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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 16.07.2001
Aktenzeichen: 16 U 22/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 713
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 U 22/01

Anlage zum Protokoll vom 16.07.2001

Verkündet am 16.07.2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2001 durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Dr. Ahn-Roth und Appel-Hamm

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 16.01.2001 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 10 O 196/00 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Das förmlich nicht zu beanstandende Rechtsmittel bleibt in der Sache erfolglos. Zu Recht hat das Landgericht die Klage als unzulässig abgewiesen, da die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Aachen nicht gegeben ist. Bereits aufgrund der gesetzlichen Regelungen lässt sich eine solche Zuständigkeit für das Landgericht Aachen nicht feststellen, sodass es auf die Frage, ob aufgrund der von der Beklagten verwendeten allgemeinen Geschäftsbedingungen eine ausschließliche Zuständigkeit in Belgien begründet wird, nicht mehr ankommt.

Die internationale Zuständigkeit richtet sich im vorliegenden Fall nach Artikel 2, 3, 5 Nr. 1 EuGVÜ. Dessen Regelungen finden Anwendung, da sowohl Deutschland als auch Belgien Vertragsstaaten des EuGVÜ sind, Artikel 1 Abs. 1 EuGVÜ.

Da der Gerichtsstand des Wohnsitzes nach Artikel 2 Abs. 1 EuGVÜ hier nicht gewählt wurde - dieser läge am Sitz der Beklagten in Belgien -, kann sich die internationale Zuständigkeit nur gemäß Artikel 3 Abs. 1 EuGVÜ aus den Regelungen der folgenden Abschnitte 2 bis 6 des EuGVÜ ergeben. Indes liegen die Voraussetzungen für den hier allein in Betracht kommenden Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Artikel 5 Nr. 1 EuGVÜ nicht vor. Die Frage, wo der Erfüllungsort liegt, beurteilt sich nach dem Vertragsstatut des Vertrages, der der Klage zugrunde liegt. Dieses wiederum ist zu bestimmen nach dem internationalen Privatrecht des angerufenen Gerichts, lex causae (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 22. Aufl., Artikel 5 EuGVÜ, Randziffer 1; Geimer/Schütze, europäisches Zivilverfahrensrecht, Artikel 5, Randziffer 65; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., Artikel 5 EuGVÜ, Rz. 3). Maßgebend ist mithin deutsches Kollisionsrecht. Anknüpfungspunkt ist diejenige Verpflichtung, die den Gegenstand der Klage bildet. Bei einem Rechtsstreit über die Folgen einer Vertragsverletzung, wie er hier gegeben ist, kommt es für die Anwendung des Artikel 5 Nr. 1 EuGVÜ auf die Hauptpflicht an, deren Nichterfüllung geltend gemacht wird. Das ist hier die Lieferpflicht des Verkäufers (des Beklagten) (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, a. a. O., Randziffer 2; Geimer/Schütze, a. a. O., Artikel 5 Randziffer 59).

Artikel 28 Abs. 1 und 2 EGBGB, der grundsätzlich das Vertragsstatut regelt, wird hier durch die Vorschriften des CISG verdrängt, das Anwendung findet, weil Deutschland und Belgien dem Übereinkommen der vereinten Nation über Verträge über den internationalen Warenkauf beigetreten sind (vgl. Gesetzessammlung Jayme/Hausmann, Anmerkung 1 zu CISG; im Verhältnis zu Belgien findet das Abkommen seit 01.11.1997 Anwendung). Das CISG selbst enthält keine ausdrückliche Regelung zum Erfüllungsort, sondern überlässt dessen Bestimmung in erster Linie den Vertragsvereinbarungen. Die hier von den Parteien herangezogene Vorschrift des Artikel 31 a CISG, die den Ort der "Lieferung" regelt, greift nur ein, wenn vertraglich ein Ort der Lieferung nicht bestimmt wurde (vgl. Schlechtriem/Huber, Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht, 3. Aufl., Artikel 31, Randziffer 5).

