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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 06.08.2001
Aktenzeichen: 14 WF 107/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1578 I
BGB § 1577
1) Erwerbseinkünfte, die neben der Betreuung von 10 und 7 Jahre alten Kinder erzielt werden, stammen im Regelfall in vollem Umfang aus unzumutbarer Arbeit. Solche Einkünfte sind um die Kinderbetreuungskosten und einen Betreuungsbonus zu bereinigen und mit dem verbleibenden Betrag teilweise bei der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen.

2) Einkünfte aus unzumutbarer Arbeit neben der Kinderbetreuung sind mit dem anrechenbaren Betrag im Wege der Differenzmethode zu berücksichtigen.


OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

14 WF 107/01

In der Familiensache

hat der 14. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am OLG Dr. Büttner, die Richterin am OLG Gerhardt und den Richter am OLG Quack

am 6.8.2001

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Amtsgerichts Euskirchen vom 26.6.2001 (19 F 170/01) wird zurückgewiesen.

GRÜNDE:

I.

Der Kläger verlangt Prozesskostenhilfe für die Abänderung einer notariellen Urkunde vor Notar H. vom 29.11.1996 (UR.-Nr. ) über einen nachehelichen Unterhalt von 1040,- DM, der mit der Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit der Beklagten schon einverständlich seit 1998 auf 540,- DM monatlich herabgesetzt wurde, auf 0,- DM.

Die Klägerin versorgt unverändert die minderjährigen Töchter A. (geb. 7.12.1990) und V. (geb. 23.2.1994), für die sie das alleinige Sorgerecht hat.

Der Kläger hat seine Abänderungsklage darauf gestützt, dass die Beklagte inzwischen mit einem neuen Partner zusammenlebe, ein eigenes Haus bewohne und wieder erwerbstätig sei. Hinsichtlich der zusätzlichen Einkünfte, insbesondere der aus unzumutbarer Arbeit, nach der Scheidung müsse auch nach der Entscheidung des BGH vom 13.6.2001 (NJW 2001, 2254) die Anrechnungsmethode angewandt werden.

Durch die angefochtene Entscheidung hat das Amtsgericht den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Beim Kläger sei von einem Nettoeinkommen nach Abzug des Kindesunterhalts (1004,- DM) von 2556,- DM auszugehen, bei der Beklagten von 1950,- DM, wovon gleichfalls ein Tabellensatz von 1004,- DM und Kinderbetreuungskosten von 300,- abzuziehen seien, so dass 656,- DM verblieben. Für das Zusammenleben mit dem neuen Partner seien allenfalls Ersparnisse von monatlich 400,- DM anzusetzen. Anwendbar sei die Diffenrenzmethode; aus der Differenz von 1500,- DM (2556 - 1056) errechne sich ein Unterhalt von 642, - DM (3/7), so dass eine Herabsetzung unterhalb des schon einverständlich reduzierten Betrages von 540,- DM nicht gerechtfertigt sei.

Mit der Beschwerde rügt der Kläger den Abzug eines Tabellenunterhalts von 1004,- DM vom Einkommen der Beklagten zuzüglich zu einem Betrag von 300,- DM für Kinderbetreuungskosten. Dem Einkommen der Beklagten von 1904, 52 DM seien 270,- DM Kindergeld (1/2 von 540,- DM) , 300,- DM für kostenfreies Wohnen und 650,- DM für das Zusammenleben mit einem Dritten hinzuzurechnen, so dass sich ein Einkommen von 3124, 52 DM ergebe. Dem Kläger verblieben dagegen bei einem Nettoeinkommen von 3560, 15 DM nach Abzug des ab 1.7.2001 erhöhten Kindesunterhalts (2 x 569,- DM) nur 2422, 15 DM. Anzuwenden sei auch nach der Entscheidung des BGH die Anrechnungsmethode, da jedenfalls das Einkommen der Beklagten aus Versorgungsleistungen für einen neuen Partner die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt habe.

II.

Die gem. § 127 II ZPO zulässige Beschwerde ist im Ergebnis in der Sache unbegründet.

