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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.01.2007
Aktenzeichen: 14 WF 284/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 121
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

14 WF 284/06

In der Familiensache

hat der 14. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung der Richter am Oberlandesgericht Quack und Thiesmeyer sowie der Richterin am Oberlandesgericht Schwarz am 18. Januar 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Euskirchen vom 11. Dezember 2006 - 19 F 427/06 - dahin abgeändert, dass die im Rahmen der Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ausgesprochene Beschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts" entfällt.

Gründe:

Durch den in der Beschlussformel näher bezeichneten Beschluss hat das Amtsgericht - Familiengericht - Euskirchen der Antragstellerin für das von ihr beabsichtigte Scheidungsverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin F zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts bewilligt. Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die in der Beiordnung ausgesprochene Einschränkung. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die zuständige Einzelrichterin hat das Verfahren dem Senat übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Einschränkung ist unzulässig. Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass das Amtsgericht die Einschränkung ohne vorherige Nachfrage angeordnet hat. An dieser bisher von ihm vertretenen Auffassung hält der Senat nicht länger fest, nachdem der Bundesgerichtshof die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob ein Gericht die eingeschränkte Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts ohne Nachfrage bei dem betroffenen Rechtsanwalt anordnen darf, dahin entschieden hat, dass ein Beiordnungsantrag regelmäßig ein konkludentes Einverständnis des Verfahrensbevollmächtigten mit einer dem Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO entsprechenden Einschränkung der Beiordnung enthält, vgl. BGH FamRZ 2007, 37. Die angeordnete Einschränkung ist vorliegend jedoch deshalb unzulässig, weil durch die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts weitere Kosten nicht entstehen. Wäre die zusätzliche Beiordnung eines Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO gerechtfertigt, darf die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts ohne Einschränkung erfolgen, wenn dessen Gesamtkosten (einschließlich Reisekosten) nicht höher liegen als die Kosten eines Anwalts am Gerichtsort plus eines Verkehrsanwalts am Sitz der Partei, vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Auflage 2005, Rn. 570 m.w.N.. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Besondere Umstände im Sinne von § 121 Abs. 4 ZPO, die die Beiordnung eines Verkehrsanwalts erfordern, liegen regelmäßig dann vor, wenn die Beiziehung eines Verkehrsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO "notwendig" ist, vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O, Rn. 578 m.w.N.. Dies ist dann der Fall, wenn der auswärts wohnenden Partei wegen weiter Entfernung zur Kanzlei eines am Prozessgericht ansässigen Prozessbevollmächtigten ein zur Verfolgung ihrer Interessen notwendiges persönliches Beratungsgespräch nicht zumutbar ist und auch eine vermögende Partei die Mehrkosten eines Verkehrsanwalts aufbringen würde. So liegt der Fall hier. Auch in einfach gelagerten Scheidungsfällen hält der Senat das persönliche Beratungsgespräch zur Wahrnehmung berechtigter Interessen der antragstellenden Partei für erforderlich, vgl. insoweit auch OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 1298 ff.; ein solches Gespräch mit einem in Euskirchen ansässigen Rechtsanwalt ist der Antragstellerin angesichts ihres über 600 km entfernten Wohnsitzes in Berlin nicht zumutbar. Da die Kosten für einen Verkehrsanwalts vorliegend annähernd gleich hoch sind wie die Reisekosten der beigeordneten auswärtigen Verfahrensbevollmächtigten bestand für deren eingeschränkte Beiordnung kein sachlicher Grund. Nach VV 3400 erhält der Rechtsanwalt, dessen Auftrag sich auf die Führung des Verkehrs der Partei mit dem Verfahrensbevollmächtigten beschränkt, eine Verfahrensgebühr in Höhe der dem Verfahrensbevollmächtigten zustehenden Verfahrensgebühr, höchstens 1,0. Ausgehend von einem Streitwert von jedenfalls 7.200 € würden die Gebühren für einen Verkehrsanwalt einschließlich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer gemäß § 49 RVG insgesamt einen Betrag von rund 302 € ausmachen. Die Reisekosten belaufen sich demgegenüber auf rund 208 € (Hin- und Rückfahrkarte der Deutschen Bahn AG für die Strecke Berlin-Euskirchen) und übersteigen damit die Kosten für einen Verkehrsanwalt unter Berücksichtigung von Tage- und Abwesenheitsgeld sowie einer Übernachtung allenfalls unwesentlich. Auch im Rahmen der Prozesskostenhilfe ist es deswegen zu billigen, dass sich die Antragstellerin ohne gravierende Mehrkosten (§ 121 Abs. 3 ZPO) von einer nicht ortsansässigen Verfahrensbevollmächtigen vertreten lässt.

Darauf, dass vorliegend die Kosten eines zur Wahrnehmung eines Verhandlungstermins beigeordneten unterbevollmächtigten Rechtsanwalts geringer wären als die anfallenden Reisekosten, kommt es entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts in der Nichtabhilfeentscheidung nicht an. Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ausnahmsweise über § 121 Abs. 4 ZPO hinaus auf Antrag zusätzlich ein unterbevollmächtigter Rechtsanwalt zur Terminswahrnehmung beizuordnen ist, wenn Reisekosten geschuldet sind und diese die Kosten des unterbevollmächtigten Rechtsanwalts annähernd erreichen, vgl. BGH FamRZ 2004, 1362 ff.. Aus dieser Entscheidung, in der die Partei die eingeschränkte Beiordnung ihres nicht am Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalts hingenommen und die zusätzliche Beiordnung eines Terminvertreters beantragt hatte, kann jedoch nicht im Umkehrschluss hergeleitet werden, dass als Prüfungsmaßstab dafür, ob weitere Kosten im Sinne von § 121 Abs. 3 ZPO entstehen, stets die Gebühren eines zusätzlichen Unterbevollmächtigten zur Wahrnehmung des Verhandlungstermin heranzuziehen sind. Gemäß § 121 Abs. 4 ZPO kommt es für die Beurteilung, ob zusätzliche Kosten entstehen, allein auf einen Vergleich der anfallenden Reisekosten mit den etwaigen Kosten für einen Verkehrsanwalt an.

Ende der Entscheidung

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