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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.11.1999
Aktenzeichen: 16 W 28/99
Rechtsgebiete: ZPO, BBergG, AGB


Vorschriften:

ZPO § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
BBergG § 117 Abs. 2
AGB § 151
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
16 W 28/99

OBERLANDESGERICHT KÖLN

BESCHLUSS

In Sachen

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schuschke, Dr. Ahn-Roth und Reinemund

am 17.11.1999

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Aachen vom 03.09.1999 - 1 OH 26/99 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das Mehrfamilienhaus des Antragstellers hatte durch den Bergabbau der Antragsgegnerin in A., der im Jahre 1985 bzw. 1986 eingestellt wurde, erhebliche Gebäudeschäden erlitten. Zur Abgeltung aller Schäden erhielt der Antragsteller nach Vorlage von Reparaturkostenvoranschlägen in Höhe von insgesamt rund 95.000,-- DM im Jahre 1989 von der Antragsgegnerin vereinbarungsgemäß einen pauschalen Abgeltungsbetrag in Höhe von 25.000,-- DM. Im Jahre 1998 ließ der Antragsteller ein Gutachten über Bauschäden an seinem Haus durch den Sachverständigen S. erstellen, der in seinem "Bauzustandsbericht" vom 27.03.1998 unter Berücksichtigung der damaligen am 14.01.1987 erfolgten Schieflagenmessung zu dem Ergebnis kommt, dass die von ihm bei der Besichtigung festgestellten Schäden "unzweifelhaft ihre Ursache in der erneuten Veränderung der Hauslage" haben. Die Antragsgegnerin hat eine Einstandspflicht insoweit abgelehnt mit dem Einwand, keinen Abbau mehr betrieben zu haben, der zu neuen Bergschäden am Hausgrundstück des Antragstellers geführt habe. Unstreitig betrieb allerdings die Antragsgegnerin bis Mitte 1992 noch von Siersdorf einen weiteren untertägigen Kohleabbau im Flöz W.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zur Frage, ob sein Mehrfamilienhaus Bauschäden aufweise, die auf einen Abbau durch die Antragsgegnerin nach dem 22.03.1989 zurückzuführen sind (wenn ja, welche ?), mangels Erfolgsaussicht des möglichen Hauptprozesses abgelehnt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Es fehle das rechtliche Interesse an der Durchführung des Beweisverfahrens, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Feststellung zur Vermeidung eines Rechtsstreits dienen könnte. Auch wenn die Schäden auf einen Abbau der Antragsgegnerin nach dem 22.03.1989 zurückzuführen seien, sei jedenfalls die von dieser erhobene Verjährungseinrede begründet. Soweit der Antragsteller Kenntnis von den Bergschäden erst im Jahre 1997 erhalten haben will, sei sein Vortrag nicht nachvollziehbar, denn in den von ihm bewohnten bzw. genutzten Teilen des Gebäudes hätten ihm die Schäden weit früher auffallen müssen.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig. In der Sache kann sie keinen Erfolg haben.

Das Landgericht hat im Ergebnis mit Recht ein rechtliches Interesse des Antragstellers an der Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens verneint.

