2001
Aktenzeichen: 14 WF 101/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 543
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

14 UF 101/00 28 F 384/99 AG Bergisch Gladbach

Anlage zum Protokoll vom 20. Februar 2001

Verkündet am 20. Februar 2001

Pützfeld, JOS als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Familiensache

pp.

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Senat für Familiensachen auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Büttner sowie die Richter am Oberlandesgericht Quack und Thiesmeyer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bergisch Gladbach vom 9. Juni 2000 - 28 F 384/99 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

- Ohne Tatbestand gemäß § 543 ZPO -

Entscheidungsgründe:

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Nach der Beschränkung der Berufung im Termin vom 25.1.2001 ist zwischen den Parteien noch ein Unterhaltszeitraum vom 1.3. bis 31.10.2000 im Streit. Auch in diesem Umfang ist das Rechtsmittel der Beklagten unbegründet. Das Amtsgericht hat zu Recht entschieden, daß der durch das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 16.6.1999 - 27 UF 232/98 - zugunsten der Beklagten titulierte Unterhaltsanspruch ab März 2000 entfällt. Denn aus den nachfolgend im Einzelnen dargestellten Gründen ist davon auszugehen, daß die Beklagte imstande war, ihren Unterhaltsbedarf ab diesem Zeitpunkt durch eigene Einkünfte zu bestreiten. Soweit dies nicht durch tatsächlich erzieltes Einkommen möglich gewesen sein sollte, sind der Beklagten fiktive Einkünfte in bedarfsdeckender Höhe zuzurechnen.

1. Das für die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs der Beklagten relevante Einkommen des Klägers im hier maßgeblichen Zeitraum ab März 2000 ist in der Berufungserwiderung (dort Seiten 9 -11, Bl. 165 - 167 d.A.) in Verbindung mit dem Schriftsatz des Klägers vom 9.11.2000 (Bl. 169f. d.A.) im Prinzip richtig berechnet worden. Der Senat gelangt - nach kleineren Korrekturen - auf der Basis der Entgeltabrechnung für September 2000 mit summierten Jahreszahlen zu folgenden Beträgen:

Von dem Nettoeinkommen von 34.960,83 DM ist der Betrag für die Abfindung wegen des Abbaus des "Leistungssockels" zunächst herauszurechnen. Dieser beträgt netto 4.300,00 DM

(nicht 4.000,00 DM) und ist auf fünf Jahre zu verteilen (= monatlich 72,00 DM). Es verbleiben 30.660,83 DM

oder monatlich (dividiert durch 9) rd. 3.407,00 DM.

Nach Abzug VWLAG 78,00 DM

und Hinzurechnung von 72,00 DM (s.oben: Abfindung),

anteiliger Steuererstattung 307,00 DM

sowie Verletztenrente (wie Vorurteil) 464,00 DM

ergeben sich 4.172,00 DM.

Die Steuererstattung ist aus den zutreffenden Gründen der Berufungserwiderung (Seite 10, Bl. 166 d.A.), und der Schriftsätze des Klägers vom 9.11.2000 (Seite 2, Bl. 170 d.A.) sowie vom 3.1.2001 (Seite 5, Bl. 210 d.A.) nur mit dem anteiligen Betrag von 307,00 DM einzurechnen.

Der Betrag von 4.172,00 DM

ist entsprechend dem Vorurteil zu bereinigen um

Fahrtkosten 140,00 DM

Versicherungen 64,00 DM

und Kreditratenanteil 194,00 DM,

so daß monatlich 3.774,00 DM

verbleiben.

