Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 25.04.2002
Aktenzeichen: 14 WF 42/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 628
ZPO § 644
ZPO §§ 620 ff.
ZPO § 1672
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 3
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 623 Abs. 2
ZPO § 628 S. 1 Nr. 3
ZPO § 623 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 623 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 623 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

14 WF 42/02

In der Familiensache

hat der 14. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Köln

am 25. April 2002

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kerpen vom 5.03.2002 (50 F 409/01) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

1.

Die Parteien haben durch notariellen Ehevertrag vom 27.01.1993 Gütertrennung vereinbart und gegenseitig auf nachehelichen Unterhalt auch im Falle der Not verzichtet. Am 3.09.2001 hat der Antragsteller die Scheidung der am 28.01.1993 geschlossenen Ehe beantragt (Trennung der Parteien: Oktober 2000). Die Antragsgegnerin hat sich dem Scheidungsantrag angeschlossen und zugleich den Antrag gestellt, ihr im Falle der Scheidung das alleinige Sorgerecht für die vier gemeinsamen Kinder zu übertragen. Mit Schriftsatz vom 21.01.2002 hat sie außerdem die Zahlung nachehelichen Unterhalts beantragt. Der Antragsteller ist sowohl dem Sorgerechtsantrag als auch dem Antrag auf nachehelichen Unterhalt entgegengetreten. Kindesunterhalt ist in einem gesondert laufenden Verfahren auf Trennungsunterhalt vergleichsweise geregelt worden.

Im vorliegenden Verbundverfahren hat der Antragsteller am 5.02.2002 beantragt, die Folgesachen Sorgerecht und nachehelicher Unterhalt gemäß § 623 Abs. 2 ZPO abzutrennen. Die Antragsgegnerin hat Zurückweisung des Antrags beantragt.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Abtrennungsantrag zurückgewiesen, da die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 623 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht erfüllt seien. Denn (ungeschriebene) Voraussetzung einer Abtrennung nach dieser Bestimmung sei, dass damit eine Vorabentscheidung über die abzutrennenden Punkte verfolgt werde, also eine Regelung vor dem Scheidungsausspruch. Eine Abtrennung nur zwecks Beschleunigung der Ehescheidung sei unzulässig. Eine solche restriktive Auslegung entspreche auch dem Zweck dieser durch das Kindschaftsreformgesetz neu eingefügten Bestimmung. Es könne kaum der Wille des Gesetzgebers sein, für den auf Unterhalt angewiesenen Ehegatten einen geringeren Rechtsschutz zu gewähren - dadurch bedingt, dass eine Unterhaltslücke zwischen Rechtskraft der vorzeitigen Ehescheidung und der Entscheidung über nachehelichen Unterhalt entstehen könne. Wegen der weitergehenden Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Mit der sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Abtrennungsantrag weiter.

Der Antragsteller ist der Auffassung, seinem Antrag auf Abtrennung sei nach dem Wortlaut von § 623 Abs. 2 S. 2 ZPO zwingend stattzugeben; denn aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich kein Hinweis darauf, dass unter gewissen Voraussetzungen von einer Abtrennung abzusehen sei. Dies sei auch nicht damit zu begründen, dass eine Ehe von Eltern, die über das Sorgerecht stritten, dadurch leichter auflösbar sei als lediglich um Unterhalt streitende Eheleute. Dem stehe die klare Aussage des Gesetzgebers entgegen, die gerade nur für Eltern mit Kindern getroffen worden sei. Eine gegebenenfalls vorhandene Rechtsschutzlücke beim Unterhalt sei durch die §§ 620 ff., 644 ZPO problemlos zu schließen. Die fehlende Rechtsmittelmöglichkeit treffe in diesen Fällen eher den Unterhaltspflichtigen als die Unterhaltsberechtigte.

Sein Abtrennungsantrag sei auch nicht etwa rechtsmissbräuchlich, weil er keinen eigenen Antrag zum Sorgerecht gestellt habe. Viel eher könne rechtsmissbräuchlich sein, wenn er einen Sorgerechtsantrag (nur) zum Zwecke der Abtrennung stellen würde.

Abschließend weist er darauf hin, dass die fehlende Entscheidungsreife zum nachehelichen Unterhalt, beim dem es ohnehin nur um Notunterhalt gehe, ausschließlich von der Antragsgegnerin zu verantworten sei, die ihre Bedürftigkeit bisher nicht hinreichend dargetan habe.

2.

