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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 22.11.1999
Aktenzeichen: 16 U 4/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 a
ZPO § 92
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
16 U 4/99

Anlage zum Protokoll vom 22.11.99

Verkündet am 22.11.99

Luckau, JHS. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung seiner Mitglieder Jennissen, Reinemund und Appel-Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 25.10.99

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klgerin wird das am 01.12.98 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 3 O 124/98 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Kosten des übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärten Rechtsstreits haben die Klägerin zu 19 % und die Beklagte zu 81 % zu tragen.

Die weitergehende Berufung und die Anschlußberufng der Beklagten werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 19 % und die Beklagte zu 81 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Beide Rechtsmittel sind zulässig, aber nur die Berufung ist teilweise begründet.

Der Senat ist anders als das Landgericht der Auffassung, daß die Sache aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien durch einen Kostenbeschluß nach § 91 a ZPO zu entscheiden gewesen wäre und die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen wie aus dem Tenor der Entscheidung ersichtlich zu verteilen waren.

1)

Die Klägerin macht mit Recht geltend, daß die Parteien in erster Instanz schon vor der mündlichen Verhandlung in vollem Umfang übereinstimmend die Erledigung der Hauptsache wirksam und unwiderruflich erklärt hatten, womit die Hauptsache der Entscheidung des Landgerichts entzogen war.

Nachdem die Zahlung des Schuldners von 20.457,00 DM bei der Klägerin eingegangen war, beantragte diese mit Schriftsatz vom 21.04.98 die Feststellung, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Daraufhin erklärte die Beklagte ihrerseits mit Schriftsatz vom 19.05.98 im Fall der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und stellte Kostenantrag nach § 91 a ZPO. Da der Klägerin die Prozesskostenhilfe dann mit Beschluß vom 20.08.98 gewährt wurde, war mit diesem Zeitpunkt die Erledigung übereinstimmend wirksam und unwiderruflich erklärt. Seit der Neufassung des § 91 a ZPO im Jahre 1991 wird die Erledigungserklärung als Prozeßhandlung sowie eine Anschließung des Gegners hieran nicht erst mit der Erklärung in der mündlichen Verhandlung sondern bereits mit Eingang bei Gericht als Prozeßhandlung wirksam und unwiderruflich (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO § 91 a Rdnr. 10, 11). Der Wirksamkeit steht nicht entgegen, daß die Erledigungserklärung im Streitfall an eine Bedingung geknüpft war. Prozeßhandlungen sind anerkanntermaßen bedingungsfeindlich nur, soweit ihre Wirksamkeit von einem außerprozessualen Ereignis abhängig gemacht wird (vgl. Zöller/Greger ZPO Vor § 128 Rdnr. 20). Sonach konnten auch die von der Beklagten in späteren Schriftsätzen erklärten Einschränkungen nichts mehr ändern.

2)

War mithin ein Kostenbeschluß nach § 91 a ZPO veranlaßt gewesen, hatte das Landgericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob tatsächlich ein Fall der Erledigung vorlag, d.h. die Zahlung der Bürgschaftssumme vor Rechtshängigkeit erfolgt war. Dabei ist maßgebend in erster Linie der ohne die Zahlung zu erwartende Verfahrensausgang, mithin die Frage, mit welchen Prozeßkosten die Parteien nach den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen zu belasten gewesen wäre.

