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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 18.11.2008
Aktenzeichen: 15 U 45/08
Rechtsgebiete: VOB/B, BGB, ZPO, VOB/A, GWB


Vorschriften:

VOB/B § 1 Nr. 3
VOB/B § 2 Nr. 5
VOB/B § 4 Nr. 3
BGB § 133
BGB §§ 145 ff.
BGB § 146
BGB § 150 Abs. 2
BGB § 157
BGB § 241 Abs. 2
BGB § 242
BGB § 271
BGB § 278
BGB § 280
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 280 Abs. 1 Satz 2
BGB § 311 Abs. 2
ZPO § 304 Abs. 2 Halbs. 1
ZPO § 511
VOB/A § 2 Nr. 1
VOB/A § 3
VOB/A § 4
VOB/A § 5
VOB/A § 6
VOB/A § 7
VOB/A §§ 17 ff.
VOB/A § 19 Nr. 2
VOB/A § 25
VOB/A § 26
VOB/A § 28
GWB § 97 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.01.2008 verkündete Grundurteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 5 O 198/07 - wird zurückgewiesen.

Die im zweiten Rechtszug entstandenen Kosten tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten ist gestattet, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in der Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in der Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht Mehrkosten aus einem Tiefbauvertrag wegen einer verzögerten Zuschlagserteilung im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens nach VOB Teil A geltend.

Im Frühjahr 2004 schrieb der Landesbetrieb Straßenbau O. für die Beklagten europaweit Tiefbauarbeiten an der Bundesautobahn A X unter Bestimmung einer Zuschlagsfrist bis zum 02.11.2004 aus und forderte auch die Klägerin unter dem 30.06.2004 zur Angebotsabgabe auf (vgl. Anl. K 1 im AH I). Die Klägerin gab ihr Angebot über eine Vergütungssumme von 10.877.089,51 € unter dem 29.07.2004 form- und fristgerecht ab (Anl. B 2 = Bl. 2 ff. AH II). Bestandteil des Angebots waren u. a. die Geltung der VOB Teil B und die von den Beklagten gestellten Besonderen Vertragsbedingungen (Anl. B 2.1 = Bl. 4 - 6 AH II), die unter Ziffer 2.2 eine Vollendung der Ausführung innerhalb von spätestens 650 Werktagen nach Zuschlagserteilung unter gleichzeitiger Festlegung einer Ausfallzeit von ca. 50 Werktagen im Juni 2006, in denen die Bautätigkeiten wegen der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zu unterbrechen waren, vorsahen. Der Landesbetrieb Straßenbau zweifelte die Leistungsfähigkeit der Klägerin an und beabsichtigte, das Angebot der Klägerin auszuschließen und den Zuschlag einem anderen Anbieter zu erteilen. Der von der Klägerin hiergegen bei der Vergabekammer bei der Bezirksregierung L. eingereichte Nachprüfungsantrag führte gemäß Beschluss vom 31.03.2005 zur Rückgängigmachung des Ausschlusses der Klägerin und der Verpflichtung zur erneuten Angebotswertung. Wegen der Begründung wird auf den in Kopie zur Akte eingereichten Beschluss (Anl. K 2 im AH I) verwiesen. Während des Laufs dieses Verfahrens holte der Landesbetrieb Straßenbau O. das Einverständnis der Klägerin mit der Verlängerung der Zuschlagsfrist und der Frist zur Bindung an ihr Angebot wiederholt ein, zuletzt bis zum 01.10.2005 (Anl. B 3 = Bl. 8 ff. AH II, hier Bl. 10 - 15).

