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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: 14 WF 192/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1573 Abs. 4
BGB § 1573 Abs. 4 Satz 2
BGB § 1576
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

14 WF 192/03

In der Familiensache

hat der 14. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Büttner, den Richter am Oberlandesgericht Quack und die Richterin am Oberlandesgericht Schwarz am 18. Dezember 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Waldbröl vom 15. Oktober 2003 - 12 F 245/03 - aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Waldbröl zurückverwiesen mit der Maßgabe, dass die beantragte Prozesskostenhilfe nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zurückzuweisen ist.

Gründe:

Die Parteien waren seit dem Jahr 1971 miteinander verheiratet. Aus der Ehe sind zwei in den Jahren 1978 und 1983 geborene Kinder hervorgegangen. Nach der Trennung im Jahr 1994 schlossen die Parteien einen notariellen Ehevertrag, in dem sich der inzwischen 59 Jahre alte Antragsgegner, der als Arzt freiberuflich tätig ist und eine eigene Praxis betreibt, verpflichtete, an die inzwischen 54jährige Antragstellerin, die während der Ehe ihrem Beruf als Grundschullehrerin nicht mehr nachgegangen und auch nicht anderweitig berufstätig war, einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 2.500 DM zu zahlen, "solange Unterhaltsberechtigung besteht". Dabei sollte ein Verdienst der Antragstellerin bis 1.000 DM anrechnungfrei sein. In der Folgezeit wurde die Ehe der Parteien geschieden. Durch den am 2.7.1997 in dem Verfahren 27 UF 23/97 OLG Köln geschlossenen Vergleich änderten die Parteien den vorgenannten Ehevertrag in Bezug auf den nachehelichen Unterhalt dahin ab, dass der Antragsgegner sich verpflichtete, an die Antragstellerin vom 7.12.1995 bis März 1996 monatlich 1.350 DM zu zahlen, von April 1996 bis Dezember 1997 monatlich 1.800 DM sowie von Januar 1998 bis Dezember 1999 monatlich 800 DM. Ziffer 3. des Vergleichs sah vor, dass der Unterhalt für den Fall, dass die Antragstellerin ab 1.1.2000 Unterhaltsansprüche gegen den Antragsgegner geltend machen sollte, nach der gesetzlichen Regelung berechnet werden sollte. Tatsächlich nahm die Antragstellerin, die zu diesem Zeitpunkt als Lehrerin im Angestelltenverhältnis an einer Hauptschule tätig war, den Antragsgegner ab Januar 2000 zunächst nicht mehr auf Unterhaltszahlung in Anspruch. Seit Sommer 2000 ist die Antragstellerin infolge Krankheit nicht mehr arbeitsfähig. Bis zum Frühjahr 2002 bezog sie Krankengeld, anschließend erhielt sie bis zum 7.6.2003 Zahlungen durch das Arbeitsamt, die sodann im Hinblick darauf, dass bei der Antragstellerin ein Restleistungsvermögen von weniger als 15 Stunden wöchentlich vorliegt, eingestellt wurden. Den Antrag der Antragstellerin auf Zahlung von Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung lehnte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mit Bescheid vom 13.3.2002 mangels Einhaltung der Wartefrist ab.

Mit der von ihr beabsichtigten Stufenklage vom 15.7.2003 verlangt die Antragstellerin von dem Antragsgegner Auskunftserteilung über die vom ihm erzielten Einnahmen sowie - rückwirkend ab Juni 2003 - Zahlung eines auf der Grundlage der erteilten Auskunft noch zu beziffernden monatlichen Unterhaltsbetrags. Durch den im Tenor näher bezeichneten Beschluss hat das Amtsgericht - Familiengericht - Waldbröl den Antrag der Antragstellerin, ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen, zurückgewiesen und ausgeführt, ihre Rechtsverfolgung biete keine Aussicht auf Erfolg, da ein Wiederaufleben der Unterhaltsansprüche der Antragstellerin nach längerer Unterbrechung nicht in Betracht komme. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, der das Amtsgericht nicht abgeholfen, sondern die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt hat. Durch Beschluss vom 17. Dezember 2003 hat die zuständige Einzelrichterin die Sache dem Senat übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts kommt ein Anspruch der Antragstellerin auf Zahlung von Unterhalt durchaus in Betracht.