Demzufolge wären die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin zu 19 % und der Beklagten zu 81 % aufzuerlegen gewesen. Die Klage über insgesamt 20.457,00 DM wäre in Höhe eines Teilbetrages von 16.602,00 DM gegen die Beklagte aus der Bürgschaft begründet gewesen, d.h. wegen der in der Klage geltendgemachten offenen Unterhaltsforderungen der Klägerin für die Monate Mai bis Dezember 1997 und unter Berücksichtigung der im Urteil des Familiengerichts erfolgten Ermäßigung (= Mai + Juni 97 = 2 x 2.273,00 DM = 4.546,00 DM + Juli - Dezember 97 = 6 x 2.148,00 DM abz. 832,00 DM = 12.056,00 DM). Mit der Zahlung dieses Teilbetrages war die Beklagte bei Einreichung der Klage am 10.03.98 auch im Verzug. Der übrige Teilbetrag über 3.855,00 DM (Rückstand für die Monate Januar - April 97) war von der Bürgschaft nicht erfaßt.

a)

Entgegen der Ansicht des Landgerichts bildete der Unterhaltsvergleich vom 20.12.1994 einen tauglichen Vollstreckungstitel für die Unterhaltsforderungen auch ab Juli 1997, denn dieser ist durch das Abänderungsurteil des FamG vom 11.12.97 nicht ersatzlos weggefallen, sondern bestand - wie auch die Bürgschaftsverpflichtung - fort im Umfang der dadurch reduzierten Unterhaltsbeträge.

Wofür ein Prozeßbürge haftet, hängt wesentlich davon ab, zu welchem Zweck die Prozeßbürgschaft bestellt worden ist (vgl. BGH NJW 78, 43 m.w.N.; OLG Köln NJW-RR 89, 1396 und WM 87, 421). Sinn und Zweck der Bürgschaftserklärung der beklagten Bank war ersichtlich, die Beitreibbarkeit der für die Klägerin im Vergleich für die Monate Mai 1997 bis Januar 1998 titulierten Unterhaltsbeträge abzusichern, und zwar in dem Umfang, wie sie nach der Entscheidung des FamG über die erhobene Abänderungsklage des geschiedenen Ehemanns der Klägerin auch unverändert tituliert blieben. Das FamG hatte auf die Klage durch Beschluß vom 08.07.1997 die Zwangsvollstreckung aus dem Unterhaltsvergleich gegen Sicherheitsleistung in Höhe von monatlich 2.273,00 DM eingestellt. Die daraufhin von der Beklagten zugunsten des geschiedenen Ehemanns der Klägerin ausgestellte selbstschuldnerische Prozeßbürgschaft, die diese Sicherheitsleistung von "monatl. 2.273,00 DM für Mai 97 bis Januar 98 = 20.457,00 DM" betraf (Bl. 5 GA), war der Klägerin zum Ausgleich dafür gegeben, daß sie aufgrund des Einstellungsbeschlusses auf die Vollstreckung dieser Unterhaltsbeträge (zunächst) verzichten mußte. Sie sollte sonach die Klägerin hinsichtlich der genannten im Vergleich zuerkannten Unterhaltsforderungen gegen einen etwaigen aus dem Vollstreckungsverzicht entstehenden Schaden absichern (vgl. BGH a.a.O.).

Mit dem in Abänderung des Vergleichs ergangenen Urteil des FamG auf Zahlung von nur noch monatlich 2.148,00 DM ab dem 01.07.97 war im übrigen der Vergleich als Vollstreckungstitel für die ermäßigten Unterhaltsbeträge nicht weggefallen, wie das Landgericht meint. Für die unverändert tituliert gebliebenen Beträge bestand der Vergleich fort. Das FamG hat den angegriffenen Vergleich nicht etwa aufgehoben sondern ausdrücklich nur hinsichtlich eines relativ geringen Teils abgeändert, so daß das Abänderungsurteil dem Vergleich nur im Umfang der Ermäßigung die Vollstreckbarkeit nimmt (vgl. Zöller a.a.O. § 775 Rdnr. 4 a m.w.N.). Mit dem Erlaß des Abänderungsurteils war dann zugleich die zuvor eingeräumte Befugnis, die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich abwenden zu können, entfallen. Die Einstellung wirkte nur bis zum Erlaß (und nicht etwa bis zur Rechtskraft) des Urteils (vgl. Zöller a.a.O. § 769 Rdnr. 9). Mit diesem Zeitpunkt konnte sonach die Klägerin die Beklagte in Höhe der nach dem Vergleich nunmehr noch titulierten und durch sie verbürgten Unterhaltsbeträge in Anspruch nehmen.

b)

Der Verzug bereits im Zeitpunkt der Einreichung der Klage ergibt sich aus dem Umstand, daß die Beklagte trotz klarer Zahlungsaufforderung jedwede Zahlung ohne berechtigten Grund am 09./10.03.98 abgelehnt hatte, womit aus der Sicht der Klägerin auch Klage geboten war.