Die nach § 567 Abs. 1 ZPO statthafte (vgl. u. a. OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 840; OLG Hamm, FamRZ 2001, 554; Zöller-Philippi, ZPO, 23. Auflage, § 623 Rz. 32 i) und auch im übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Das Amtsgericht hat den gemäß § 623 Abs. 2 ZPO gestellten Abtrennungsantrag zu Recht zurückgewiesen. Auf die ausführliche Begründung in dem angefochtenen Beschluss wird Bezug genommen. Ergänzend ist auszuführen:

Die Voraussetzungen der Abtrennung der Folgesachen elterliche Sorge und Unterhalt aus dem Scheidungsverbund gemäß § 623 Abs. 2 ZPO sind in Literatur und Rechtsprechung streitig:

a)

Zum Teil wird die Auffassung vertreten - auf die sich auch der Antragsteller stützt -, dass einem nach § 623 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO gestellten Abtrennungsantrag in jedem Fall zu entsprechen sei, denn der Gesetzeswortlaut "Auf Antrag eines Ehegatten trennt das Gericht eine Folgesache nach Nr. 1 bis 3 (betrifft Sorgerecht, Umgang und Herausgabe des Kindes) von der Scheidungssache" schreibe die Abtrennung zwingend vor und lasse keinen Raum für eine Ermessensentscheidung dahingehend, ob die Abtrennung auch zweckmäßig sei. Insofern unterscheide sich die Bestimmung von § 628 ZPO (so OLG Düsseldorf a. a. O.; OLG Hamm FamRZ 2001, 1229). Aus den Materialien zur Reform des Kindschaftsrechtes ergebe sich nichts anderes. Zwar solle die Vorschrift wohl in erster Linie dazu dienen, schon vor Rechtskraft der Scheidung Entscheidungen zum Sorgerecht und zum Umgang in selbständigen Verfahren zu ermöglichen. Irgendwelche Vorkehrungen, um zu verhindern, dass es umgekehrt schon vor einer Sorgerechts- und Umgangsentscheidung zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Ehescheidungsantrag kommen könnte, seien dem Gesetz angesichts seiner offenbar bewusst weiten und einschränkungslosen Fassung aber nicht zu entnehmen. Wegen dieser klaren Gesetzeslage seien auch die Abtrennungsanträge, die allein die Vorabentscheidung der Ehescheidungsantrages bezweckten, nicht pauschal als missbräuchlich zu bewerten. Der Gesetzgeber habe die Auflockerung des Verbundsprinzip vielmehr offenbar bewusst in Kauf genommen und sogar gewollt (OLG Düsseldorf a. a. O.).

b)

Die wohl überwiegende Meinung (OLG Frankfurt FamRZ 2001, 554 und 1229; OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 840 und 842; AG Rastatt FamRZ 1999, 515; Zöller-Philippi ZPO, 23. Auflage, § 623 Rz. 32 f. Thomas-Putzo-Hüßtege, ZPO, 24. Auflage, § 623 Rz. 20) geht ebenfalls davon aus, dass § 623 Abs. 2 ZPO die Abtrennung bei entsprechendem Antrag grundsätzlich zwingend vorschreibe, damit allerdings über den Zweck der Vorschrift hinausgehe, denn dieser liege darin, Sorgerechtsregelungen bereits vor Rechtskraft der Scheidung wirksam werden zu lassen. In Ausnahmefällen könne "überlegt" werden, ob ein Antrag wegen Missbrauchs zurückzuweisen sei. Ein solcher Missbrauch ist vom OLG München (FuR 2000, 386 = FamRZ 2000, 1281 LS) in dem Fall bejaht worden, in dem der Sorgerechtsantrag nach Auffassung des Gerichts nur zu dem Zweck gestellt worden war, die Abtrennung der weiteren Folgesachen Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt nach § 623 Abs. 2 S. 3 ZPO zu erzwingen. Ein solcher auf einen aussichtslosen Sorgerechtsantrag gestützter Abtrennungsantrag sei rechtsmissbräuchlich.

c)

Eine dritte Auffassung geht schließlich davon aus, dass die dem Wortlaut nach umfassende Abtrennungsmöglichkeit eingeschränkt werden muss; denn der Gesetzgeber habe mit der Regelung nicht die Scheidung beschleunigen wollen - ohne Klärung der Folgesachen -, sondern nur eine Entscheidung über die elterliche Sorge vor Scheidung ermöglichen wollen, was früher im selbständigen Hauptsacheverfahren nach § 1672 a. F. zu erreichen war. Daher seien Abtrennungsanträge zurückzuweisen, wenn durch sie allein eine Beschleunigung des Scheidungsverfahrens bewirkt werde. Anderenfalls laufe § 623 Abs. 2 ZPO der Regelung von § 628 ZPO zuwider und werde die Schutzfunktion des Scheidungsverbundes erheblich eingeschränkt (so OLG Frankfurt FF 2001, 66 mit zustimmender Anmerkung Miesen; OLG Schleswig, NJWE - FER 2000, 299 = OLG Rep. 2000, 111; Büttner, "Die Entwicklung des Unterhaltsrechts bis Anfang 1999," NJW 1999, 2315, 2326; derselbe "Familienverfahrensrecht im KindRG", FamRZ 1998, 585, 592; Hagelstein, "Die Abtrennung gemäß § 623 II ZPO", FamRZ 2001, 533; Miesen, Anm. zu AG Rastatt, FamRZ 2000, 167).

Dem entspricht auch eine Entscheidung des OLG Bamberg (FamRZ 1999, 1434), dass einen Abtrennungsantrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses zurückgewiesen hat, da bereits eine Entscheidung über das Sorgerecht während der Trennungszeit nach § 1672 a. F. vorlag. Zur Begründung ist ausgeführt, die Regelung in § 623 Abs. 2 ZPO solle lediglich eine zeitliche Lücke schließen, die durch die Abschaffung des früheren § 1672 ZPO entstanden sei.