Nach § 1573 Abs. 4 BGB kann der geschiedene Ehegatte Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Tätigkeit wegfallen, weil es ihm nicht gelungen war, den Unterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit nachhaltig zu sichern. Für die Beurteilung, ob der Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit nachhaltig gesichert erscheint, ist maßgebend, ob diese im Zeitpunkt ihrer Aufnhame nach objektiven Maßstäben und allgemeiner Lebenserfahrung mit einer gewissen Sicherheit als dauerhaft angesehen werden kann oder ob befürchtet werden muss, dass der Bedürftige sie durch außerhalb seiner Entschließungsfreiheit liegende Umstände in absehbarer Zeit wieder verliert. Dabei sind auch solche Umstände in die Beurteilung einzubeziehen, die zwar schon zu diesem Zeitpunkt bestehen, aber erst später zutage treten ( BGH FamRZ 2003, 1734, 1736 ). Gemessen an diesen Kriterien ist fraglich, ob die Erwerbstätigkeit der Antragstellerin als Lehrerin an einer Hauptschule im Herbst 2000 als nachhaltig gesichert angesehen werden kann. Wie sich aus dem durch das Sozialgericht Köln zum Gesundheitszustand der Antragstellerin eingeholten und vorliegend von dieser zu den Akten gereichten neurologisch psychiatrischen Gutachten des Arztes Dr. O vom 26.3.2003 ergibt, ist der Schweregrad der bei der Antragstellerin diagnostizierten neurotischen Fehlentwicklung Ausdruck eines jahrzehntelangen Entwicklungsprozesses. Damit in Einklang steht, dass bereits in dem zwischen den Parteien zustandegekommenen Ehevertrag unter Ziffer IV. ausdrücklich der "derzeit" schlechte Gesundheitszustand der Antragstellerin erwähnt wird, der einer Erwerbstätigkeit der Antragstellerin entgegenstehe. Anhaltspunkte dafür, dass hiermit ein anderes Krankheitsbild gemeint war als dasjenige, das inwischen zur vollständigen Erwerbsunfähigkeit der Antragstellerin geführt hat, sind nicht ersichtlich; sie ergeben sich insbesondere nicht aus dem Vorbringen des Antragsgegners. Angesichts dieses Krankheitsbildes liegt es nahe, dass von Anfang an damit zu rechnen war, dass die Antragstellerin die Tätigkeit als Hauptschullehrerin in absehbarer Zeit wieder verlieren würde. Letztlich kommt es hierauf vorliegend für die Entscheidung, ob der Antragstellerin Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Stufenklage zu bewilligen ist, jedoch nicht an. Auch bei einer nachhaltigen Unterhaltssicherung kommt durchaus ein Anspruch der Antragstellerin auf Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 4 Satz 2 BGB über den 31.12.1999 hinaus in Betracht, der sich ausgehend von den fortgeschriebenen Einkünften der Antragstellerin aus einer vollschichtigen Tätigkeit und dem eheangemessenen Bedarf ergibt. Insoweit ist nämlich die sich auf die Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse auswirkende geänderte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendung der sogenannen Anrechnungmethode ( vgl. BGH FamRZ 2001, 986 ff.) zu beachten, auf deren Grundlage die Einkünfte der Antragstellerin aus ihrer Tätigkeit als Hauptschullehrerin im Wege der Differenzmethode in die Unterhaltsberechnung einzustellen wären. Dies aber dürfte angesichts der Diskrepanz der beiderseitigen Einkünfte, von der nach der allgemeinen Lebenserfahrung - danach verfügt ein niedergelassener Arzt im Monatsdurchschnitt über deutlich höhere Einkünfte als eine Hauptschullehrerin - sowie angesichts der von dem Antragsgegner in der Zeit bis zum 31.12.1999 übernommenen Unterhaltspflichten vorliegend auszugehen ist, zu einem verbleibenden Aufstockungsunterhalt führen. Zwar könnte bedenklich sein, die geänderte Rechtsprechnung des Bundesgerichtshofs auch schon für die Zeit vor Erlass des die bisherige Rechtsprechung aufgebenden Urteils vom 13.6.2001 zu berücksichtigen. Die Klärung dieser Frage ist jedoch dem Hauptverfahren vorzubehalten und hat nicht im Rahmen des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens zu erfolgen, in dem nur eine summarische Prüfung stattfindet und nicht über offene Rechtsfragen befunden wird. Dafür, dass vorliegend - jedenfalls gedanklich - die Anwendung der Differenzmethode auch schon vor dem 13.6.2001 angezeigt ist, spricht jedenfalls, dass das Bundesverfassungsgericht die bisherige Rechtsprechung zur Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse durch Beschluss vom 5.2.2002 = FamRZ 2002, 527 ff. als verfassungswidrig angesehen hat.

Schließlich kommt aber, sollten sich aus den vorgenannten Vorschriften keine Unterhaltsansprüche der Antragstellerin herleiten lassen, ein Anspruch der Antragstellerin nach § 1576 BGB in Betracht, dessen Voraussetzungen zu prüfen sind, sofern die Zubilligung eines Unterhaltsanspruchs wegen Krankheit lediglich am Einsatzzeitpunkt scheitert und die zusätzliche Voraussetzung der groben Unbilligkeit erfüllt ist. Anders als andere Unterhaltstatbestände sieht § 1576 BGB nämlich keine Einssatzzeitpunkte vor, vgl. BGH FamRZ 2003, 1734, 1737. Die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners kann erst nach vollständiger Erteilung der verlangten Auskunft beurteilt werden. Insoweit reichen die bislang vorgelegten Steuerbescheide für 2000 und 2001 nicht aus.

Ob die Antragstellerin aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage ist, für die Prozesskosten aufzukommen, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Offen ist, ob die Antragstellerin inzwischen Sozialhilfe bezieht bzw. wovon sie lebt. Die Klärung dieser Frage bleibt dem Amtsgericht - Familiengericht - Waldbröl vorbehalten, an das die Sache deshalb zur weiteren Bearbeitung und Entscheidung nach Maßgabe der vorstehenden Gründe zurückzuverweisen war.

Ende der Entscheidung

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