2. Dieses Einkommen erzielt der Kläger im Hinblick auf die Betreuung der auch jetzt noch nicht 16-jährigen I. teilweise durch überobligatorische Arbeit (im allein noch streitigen Zeitraum von März bis Oktober 2000 war I. zunächst 14, dann 15 Jahre alt). Es wäre deshalb an sich konsequent, wenn ein Teil des Einkommens des Klägers aus der Bedarfsberechnung ausgeklammert würde, zumal nach ständiger Rechtsprechung des BGH Einkünfte aus unzumutbarer Tätigkeit nicht bedarfsprägend sein können. Der BGH steht gleichwohl bei derartigen Sachverhaltskonstellationen - Erwerbstätigkeit des Unterhaltspflichtigen neben Kinderbetreuung - auf einem anderen Standpunkt (Einzelheiten mit kritischer Stellungnahme bei Kalthoener/Büttner/Niep-mann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl. 2000, Rdn. 917ff.). Dem Kläger ist aber jedenfalls ein spürbarer Betreuungsbonus zugute zu halten. Der Senat stellt deshalb nur 3.100,00 DM in die Unterhaltsberechnung ein. Zieht man hiervon prägende Einkünfte der Beklagten entsprechend dem Vorurteil im Rahmen der Geringverdienergrenze (= nunmehr 630,00 DM) ab und bildet aus der Differenz (2.470,00 DM) die 3(7 -Unterhaltsquote, so ergeben sich rund 1.059,00 DM.

Um ihren Bedarf aus eigenen Einkünften voll decken zu können, müßte die Beklagte also über 630,00 DM hinaus - unter Berücksichtigung des ihr zu belassenden Erwerbstätigenbonus' - noch 7/6 x 1.059 = rund 1.236,00 DM zusätzlich, insgesamt somit rund 1.866,00 DM netto monatlich verdient haben. Ein - bereinigtes - Einkommen mindestens in dieser Höhe ist ihr, soweit sie es in dem hier interessierenden Zeitraum nicht tatsächlich erzielt hat, fiktiv zuzurechnen.

3. Welche Einkünfte die Beklagte im Jahre 2000 mit dem nach ihrer Darstellung im Oktober eingestellten Fußbodenverlegerbetrieb erzielt hat, ist unklar geblieben. Der zu den Akten gereichte betriebswirtschaftliche Kurzbericht per 31.10.2000 des Steuerberaters (Bl. 213 d.A.) bietet keine verläßliche Grundlage für die Einkommensermittlung. Er baut auf dem "derzeitigen Stand der Buchhaltung" auf, die aber keineswegs vollständig sein und alle erzielten Einnahmen bereits erfassen muß. Anhand des Kurzberichts kann auch nicht die Behauptung der Beklagten nachvollzogen werden, das Geschäft habe im ersten Halbjahr 2000 unter einem " regelrechten Auftragseinbruch" gelitten, der zu einem hohen Verlust geführt habe. Immerhin sind noch Einnahmen von 29.407,00 DM (ohne Privatanteile) verzeichnet gegenüber 48.881,00 DM (mit Privatanteilen) im gesamten Vorjahr, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß sich die Beklagte bereits ab Mai 2000 mit ihrem neuen Gewerbe als Partnervermittlerin beschäftigt haben will, so daß sie sich von diesem Zeitpunkt an jedenfalls nicht mehr im bisherigen Umfang um den Fußbodenverlegerbetrieb kümmern konnte.