Der Senat schließt sich der Auffassung unter c) an. Entgegen der oben unter a) dargestellten Meinung ist der Entwurfsbegründung zu § 623 Abs. 2 durchaus zu entnehmen, was Sinn der Abtrennung nach dieser Bestimmung sein sollte. Dort heißt es: "Mit der Möglichkeit der Abtrennung des Sorgeverfahrens von der Scheidungssache kann auch künftig bereits für die Zeit der Trennung eine Entscheidung in der Hauptsache erreicht werden" (BT - Drucks. 13/4899, S. 122). Damit ist ausdrücklich klargestellt, dass mit der Abtrennungsmöglichkeit eine Vorabentscheidung über das Sorgerecht - und gemäß Satz 3 dieses Absatzes auf Antrag auch des Unterhalts - bezweckt ist. Dass damit zugleich die generelle Möglichkeit eröffnet werden sollte, umgekehrt vorab über die Scheidung zu entscheiden und Sorge- und Unterhaltsstreitigkeiten zunächst ungeklärt offen zu lassen, ergibt sich daraus nicht. Es ist auch nicht als vom Gesetzgeber gewollt anzunehmen. Denn dagegen spricht die inhaltlich unverändert gebliebene Regelung in § 628 S. 1 Nr. 3 ZPO, wonach nur bei außergewöhnlicher Verzögerung des Scheidungsausspruchs durch eine Folgesache und eine dadurch bedingte unzumutbare Härte die Trennung des Verbundes möglich ist. Dies ist vom Gericht im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens zu prüfen und zu entscheiden, liegt also nicht in der Dispositionsbefugnis der Parteien. Danach ist nur unter sehr engen Voraussetzungen eine Lösung des Verbundes möglich, was sich aus der Entstehungsgeschichte des ersten EheRG, das den Scheidungsverbund eingeführt hat, erklärt. Danach sollte der Scheidungsrichter alle bei ihm im Zusammenhang mit der Scheidung anhängigen Verfahren zur gleichen Zeit erledigen, damit der Ausspruch der Scheidung möglichst nicht ohne Regelung der wichtigsten Scheidungsfolgen ergeht (BT - Drucks. 7/650, S. 61; siehe auch BGH FamRZ 1991, 687). Damit sollte erreicht werden, dass mit der Ehescheidung auch die Scheidungsfolgen zwischen den Ehegatten geklärt sind und die Ehegatten sich einem neuen Lebensweg zuwenden können, ohne immer wieder Auseinandersetzungen wegen ihrer früheren Ehe gewärtigen zu müssen. Auch sollte den Ehegatten durch die Konfrontation mit den Scheidungsfolgen schon während des Scheidungsverfahrens vor Augen geführt werden, welche tatsächlichen Auswirkungen ihre Trennung hat, um so übereilten Scheidungen vorzubeugen (BGH a. a. O.). Davon, dass der Gesetzgeber von dieser Warnfunktion des Verbundes, die oft zugleich auch eine Schutzfunktion für den sozialschwächeren Partner darstellt, durch die Neuregelung des § 623 Abs. 2 ZPO abrücken wollte, ist nicht auszugehen.

Als Gegenargument überzeugt auch nicht der Hinweis (OLG Düsseldorf, FamRZ 2000, 840), die Situation habe sich dadurch geändert, dass das Sorgerecht jetzt nur noch auf Antrag zu regeln sei, also nicht zwingend im Scheidungsverbund. Richtig ist zwar, dass zum Sorgerecht keine gerichtliche Entscheidung von Amts wegen mehr zu treffen ist. Es gerät - nur - in den Verbund mit der Scheidungssache, wenn es bis spätestens zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Scheidungsverfahren anhängig gemacht wird, § 623 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO. Hat sich indessen eine Partei dazu entschieden, das Sorgerecht in den Verbund einzuführen, so unterliegt dieser Antrag als Folgesache auch den Regeln des Verbundes und genießt damit zugleich den vom Gesetzgeber beabsichtigten Schutz - und Warnzweck (vgl. BGH, a. a. O., S. 688 zu Antragssachen im übrigen). Insbesondere kann es nicht angehen, dass wie im vorliegenden Fall von derjenigen Partei, die den Antrag als Folgesache gar nicht gestellt hat, das vom Gegner gewollte Verbundverfahren durch einen Abtrennungsantrag ohne weiteres gelöst wird.

Auch der Einwand, missbräuchlich könnten auf der Gegenseite verspätete, zu weitgehende, der Sachlage nicht angemessene Anträge sein und zu dem umgekehrten Ziel einer Verfahrensverzögerung führen, ohne dass dies zu verhindern sei (so OLG Hamm, FamRZ 2001, 1229), überzeugt nicht. Denn bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 628 S. 1 Nr. 3 ZPO kann dem durchaus abgeholfen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 und 3 ZPO.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 300 €

Ende der Entscheidung

Zurück