Der im vorliegenden Fall zwischen den Parteien mündlich geschlossene Vertrag sieht ausdrücklich nichts für den Erfüllungsort vor. Die unstreitig getroffene Abrede "frei Hof" bedeutet lediglich, dass die Verkäuferin die Transportkosten übernimmt. Diese Klausel ist nämlich gemäß Artikel 8 Abs. 1 Abs. 2 CISG nach dem hypothetischen Parteiwillen, hilfsweise nach dem objektiven Erklärungsinhalt auszulegen. Ausreichende konkrete Anhaltspunkte zur Ermittlung eines hypothetischen Parteiwillens fehlen hier. Somit ist die Abrede "frei Hof" nach objektiven Kriterien zu verstehen. Die vergleichbare Abrede "frei Haus" enthält nach überwiegender Meinung keinen handelsüblich eindeutigen Inhalt; sie ist vielmehr je nach den Umständen des Einzelfalles auszulegen (so die Rechtssprechung, vgl. BGH, NJW 84, 567; BGH, NJW 97, 871; OLG Karlsruhe NJW-RR 93, 1371). Sonstige objektive Momente, die für die Auslegung im vorliegenden Fall maßgeblich sein könnten, sind nicht erkennbar. Somit ist auf die Grundregel des Artikel 31 zurückzugreifen. Artikel 31 b und c CISG gehen als Regelfall von der Hohlschuld aus; Artikel 31 c CISG regelt den Versendungskauf. Mithin ist auch nach den Vorschriften des CISG von der Grundregel auszugehen, dass sich der Erfüllungsort am Sitz des Verkäufers befindet (vgl. Schlechtriem/Huber, a. a. O., Randziffer 32 a; Honsell/Karollus, UN-Kaufrecht, Artikel 31 Randziffer 31 und 44). In Anbetracht, dass die Vereinbarung der Parteien über die Lieferung der Tiere "frei Hof" nicht mit sonstigen besonderen Abreden verbunden war, würde es zu weit gehen, dieser mündlich vereinbarten Klausel so weitreichende Folgen wie einen vom Regelfall abweichenden Erfüllungsort und der weiteren Folge einer veränderten Gerichtszuständigkeit beizumessen. Demnach handelt es sich bei dieser Klausel lediglich um eine Abmachung für die Übernahme der Transportkosten, wie das Landgericht bereits zu Recht angenommen hat (vgl. für einen ähnlich gelagerten Fall BGH, NJW 97, 870). Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 20.11.1992 (NJW-RR 93, 1316), das in einem ähnlich gelagerten Fall eine Gefahrtreibungsregel mit der Folge der Verlagerung der Sachgefahr auf den Verkäufer angenommen, indessen nicht von einer Bringschuld gesprochen hat.

Der Wohn- und Geschäftssitz des Klägers kommt auch nicht als "tatsächlicher Erfüllungsort", wie der Kläger im Hinblick darauf, dass die Tiere an seinen Wohnsitz übergeben worden sind, meint. Zwar lässt der Wortlaut des Artikel 5 Ziffer 1, 1. Halbsatz EuGVÜ an einen solchen Erfüllungsort denken. Fraglich ist allerdings vorliegend schon, wo nach der Vorstellung der beiden Parteien der Erfüllungsort gelegen haben soll, wenn beide Parteien von einem Versendungskauf ausgegangen sind. Dann läge der Erfüllungsort nämlich nach wie vor am Wohnsitz des Verkäufers; der Transport der verkauften Ware änderte daran nichts. Im übrigen wird die Vorschrift des Artikel 5 Nr. 1, 1. Halbsatz EuGVÜ differenzierter zu verstehen sein. Die Alternative eines Erfüllungsortes der tatsächlichen Erfüllung soll den Bedürfnissen bei Veränderungen nach Vertragsabschluss entgegenkommen. Der tatsächliche Erfüllungsort kann dann von beiden Parteien abweichend bestimmt werden, wenn sich nach Vertragsschluss der Geschäftssitz einer Partei ändert, z. B. der Verkäufer seinen Sitz wechselt und deshalb von einem anderen Ort ausliefert (vgl. Bülow/Böckstiegel, Internationaler Rechtsverkehr, Artikel 5 EuGVÜ, Randziffer 52). Ein solcher Fall liegt indessen nicht vor.

Da bereits die gesetzlichen Vorschriften keinen Gerichtsstand vor dem Landgericht Aachen begründen, ist, wie schon erwähnt, nicht mehr auf die Wirksamkeit der von der Beklagten verwendeten allgemeinen Geschäftsbedingungen einzugehen, die als ausschließlichen Gerichtsstand Löwen in Belgien vorsehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Klägerin: 16.095,00 DM.

Ende der Entscheidung

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