1)

Zunächst ist klarzustellen, dass das Entgelt aus Erwerbstätigkeit, dass die Beklagte erzielt, in vollem Umfang aus unzumutbarer Tätigkeit stammt. Bei Betreuung und Versorgung von zwei minderjährigen Kindern im Alter von 10 und 7 Jahren ist nach allgemeiner Aufassung keine Erwerbstätigkeit zumutbar (BGH FamRZ 1996, 1067; Oldenburger Leitlinien zum 1.7.2001 III B 2 b, FamRZ 2001, 975; vgl. Überblick bei Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl. (2000) Rn. 403). Das gilt auch dann, wenn die Sorgeberechtigte mit einem neuen Lebenspartner zusammenwohnt, der voll berufstätig ist. Besondere Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, liegen im Streitfall nicht vor.

Abzuziehen vom Einkommen aus unzumutbarer Arbeit sind - wie sonst auch - die durch die Erwerbstätigkeit notwendigen Betreuungskosten (vgl. z.B. Bayerische Leitlinien zum 1.7.2001 Nr.10 e; FamRZ 2001, 819), im Streitfall ein Betrag von 300,- DM. Dem Betreuenden ist außerdem ein Betreuungsbonus zuzubilligen, wobei die Höhe von den Umständen abhängt (vgl. Büttner/Niepmann NJW 2001, 2215 (2224) m.w.N.). Im Streitfall erscheint ein Betrag von 300,- DM angemessen. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist jedoch bei unzumutbarer Erwerbstätigkeit des Betreuenden nicht ein dem Barunterhalt entsprechender Betrag für die Kindesbetreuung abzuziehen. Mit dem Abzug der Betreuungskosten und des Betreuungsbonus (s.o.) und der nur teilweisen Anrechnung des Einkommens aus wegen der Doppelbelastung unzumutbarer Arbeit (s.u.) wird bereits berücksichtigt, dass der Betreuende eine überobligatorische Arbeit leistet. Es liefe auf eine Doppelberücksichtigung hinaus, wenn außerdem ein dem Barunterhalt entsprechender Teil vorab vom Einkommen aus unzumutbarer Tätigkeit abgezogen würde, denn anders als der Barunterhaltsverpflichtete wendet der Betreuende diesen Betrag nicht auf, sondern leistet die Betreuung zusätzlich zu seiner Erwerbstätigkeit.

Das danach bereinigte Einkommen aus unzumutbarer Arbeit (1904 - 300 - 300 = 1304 DM) ist beim Ehegattenunterhalt nur entsprechend § 1577 II BGB zu berücksichtigen (BGH FamRZ 1983, 146 und seitdem allgemeine Rechtsprechung). Eine Anrechnung kommt daher nur in Betracht, wenn der Berechtigte zusammen mit dem Unterhalt den vollen Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen hat, der Mehrbetrag ist nach Billigkeit anzurechnen, wobei vielfach eine Anrechnung zu 50 % vorgeschlagen wird (z.B. für den Regelfall OLG Hamm, Leitlinien zum 1.7.2001, Nr. 31 (2). Jedenfalls kommt eine höhere Berücksichtigung nicht in Betracht, so dass dahinstehen kann, ob dem zu folgen ist, denn selbst bei einer Anrechnung zu 50 % ergibt sich kein Erfolg der Beschwerde.

Aus ihrer Erwerbstätigkeit ist daher bei der Beklagten ein Einkommen von 652, - DM (1/2 von 1304,- DM) zu berücksichtigen.

2)

Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist das Kindergeld auch nicht anteilig dem Einkommen hinzuzurechnen, denn es ist eine staatliche Zuwendung für das Kind und diese ist nur über den Kindesunterhalt zu verrechnen; es wird nicht zum Einkommen des Betreuenden oder Barunterhaltspflichtigen gerechnet (vgl. Bay. Leitlinien Nr.9 zum 1.7.2001, FamRZ 2001, 818; § 1612b V BGB). Ob es Sonderfälle gibt, in denen das anders zu beurteilen ist, kann offenbleiben, denn diese liegen hier nicht vor.

3)

Versorgungsleistungen für einen neuen Partner können allenfalls mit einem Betrag von 200,- DM angesetzt werden. Bei einer vollschichtigen Berufstätigkeit neben der Betreuung von zwei Kindern im Alter von 7 und 10 Jahren verbleibt keine wesentliche Arbeitskraft für die Versorgung eines Partners, zumal nicht etwa konkret vorgetragen ist, welche besonderen Leistungen insoweit erbracht würden, insbesondere keine Kinder des neuen Partners betreut werden.

