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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 05.03.2001
Aktenzeichen: 14 WF 7/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 42
ZPO § 216
ZPO § 299
§§ 42, 216, 299 ZPO

Leitsatz

1) Es begründet kein Ablehnungsrecht, wenn der Anwalt einer Partei, die (auch durch Niederlegung zur Post) schon zum Termin geladen ist, bei einer danach erfolgten Bestellung nicht seitens des Gerichts vom Termin unterrichtet wird.

2) Gewährt das Gericht einem Anwalt die rechtzeitig beantragte Akteneinsicht nicht und bestimmt ohne Rücksicht darauf einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung in der Sache, begründet dies ein Ablehnungsrecht.

OLG Köln, 14. Zivilsenat, Beschl. v. 5.3.2001 - 14 WF 7/01 -


OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

14 WF 7/01 19 F 412/00 EA-UE Amtsgericht Euskirchen

In der Familiensache

pp.

hat der 14. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung seiner Richter Dr. Büttner, Quack und Thiesmeyer

am 5.3.2001

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Ablehnung der Richterin am Amtsgericht P. wegen der Besorgnis der Befangenheit wird für begründet erklärt.

GRÜNDE

1)

Am 8.11.2000 reichte die Klägerin beim Amtsgericht eine Klage auf Zahlung von Kindes- und Trennungsunterhalt ein und stellte gleichzeitig einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf den Trennungsunterhalt.

Nach Korrektur der von der Klägerin angegebenen Anschrift des Beklagten wurde diesem eine Ladung auf den 3.1.2001 zur Verhandlung über die einstweilige Anordnung durch Niederlegung zur Post am 13.12. 2000 zugestellt. Am gleichen Tage bestellten sich für den Beklagten die Rechtsanwälte L. und S. und stellten einen Antrag auf Akteneinsicht.

Mit einem Schriftsatz vom 2.1.2001 - eingegangen beim Amtsgericht am 3.1.2001 - beantragten die Anwälte Aufhebung des Termins und erklärten dazu, vom Termin nur zufällig bei dem Versuch, die Akten zu erhalten, erfahren zu haben, und sie beantragten erneut, ihnen Akteneinsicht zu gewähren.

Die Richterin telefonierte noch am 3.1.2001 mit Rechtsanwalt S. und fertigte darüber folgenden Vermerk: "Telef. wurde mit RA S. vereinbart, daß entweder er oder ein Vertreter am Termin teilnimmt. Sein Mandant habe die Ladung nicht bekommen."

Im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3.1.2001, in dem die Klägerin persönlich und ihre Anwältin und Rechtsanwalt S. als Vertreter des Beklagten anwesend waren, heißt es u.a.:" Der Vertreter des Antragsgegners (Beklagten) erklärt, daß er einer Entscheidung im heutigen Termin widerspreche. Er sei nicht ordnungsgemäß geladen gewesen, ebensowenig der Antragsgegner." Ohne daß Anträge vermerkt sind, heißt es weiter: "Eine Entscheidung ergeht am Ende der Sitzung". Der Vertreter des Beklagten lehnte die Richterin sodann wegen Besorgnis der Befangenheit ab. In ihrer dienstlichen Äußerung vom 19.1.2001 erklärte die Richterin u.a.:"Im übrigen war eine Entscheidung auf der Grundlage des unstreitigen und glaubhaft gemachten Vortrags beabsichtigt. Mangels eines gestellten Antrags konnte ein Entscheidung jedoch nicht ergehen."

2)

a) Das Ablehnungsgesuch, über das der Senat als Familiensenat gem. § 45 II ZPO zu entscheiden hat, ist statthaft und auch in der Sache begründet.

Nach § 45 II ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es für die Beurteilung darauf an, ob es aus der Sicht der Partei hinreichende vernünftige Gründe für die Besorgnis der Befangenheit gibt.

