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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 18.05.1999
Aktenzeichen: 15 U 4/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, StGB


Vorschriften:

ZPO § 543
ZPO § 92
ZPO § 100
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 31
BGB § 1004 Satz
StGB § 186
StGB § 193
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

15 U 4/99 2 O 179/98 LG Bonn

Anlage zum Protokoll vom 18.05.1999

Verkündet am 18.05.1999

Karatepe, Just.-Ang. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 13.04.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Jährig und die Richterinnen am Oberlandesgericht Dr. Diederichs und Wahle

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 02.10.1998 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 2 O 179/98 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Unter Abweisung der Klage im übrigen werden die Beklagten verurteilt, an die Klägerin eine Geldentschädigung - die Beklagte zu 1) in Höhe von 25.000,00 DM, die Beklagte zu 2) in Höhe von 45.000,00 DM - jeweils nebst 4 % Zinsen seit dem 17.02.1998 abzüglich am 23.06.1998 gezahlter 15.000,00 DM zu zahlen. In Höhe von 25.000,00 DM haften die Beklagten als Gesamtschuldner.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden wie folgt verteilt:

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin 3/5, die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner 1/5 und die Beklagte zu 2) allein darüber hinaus ein weiteres Fünftel. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) werden zu 7/10 der Klägerin und zu 3/10 der Beklagten zu 1) auferlegt; diejenigen der Beklagten zu 2) tragen die Klägerin zu 2/5 und die Beklagte zu 2) zu 3/5.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin werden zu 7/9 der Klägerin und zu 2/9 der Beklagten zu 2) auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) haben diese selbst zu 4/9 und die Klägerin zu 5/9 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. In der Sache selbst ist sie gegenüber der Beklagten zu 2) teilweise begründet, gegenüber der Beklagten zu 1) unbegründet.

Mit Recht hat das Landgericht die Beklagten wegen Verletzung des Persönlichkeitsrecht der Klägerin gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1, 2 Abs. 1 GG zur Zahlung einer Geldentschädigung verurteilt. Der von der Kammer insgesamt bewilligte Betrag von 25.000,00 DM (inklusive der während des Rechtsstreits gezahlten 15.000,00 DM) ist in Bezug auf die Beklagte zu 1) ausreichend und angemessen. Von der Beklagten zu 2) kann die Klägerin dagegen eine Geldentschädigung in Höhe von insgesamt 45.000,00 DM, über den gezahlten Betrag von 15.000,00 DM hinaus also weitere 30.000,00 DM verlangen.

1.

Mit Recht hat das Landgericht eine Persönlichkeitsverletzung der Klägerin insoweit angenommen, als durch das in der Zeitschrift "B." vom 29.01.1998 veröffentlichte Foto von Willy Brandt und der Klägerin im Zusammenhang mit der zugehörigen Berichterstattung - den Überschriften und dem Text sowohl des Kurzberichts betreffend Willy Brandt als auch der weiteren Berichte über andere Politiker - der Eindruck erweckt worden ist, die Klägerin habe intime Beziehungen zum Verstorbenen Altbundeskanzler Willy Brandt unterhalten.