4. Schon die somit fehlende Feststellbarkeit der tatsächlich erzielten Eigeneinkünfte muß dazu führen, einen Unterhaltsanspruch der Beklagten zu verneinen. Denn ohne hinreichende Erkenntnisse über das Eigeneinkommen läßt sich nicht feststellen, ob die Beklagte im fraglichen Zeitraum unterhaltsbedürftig war. Insoweit ist die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Daran ändert sich auch nichts durch den Umstand, daß die Beklagte sich im vorliegenden Verfahren gegen eine Abänderungsklage des Klägers zur Wehr setzt. Steht nämlich bei einer Abänderungsklage fest, daß in den dem früheren Urteil zugrunde gelegten Verhältnissen eine Änderung eingetreten ist und geht es dann um die Neufestsetzung des Unterhalts, bleibt es auch im Abänderungsprozeß bei der allgemeinen Beweislastverteilung (Graba, Die Abänderung von Unterhaltstiteln, 2. Auflage 1999, Rdn. 271; Wendl/Haußleiter, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Auflage 2000, Rdn. 726 zu § 6; Wendl/Thalmann, a.a.O., Rdn. 166 zu § 8). So liegt der Fall hier. Denn mit dem Wechsel des Kindes I. in den Haushalt des Klägers haben sich, was auch die Beklagte nicht anzweifelt, die der früheren Entscheidung des 27. Zivilsenats zugrunde liegenden Verhältnisse geändert, ein Anspruch der Beklagten auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1570 BGB kommt nicht mehr Betracht, statt dessen nur noch ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 II BGB. Hierfür muß deshalb nach allgemeinen Beweislastregeln die Beklagte als Unterhaltsgläubigerin ihre Bedürftigkeit darlegen und gegebenenfalls beweisen (vgl. zur Darlegungslast des Unterhaltsgläubigers Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rdn. 496; Wendl/Haußleiter, a.a.O., Rdn. 707f. zu § 6). Dieser Darlegungslast hat die Beklagte nicht genügt.

5. Ein Unterhaltsanspruch der Beklagten scheidet aber auch dann aus, wenn die tatsächlich erzielten Eigeneinkünfte zur Bedarfsdeckung nicht ausgereicht haben sollten. Denn dann wären der Beklagten entsprechende Einkünfte - gegebenenfalls ergänzend zu tatsächlichem Einkommen - in bis zur Deckung des Eigenbedarfs erforderlicher Höhe (siehe oben monatlich 1.866,00 DM netto) fiktiv zuzurechnen.

In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob die Beklagte - wie das Amtsgericht meint - an sich gehalten war, ihre selbständige Tätigkeit bereits mit Ablauf des Jahres 1999 aufzugeben oder die Fortführung des Betriebes auf andere Weise sicherzustellen. Es mag zweifelhaft sein, ob die Vorgabe im Urteil des 27. Zivilsenats, das Unternehmen der Beklagten müsse spätestens 1999 "einträglich" sein (Bl. 28f. d.A.), in dem Sinne zu verstehen war, daß die Beklagte sich spätestens ab 1999 vollständig aus den besagten Einkünften müsse selbst unterhalten können. Wenn man "einträglich" nur als gleichbedeutend mit "gewinnbringend" und als Gegenteil von "Verlustgeschäft" ansieht, hatte die Beklagte diese Vorgabe im Jahre 1999 erfüllt, so daß ihr unter Umständen noch ein weiterer Zeitraum hätte zugestanden werden müssen, nach dessen Ablauf sie dann ihren Bedarf im Wesentlichen aus den eigenen Einkünften zu decken hatte.

Darauf kommt es aber letztlich nicht an. Wenn sich nämlich die Beklagte entschloß, ihren bisherigen Betrieb aufzugeben, weil er ihrer Meinung nach nicht mehr genug einbrachte, dann mußte sie sich zielgerichtet und mit aller Intensität um eine andere Erwerbstätigkeit mit besseren Einkunftsmöglichkeiten bemühen. Daß sie insoweit die Anforderungen an die eigene Erwerbsobliegenheit - § 1573 I, II BGB - erfüllt hat, ist nicht dargetan. Mit der bloßen Übergabe einer Reihe von Unterlagen im letzten Verhandlungstermin hat die Beklagte ihrer Darlegungslast jedenfalls nicht genügt. Denn dies ersetzt nicht den erforderlichen Sachvortrag zu Erwerbsbemühungen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, aus unkommentiert überreichten Unterlagen herauszufiltern, was möglicherweise zur Stützung des von der jeweiligen Partei eingenommenen Rechtsstandpunkts dienen könnte.

