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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.05.2002
Aktenzeichen: 16 W 13/02
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, AVAG


Vorschriften:

ZPO § 348
ZPO § 348 a
ZPO § 349
ZPO § 568
ZPO § 568 S. 1
ZPO § 349 Abs. 3
ZPO § 349 Abs. 2
ZPO § 348 a Abs. 1
ZPO § 348 Abs. 1 S. 1
ZPO § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
ZPO § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchstabe k
EGZPO § 26 Nr. 10
AVAG § 18
AVAG § 20
AVAG § 2 Abs. 1
AVAG § 3 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 W 13/02

In dem Vollstreckbarerklärungsverfahren

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Dr. Ahn-Roth

am 17.5.2002

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beschwerdeführers auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung aus dem vor dem Friedensrichter zu Maaseik/Belgien am 29.11.1995 geschlossenen Vergleich wird zurückgewiesen.

Gründe:

1.

Zur Entscheidung berufenes Beschwerdegericht ist am zuständigen Oberlandesgericht der Senat, nicht der originäre Einzelrichter. Die Vorschrift des § 568 S. 1 ZPO in der ab 1.1.2002 geltenden Fassung (Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.7.2001, BGBl. I S. 1887), die auch im Beschwerdeverfahren den originären Einzelrichter vorsieht und im vorliegenden Fall nach § 26 Nr. 10 EGZPO bereits anzuwenden wäre, gilt nicht für Beschwerden im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Artt. 36 ff EuGVÜ in der Fassung vom 29.11.1996 in Verbindung mit §§ 3 ff, 11 ff des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes (AVAG) vom 19.2.2001. Die EuGVVO vom 22.12.2000, die nunmehr die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen regelt, kommt in Anbetracht ihrer Übergangsvorschriften ( Art. 66 I, II EuGVVO ) hier noch nicht zur Anwendung.

Das Zivilprozess-Reformgesetz vom 27.7.2001 hat mit § 568 ZPO den "originären Einzelrichter", der für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Landgericht vorgesehen ist ( vgl. § 348 ZPO ), in das Beschwerdeverfahren, in dem es bisher einen Einzelrichter nicht gab, übernommen. Diese Regelung gilt für das Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht wie dem Oberlandesgericht in gleicher Weise ( vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 568, Rz. 1 ). Die originäre Einzelrichterzuständigkeit im Beschwerdeverfahren setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung von einem Rechtspfleger oder einem "Einzelrichter" im Sinne des § 568 S. 1 ZPO erlassen wurde.

Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, da der Vorsitzende der Zivilkammer, der nach Art. 32 Abs. 1 EuGVÜ, § 3 Abs. 3 AVAG über die Vollstreckbarkeit zu entscheiden hat, nach Ansicht des Senats nicht der in § 568 S. 1 ZPO genannte Einzelrichter ist. Dieses Ergebnis ist zwar nicht unumstritten ( wie hier: Thomas/Putzo, ZPO, 24.Aufl., § 568 Rz. 2; a.A. Zöller/Geimer, a.a.O., AVAG, § 13 Rz. 1: Entscheidung durch Einzelrichter). Dafür sprechen aus der Sicht des Senats jedoch durchgreifende Überlegungen.

Einzelrichter im Sinne der genannten Vorschrift sind neben dem Amtsrichter zum einen der originäre Einzelrichter gem. § 348 ZPO, zum anderen der obligatorische Einzelrichter im Sinne des § 348 a ZPO und der Vorsitzende der KfH, § 349 ZPO (vgl. Zöller/Gummer, a.a.O., § 568 Rz. 2; Thomas/Putzo, a.a.O.). Der Vorsitzende der Zivilkammer, der nach den Regelungen des EuGVÜ bzw. der seit dem 1.3.2002 geltenden EuGVVO ( dort Anhang II i.V. m. Art 39 Abs. 1 ) zur Entscheidung berufen ist, kann nicht als "Einzelrichter" im obigen Sinne verstanden werden. Er ist nicht originärer Einzelrichter im Sinne des § 348 Abs. 1 S.1 ZPO, da die zu entscheidende Frage zu den Sachgebieten des § 348 Abs. 1 S.2 Nr. 2 ZPO gehört. Die Entscheidungen über die Vollstreckbarkeitserklärung sind nämlich dem Landgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert zugewiesene Streitigkeiten, § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchstabe k ZPO. Das AVAG weist die Vollstreckbarerklärung unabhängig vom Streitwert ausschließlich dem Landgericht zu; für die alte Fassung des AVAG folgt dies aus § 2 Abs. 1, die Neufassung sieht dies in § 3 Abs. 1 vor. Die Begründung zum Regierungsentwurf des ZPO-Reformgesetzes benennt im Zusammenhang mit den Sondersachgebieten des § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchstaben a - k ZPO ausdrücklich bei den dem Buchstaben k unterfallenden Sachgebieten die Regelung des - bis 28.2.2001 geltenden - § 2 Abs. 1 AVAG ( BT-Drucks. 14/4722, S. 89 ). Damit hat der Gesetzgeber das Sachgebiet der Entscheidungen zur Vollstreckbarkeit nicht in der Zuständigkeit des originären Einzelrichters belassen, sondern der Sonderzuständigkeit der Zivilkammer zugeordnet. Deren Vorsitzender ist geschäftsplanmäßig für diese Entscheidungen zuständig.