Zwar deutet das Bild allein nicht auf mehr als freundschaftliche Beziehungen hin, und auch im Text des Kurzberichts zu Willy Brandt ist nicht ausdrücklich von einem intimen Verhältniss die Rede. Dennoch ist in der Berichterstattung eine entsprechende "verdeckte" Behauptung enthalten (zum Tatbestand der "verdeckten Behauptung" vgl. grundsätzlich BGH, NJW 80, 2801, 2803; NJW-RR 94, 1246 f). Der Kurzbericht "Willy Brandt und der Sonderzug" läßt dem Leser nicht nur Raum für entsprechende Spekulationen; vielmehr führt der Gesamtzusammenhang notwendigerweise zu dem Schluß, daß die in dem Artikel angesprochenen Frauen, insbesondere diejenigen, die mit Willy Brandt im "Sonderzug" fuhren, zu Brandt intimen Kontakt hatten oder zumindest suchten. Schon die Gesamtüberschrift des Artikels "starke Männer, willige Groupies" mit der Oberzeile "Männer, Macht & Sex", zu dem der Kurzbericht "Willy und der Sonderzug" gehört, zeigt an, daß es in dem Artikel um sexuelle Beziehungen geht. "Groupies" sind laut Fremdwörter-Duden "weibliche Fans, die immer wieder versuchen, in möglichst engen Kontakt mit der von ihnen bewunderten Person zu kommen". Denselben eindeutigen Hinweis auf sexuelle Beziehungen enthält auch die Überschrift auf Blatt 26 der Zeitschrift "Männer, Macht & Sex - Mao hatte seinen Harem, Brandt einen Sonderzug". Die diese Begrifflichkeit übernehmende Zwischenüberschrift "Willy Brandt und der Sonderzug" hat dadurch ebenfalls einen eindeutig sexuellen Bezug. Dem entspricht der im Kurzbericht verwendete Begriff "Amouren" und die Angabe, daß diese wie ein Staatsgeheimnis behandelt wurden, viele aber Bescheid wußten. Daraus ergibt sich, daß es um Verhältnisse ging, für die ein Interesse an strenger Geheimhaltung bestand. Hinzu kommt, daß es in sämtlichen Kurzberichten über andere Politiker ausdrücklich um sexuelle Beziehungen zwischen diesen und sich nach ihnen drängenden Frauen geht. Da bei bzw. mit Brandt nur die Klägerin abgebildet ist, ist ein entsprechender Schluß, daß diese ein intimes Verhältnis mit Brandt gehabt habe, zwingend nahegelegt. Einer repräsentativen Umfrage bedurfte es insoweit nicht. Wie der Durchschnittsleser Bild und Artikel versteht, kann der Senat ausreichend beurteilen.

Die Identifizierbarkeit der Klägerin anhand des Lichtbildes steht für den Senat außer Frage. Auch wenn sie im Text nicht namentlich genannt ist und das Foto zum Zeitpunkt der Veröffentlichung - unstreitig - schon mehr als 10 Jahre alt war, ist die Klägerin doch aufgrund ihres Bekanntheitsgrades und auch der Bekanntheit des Fotos zumindest für einen großen Teil der politisch interessierten Leser erkennbar. Viele werden sich an dieses Foto und die heftigen Diskussionen darüber, daß Brandt (kurz vor seinem Rücktritt) die Klägerin zur Pressesprecherin der Bundesregierung machen wollte, noch erinnern. Die Vielzahl der von der Klägerin vorgelegten Veröffentlichungen von ihr selbst oder über sie, die bis in die heutige Zeit reichen und überwiegend auch mit einem Foto der Klägerin versehen sind, lassen auf einen großen Bekanntheitsgrad ihrer Person - auch bildlich - schließen. Dabei haben unter anderem auch die vorangegangenen Veröffentlichungen der Zeitschrift "B." vom 04.07.1991 und 03.02.1994 (jeweils mit Bild) dazu beigetragen, daß die Erinnerung an die Klägerin wachgehalten wurde. Das Aussehen der Klägerin hat sich zudem nicht sehr verändert, wovon sich der Senat durch Augenschein im Verhandlungstermin überzeugen konnte. Daß die Klägerin und ihr Ehemann im Zusammenhang mit dem Erscheinen des hier streitgegenständlichen Artikels verschiedentlich auf diesen angesprochen wurden, haben die Beklagten nicht einmal in Abrede gestellt. Auch zur Erkennbarkeit und Identifizierung der Klägerin bedurfte es angesichts dieser Umstände keiner repräsentativen Umfrage.

