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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.03.2004
Aktenzeichen: 16 U 22/04
Rechtsgebiete: GVG


Vorschriften:

GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 U 22/04

In dem Rechtsstreit

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Ahlmann

am 17. März 2004

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 24.11.2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Köln - 262 C 105/ 02 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.670,39 € festgesetzt.

Gründe:

I. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 06.05.2001 in L ereignete. Der Beklagte zu 1) ist der Halter des unfallbeteiligten Fahrzeugs Pkw P, die Beklagte zu 2) dessen Haftpflichtversicherer. Die Beklagte zu 2), eine Versicherungsgesellschaft in der Rechtsform der Aktiengesellschaft mit Sitz in T, unterhält in C eine Zweigniederlassung.

Das Amtsgericht Köln hat die Klage mit am 24.11.2003 verkündeten Urteil abgewiesen. Gegen dieses Urteil, das seinen Prozessbevollmächtigten am 27.11.2003 zugestellt worden ist, hat der Kläger mit einem an das Landgericht Köln adressierten Schriftsatz vom 22.12.2003, dort eingegangen am 23.12.2003, Berufung eingelegt. Mit dem am 27.01.2004 beim Landgericht Köln eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag hat der Kläger die Berufung begründet. Nachdem die Beklagten mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 09.02.2004 die Auffassung geäußert hatten, die Berufung hätte nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG beim Oberlandesgericht eingelegt werden müssen, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13.02.2004, beim Landgericht Köln am 16.02.2004 eingegangen, hilfsweise beantragt, das Berufungsverfahren an das Oberlandesgericht Köln zu verweisen, und für den Fall der Verweisung vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Berufungsfrist sowie der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Ausweislich des Vermerks der Berichterstatterin vom 20.02.2004 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf telefonische Nachfrage der Kammer fernmündlich mitgeteilt, sofern das Landgericht seine Zuständigkeit verneine, solle die Sache zunächst nicht an das Oberlandesgericht abgegeben werden. Am 02.03.2004 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers darum gebeten, die Sache im Hinblick auf die Zuständigkeitsbedenken an das Oberlandesgericht abzugeben. Daraufhin hat der Vorsitzende der Berufungszivilkammer am selben Tag die Übersendung der Akte an das Oberlandesgericht verfügt, wo sie am 08.03.2004 eingegangen ist.

Der Kläger vertritt die Auffassung, das Landgericht Köln sei für das Berufungsverfahren zuständig. Da die Beklagte zu 2) ihren Sitz in T, mithin nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats der Europäischen Gemeinschaft habe, in der Bundesrepublik Deutschland aber eine Zweigniederlassung unterhalte, sei sie nach Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) für Streitigkeiten aus ihrem Betrieb so zu behandeln, wie wenn sie ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedsstaates, d.h. der Bundesrepublik Deutschland, hätte. Damit habe die Beklagte zu 2) ihren allgemeinen Gerichtsstand in der Bundesrepublik Deutschland. Darüber hinaus bestehe vorliegend kein Bedürfnis für die Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts, weil im Streitfall ausländisches Recht nicht zur Anwendung komme.

II.

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie verspätet eingelegt worden ist.

Die Berufung ist nicht innerhalb der - hier am 27.12.2003 ablaufenden - Berufungsfrist des § 517 ZPO beim zuständigen Berufungsgericht eingelegt worden. Vielmehr ist die Berufung mit Schriftsatz vom 22.12.2003 zunächst am 23.12.2003 beim Landgericht Köln eingelegt worden und nach auf Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgter Übersendung der Akte durch das Landgericht erst am 08.03.2004, d.h. nach Ablauf der Berufungsfrist, beim Oberlandesgericht eingegangen.