Unter dem 29.08.2005 erteilte der Landesbetrieb Straßenbau O. der Klägerin den Zuschlag auf der Grundlage ihres Angebotes einschließlich des offerierten Werklohns und unter Beachtung einer zu schließenden Zusatzvereinbarung, wonach u. a. die Bindefristverlängerungen Vertragsbestandteil werden sollten (Anl. B 3, s. o., hier Bl. 8 f. AH II), im Namen und für Rechnung der Beklagten (Anl. K 3 im AH I) und bat um Fertigstellung der Arbeiten innerhalb von 650 Werktagen. Am selben Tag unterzeichnete die Klägerin einen den Zuschlag bestätigenden Vertrag (Anl. B 1 = Bl. 1 AH II) nebst der oben bezeichneten Zusatzvereinbarung. Unter dem 20.09.2005 meldete sie Mehrkosten wegen Materialpreiserhöhungen an und beantragte eine Preisanpassung. Hierauf reagierte der Landesbetrieb Straßenbau O. mit Schreiben vom 19.10.2005, in dem er um Vorlage von näher bezeichneten Unterlagen als Grundlage für eine "evtl. Preisanpassung" bat. Wegen des Inhalts dieses Schreibens im Einzelnen wird auf das in Kopie zur Akte eingereichte Schreiben vom 19.10.2005 (Anl. K 9 = Bl. 33 AH II) verwiesen. Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben berechnete die Klägerin ihre Mehrkosten wegen näher bezeichneten Materialien am 12.01.2006 in der Höhe der Klageforderung (von 74.901,34 € netto zzgl. 19 % MwSt. ,Anl. K 6 im AH I), die sie unter Position N 9.07 auch zum Gegenstand der Abschlagsrechnung Nr. 23/795 vom 12.03.2007 machte (Anl. K 5 im AH I) und deren Begleichung der Landesbetrieb Straßenbau O. zunächst im Rahmen von Rechnungskürzungen am 20.03.2007 und sodann endgültig unter Hinweis auf die in den Vertrag vom 29.08.2005 einbezogenen Bindefristverlängerungen mit Schreiben vom 15.05.2007 ablehnte (Anl. K 7 im AH I). Die Bezahlung dieser Nachtragsforderung, und zwar als Teilbetrag für den bei Erteilung der Abschlagsrechnung vom 12.03.2007 erreichten Bautenstand, bildet den Gegenstand der vorliegenden Klage, über deren Berechtigung dem Grunde nach die Parteien vom rechtlichen Ansatz her und der Höhe nach im Tatsächlichen streiten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes einschließlich der verhandelten Anträge wird auf den Tatbestand des Grundurteils des Landgerichts Köln vom 15.01.2008 (Bl. 86 ff. GA) Bezug genommen.

Mit diesem Urteil hat das Landgericht den von der Klägerin mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Anpassung von Werklohn wegen verzögerter Zuschlagserteilung dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch bestehe analog § 2 Nr. 5 VOB/B, da die Klägerin bei ihrer Angebotskalkulation berechtigterweise davon habe ausgehen dürfen, mit ihren Arbeiten Ende 2004/Anfang 2005 beginnen zu können. Wegen der Zuschlagsverzögerung habe die Klägerin erst mehrere Monate später mit den Arbeiten beginnen können. Dass sich die Klägerin bei Unterzeichnung des Vertrages am 29.08.2005 einen Mehrpreis nicht vorbehalten habe, sei unschädlich, da es der Beklagten nach Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf eine verspätete Geltendmachung zu berufen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.

Mit ihren Berufungen rügen die Beklagten fehlerhafte Rechtsanwendung. Sie meinen, das Landgericht habe der Klägerin einen Mehrvergütungsanspruch wegen verzögerter Zuschlagserteilung schon vom Grundsätzlichen her nicht zusprechen dürfen, wozu sie ihre bereits erstinstanzlich angeführten Argumente wiederholen und vertiefen, die Bestimmungen der VOB/B seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht analogiefähig, für eine ergänzende Vertragsauslegung fehle es an einer Regelungslücke und die von dem Landgericht diskutierte obergerichtliche Rechtsprechung sei vorliegend nicht einschlägig. Der Anspruch scheitere jedenfalls, weil eine mit einem konkreten Datum bestimmte Bauzeit in dem der Rechtsbeziehung zwischen den Parteien zugrunde liegenden Bauvertrag nicht vorgesehen sei.

Die Beklagten beantragen sinngemäß,

das Grundurteil des Landgerichts Köln vom 15.01.2008 - 5 O 198/07 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil als jedenfalls im Ergebnis richtig. Sie meint, § 2 Nr. 5 VOB/B sei vorliegend anwendbar, wenn auch aus dogmatischen Gründen nicht als Allgemeine Geschäftsbedingung analog, so jedenfalls doch über § 242 BGB, wie es etwa für die Anwendung des § 4 Nr. 3 VOB/B auf den BGB-Werkvertrag anerkannt sei. Zudem sei § 2 Nr. 5 VOB/B hier unmittelbar anwendbar. Insoweit wiederholt sie ihr erstinstanzliches Vorbringen, dass die Beklagten den Mehrvergütungsanspruch dem Grunde nach anerkannt hätten, infolge dessen aber jedenfalls über ihre grundsätzliche Berechtigung zur Preisanpassung konkludent ein entsprechender Vertrag zu Stande gekommen sei. Denn auf ihre Anmeldung von Mehrkosten mit Schreiben vom 20.09.2005 hin hätten die Beklagten in ihrer Reaktion vom 19.10.2005 um detaillierte Nachweisführung zur Höhe gebeten und nicht etwa die Erfüllung solcher Ansprüche dem Grunde nach verweigert. Sie erinnert auch die bereits erstinstanzlich bemühte Anspruchsgrundlage des § 280 BGB wegen schuldhafter Verzögerung der Zuschlagserteilung. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

II.

Die gemäß §§ 304 Abs. 2 Halbs. 1, 511 ZPO statthaften und im Übrigen zulässigen Berufungen der Beklagten bleiben in der Sache ohne Erfolg.

Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldnern ein Mehrvergütungsanspruch wegen verzögerter Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren dem Grunde nach zu. Allerdings ergibt sich dieser Anspruch nicht aus vertraglicher Grundlage in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung von § 2 Nr. 5 VOB/B, sondern unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer die Beklagten im Rahmen des Vergabeverfahrens treffenden vorvertraglichen Treuepflicht als Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB.

Im Einzelnen:

(1) Ein direkt aus § 2 Nr. 5 VOB/B herzuleitender Anspruch auf die geltend gemachte Mehrvergütung scheitert an der fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit der genannten Bestimmung.

(1.1) Diese lautet: "Werden durch Änderung des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, so ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Die Vereinbarung soll vor der Ausführung getroffen werden." Liegen die in der genannten Bestimmung aufgeführten Voraussetzungen vor, besteht ein klagbares Recht auf Mehrvergütung des Auftragnehmers, falls eine Einigung nicht zu Stande kommt (Keldungs in Ingenstau/Korbion/Locher/Vygen, VOB, 16. Auflage, VOB/B § 2 Nr. 5 Rn. 1). Mit dieser Regelung korrespondiert, dass der Auftragnehmer das Preisprognoserisiko, soweit es nicht um Änderungen im Sinne von § 2 Nr. 5 VOB/B (oder andere in § 2 VOB/B geregelte Fälle) geht, allein trägt. In der Literatur ist bereits umstritten, ob Anordnungen zur Bauzeit, wie sie hier - allerdings im Vorfeld des Vertragsschlusses liegend - in Frage stehen, unter den Begriff der Änderung des Bauentwurfs fallen, zu deren Anordnung der Auftraggeber gemäß § 1 Nr. 3 VOB/B einseitig berechtigt ist, oder ob es sich dabei um eine "andere Anordnung" handelt, zu der der Auftraggeber nach wiederum herrschender Meinung nicht einseitig berechtigt ist (vgl. etwa: Werner in Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Auflage, Rn. 1149; Jansen in Ganten/Jagenburg/Motzke, VOB/B, 2. Auflage, § 2 Nr. 5 Rn. 15 ff.; jeweils m. w. N.). Ungeachtet dieser Rechtsfrage wird von der herrschenden Meinung angenommen, dass eine Anordnung des Auftraggebers zur Bauzeit, gleich ob berechtigt oder unberechtigt, dennoch zu einem Vergütungsanspruch des Auftragnehmers nach § 2 Nr. 5 VOB/B führt (BGH NJW 1985, 2475 ff., 2476; Werner, a. a. O., Rn. 1149). Voraussetzung ist in jedem Fall eine Änderung der "Grundlagen des Preises", unter denen man die Preisermittlungsgrundlagen versteht, zu denen u. a. - die auch hier im Raum stehenden - Lohn- und Materialkosten gehören (Keldungs, a. a. O., Rn. 6). Dass sich Anordnungen zur Bauzeit, sei es in Form der Bauzeitverlängerung oder - wie hier - der Bauzeitverschiebung auf die Entwicklung der Materialpreise bei einer vertraglich und im Vorfeld gleichermaßen vorgesehenen Bauzeit von 650 Werktagen auswirken können, liegt in Anbetracht der üblichen Preisschwankungen auf dem einschlägigen Markt auf der Hand. Ungeachtet dessen fordert § 2 Nr. 5 VOB/B, dass sich die Preisgrundlage "für eine im Vertrag vorgesehene Leistung" ändert. Das setzt voraus, dass bereits eine entsprechende Vereinbarung über Art und Umfang der Leistung und die darauf bezogenen Preise getroffen worden ist. In unmittelbarer Anwendung dieser Bestimmung berücksichtigungsfähig sind daher nur Veränderungen nach Vertragsabschluss. Die Klägerin macht aber nicht geltend, die Preisgrundlagen hätten sich in Folge einer Anordnung der Beklagten nach Vertragsabschluss am 29.08.2005 geändert. Sie stützt ihren Anspruch vielmehr auf eine im Zuge des Vergabeverfahrens und damit im Vorfeld des Vertragsabschlusses rechtswidrige Behandlung ihres Gebots durch die Beklagten.