Der Vorsitzende ist auch nicht obligatorischer Einzelrichter i.S. des § 348 a Abs. 1 ZPO, da die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Die Zivilkammer hat ihm den Rechtsstreit nicht übertragen. Vielmehr ist der Vorsitzende bereits aufgrund der Regelungen des Art. 32 EuGVÜ bzw. Art. 39 EuGVVO i.V. m. Anhang I, § 3 Abs. 3 AVAG allein zuständig. Eine Vorlage des Rechtsstreits an die Kammer mit dem Ziel einer Rückübertragung scheidet ebenfalls aus diesem Grund aus, 348 a Abs. 2 ZPO.

Schließlich kommt auch eine direkte oder entsprechende Anwendung des § 349 ZPO nicht in Betracht. Gegen eine entsprechende Anwendung spricht, dass in Handelssachen sowohl die Kammer als auch der Vorsitzende entscheiden kann, § 349 Abs. 3 ZPO; die Entscheidungsbefugnisse des Vorsitzenden der KfH sind zunächst auf die Entscheidungen des § 349 Abs. 2 ZPO beschränkt. Hingegen ist - wie bereits aufgezeigt - im Fall der Artt. 31 ff EuGVÜ bzw. Art. 39 EuGVVO allein der Vorsitzende der Zivilkammer von vornherein funktionell zuständig, ohne dass die Kammer tätig werden darf. Sachlicher Grund für die Zuweisung der in § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Buchst. k ZPO aufgeführten Streitigkeiten an die Zivilkammer ist das Bedürfnis, für diese Streitigkeiten angesichts ihrer Bedeutung eine gleichmäßige Rechtsprechung herbeizuführen ( vgl. BT-Drucksache 14/4722, S. 89 ). Dies wird durch eine Zuweisung an das Landgericht und eine Zuordnung zur Sonderzuständigkeit der Kammer gewährleistet.

Das Bestreben des Gesetzgebers im Rahmen der Zivilrechtsreform, bei Entscheidungen mit Auslandsbezug, bei denen die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht kommt, unabhängig vom Streitwert eine größtmögliche Einheitlichkeit der Rechtsprechung herbeizuführen, hat sich auch in der Regelung des § 119 Abs. 1 Nr. 1 b) und c) GVG ( n. F. ) niedergeschlagen, wonach für Berufungen gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts mit Auslandsbezug ausnahmsweise das Oberlandesgericht zuständig ist.

Schließlich liegt es in Anbetracht der Struktur des Vollstreckbarerklärungsverfahrens im Interesse der Beteiligten, dass in 2. Instanz ein Kollegialgericht funktionell zuständig ist. Das Verfahren 1.Instanz ist nämlich ein einseitiges und summarisches Verfahren. Erst in 2. Instanz werden die Einwände des Schuldners beachtet und überprüft, so dass für die Parteien nur diese eine Instanz zur umfassenden Überprüfung in der Sache - soweit diese das EuGVÜ bzw. die EuGVVO zuläßt - bleibt.

Angesichts dieser erheblichen Gründe, die eine Zuständigkeit des Senats als Kollegialgericht verlangen, vermag die Gegenmeinung ( s. Zöller/Geimer, a.a.O. ) nicht zu überzeugen, die zudem eine Auseinandersetzung mit den neuen Regelungen der ZPO vermissen läßt.

2.

Der Vollstreckungsschutzantrag des Schuldners vom 20.4.2002 auf Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung ist zurückzuweisen, da das Vollstreckbarkeitsverfahren eine solche Maßnahme nicht vorsieht.

Solange über den Rechtsbehelf des Schuldners nicht entschieden ist - wie hier -, darf die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen ohnehin nicht über Maßnahmen zur Sicherung hinausgehen, Art. 39 Abs. 1 EuGVÜ, § 18 AVAG.

Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt allenfalls nach einer Sicherheitsleistung des Schuldners in Betracht, was der Schuldner und Beschwerdeführer hier nicht geltend macht, § 20 AVAG.

Ferner sind auch nicht die Voraussetzungen des Art. 38 Abs.1, Abs. 3 EuGVÜ dargelegt, wonach es im Ermessen des Beschwerdegerichts liegt, die Zwangsvollstreckung von der Leistung einer Sicherheit abhängig zu machen. Eine solche Entscheidung kommt nur in Betracht, wenn gegen die Entscheidung im Ursprungsstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist. Auch wenn nunmehr ein Ehescheidungsantrag eingereicht sein sollte, handelt es sich damit nicht um einen Rechtsbehelf gegen den am 29.11.1995 geschlossenen Vergleich der Parteien.

Ende der Entscheidung

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