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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 20.02.2001
Aktenzeichen: 15 U 127/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 281 Abs. 3
ZPO § 546 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

15 U 127/00

Anlage zum Protokoll vom 20.02.2001

Verkündet am 20.02.2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2001 durch Richterinnen am Oberlandesgericht Dr. Diederichs und Scheffler und Richterin am Landgericht Dichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 28.06.2000 - 28 0 28/00 - wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die durch die Anrufung des unzuständigen Amtsgerichts Köln veranlassten Mehrkosten ausschließlich vom Kläger zu tragen sind.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Die Entscheidung des Landgerichts, der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten, der Kläger sei ein rechtskräftig verurteilter Frauenmörder, ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat das auf Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz fußende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt, indem sie in der Ausgabe Nr. 43/1999 der von ihr verlegten "N. Z." ein vom Kläger verfasstes Flugblatt mit folgendem Begleittext versehen und abgedruckt hat:

"Nebenstehendes NPD-Flugblatt weist zwei Mängel auf: Zum Ersten zeichnet für das Pamphlet der rechtskräftig verurteilte Frauenmörder W. K. aus H. verantwortlich. Zum Zweiten sind die Zitate aus der N. Z. in obiger Schmähschrift krass verfälscht...."

Der Begleittext war geeignet, den Kläger in der Öffentlichkeit zu stigmatisieren und seine Persönlichkeitsentfaltung zu behindern. Eine solche Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts muss der Kläger nicht hinnehmen.

Die öffentliche - vom Betroffenen nicht autorisierte - Berichterstattung über Straftaten führt notwendigerweise zu einem Konflikt zwischen dem Interesse des Straftäters an seiner Resozialisierung und einem etwaigen Informationsbedürfnis der Allgemeinheit. In dem Widerstreit der Interessen hat sich der Straftäter bzw. der Vorbestrafte nicht stets einem Informationsinteresse der Allgemeinheit und der grundgesetzlich garantierten Freiheit der Presse zu beugen. Vielmehr kann der Schutz seiner Persönlichkeit das Verbot der öffentlichen Berichterstattung gebieten.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt einem Straftäter zwar keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit seiner Tat konfrontiert zu werden. Auch eine Strafverbüßung führt nicht dazu, dass ein Täter stets und generell mit der Tat "allein gelassen werden" muss (vgl. BVerfG in AfP 2000, 160 ff.). Wegen der Folgen einer Offenlegung von Straftaten unter Namensnennung des Täters bedarf es aber besonderer Gründe, die den Vorrang des Informationsinteresses der Allgemeinheit bzw. der Freiheit der Presse vor dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen gerechtfertigt erscheinen lassen. Die Hürde für eine Veröffentlichung ist umso höher, wenn eine verhängte Strafe inzwischen verbüßt und die Vorstrafe aus dem Bundeszentralregister getilgt ist.

Das Landgericht hat die für die Abwägung der widerstreitenden Interessen maßgebenden Kriterien zutreffend dargestellt und ist zu der nicht zu beanstandenden Würdigung gelangt, dass dem Persönlichkeitsrecht des Klägers der Vorrang zukommt. Der Senat schließt sich den Ausführungen dazu im angefochtenen Urteil zur Vermeidung einer Wiederholung ausdrücklich an.

Entgegen der Auffassung der Beklagten wird das Ergebnis der Abwägung auch der politischen Komponente des Rechtsstreits gerecht.