(1.2) Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt § 2 Nr. 5 VOB/B auch nicht deswegen unmittelbar zur Anwendung, weil die Beklagten ihr grundsätzliches Preisanpassungsverlangen wegen Materialpreiserhöhungen vom 20.09.2005 mit Schreiben vom 19.10.2005 dem Grunde nach anerkannt hätten oder in diesem Schriftwechsel eine entsprechende vertragliche Einigung zu sehen wäre. Aufgrund dieser Reaktion des Landesbetriebes Straßenbau O. lässt sich ein Rechtsbindungswillen mit diesem rechtsgeschäftlichen Erfolg nicht feststellen. Die Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB ergibt nicht, dass die Beklagten damit das Preisanpassungsverlangen der Klägerin dem Grunde nach anerkennen bzw. ihr Angebot auf Abänderung des geschlossenen Vertrages bezüglich der getroffenen Preisvereinbarung nach dem Rechtsgedanken des § 2 Nr. 5 VOB/B annehmen wollten. Die erbetene Vorlage sämtlicher Unterlagen zum eindeutigen Nachweis der Preisentwicklung stand unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der sowohl am Anfang der schriftlichen Erklärung wie auch an ihrem Ende stehenden "evtl." Preisanpassung. Selbst wenn sich aus dieser Erklärung im Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Schreiben vom 20.09.2005 für den unbefangenen Adressaten in der Position der Klägerin die Möglichkeit eines Verständnisses mit dem Sinn rechtfertigen ließe, dass das Preisanpassungsverlangen dem Grunde nach für berechtigt erachtet werden und der Begriff "evtl." zum Ausdruck bringen sollte, dass eine solche Preisanpassung nur bei detaillierter Nachweisführung auf der Grundlage der Urkalkulation bei eindeutiger und nachvollziehbarer Darstellung der Höhe nach akzeptiert werden würde, blieb für diesen indes auch die ernsthafte Verständnismöglichkeit, dass der Erklärende sich zu einer Prüfung der Berechtigung für eine Vergütungsanpassung dem Grunde und der Höhe nach nur dann veranlasst sehe, wenn denn detailliert und fundiert Mehrkosten wegen der Verschiebung der Bauausführungszeit überhaupt dargelegt werden sollten. Der Verwendung des Begriffs "evtl." kommt in diesem Zusammenhang dieselbe Bedeutung zu, als wenn auch eine Prüfung der Berechtigung für ein Vergütungsanpassungsverlangen ausdrücklich vorbehalten worden wäre.

(2) Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Landgerichts, dass der Mehrvergütungsanspruch auf eine entsprechende Anwendung des § 2 Nr. 5 VOB/B gestützt werden kann.

(2.1) Das gilt zunächst, soweit die angefochtene Entscheidung in erster Linie auf das Urteil des Oberlandesgerichts Jena vom 22.03.2005 (NZBau 2005, 341 ff.) und den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 15.07.2002 (NZBau 2002, 689 ff.) gestützt ist. In dem von dem OLG Jena zu entscheidenden Fall hatte der Auftragnehmer bereits vor dem Zuschlag für die durch die Verzögerung bedingten Mehrkosten eine erhöhte Vergütung gefordert. Der Auftraggeber hatte das abgelehnt, dennoch den Zuschlag erteilt. Nachdem der Auftragnehmer sich weigerte, die Leistung zu einer unveränderten Vergütung zu erbringen, hat der Auftraggeber die Kündigung des Vertrages ausgesprochen. Das OLG Jena hat angenommen, mit dem Zuschlag sei der Vertrag zu neuen Bauausführungsterminen bzw. mit einem Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers und zu dem angebotenen Preis zustande gekommen. Der Auftraggeber sei indes aufgrund des vertraglichen Kooperationsgebotes verpflichtet, einer Preisanpassung in entsprechender Anwendung des § 2 Nr. 5 VOB/B zuzustimmen. Auch das Bayerische Oberste Landesgericht hat aus dem Gesichtspunkt der Kooperationspflicht im Rahmen des Vergabeverfahrens und des gebotenen Vertrauensschutzes des Auftragnehmers eine Anpassung des Preises auf der Grundlage der ursprünglichen Kalkulation gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B als Bestandteil des in Aussicht genommenen VOB-Vertrages mit dem im allgemeinen geeigneten und ausreichenden Regelwerk für angemessen erachtet. In beiden Entscheidungen ist die Auffassung vertreten worden, der Vertrag sei mit der Erteilung des Zuschlags zu dem ursprünglich angebotenen Preis zustande gekommen. Der Senat vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen.

(2.1.1) Das Zustandekommen eines Vertrages richtet sich nach §§ 145 ff. BGB. Wird ein Antrag, hier das Angebot der Klägerin als Bieterin im Vergabeverfahren, nur mit Modifikationen angenommen, gilt die modifizierte Annahme als Ablehnung des ursprünglichen Antrags, § 150 Abs. 2 BGB, und das ursprüngliche Angebot erlischt, § 146 BGB. Die modifizierte Ablehnung gilt ihrerseits wieder als neues Angebot. Der Geltung dieser Vorschriften wird im Übrigen auch § 28 VOB/A gerecht. Nach dessen Nr. 2 kommt der Vertrag "nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen" zu Stande, wenn auf ein Angebot "rechtzeitig und ohne Abänderung" der Zuschlag erteilt wird, auch wenn eine spätere urkundliche Festlegung vorgesehen ist, während der Bieter bei Erteilung des Zuschlags unter Erweiterungen, Einschränkungen oder Änderungen oder bei verspätetem Zuschlag aufzufordern ist, sich unverzüglich über die Annahme zu erklären. Die Rechtzeitigkeit richtet sich nach § 19 Nr. 2 VOB/A, wonach die Zuschlagsfrist nicht mehr als 30 Kalendertage betragen und eine längere Zuschlagsfrist nur in begründeten Fällen festgelegt werden soll. Dabei gelten bereits geringfügige Modifikationen des Antrags als Ablehnung und neuer Antrag. Die Voraussetzung des § 150 Abs. 2 BGB ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Beispiel für den Fall angenommen werden, in dem der Baubeginn auf ein bestimmtes Datum festgelegt worden ist, das bei der Annahme des Angebots längst überschritten war, und sich die Parteien über die Geltung einer neuen Bauzeit geeinigt haben (BGH NJW 2005, 1653 ff., 1655 f.).