Die Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts ist vorliegend nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) begründet. Nach dieser Vorschrift sind die Oberlandesgerichte zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel der Berufung und der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte in Streitigkeiten über Ansprüche, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb des Geltungsbereichs des Gerichtsverfassungsgesetzes hatte. Dies ist hier der Fall. Die Beklagte zu 2) hatte im Zeitpunkt der Zustellung der vor dem Amtsgericht Köln erhobenen Klage ihren Sitz und damit ihren - nicht nach ausländischem Heimatrecht, sondern nach den §§ 13 ff. ZPO zu ermittelnden (vgl. Gummer in: Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 119 GVG Rdnr. 14) - allgemeinen Gerichtsstand gemäß § 17 Abs. 1 ZPO in T. Zwar unterhält die Beklagte zu 1) in C eine Zweigniederlassung. Bei Beteiligung der deutschen Niederlassung eines ausländischen Unternehmens ist aber nur dann das Landgericht für die Entscheidung über das Rechtsmittel nach § 72 GVG zuständig, wenn es sich bei dieser Niederlassung um eine Tochtergesellschaft im Sinne einer deutschen juristischen Person handelt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.09.2003 - 1 U 209/03 -; Gummer, a.a.O, § 119 GVG Rdnr. 15), was vorliegend nicht der Fall ist.

Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht aus der Regelung des Art. 9 Abs. 2 EuGVVO. Zwar eröffnet Art. 9 Abs. 2 EuGVVO dem Kläger in dem Fall, dass der Versicherer nicht im Binnenmarkt ansässig ist, aber in einem Mitgliedsstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung besitzt, einen Gerichtsstand im Hoheitsgebiet der Zweigniederlassung etc. Die Norm fingiert jedoch für Streitigkeiten aus dem Betrieb der Zweigniederlassung etc. nur einen Wohnsitz des Versicherers im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedsstaats, enthält aber keine von den allgemeinen Vorschriften abweichende Regelung des allgemeinen Gerichtsstands.

Für die Anwendung des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG kommt es auch nicht darauf an, ob im Streitfall ausländisches Recht Anwendung findet. Die Anknüpfung der Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts daran, dass eine Partei bei Klageerhebung keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, ist vielmehr formal zu verstehen. Sie greift auch dann ein, wenn sich im Einzelfall keine besonderen Fragen des Internationalen Privatrechts stellen (BGH NJW 2003, 1672, 1673; BGH ZMR 2003, 823; Manfred Wolf in: Münchener Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 119 GVG Rdnr. 4; Gummer, a.a.O., § 119 GVG Rdnr. 15).

Dem Kläger war weder von Amts wegen noch auf seinen Antrag vom 13.02.2004 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist und - hierdurch bedingt - der Berufungsbegründungsfrist gemäß den §§ 233, 236 Abs. 2 ZPO zu gewähren. Das Wiedereinsetzungsgesuch des Klägers ist unzulässig, weil der Kläger nicht gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO in der für sie vorgeschriebenen Form nachgeholt hat. Die Wiedereinsetzungsfrist begann für den Kläger jedenfalls am Tag nach dem Zugang der Berufungserwiderung vom 09.02.2004 zu laufen, da die Beklagten hierin auf die Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts hingewiesen hatten und die Prozessbevollmächtigten des Klägers aufgrund dessen bei Anwendung äußerster Sorgfalt die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist erkennen konnten. Die Berufungserwiderung ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers spätestens am 13.02.2004 zugegangen, wie sich daraus ergibt, dass sie sich im Schriftsatz von diesem Tag mit dem Inhalt der Berufungserwiderung auseinandersetzen. Die Wiedereinsetzungsfrist endete mithin mit Ablauf des 01.03.2004. Die Akte ist aber erst am 08.03.2004 beim Oberlandesgericht eingegangen, nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf telefonische Anfrage der Berichterstatterin der Berufungszivilkammer am 02.03.2004 mitgeteilt hatte, die Sache solle zunächst nicht an das Oberlandesgericht abgegeben werden, er werde sich noch äußern, und erst am 02.03.2004 - mithin bereits nach Fristablauf - um Weiterleitung der Akte an das Oberlandesgericht gebeten hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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