Soweit die Beklagten darauf hinweisen, daß die Klägerin nicht zu den "Journalistinnen, Schauspielerinnen und Sängerinnen" gehörte, die sich laut Kurztext danach drängten, zu Brandt in den Sonderzug zu kommen, ändert dies an der Identifizierung der Klägerin nichts. Abgesehen davon, daß die vorgenannte Anführung von "Interessentinnen" ersichtlich nur beispielhaft gemeint ist und Beruf und Tätigkeit der Klägerin - insbesondere auch ihre damals erwogene Tätigkeit als Pressesprecherin - dem Bereich der Öffentlichkeitsarbeit zuzurechnen sind und damit durchaus eine gewisse Nähe zum Beruf der Journalistin aufweisen, ist die Identifizierung der Klägerin auf dem Foto eindeutig und vorrangig. Die Beklagten können auch nicht mit dem Argument gehört werden, daß, wenn jemand die Klägerin auf dem mehr als 10 Jahre alten Foto wiedererkenne, er auch wisse, daß diese zu dem Zeitpunkt, als Willy Brandt mit einem Sonderzug auf Wahlkampfreise ging (1969 und 1972), erst 12 bzw. 15 Jahre alt gewesen sei. Das sind Detailkenntnisse, die man - auch von einem politisch interessierten Leser, dazu nach so langer Zeit - nicht erwarten kann. Im übrigen besagt das angegriffene Lichtbild im Zusammenhang mit dem Text auch nicht unbedingt, daß die Klägerin mit Brandt im Sonderzug gefahren ist; vielmehr wird nur - insoweit aber eindeutig - der Eindruck erweckt, die Klägerin habe zu Willy Brandt ein intimes Verhältnis gesucht.

Bei der inkriminierten Veröffentlichung handelt es sich um eine schwere rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung. Der Hinweis auf die intime Beziehung eines Menschen zu einem anderen berührt - ohne Mitteilung weiterer Einzelheiten - den engsten Privatbereich dieses Menschen an der Grenze zur Intimsphäre. Dieser ganz private Bereich ist durch Art. 1 und 2 GG grundsätzlich gegen ungenehmigte Presseveröffentlichungen geschützt. Nur wenn aus besonderen Gründen ein legitimes Interesse an einer Veröffentlichung besteht, kann dieses gegenüber den persönlichen Belangen des Betroffenen im Spannungsverhältnis von Art. 1, 2 und 5 GG überwiegen (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rdnr. 5, 51 f. m.w.N.). Auch bei Politikern ist dies grundsätzlich zu verneinen, sofern nicht im Einzelfall aus besonderen Gründen, die über die Aufdeckung des intimen Verhältnisses als solches hinausgehen und sich aus dem besonderen Aufgabenfeld des Betroffenen ergeben, ein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Im vorliegenden Fall handelt es sich schon deshalb um eine schwere rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung, weil die Beklagten im Rechtsstreit nicht einmal behaupten, daß es eine (in dem inkriminierten Zeitungsartikel verdeckt behauptete) intime Annäherungen zwischen Willy Brandt und der Klägerin tatsächlich gegeben habe. Vielmehr hat der Beklagtenvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13.4.1999 ausdrücklich eingeräumt, daß "an der Sache wirklich nichts dran war", das Bild der Klägerin lediglich versehentlich in die streitige Berichterstattung hineingeraten sei. Damit ist der Tatbestand der üblen Nachrede gemäß § 186 StGB erfüllt. Auf eine Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) können die Beklagten sich schon deshalb nicht berufen, weil die Beklagte zu 1) jedenfalls nicht ausreichend recherchiert hatte und die Beklagte zu 2) - wie noch auszuführen sein wird - sogar wußte, daß ihrer Rechtsvorgängerin, der Bu. GmbH, von der sie den "B."- Verlag übernommen hatte, entsprechende Darstellungen gerichtlich untersagt worden waren. Durch die unwahre (verdeckte) Behauptung eines intimen Verhältnisses der Klägerin zu dem verheirateten Bundeskanzler Willy Brandt a.D. vor dessen Rücktritt im Jahre 1987 ist das Persönlichkeitsbild der Klägerin im sozialen und beruflichen Umfeld schwer beeinträchtigt. Zum einen sieht auch heute noch ein Großteil der Bevölkerung die Unterhaltung einer intimen Beziehung zu einem verheirateten Mann als charakterlich fragwürdig an, wobei hinzu kommt, daß die Klägerin seinerzeit bereits verlobt war und heute verheiratet ist; und zum anderen beeinträchtigt die Darstellung der Klägerin als eine Frau, die sich von der Macht habe anziehen lassen, auch deren intellektuellen Status. Die Schwere der Verletzung ergibt sich außerdem aus der hohen Auflagenstärke und der bundesweiten Verbreitung der Illustrierten "B.". Da das jeweilige Exemplar aufgrund der Auslage in Arztpraxen und Geschäften erfahrungsgemäß jeweils von mehreren Lesern gelesen wird, ist bei einer unstreitigen Auflagenstärke von über 670.000 Stück/Woche insgesamt von einer Kenntnisnahme des streitigen Berichts mit Foto durch mehrere Millionen Leser auszugehen.