(2.1.1.1) Die Erklärung über die Erteilung des Zuschlages vom 29.08.2005 enthält eine neue Bauzeitbestimmung in diesem Sinne und stellt sich daher als modifizierte Annahme des Angebots der Klägerin und damit als neues Angebot dar. Die gegen die entsprechende Annahme des Landgerichts ausdrücklich geführte Rüge der Beklagten verfängt nicht. Richtig ist zwar, dass das Angebot in dem von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Fall eine mit Daten für den Beginn der Arbeiten und deren Beendigung beschriebene Bauzeit enthielt. Auch der Entscheidung des OLG Jena lag eine wenn auch ohne genauere Daten begrenzte Bauausführungszeit "von August 1999 bis Dezember 2003" zu Grunde. Der ebenfalls in der Diskussion zwischen den Parteien stehenden Entscheidung des OLG Hamm (NZBau 2007, 312 ff.) lag die Bestimmung eines Fertigstellungstermins zu Grunde (314). Der vorliegende Fall, in dem für den Beginn der Ausführung wie auch für die Vollendung ein Datum nicht angegeben, sondern für die Vollendung der Ausführung gemäß Ziffer 2.2 der Besonderen Vertragsbedingungen 650 Werktage nach Zuschlagserteilung vorgegeben waren, ist indes vergleichbar. Das Angebot der Klägerin vom 29.07.2004, dem die Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 30.06.2004 vorausging, basierte auf einer Bindefrist bis zum 01.11.2004. Die Klägerin konnte also für den Fall, dass sie die günstigste Bieterin bliebe, mit einem Zuschlag bis spätestens zu diesem Termin rechnen. Von der Zuschlagserteilung an hatte die Klägerin die Bauausführung gemäß § 271 BGB auf Verlangen "sofort", gemäß § 5 der in den Vertrag einbezogenen VOB/B jedenfalls innerhalb von 12 Tagen aufzunehmen. Auch aus Gründen der Wahrung der Ausführungsfrist von 650 Werktagen war die Klägerin gehalten, die vergebenen Arbeiten alsbald nach Erteilung des Zuschlags aufzunehmen. Sie konnte mithin bei Kalkulation ihres Angebots mit dem Beginn der Bauausführung im November 2004 kalkulieren. Infolge der Zuschlagserteilung am 29.08.2005 konnte die Klägerin tatsächlich mit der Bauausführung erst im September 2005 und damit etwa 10 Monate später beginnen. Ergänzend sei auf die weiteren detaillierten Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil (Seite 8 f. UA) verwiesen. Eine solche Verzögerung in dem Beginn und der Durchführung der Arbeiten wirkt sich gleichermaßen wie bei einer mit Daten eingefassten Ausführungszeit organisatorisch und preiskalkulatorisch auf den Betrieb des Bieters aus. Konnte die Klägerin bei Abgabe ihres Angebots und für den Fall, dass ihr der Zuschlag erteilt werden würde, noch von einer Bauausführungszeit von November 2004 bis etwa Februar 2007 ausgehen, verschob sich diese Bauausführungszeit infolge der Verlängerung des Vergabeverfahrens und der dieses abschließenden Zuschlagserteilung am 29.08.2005 auf eine Bauausführungszeit von September 2005 bis etwa Dezember 2007. Dass die Bauausführungszeit reichlich bemessen und deswegen trotz verzögerten Zuschlags eine Fertigstellung bis Februar 2007 machbar gewesen wäre, ferner, dass zwischen der Klägerin mit Nachunternehmern und Baustofflieferanten etwa vereinbarte Preisbindungen von der Verschiebung des Bauausführungsbeginns unberührt blieben, behaupten selbst die Beklagten nicht. Dass bei einer Bauausführungszeitverschiebung um etwa 10 Monate die Preise für von dem Werkunternehmer zu stellende Materialien nicht nur unerheblich steigen können, dies vielmehr eher wahrscheinlich ist, liegt auf der Hand. Den Vertragsschließenden beider Lager stand bei Zuschlagserteilung evident vor Augen, dass sich die vorgegebene Zeit der Bauausführung in einem nicht unerheblichen Maß von etwa 10 Monaten verschieben werde.