Bei der Bürgschaft handelt es sich um eine von der Hauptschuld verschiedene, einseitig übernommene eigene Leistungspflicht des Bürgen und nicht um dessen bloße Haftung (vgl. BGH NJW 98, 2972; Palandt/Sprau BGB Vor § 765 Rdnr. 1). Um den Bürgen mit seiner Leistungspflicht in Verzug zu setzen, bedarf es danach der bestimmten Zahlungsaufforderung und der vom Bürgen zu vertretenden Nichtleistung, d.h. der Bürge kommt mit seiner Leistungspflicht regelmäßig erst nach Ablauf des Zeitraums in Verzug, den er nach den jeweiligen Umständen zur unverzüglichen Prüfung des Anspruchs benötigt. Beide Voraussetzungen waren hier erfüllt.

Am 06.03.98 hatte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin gemäß seinem in erster Instanz unwidersprochen gebliebenen Vorbringen die Beklagte mündlich von der am 11.12.97 verkündeten Entscheidung des FamG unterrichtet und zur Zahlung des angegebenen Bürgschaftsbetrages in Höhe von 20.457,00 DM aufgefordert. Verbürgt von Mai 97 bis Januar 98 waren indes unter Berücksichtigung der erfolgten Ermäßigung nur noch 19.582,00 DM (2 x 2.273,00 DM und 7 x 2.148,00 DM). Das erstmals in zweiter Instanz erfolgte bloße Bestreiten des Telefonats bleibt unbeachtlich, zumal unter dem 09.03.98 ein Schreiben an die Beklagte folgte, das darin ausdrücklich Bezug auf eine telefonische Unterredung der Parteien nimmt, in der sich die Beklagte ersichtlich zu der Zahlung nicht hatte bereit erklären können (Bl. 149 GA). Die Klägerin selbst hatte noch am 09.03.98 bei der Beklagten vorgesprochen und diese unter Vorlage der Bürgschaftsurkunde vergeblich zur Zahlung des Bürgschaftsbetrages aufgefordert. Ferner ist im Schreiben der Beklagten vom 11.03.98 an die klägerischen Anwälte eingangs angegeben "unsere Nachricht vom 10.03.98" (Bl. 35 GA), d.h. an diesem Tag hatten diese Anwälte auf ihr Schreiben vom 09.03.98 bereits eine Nachricht der Beklagten erhalten, mit der diese jedenfalls vorerst eine Zahlung bereits abgelehnt hatte, worauf dann die Klageerhebung an diesem Tag basierte.

Der Grund für die ablehnende Haltung der Beklagten war ersichtlich nicht etwa Unkenntnis von dem - lange zuvor ergangenen - Urteil des FamG sondern das Bestreben des geschiedenen Ehemanns der Klägerin nach einer erneuten Einstellung der Zwangsvollstreckung nunmehr durch das OLG, wie aus dem vorgenannten Schreiben der Beklagten vom 11.03.98 hervorgeht. Darin heißt es ausdrücklich, daß ihr Sachbearbeiter "gestern nachmittag" (= 10.03.98) telefonisch mit RA Dr. S. (= Anwalt des Ehegatten im Unterhaltsprozeß vor dem FamG) gesprochen habe, der davon ausgehe, daß die Berufungsanwälte des Schuldners möglichst umgehend beim OLG einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich stellen, und den sie dabei um die umgehende Zusendung einer Kopie des Antragsschriftsatzes gebeten hätte. Somit war der Beklagten zu diesem Zeitpunkt das Urteil des FamG auch bekannt.