2.

Ein Verschulden der Beklagten ist vom Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung bejaht worden. Der Senat folgt der Kammer in der Auffassung, daß es insoweit auf eine Kenntnis der Beklagten bezüglich der Vorgänge aus den Jahren 1991 und 1994 nicht einmal ankommt, da jedenfalls nicht ausreichend recherchiert worden ist. Dabei haftet die Beklagte zu 1) als Chefredakteurin aufgrund ihrer Aufsichtspflicht gegenüber sämtlichen Redakteuren. Sie ist zwar nicht verpflichtet, jeden Artikel auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen; eine Überprüfungspflicht besteht aber z. B. dann, wenn dem Chefredakteur angesichts der Informationsquelle oder des Inhalts Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung kommen müssen (BGH, AfP 79, 307; Wenzel Rdnr. 14.63). Hiervon ist vorliegend auszugehen, da jeglicher Vortrag dazu, wie das Foto der Klägerin in die streitige Berichterstattung hineingekommen ist, fehlt; auch hierauf wird im Rahmen der Ausführungen zur Höhe noch näher eingegangen werden. Die Beklagte zu 1) hätte daher als Chefredakteurin entsprechende Recherchen veranlassen müssen. Die Beklagte zu 2) haftet über § 31 BGB für das Handeln ihrer Chefredakteurin sowie ihres Geschäftsführers als ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter (vgl. Wenzel, Rndr. 14.54, 14.59).

3.

Der Anspruch auf Geldentschädigung ist auch nicht durch andere Genugtuungsmöglichkeiten ausgeschlossen. Der im einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist aufgrund seines Wesens von vornherein nicht geeignet, den durch das Foto erweckten Eindruck zu entschärfen oder zu beseitigen. Auch eine Gegendarstellung wäre insoweit, wie das Landgericht mit Recht ausgeführt hat, völlig unzureichend, da es sich bei dieser nur um eine Darstellung der Klägerin handeln würde und letztere sich damit den Lesern zudem nochmals im Zusammenhang mit angeblichen "Amouren" in Erinnerung bringen würde. Soweit die Klägerin im Hinblick auf die hier streitige Veröffentlichung einen Bestrafungsantrag in dem früheren Verfahren 2 O 96/94 LG Bonn = 15 W 82/98 gestellt hat, ist dieser Antrag wegen des zwischenzeitlichen Wechsels von Herausgeberin und Chefredakteurin erfolglos geblieben. Ob ein Widerruf geeignet wäre, den durch das Foto erweckten Eindruck entscheidend zu entschärfen oder zu beseitigen, kann an dieser Stelle offenbleiben. Keinesfalls würde ein solcher Widerruf ausreichen - auch insoweit ist dem Landgericht zuzustimmen -, um die schwere Persönlichkeitsverletzung der Klägerin völlig auszugleichen. Denn erfahrungsgemäß erreicht der Widerruf nur einen Teil der früheren Leser, und auch bei diesen wird teilweise etwas von dem voausgegangenem negativen Eindruck in Form von Zweifeln zurückbleiben, zumal in den Berichten der Illustrierten "B." nun schon zum wiederholten Mal der Eindruck intimer Beziehungen der Klägerin zu Willy Brandt erweckt worden ist. Es besteht daher ein unabwendbares Bedürfnis nach Bewilligung einer angemessenen Geldentschädigung.

4.