(2.1.1.2) Das in der Zuschlagserteilung zu sehende Angebot der Beklagten unter Einschluss der neuen Bestimmung der Bauausführungszeit hat die Klägerin vorliegend ausweislich der Vertragsurkunde vom 29.08.2005 auch angenommen. Die Auslegung der auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärungen ergibt, dass sich die Parteien dabei nicht im Sinne des Rechtsschutzbegehrens der Klägerin auch darauf verständigt haben, diese solle wegen der im Vorfeld des Vertragsabschlusses eingetretenen Verzögerung berechtigt sein, evtl. Mehrkostenvergütungsansprüche gemäß § 2 Nr. 5 VOB/B geltend zu machen. Maßgeblich ist, ob die Klägerin, die das in der Zuschlagserteilung zu sehende neue Angebot vorbehaltlos angenommen hat, die Zuschlagserteilung so verstehen durfte, als solle ihr das Recht aus § 2 Nr. 5 VOB/B wegen der Verzögerung eröffnet sein. Diese Frage ist hier zu verneinen. In aller Regel ist eine als neues Angebot auszulegende modifizierte Annahme wegen veränderter Bauzeitbestimmung dahingehend zu verstehen, dass die neue Bauzeit unter ansonsten unveränderten Bedingungen, also auch unveränderten Preisen gilt (BGH, a. a. O.; Kniffka in ibr-online-Kommentar Bauvertragsrecht, § 631 BGB, Ziff. 3.3.3.4 Rn. 31). Das gegenteilige Verständnis für ein abänderndes Angebot ließe sich allenfalls aus der allgemeinen Erwägung herleiten, dass ein Unternehmer nach Treu und Glauben nicht erwarten muss, dass der Besteller an dem alten Preis auch dann festhalten will, wenn dem Unternehmer durch die zeitliche Verschiebung Mehrkosten entstehen (so: Kniffka, a. a. O., Rn. 33). Ein entsprechender allgemeiner Rechtssatz in diesem Sinne lässt sich aus § 242 BGB indes nicht herleiten; ein solches Verständnis für den Unternehmer kann sich nur auf der Grundlage der Einzelfallumstände ergeben und im Wege der Auslegung ermitteln lassen (so: Kniffka, a. a. O., Rn. 34). Anders als in dem vom OLG Jena entschiedenen Fall hat die Klägerin hier vor der Erteilung des Zuschlags keine durch die Verzögerung bedingten Mehrkosten gefordert oder einen entsprechenden Vorbehalt erklärt. Anders als in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall ist eine solche Erklärung des Unternehmers auch nicht vor der Annahme des in der Zuschlagserteilung zu sehenden neuen Angebots abgegeben worden. Vielmehr hat die Klägerin vorliegend das in der Zuschlagserteilung zu sehende Angebot mit schriftlichem Vertrag vom 29.08.2005 vorbehaltslos und unter ausdrücklicher Inbezugnahme der Zusatzvereinbarung über die Bindefristverlängerungen bis zum 01.10.2005 angenommen. Der Klägerin musste auf dieser Grundlage klar vor Augen stehen, dass die Beklagten den Vertrag nach Maßgabe der Bindefristverlängerungen bis einschließlich 01.10.2005 und damit trotz der Verzögerung in der Vergabe zum ursprünglich kalkulierten Preis erteilen wollten. Mit der Unterzeichnung des Vertrages am 29.08.2005 haben die Parteien unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie sich an die ursprünglich kalkulierten Angebotspreise gebunden fühlen.

(2.1.1.3) Der rechtlichen Konstruktion des OLG Jena, dass trotz des Zustandekommens des Vertrages zu den ursprünglich kalkulierten Preisen der Besteller aufgrund eines vertraglichen Kooperationsgebotes dennoch verpflichtet sei, einer Preisanpassung in entsprechender Anwendung des § 2 Nr. 5 VOB/B zuzustimmen, vermag sich der Senat ebenfalls nicht anzuschließen. Die Klägerin war berechtigt, das in der Zuschlagserteilung zu sehende neue Angebot spätestens bei Annahmeerklärung abzulehnen und Mehrkosten geltend zu machen bzw. insoweit einen Vorbehalt zu erklären. Ob dann die Beklagten aufgrund der aus dem Ausschreibungsverfahren herzuleitenden Kooperationspflicht verpflichtet gewesen wären, das wiederum neue Angebot der Klägerin zu einem erhöhten, auf der Grundlage des § 2 Nr. 5 VOB/B zutreffend ermittelten neuen Preis anzunehmen (so: OLG Hamm, a. a. O.; Kniffka, a. a. O., Rn. 37), kann und muss in Anbetracht der hier vorbehaltlos erfolgten Annahme dahinstehen. Ungeachtet dessen erscheinen die Entscheidungen des OLG Jena und des OLG Hamm deswegen von der Begründung her zweifelhaft, weil an die Verletzung einer vorvertraglicher Verpflichtung, hier des höchstrichterlich anerkannten Gebots vergaberechtlich konformen Verhaltens des Ausschreibenden (siehe dazu unten näher), aus rechtsdogmatischer Sicht grundsätzlich nur Sekundäransprüche anknüpfen können, §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB, und dem Gesichtspunkt der Verletzung der allgemeinen Kooperationspflicht über diesen justiziablen Rechtsbehelf hinlänglich Rechnung getragen werden kann (so wohl auch Kniffka, a. a. O., Rn. 37 am Ende; ablehnend hinsichtlich einer analogen Anwendung auch OLG Saarbrücken, IBR 2008, 425 ff., letztlich eine Lösung des Interessenkonflikts über § 313 BGB befürwortend).