Selbst wenn man aber diesen Gesichtspunkt vernachlässigt und außerdem davon absieht, daß der Kläger keine hinreichende Gelegenheit hatte, zu den erst im letzten Termin vorgelegten Schriftstücken Stellung zu nehmen, läßt sich anhand dieser Unterlagen nicht feststellen, daß die Beklagte sich in ausreichenden Maße - vergeblich - um andere Arbeitsstellen bemüht hat. So enthält beispielsweise die von der Beklagten übergebene Klarsichthülle eine ganze Ansammlung von lose beigefügten Zeitungsausschnitten über Stellenanzeigen, ohne daß irgendein Bezug zu daraufhin von der Beklagten entfalteten Bemühungen ersichtlich wäre. Es ist nicht einmal erkennbar, wann die entsprechenden Stellen angeboten waren. Auch bei den verbleibenden Unterlagen fehlt es weitgehend an einer geordneten und nachvollziehbaren Darstellung des Ablaufs der einzelnen Bewerbungen - Stellenanzeige, Bewerbungsschreiben oder telefonische Anfrage, Ergebnis der Bewerbung (Vorstellungsgespräch, Absage seitens des Arbeitgebers usw.) - .

Die von der Beklagten gestarteten Versuche, im Bereich der Partnervermittlung oder bei einem "Multimedia-Unternehmen" Fuß zu fassen, können nicht als zielgerichtete Erwerbsbemühungen angesehen werden. Es ist nicht ersichtlich, welche Qualifikation die Beklagte für eine erfolgversprechende Tätigkeit in diesen Bereichen mitgebracht hätte. Statt dessen hätte es nahe gelegen, alle Anstrengungen darauf zu konzentrieren, eine abhängige Tätigkeit im erlernten Schreinerberuf, im zuletzt ausgeübten Gewerbe der Fußbodenverlegung oder in ähnlichen Arbeitsbereichen zu finden. Daß dies in der gebotenen nachhaltigen Weise geschehen ist oder von vornherein aussichtslos gewesen wäre oder nicht zu ausreichenden Einkünften geführt hätte, ist nicht hinreichend konkret dargetan. Der Senat geht deshalb davon aus, daß die Beklagte bei Anspannung aller Kräfte eine Arbeitsstelle hätten finden können, die ihr Einkünfte in der oben errechneten bedarfsdeckenden Höhe eingebracht hätte.

6. Klarzustellen ist, daß der von der Beklagten zu leistende Kindesunterhalt bei der Berechnung ihres - möglichen - eigenen Unterhaltsanspruchs nicht vorweg von ihrem (tatsächlichen oder fiktiven) Einkommen abgesetzt werden kann. Denn das könnte dazu führen, daß die Beklagte allein wegen dieses Abzugs doch wieder unterhaltsbedürftig würde (und der Kläger auf diese Weise indirekt zu dem von der Beklagten aufzubringenden Barunterhalt beitragen müßte). In derartigen Fällen unterbleibt ein Vorwegabzug (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rdn. 1011).

Nur der Vollständigkeit halber sei angefügt, daß die von der Beklagten behauptete Höhe des titulierten Kindesunterhalts (Berufungsbegründung Seite 4, Bl. 143 d.A.: monatlich 483,00 DM) nicht zutrifft. Aus den beigezogenen Akten 28 F 383/99 Amtsgericht Bergisch Gladbach ergibt sich vielmehr, daß die Beklagte durch Urteil vom 3.3.2000 zur Zahlung von Kindesunterhalt für das Kind I. in Höhe von monatlich 385,00 DM (510 minus 125) für die Zeit von September bis Dezember 1999 und von monatlich 375,00 DM (510 minus 135) ab Januar 2000 verurteilt worden ist.

7. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 515 Abs. 3, 708 Nr. 10, 713 ZPO (Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit).

Streitwert für das Berufungsverfahren:

a) bis zur Beschränkung der Berufung im Termin vom 25.1.2001: 13.869,00 DM

b) danach: 8.090,25 DM



Ende der Entscheidung

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