Bei deren Bemessung der Höhe nach sind die verschiedenen Funktionen der Geldentschädigung zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt ist stets der Gesichtspunkt der Wiedergutmachung, so daß es zunächst entscheidend auf Art und Tragweite des Eingriffs ankommt. Vorliegend sind insoweit die gesellschaftliche Stellung der Klägerin und die schwere Beeinträchtigung ihrer persönlichen Integrität und ihres beruflichen Ansehens durch die inkriminierte Veröffentlichung zu berücksichtigen; dabei ist auch deren hohe Verbreitung in Rechnung zu stellen. Wegen beider Gesichtspunkte kann auf die Ausführungen zu Ziff. 1 verwiesen werden.

Im Vordergrund steht bei dem aus Art. 1, 2 Abs. 1 GG hergeleiteten Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts aber der Gesichtspunkt der Genugtuung, wie der Bundesgerichtshof in seiner grundlegenden Entscheidung im Fall von Prinzessin Caroline von Monaco (NJW 95, 861) im einzelnen dargelegt hat. Von besonderer Bedeutung für die Bemessung der Geldentschädigung sind deshalb die Schwere des Verschuldens sowie Anlaß und Beweggrund der Veröffentlichung.

Was das Verschulden der Beklagten zu 1) angeht, so hat diese zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt, indem sie den Zeitungsartikel passieren ließ, ohne ausreichende Recherchen veranlaßt zu haben. Die Beklagten haben den Vortrag der Klägerin, daß das streitgegenständliche Foto aus dem eigenen Archiv der Beklagten zu 2) gestammt habe, nicht substantiiert bestritten. Angesichts der unstreitigen Tatsache, daß die Beklagte zu 2) den Zeitungsverlag der Illustrierten "B." und damit auch dessen Archiv von ihrer Rechtsvorgängerin, der Bu. GmbH, übernommen hatte, liegt es zudem äußerst nahe, daß bei der Auswahl und Beigabe eines Lichtbildes zu der streitgegenständlichen Berichterstattung auf das Archiv der Beklagten zu 2) zurückgegriffen wurde. Gegenteiliges haben die Beklagten auch im Verhandlungstermin - trotz entsprechender Nachfrage des Senats - nicht erklärt. Selbst wenn sich daraus noch nicht zwingend ergibt, daß die Beklagte zu 1), die in den Jahren 1991 und 1994 unstreitig noch nicht Chefredakteurin der Illustrierten "B." war, die früheren gerichtlichen Auseinandersetzungen der Klägerin mit der damaligen Herausgeberin, der Bu. GmbH, und deren Ergebnisse positiv kannte, so steht damit doch zur Überzeugung des Senats fest, daß die Beklagte zu 1), wenn sie keinerlei weitere Recherchen in ihrem eigenen Archiv veranlaßte, sie zumindest damit rechnete und auch billigend in Kauf nahm, daß der in dem Artikel erweckte Eindruck eines intimen Verhältnisses zwischen der Klägerin und Willy Brandt nicht der Wahrheit entsprach.