(3) Das angefochtene Urteil erweist sich aber im Ergebnis dennoch als richtig, da der Klägerin gegenüber den Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss gemäß § 280 Abs. 1 i. V. m. §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB zusteht. Die Beklagten haben die ihnen im Rahmen des dem Vertragsschluss vorgelagerten Vergabeverfahrens als öffentliche Auftraggeber auferlegte Pflicht zur ordnungsgemäßen und den vorgegebenen Regularien entsprechenden Abwicklung der Ausschreibung und Auftragsvergabe verletzt und sich daher der Klägerin gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht. Eine Ersatzpflicht des öffentlichen Auftraggebers nach diesen Haftungsgrundsätzen "findet ihren Grund in der Verletzung des Vertrauens der Bieter darauf, dass das Vergabeverfahren nach den einschlägigen Vorschriften des Vergaberechts, insbesondere unter Beachtung der VOB/A, abgewickelt wird und dementsprechend regelmäßig mit der Erteilung des Zuschlags an einen der Teilnehmer an dem Verfahren endet. ... Ohne einen wirksamen Schutz dieses berechtigten Vertrauens in eine regelgerechte Abwicklung des Verfahrens ist eine Teilnahme am Ausschreibungsverfahren und die darauf aufbauende Vergabe öffentlicher Aufträge mit einer nach allen Seiten ausgewogenen Risikoverteilung nicht durchzuführen. Das Vertrauen der Bieter ist jedoch nur in dem Umfang geschützt, in dem es auf die Einhaltung der Vorschriften des Vergaberechts gerichtet ist. Jeder Bieter muss von vornherein mit der Möglichkeit rechnen, dass sich die in den vergaberechtlichen Bestimmungen zugelassenen Möglichkeiten verwirklichen, aus denen die Vergabe des Auftrags schlechthin oder an ihn unterbleibt" (BGH NJW 1998, 3640 ff., 3640 f.; bestätigt in NZBau 2006, 456 f., 457, und in NZBau 2008, 505 ff., 505 a. E.). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches aus Verschulden bei Vertragsschluss für den Fall bejaht, wenn das Ausschreibungsverfahren beendet worden ist, ohne dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung gemäß § 26 VOB/A vorlagen. Hiermit konform geht eine Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 18.02.1999 - 5 U 93/98 - BauR 1999, 741 ff.), wonach in Folge der Erklärung eines Bauwilligen, nach der VOB/A auszuschreiben, ein vorvertragliches Schuldverhältnis entsteht, aufgrund dessen derjenige, der niedrigst anbietet, grundsätzlich Anspruch auf den Zuschlag hat, und sich der Ausschreibende bei schuldhafter Verletzung des berechtigten Vertrauens des Bieters in eine den Vorschriften der VOB/A entsprechende Handlungsweise schadensersatzpflichtig mache.

