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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 28.10.2002
Aktenzeichen: 16 U 69/02
Rechtsgebiete: GVG


Vorschriften:

GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 U 69/02

Anlage zum Protokoll vom 28.10.2002

Verkündet am 28.10.2002

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 2002 durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Appel-Hamm

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 25. Januar 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bergisch Gladbach - 68 C 382/01 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 230,00 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Kläger verlangen nach Beendigung eines Wohnraummietverhältnisses von dem Beklagten als Vermieter die Rückzahlung einer von ihnen geleisteten Kaution in Höhe von restlichen 894,76 Euro nebst Zinsen.

Das Amtsgericht Bergisch Gladbach hat die Klage unter Aufhebung eines zuvor gegen den Beklagten erlassenen Versäumnisurteils mit Urteil vom 25.01.2002, auf dessen tatsächlichen Feststellungen verwiesen wird, abgewiesen. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 07.02.2002 zugestellt worden. Hiergegen haben die Kläger mit einem an das Landgericht Köln gerichteten Schriftsatz, der bei diesem per Fax am 05.03.2002 eingegangen ist, Berufung eingelegt und diese sogleich begründet. Nachdem auch das Original der Berufungsschrift nebst Begründung am 07.03.2002 eingegangen war, hat die Geschäftsstelle am 12.03.2002 die Zustellung der Rechtsmittelschrift an die Prozessbevollmächtigten der Kläger verfügt und am 16.03.2002 die Akten beim Amtsgericht angefordert. Mit Verfügung vom 16.04.2002 hat der Vorsitzende der 10. Zivilkammer die Parteien darauf hingewiesen, dass nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil der Beklagte seinen Wohnsitz in Südkorea habe und deshalb die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Köln für das Berufungsverfahren nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG in Betracht komme. Auf die mündliche Verhandlung vom 08.05.2002 hat sich das Landgericht sodann mit am 19.06.2002 verkündeten Beschluss, auf dessen Inhalt verwiesen wird, für unzuständig erklärt und das Verfahren an das Oberlandesgericht Köln als Berufungsgericht verwiesen. Die Akten liegen dem Oberlandesgericht seit dem 07.08.2002 vor.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist verspätet eingelegt. Sie ist nach Ablauf der Berufungsfrist (§ 517 ZPO) beim Oberlandesgericht eingegangen und deshalb gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Das Landgericht hat in dem Verweisungsbeschluss zutreffend ausgeführt, dass es sich um eine Sache handelt, bei der gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG die Berufungszuständigkeit des Oberlandesgerichts besteht, da der Beklagte im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz seinen allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hatte. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird zur Begründung auf die Ausführungen des Landgerichts bezug genommen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts greift zugunsten der Kläger nicht der Meistbegünstigungsgrundsatz ein. Dieser Grundsatz ist nur dann anzuwenden, wenn für den Rechtsmittelführer eine Unsicherheit besteht, welches Rechtsmittel er wo einlegen soll, die auf einem Fehler oder einer Unklarheit der Entscheidung beruht, die angefochten werden soll (vgl. BGH WM 1994, 180). Auch das Amtsgericht hat aber in der angefochtenen Entscheidung eindeutig ausgeführt, dass der Beklagte unstreitig seinen Lebensmittelpunkt in "Südkorea" habe. Dies ist für die Frage des Wohnsitzes im Sinne der §§ 13 ZPO, 7 BGB von maßgebender Bedeutung. Soweit im Rahmen der Begründung der Kostenentscheidung des Amtsgerichts zu lesen ist, dass der Beklagte nach seinem eigenen Vortrag im Zeitpunkt der Zustellung der Klage (24.08.2001) "noch Wohnung unter der Anschrift F. 4" genommen habe und deshalb die Zustellung durch Niederlegung wirksam sei, liegt insoweit eine offenbare Unrichtigkeit vor, als die vom Beklagten im Verfahren vorgelegte Aufenthaltsbescheinigung, die Meldung unter der genannten Anschrift als Nebenwohnung lediglich für die Zeit vom 30.05.2000 bis 13.08.2001 beinhaltet. Hinzu kommt, dass der Begriff der "Wohnung" im Sinne der Zustellungsvorschriften nicht mit dem Begriff des "Wohnsitzes" im Sinne der Zuständigkeitsvorschriften übereinstimmt. Für die Zustellung sind die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend, der Aufenthalt kann durchaus ein vorübergehender sein. Unwesentlich ist hierfür, ob sich in den Räumen auch der Wohnsitz befindet, d. h. der räumliche Mittelpunkt der gesamten Verhältnisse, dessen Begründung durch die tatsächliche Niederlassung geschieht, verbunden mit dem Willen, den Ort zum ständigen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen.

Das angefochtene Urteil lässt eine Deutung, dass sich auch der Wohnsitz des Beklagten zur Zeit der Rechtshängigkeit in erster Instanz im Inland befunden habe, nicht zu.

Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen wegen Versäumung der Berufungsfrist und - hierdurch bedingt - der Berufungsbegründungsfrist gemäß den §§ 233, 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO scheidet aus.

Die Kläger waren nicht ohne Verschulden an der Wahrung dieser beiden Fristen gehindert. Ihr Prozessbevollmächtigter, dessen Verschulden ihnen gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, hatte die seit dem 01.01.2002 geltenden Regelungen über die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nach § 119 Abs. 1 GVG in Fällen mit Auslandsbezug sowie die Übergangsvorschrift des § 26 Nr. 5 EGZPO, wonach für die Berufung die Neuregelung in allen nach dem 01.01.2002 verhandelten Sachen gilt, zu kennen, zumal die durch das ZPO-Reformgesetz geschaffene neue Rechtslage im Berufungsrecht Gegenstand einer Vielzahl von Fachbeiträgen war, u.a. verbunden mit Hinweisen zu Haftungsrisiken für einen Anwalt (vgl. zu letzterem Jungk AnwBL 2001, 565; siehe im übrigen ZB: Büttner MDR 2001, 1201; Schellhammer MDR 2001, 1141). Wenn er gleichwohl bei einem nicht zuständigen Gericht das Rechtsmittel einlegte, so gereicht ihm dies zum Verschulden, zumal es ihm unbenommen gewesen wäre, den "sichersten Weg" zu gehen und das Rechtsmittel vorsorglich bei beiden in Betracht kommenden Gerichten einzulegen. Das bei sofortiger Weiterleitung der Rechtsmittelschrift an das Oberlandesgericht aller Voraussicht nach die Berufungsfrist gewahrt worden wäre, ist nicht ersichtlich, nachdem die erstmalige Bearbeitung durch die Geschäftsstelle der Berufungszivilkammer erst am 12.03.2002 erfolgt ist und damit nach Ablauf der Berufungsfrist. Zudem durfte die Geschäftsstelle davon ausgehen, dass die Einlegung des Rechtsmittels beim Landgericht, das gemäß § 72 GVG Berufungsgericht in allen vor den Amtsgerichten verhandelten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist, soweit nicht eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts begründet ist, dem Willen der Rechtsmittelführer entsprach und eine Einlegung beim Oberlandesgericht nicht gewollt war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den § 708 Ziffer10, 711 ZPO.

Berufungsstreitwert: 894,76 Euro

Ende der Entscheidung

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