Auch unter Berücksichtigung von "Haushaltsersparnissen" ergibt sich nichts anderes, denn die Beklagte erspart dadurch nur trennungsbedingten Mehrbedarf, steht aber nicht besser als in der Ehe, in der sie auch mit einem erwerbstätigen Partner zusammenlebte.

4)

Mit dem Amtsgericht ist auch nicht davon auszugehen, dass der Beklagten außerdem ein Wohnwertvorteil zuzurechnen ist, denn die Beklagte trägt den Wohnwert übersteigende Belastungen. Für den Ansatz einer Mietersparnis fehlt es am hinreichend konkreten Vortrag.

Insgesamt ist daher bei der Beklagten von einem Einkommen von 652,- DM + 200,- DM auszugehen.

5)

Das Einkommen aus unzumutbarer Arbeit in Höhe von 652,- DM ist im Wege der Differenzmethode zu berücksichtigen, dies ergibt sich schon daraus, dass bereits im abzuändernden Vergleich insoweit die Differenzmethode angewandt wurde, wie das Amtsgericht mit Recht ausführt. In der Sache folgt es auch daraus, dass für Einkünfte aus unzumutbarer Arbeit nichts anderes gelten kann als für Einkünfte aus zumutbarer Arbeit, die ebenfalls im Wege der Differenzmethode zu berücksichtigen sind (BGH FamRZ 2001, 986 = NJW 2001, 2254). Auch sie sind (im beschriebenen Umfang) als Surrogat einer bisherigen Nurbetreuung anzusehen. Soweit der BGH in früheren Entscheidungen (z. B. FamRZ 1998, 1501) die Auffassung vertreten hat, Einkünfte aus unzumutbarer Arbeit könnten nicht als die ehelichen Lebensverhältnisse prägend angesehen werden, ist dies mit der neuen Entscheidung vom 13.6.2001 (FamRZ 2001, 986 = NJW 2001, 2254) nicht vereinbar, denn die Erwerbsarbeit nach Trennung oder Scheidung wird nun generell als Surrogat der bisherigen Kinderbetreuung angesehen, ohne dass darauf abgestellt wird, ob die Arbeit wegen des Alters der Kinder schon zumutbar ist. Andernfalls könnte sich ergeben, dass wegen des Alters der Kinder zunächst die ungünstigere Abzugsmethode und dann später die günstigere Differenzmethode angewandt wird und - im Einzelfall ohne Betreuungskosten - der Berechtigte sich durch Teilanrechung der unzumutbaren Arbeit nicht besser stünde als bei der Unterhaltsberechnung nach der Differenzmethode. Beispiel: 4000 - 2000 Einkommen aus zumutbarer Arbeit = 2000 DM Differenz, davon 3/7 als Unterhalt = 857,- DM. Dagegen 4000, davon 3/7 = 1714, - DM abzüglich (6/7 von 1.000,00 DM =) 857,00 DM (=50% der Einkünfte aus unzumutbarer Arbeit abzüglich Erwerbstätigenbonus) = 857,00 DM.

Zusätzliche Einkünfte aus Versorgungsleistungen für einen neuen Partner haben dagegen die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt, so dass sie im Wege der Abzugsmethode zu berücksichtigen sein können. Das bedarf im Streitfall keiner weiteren Begründung, da die Beschwerde auch dann ohne Erfolg bleibt, wie folgende Rechnung zeigt:

2422,- (Einkommen des Klägers nach Abzug des Kindesunterhalts ab 1.7.2001) - 652,- DM (anrechenbares Erwerbseinkommen der Beklagten) = 1770 DM, davon 3/7 = 758,- DM - 200,- DM (Abzug der Versorgungsvergütung) = 558,- DM.

Dieser Betrag liegt höher als der Betrag von 540,- DM, auf den der Titel bereits einverständlich herabgesetzt ist, so dass sie weitergehende Abänderungsklage keine Aussicht auf Erfolg hat.

Ende der Entscheidung

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