(3.1) Vorliegend besteht die Pflichtverletzung der für den Landesbetrieb Straßenbau O. handelnden Personen, die sich die Beklagten gemäß § 278 BGB zurechnen lassen müssen, in der Verzögerung der Zuschlagserteilung infolge des zunächst erfolgten Ausschlusses der Klägerin aus dem Vergabeverfahren mit der Begründung, die Klägerin sei organisatorisch nicht in der Lage, den Auftrag innerhalb der vorgegebenen Bauzeit zu erledigen. Die Rechtswidrigkeit dieses Ausschlusses steht aufgrund des Beschlusses der Vergabekammer bei der Bezirksregierung L. vom 31.03.2005 fest. Die verletzten Bestimmungen der VOB/A haben auch "drittschützenden" Charakter, bezwecken also zumindest auch mit den Schutz des anspruchstellenden Bieters. Nicht alle Pflichten, die der öffentlichen Hand als Auftraggeber und Ausschreibender durch die VOB/A auferlegt werden, haben drittschützenden Charakter, da diese auch Pflichten statuiert, die erst auf die Begründung der Sonderbeziehung abzielen. Diese Bestimmungen, etwa §§ 3 - 7 VOB/A, stehen teilweise nicht unmittelbar in einem Zusammenhang mit einem Pflichtenverhältnis im Rahmen eines begründeten vorvertraglichen Schuldverhältnisses. Sie bezeichnen die allgemeine gesetzliche Verpflichtungslage des öffentlichen Auftraggebers bei EU-weiten Vergaben unabhängig von einem Näheverhältnis zu einem an einem Bauauftrag Interessierten. Andererseits handelt es jedenfalls bei den in §§ 17 ff. VOB/A getroffenen Bestimmungen um Ausprägungen von Loyalitätspflichten, die im Interesse der einzelnen Bieter statuiert sind und auf deren Einhaltung sie innerhalb der Bindefrist vertrauen dürfen (vgl.: Motzke, a. a. O., Rn. 86). Hierzu gehört zweifellos auch die Pflicht des Ausschreibenden, den annehmbarsten Bieter nicht rechtswidrig auszuschließen. Die Annehmbarkeit wird u. a. in den nach Maßgabe des Beschlusses der Vergabekammer vom 31.03.2005 verletzten §§ 2 Nr. 1 VOB/A, § 97 Abs. 4 GWB umschrieben. Danach sind Unternehmen zu berücksichtigen, die fachkundig, leistungsfähig und zuverlässig sind, und deren Angebote nach Maßgabe des § 25 VOB/A zu bewerten. Diese Vorschriften bezwecken den Schutz der einzelnen Bieter davor, dass sie nicht wegen nicht berechtigter Verneinung eines oder mehrerer dieser zu stellenden Anforderungen aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden werden.

(3.2) Das Verschulden der Beklagten bei Ausschluss der Klägerin wird gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Der Beschluss der Vergabekammer, wonach die Vertreterin der Beklagten letztlich ihrer Dokumentationspflicht nicht genügt hat, vermag die Beklagten nicht zu entlasten, sondern bestätigt eine für die Mitarbeiter der Beklagten bei gehöriger Sorgfalt voraussehbare und handhabbare Fehlerhaftigkeit in der Behandlung der Klägerin.

(3.3) Von der Rechtsfolge her kann die Klägerin verlangen, so gestellt zu werden, wie sie stehen würde, wenn die Beklagten die Pflichtverletzung nicht begangen hätten. Ohne die Pflichtverletzung wäre der Klägerin als der annehmbarsten Bieterin der Zuschlag vor Ablauf der ursprünglich bis zum 01.11.2004 vorgesehenen und bei Kalkulation des Angebots zugrunde gelegten Bindungsfrist erteilt worden. Materialpreiserhöhungen im Verhältnis zu den ihrer Kalkulation zugrunde liegenden Preisen wären ohne diese Verzögerung in der Vergabe nicht eingetreten. In diesem Fall hätte sie den Auftrag zu den ihrer Kalkulation zugrunde gelegten, ihrem Vorbringen nach günstigeren Konditionen ausführen können. Infolge der Pflichtverletzung ist ihr der Zuschlag erst unter dem 29.08.2005 erteilt worden. Soweit sich die Materialpreise auf die von der Klägerin nach dem Bauvertrag geschuldeten Leistungen auf der Grundlage ihrer Kalkulation bei Abgabe des Angebots unter Berücksichtigung der ursprünglichen Bindefrist bis zum 01.11.2004 tatsächlich erhöht haben sollten, kann die Klägerin daher - nach Maßgabe des Rechtsgedankens des § 2 Nr. 5 VOB/B - Schadensersatz in dieser Höhe verlangen. Auf dieser Grundlage steht ihr entgegen der Auffassung der Beklagten ein Anspruch auf Ersatz des sog. positiven Interesses zu. Eine solch weitreichende Schadensersatzfolge wird selbst für den Fall angenommen, dass das Vergabeverfahren rechtswidrig aufgehoben und sodann freihändig vergeben wird, der Auftrag also mit gleichem Volumen an einen anderen Bieter erteilt wird (BGH NZBau 2008, a. a. O., 505 a. E.; OLG Düsseldorf, a. a. O.).

Die Kostenentscheidung, die der Senat begrenzt auf die im zweiten Rechtszug entstandenen Kosten für geboten erachtet (h. M., vgl. BGH NJW 1956, 1235 f.; Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Auflage, § 304 Rn. 26), beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat für die Beteiligten eines Ausschreibungsverfahrens zur Vergabe von Bauverträgen durch die öffentliche Hand sowie durch Private grundsätzliche Bedeutung und in Anbetracht der unterschiedlichen Lösungsansätze in der obergerichtlichen Rechtssprechung mit unterschiedlichen Rechtsfolgen erscheint die Herbeiführung einer einheitlichen Rechtssprechung erforderlich.

Der Gegenstandswert der Berufung wird - wie erstinstanzlich - auf 89.132,59 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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