Der Einwand der Beklagten, sie sei nach dem Bankvertrag verpflichtet gewesen, ihren Kunden von der Zahlungsaufforderung zu unterrichten und diesem Gelegenheit zu geben, Einwendungen gegen die Zahlungsaufforderung vorzubringen, konnte ebensowenig die Nichtleistung rechtfertigen. Das war durch die Besprechung mit dem anwaltlichen Vertreter des geschiedenen Ehemanns der Klägerin am 10.03.98 bereits erledigt. Darin hatte die Beklagte, wie ihr vorgenanntes Schreiben vom 11.03.98 belegt, am 10.03.98 das weitere Vorgehen im Hinblick auf das Urteil des FamG und die Zahlungsaufforderung der Klägerin abgestimmt, d.h. Abwarten des weiteren Einstellungsantrags. Mögliche andere Einwände des geschiedenen Ehemanns der Klägerin gegen die Forderung sind dabei nicht geltendgemacht worden, jedenfalls ist dementsprechendes nicht dargetan.

c)

Von der Bürgschaft ersichtlich nicht gedeckt war nur der mit der Klage bis einschließlich April 1997 geltendgemachte Unterhaltsrückstand von 3.855,00 DM.

Die erstmals mit der Berufung vorgetragene Ansicht, die Klägerin habe mit ihrer Klage die Unterhaltsbeträge für die Monate Januar bis April 1997 mit jeweils 2.273,00 DM eingestellt, teilt der Senat nicht. Verlangt waren nur die insoweit offenen Differenzbeträge. Bis zu den Zahlungsaufforderungen am 06. und 09.03.98 hatte der geschiedene Ehegatte der Klägerin nach dem Klagevorbringen für das Jahr 1997 unwidersprochen (nur) folgende Zahlungen auf den geschuldeten nachehelichen Ehegattenunterhalt erbracht:

02.01.97 1.343,00 DM 03.02.97 1.343,00 DM 03.03.97 1.343,00 DM 17.04.97 1.208,00 DM 5.237,00 DM

In ihrer Klage errechnete die Klägerin für das Jahr 1997 einen Unterhaltsrückstand von 21.289,00 DM. Davon machte sie gegen die Beklagte aufgrund der Bürgschaft einen Teilbetrag in Höhe von 20.457,00 DM geltend, d.h. einen Restbetrag von 3.855,00 DM (= 9.052,00 DM abz. gezahlter 5.237,00 DM) für die Monate Januar - April 97, einen offenen Betrag von 4.546,00 DM für die Monate Mai + Juni 97 und einen weiteren offenen Teilbetrag von 12.056,00 DM für die Monate Juli - Dezember 1997 (12.888,00 DM abz. eines Restbetrages für 12/97 von 832,00 DM). Da der geschiedene Ehegatte für die - verbürgten - Monate Mai bis Dezember 1997 keinen Unterhalt gezahlt hatte, waren aus der eingegangenen Bürgschaftsschuld für diesen Zeitraum von der Beklagten 17.434,00 DM verbürgt und aufgrund der Klage 16.602,00 DM geschuldet (= abz. 832,00 DM).

War damit die Beklagte hinsichtlich des vorgenannten eingeklagten Teilbetrages aus der Bürgschaft verpflichtet und bei Klageeinreichung auch in Verzug, und war die übrige Klageforderung unbegründet, weil nicht verbürgt, waren die Kosten anteilsmäßig zu verteilen, d.h. die Klägerin hat 19 % und die Beklagte 81 % der Prozeßkosten erster Instanz zu tragen.

Sonach war auf die Berufung der Klägerin das angefochtene Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 6.200,00 DM.

Ende der Entscheidung

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