Die Beklagte zu 2) hat darüber hinaus sogar mit direktem Vorsatz gehandelt; denn bezüglich ihrer (jur.) Person steht fest, daß ihr zumindest das vorangegangen Teilanerkenntnisurteil des Landgerichts Bonn vom 20.04.1994 - 2 O 96/94 - bekannt war, durch welches die Bu. GmbH, die frühere Herausgeberin der "B.n" und jetztigen Alleingesellschafterin der Beklagten zu 2), verurteilt worden ist, es zu unterlassen, den Eindruck intimer Beziehungen zwischen der Klägerin und Willy Brandt zu erwecken. Auch wenn die Beklagte zu 2) erst am 07.12.1994 gegründet worden ist und eine selbständige Rechtspersönlichkeit ist, so hatte doch ihr erster Geschäftsführer, Herr G.B., der ausweislich des im Parallelverfahren 2 O 62/98 LG Bonn vorgelegten Handelsregisterauszug (Blatt 28 BA) bis zum 14.04.1996 Geschäftsführer der Beklagten zu 2) war, Kenntnis von dem früheren Teilanerkenntnisurteil, weil dieser bereits zuvor Verlagsleiter der Zeitschrift "B." gewesen war, zu einer Zeit, als die Illustrierte noch von der Bu. GmbH herausgegeben wurde, und insbesondere auch zu der Zeit der Anhängigkeit des vorzitierten Parallelrechtsstreits 2 O 96/94 LG Bonn, insbesondere auch des dortigen Teilanerkenntnisurteils. Dieses Wissen von Herrn B. ist der Beklagten zu 2) zuzurechnen, auch wenn zum Zeitpunkt der hier streitigen Veröffentlichung am 29.01.1998 nicht mehr Herr B., sondern Herr H. Geschäftsführer der Beklagten zu 2) war. Das Wissen eines in der Angelegenheit vertretungsberechtigten Organmitglieds ist der juristischen Person nämlich auch dann noch zuzurechnen, wenn der Organvertreter aus dem Amt ausgeschieden ist (BGHZ 109, 327, 331 f; Palandt-Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 166 Rdnr. 2, 8). Der direkte Vorsatz der Beklagten zu 2) mußte bezüglich dieser zu einer deutlich höheren Geldentschädigung führen als das Landgericht sie bei Offenlassung des Verschuldensgrades zugebilligt hat.

Der Gesichtspunkt, daß die Klägerin von den Beklagten gemäß § 1004 Satz 1 BGB auch einen Widerruf hätte verlangen können, stellt anderserseits grundsätzlich einen Minderungsgrund dar, der aber im Verhältnis zur Beklagten zu 2) nicht sehr erheblich ist. Abgesehen von der negativen Auswirkung, daß durch einen solchen Widerruf dem Leser die Angelegenheit insgesamt erneut ins Gedächtnis gerufen wird, ist hier auch zu berücksichtigen, daß in der Zeitschrift "B." nun schon zum wiederholten Male - trotz eines entsprechenden Verbotsurteils - eine wahrheitswidrige, persönlichkeitsverletzende (verdeckte) Behauptung intimer Beziehungen der Klägerin zu Willy Brandt aufgestellt worden ist. Der Widerruf als solcher hätte daher - gerade auch wegen dessen gleichzeitig erneut negativer Auswirkungen - die Persönlichkeitsverletzung der Klägerin allenfalls zu einem geringen Teil abmildern können.

Ein besonderes Gewicht kommt dagegen vorliegend, wie auch schon das Landgericht ausgeführt hat, dem Gesichtspunkt der Prävention zu. Hierzu kann auf die grundlegenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs im Fall von Prinzessin Caroline von Monaco (NJW 95, 861; 96, 984) verwiesen werden. Danach kann in Fällen, in denen die Persönlichkeit eines Menschen unter vorsätzlichem Rechtsbruch als Mittel zur Auflagensteigerung und damit zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt worden ist, der aus dem Persönlichkeitsrecht (Art. 1, 2 Abs. 1 GG) gebotene Präventionszweck nur erreicht werden, wenn die Entschädigung auch der Höhe nach ein Gegenstück dazu bildet, daß die Persönlichkeitsrechte zum Zwecke der Gewinnerzielung verletzt worden sind. Ein solcher Zweck muß daher als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung einfließen, damit von dieser ein echter Hemmungseffekt in Bezug auf die Vermarktung der Persönlichkeit ausgeht (BGH NJW 95, 861, 865).