Die Beklagte kann ein Recht zur Veröffentlichung der Vorstrafe des Klägers weder auf den Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen noch auf ein "Recht zum Gegenschlag" stützen.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass derjenige, der im öffentlichen Meinungskampf durch seine Äußerungen zu einem abwertenden Urteil Anlass gibt, eine scharfe Reaktion hinnehmen muss, auch wenn hierdurch sein Ansehen gemindert wird. Wer sich selbst aus eigenem Entschluss den Bedingungen des Meinungskampfes unterwirft, begibt sich damit eines Teils seiner schützenswerten Privatsphäre (vgl. BVerfG NJW 1961, 819 ff.; 1971, 1655; 1980, 2069 f.). Der Kläger und die Beklagte sind Teil des "Meinungskampfes" zwischen der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und der Deutschen Volksunion (DVU). Das vom Kläger verfasste Flugblatt hat dazu gedient, die DVU und ihren Vorsitzenden bei seiner Anhängerschaft zu diskreditieren. Zu diesem Zweck hat der Kläger durch die "Bearbeitung" des Originalinterviews des Geschäftsführers der Beklagten und Herausgebers der "N. Z." dessen Persönlichkeitsrecht verletzt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt dagegen, dass jemandem Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er nicht getan hat, wobei es unerheblich ist, ob das Zitat unrichtig oder verfälscht ist (vgl. BVerfG NJW 1980, 2070 ff. und 2072 ff.). Der Kläger hat zwar Sätze aus dem Interview im Original zitiert, er hat auch Auslassungen durch Punkte kenntlich gemacht und auf die Fundstelle des Originalinterviews hingewiesen. Das ändert aber nichts daran, dass dem Leser, der sich nur durch das Flugblatt informiert, durch die Zusammenstellung der Sätze ein falscher Eindruck vom Inhalt des Interviews vermittelt wird. Der Kerngehalt der Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten ist vom Kläger in sein Gegenteil verkehrt worden.

Wegen dieser Vorgehensweise musste der Kläger eine scharfe Reaktion der Beklagten hinnehmen.

Seine Bezeichnung als "rechtskräftig verurteilter Frauenmörder" liegt indes außerhalb des Teil seiner Privatsphäre, dessen sich der Kläger durch seine Tätigkeit im öffentlichen Meinungskampf begeben hat. Das Recht zum Gegenschlag ist nicht grenzenlos. Wer sich im öffentlichen Meinungskampf äußert und dabei mit dem Gegner nicht "zimperlich" umgeht, hat sein Persönlichkeitsrecht nicht verwirkt. Der vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasste Schutzbereich ist nur eingeschränkt, nicht aber aufgelöst. Beim Recht auf Gegenschlag ist nicht jegliche Diffamierung der eigenen Person, sondern nur die harte und schonungslose, aber sachbezogene Kritik hinzunehmen (vgl. BVerfG in GRUR 1971, 529 (530)).

Am erforderlichen Sachbezug zwischen dem provozierenden Verhalten des Klägers und der Reaktion der Beklagten fehlt es aber. Es besteht kein innerer Zusammenhang zwischen der Vorstrafe des Klägers und seinem Vorgehen als Journalist. Die Bezeichnung des Klägers durch die Beklagte als "rechtskräftig verurteilter Frauenmörder" hat weder dem Zweck gedient, noch ist sie geeignet gewesen, eine unseriöse journalistische Arbeit anzuprangern. Die Beklagte hat ihn allein wegen seiner Vergangenheit angreifen und in der Öffentlichkeit bloß stellen und diffamieren wollen. Dieses Vorgehen ist keine Wahrnehmung berechtigter Interessen.

Mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, hat das Landgericht auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr bejaht.

Demgemäß war das angefochtene Urteil mit der Maßgabe zu bestätigen, dass im Kostenausspruch § 281 Abs. 3 ZPO hat Rechnung getragen werden müssen.

Der Anregung der Beklagten, die Revision gegen das Urteil zuzulassen, ist nicht zu folgen. Die Voraussetzungen hierfür liegen nach § 546 Abs. 1 ZPO nicht vor. Wie die vom Senat in Bezug genommenen Ausführungen der landgerichtlichen Entscheidung sowie die weiteren Entscheidungsgründe belegen, sind die Rechtsfragen einer Veröffentlichung von Vorstrafen höchstrichterlich geklärt. Das Urteil weicht hiervon auch nicht ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Wert des Berufungsverfahrens und der Beschwer der Beklagten: 10.000.- DM

Ende der Entscheidung

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