Diese Voraussetzungen einer Ablehnung sind im Streitfall im Ergebnis zu bejahen, da prozeßrechtliche Vorschriften zur Gewährung von Akteneinsicht vor einer Entscheidung nicht gewahrt worden sind und wegen des ohne vorherige Akteneinsicht anberaumten Verkündungstermins auch eine besonnene Partei den Eindruck gewinnen konnte, ihr werde vom Gericht keine hinreichende Verteidigungsmöglichkeit gewährt.

b) Mit dem Amtsgericht ist der Senat allerdings der Auffassung, daß der Antragsgegner zur vom Gericht angeordneten mündlichen Verhandlung vom 3.1.2001 gem. § 214 ZPO ordnungsgemäß mit Zustellungsurkunde geladen war. Auch die am 13.12.2000 niedergelegte Ladung (§ 182 ZPO) war eine ordnungsgemäße Ladung. Das gilt auch dann, wenn der Antragsgegner sie nicht abgeholt hat (BayObLG FamRZ 1990, 428). Eine gesonderte Ladung oder Terminsnachricht an den Prozeßbevollmächtigten des Beklagten, der sich nach Ladung des Beklagten persönlich bestellt, schreibt die ZPO (§§ 214, 216) nicht vor. Es entspricht zwar verbreiteter Übung, den Anwalt gleichwohl von einem bereits bestimmten Termin zu unterrichten (weil eine Unterrichtung durch den Mandanten nicht sicher ist), das Unterbleiben einer solchen Terminsnachricht begründet aber nicht die Besorgnis der Befangenheit, denn es ist in erster Linie Sache der Partei, ihren eigenen Anwalt zu unterrichten und im Unterbleiben der Terminsnachricht liegt deshalb keine Verkürzung des rechtlichen Gehörs. c) Mit Schriftsatz vom 13.12.2000 hatten die Anwälte des Beklagten aber ausdrücklich Akteneinsicht beantragt. Dieser Antrag ist nicht beschieden worden und den Anwälten ist auch von Seiten des Gerichts keine Gelegenheit gegeben worden, vor dem Termin die Akten einzusehen. Den Anwälten mußte vor der Verhandlung gem. § 299 I ZPO die beantragte Akteneinsicht gewährt werden. Eine Akteneinsicht ist für den Anwalt erforderlich, weil er nur so überprüfen kann, welcher Streitstoff der Entscheidung des Gerichts zugrundeliegt und wozu er ggf. noch Stellung zu nehmen hat.

Der Terminsaufhebungsantrag vom 2.1.2001 war daher gerechtfertigt. Aus dem auf telefonische Rückfrage gefertigten Vermerk der Richterin vom 3.1.2001 darüber, daß Rechtsanwalt S. oder ein Vertreter gleichwohl an dem Termin teilnehmen werden, ergab sich kein Verzicht auf das Akteneinsichtsrecht. Auch der Anwalt, der einen Termin wahrnimmt, den er mangels Ladung oder vorheriger Akteneinsichtsmöglichkeit nicht hätte wahrnehmen müssen, kann im Termin Vertagung beantragen, wenn sich aus seiner Sicht herausstellt, daß eine Akteneinsicht erforderlich ist und keine gütliche Lösung gefunden werden kann. Aus dem Entgegenkommen der kurzfristigen Terminswahrnehmung dürfen ihm keine Nachteile erwachsen, falls nicht die Gründe für einen Terminsverlegungsantrag inzwischen entfallen sind. Wenn das Amtsgericht - wie sich aus der dienstlichen Äußerung ergibt und dem Terminsprotokoll mit der Ankündigung der Verkündung einer Entscheidung am Schluß der Sitzung - eine "Entscheidung auf der Grundlage des unstreitigen und glaubhaft gemachten Vortrags beabsichtigte", so stellte dies ohne vorherige Gewährung des Akteneinsichtsrechts eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, das § 299 I ZPO garantiert (Zöller/Greger, 22. Aufl. (2000), § 299 Rn. 4; Prütting ZZP 106, 456).

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs mit Auswirkungen auf die Verteidigungsmöglichkeiten rechtfertigt eine Ablehnung (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rn. 23; Schneider, Befangenheitsablehnung im Zivilprozeß (1993) Rn. 236 ff.) aus der Sicht auch einer besonnenen Partei.

Ende der Entscheidung

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