Daß die hier streitgegenständliche Veröffentlichung des Fotos der Klägerin im Zusammenhang mit der angegriffenen Berichterstattung zu kommerziellen Zwecken erfolgte, kann nicht zweifelhaft sein. Allerdings beginnt die rechtsverletzende Darstellung hier - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht schon auf dem Titelblatt. Auch wenn nämlich der auf Seite 24 der Zeitschrift beginnende Artikel "starke Männer, willige Groupies - Männer, Macht & Sex" im Inhaltsverzeichnis nicht eigens aufgeführt ist, so kann er doch nicht als zu dem bereits auf dem Titelblatt angekündigten Artikel "Der Fall Bill Clinton", beginnend auf Blatt 16, gehörig angesehen werden. Während es auf dem Titelblatt ausschließlich um die Sexaffäre Bill Clintons geht, handelt es sich bei dem hier in Rede stehenden Artikel um einen selbständigen Bericht allgemeinerer Art über das Thema "Männer, Macht & Sex". Auch eine Veröffentlichung im Innenteil der Zeitschrift kann aber zum Zwecke der Auflagen- und Gewinnsteigerung erfolgen, zwar nicht bezüglich des streitigen Exemplars, wohl aber im Hinblick auf zukünftige Ausgaben. Dies ist vorliegend zu bejahen. Von der Abbildung eines Fotos von Willy Brandt mit der Klägerin im Zusammenhang mit dem Kurzbericht "Willy Brandt und der Sonderzug" innerhalb des Gesamtberichtes "Männer, Macht & Sex" haben die Beklagten sich ersichtlich einen höheren Interessantheitsgrad dieses Artikels und damit ihrer Zeitschrift insgesamt - gerade auch für den deutschen Leser - versprochen.

Wenn man den vorliegenden Fall mit den vom BGH entschiedenen Fällen betreffend Prinzessin Caroline von Monaco vergleicht, so trifft der vom BGH herausgestellte Gesichtspunkt der systematischen Vermarktung der Persönlichkeit im hiesigen Fall sicherlich nicht in gleicher Weise zu. Während es dort um groß aufgemachte, frei erfundene Berichte über Hochzeitsplne und eine angebliche Krebserkrankung von Prinzessin Caroline von Monaco bzw. ein Interview über ihre persönliche Befindlichkeit ging, für die jeweils eine Geldentschädigung in Höhe von 50.000,00 DM bis 60.000,00 DM zugebilligt wurde, geht es hier nur um einen Kurzbericht, in dessen Zusammenhang das Foto der Klägerin - ohne Namensnennung - veröffentlicht worden ist, der kaum Konkretes enthält und im Rahmen der Gesamtveröffentlichung eher von untergeordneter Bedeutung ist. Auch vom Bekanntheitsgrad ist die Klägerin nicht mit Prinzessin Caroline von Monaco zu vergleichen; mangels Namensnennung wird sie von einem Teil der Bevölkerung nicht erkannt worden sein. Dennoch ist im Hinblick auf das vorsätzliche Verhalten und die dahinterstehende Absicht einer Vermarktung der Persönlichkeit der Klägerin zum Zwecke der Auflagensteigerung eine empfindliche Geldentschädigung erforderlich, um einen echten Hemmungseffekt zu erzielen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die Beklagten bei ihrer Verteidigung bis zuletzt in Abrede gestellt haben, durch die Kombination des inkriminierten Fotos mit dem dazugehörigen Bericht den Eindruck intimer Beziehungen zwischen der Klägerin und Willy Brandt erweckt zu haben. Ihnen muß daher nachdrücklich klargemacht werden, daß sie von derartigen Berichten über die Klägerin zu lassen haben.

Was die Beklagte zu 1) betrifft, so erschien dem Senat die vom Landgericht zugebilligte Geldentschädigung von 25.000,00 DM als ausreichend.

Bezüglich der Beklagten zu 2) hat der Senat dagegen unter Abwägung aller Gesichtspunkte, insbesondere im Hinblick auf den direkten Vorsatz der Beklagten zu 2) bei Kenntnis der früheren Verurteilung sowie ihre weit größere Marktstellung mit entsprechendem Gewinninteresse, eine deutlich höhere Geldentschädigung, nämlich 45.000,00 DM, für angemessen, aber auch für erforderlich gehalten, um die Beklagte zu 2) von weiteren ähnlichen Veröffentlichungen abzuhalten.

Nach Zahlung von 15.000,00 DM im Laufe des Rechtsstreits sind daher von der Beklagten zu 2) weitere 30.000,00 DM zu zahlen. Insoweit war das landgerichtliche Urteil teilweise abzuändern.

Im übrigen war die Berufung zurückzuweisen.

Für eine von den Beklagten angeregte Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 92, 100 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 45.000,00 DM

Beschwer für die Parteien: unter 60.000 DM

Ende der Entscheidung

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