Im Streitfall kommt ein Beweisverfahren ausschließlich nach § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO in Betracht, wonach eine Partei vorprozessual die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen kann, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass die Ursache u.a. eines Sachschadens festgestellt wird. Solches rechtliche Interesse ist zu bejahen, wenn - als ausdrücklich genanntes gesetzliches Beispiel (vgl. Zöller/Herget ZPO § 485 Rdnr. 7 a m.w.N.) - die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann (§ 485 Abs. 2 S. 2 ZPO) oder wenn die Ursache des Sachschadens die Grundlage eines materiellen Anspruchs des Antragstellers gegen den Antragsgegner bilden und für dessen Bestehen die beantragte Begutachtung von Bedeutung sein kann (vgl. OLG Hamm NJW-RR 98, 68; Thomas/Putzo ZPO § 485 Rdnr. 7). Ersteres ist allerdings nicht bereits zu bejahen, wenn dargetan oder - wie hier - davon auszugehen ist, dass ein Antragsteller bei einem für ihn ungünstigen Beweisergebnis es unterlassen wird, einen risikoreichen Prozess anzustrengen, so dass das Beweisverfahren einen Rechtsstreit vermeiden helfen kann (so aber OLG Stuttgart NJW 99, 874; Zöller a.a.O. Rdnr. 7 a m.w.N.). Diese Ansicht hätte zur Folge, dass schon wegen des stets möglichen negativen Beweisergebnisses damit regelmäßig das rechtliche Interesse an der Durchführung des Beweisverfahrens gegeben wäre. Richtig ist andererseits, dass das Ziel des selbständigen Beweisverfahrens, der Prozessvermeidung zu dienen, von vorneherein nicht zu erreichen wäre, wenn die Feststellung unabhängig von ihrem Ergebnis wegen Fehlens der Erfolgsaussicht des möglichen Hauptsacheprozesses aus anderen Gründen keine Bedeutung hätte und mithin die Beweiserhebung unnütz wäre (vgl. OLG Hamm NJW 98, 689). Eine solche Prüfung und Entscheidung, nämlich ob der vorgebrachte Anspruch nach den übrigen dazu angeführten Umständen schlüssig dargelegt und auch begründet ist und mithin der Hauptsacheprozess Aussicht auf Erfolg hat, oder ob das Beweismittel für den Hauptprozess erheblich ist, findet im Beweisverfahren indes regelmäßig nicht statt, in das nämlich entsprechende umfassende Darlegungen und Stellungnahmen der Parteien und insbesondere etwa zu einer - wie hier - hilfsweise erhobenen Verjährungseinrede des Antragsgegners grundsätzlich nicht gehören (so auch OLG Köln - 22. ZS - NJW-RR 96, 573; OLG Hamm a.a.O.; Zöller a.a.O.). Eine solche Prüfung würde in unzulässiger Weise der Entscheidung des hierzu berufenen Prozessgerichts und der höheren Instanzen vorgreifen. Etwas anderes könnte ausnahmsweise dann gelten, wenn das Beweismittel zur Beweiserbringung offensichtlich ungeeignet ist oder die Rechtsverfolgung in einem möglichen Hauptsacheprozess offensichtlich aussichtlos oder mutwillig erscheint (vgl. OLG Köln und OLG Hamm jeweils a.a.O.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch entgegen der Ansicht des LG nicht vor. Die Verjährungseinrede der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Antragsgegnerin ist keinesweg offensichtlich begründet. Bergschadensersatzansprüche unterliegen gemäß § 117 Abs. 2 BBergG bzw. § 151 AGB der Verjährung innerhalb von 3 Jahren ab Kenntnis des Schadens und des potentiellen Verursachers. Dabei ist maßgebend die positive Kenntnis des Geschädigten von dem eingetretenen Schaden und dessen Urheber, nicht das Kennenkönnen oder Kennenmüssen, wie der Antragsteller mit Recht geltend macht. Solche positive Kenntnis schon in den Jahren ab 1992 bzw. bis 1996, die der Antragsteller bestreitet, lässt sich, wenngleich vieles bezüglich einiger Schäden dafür spricht, keineswegs völlig eindeutig feststellen, wie auch die Begründung des LG erkennen lässt, zumal der Antragsteller vorträgt, von dem weiteren Abbau keine Kenntis gehabt und erst durch den eingeholten Bauzustandsbericht vom 27.03.1998 gesicherte Erkenntnisse darüber erhalten zu haben, dass es sich bei den Schäden um Bergschäden handele.

Das rechtliche Interesse des Antragstellers an der Durchführung des beabsichtigten Beweisverfahrens muss hier aber deshalb verneint werden, weil die gewünschte Beweisaufnahme einen unzulässigen Beweisermittlungsantrag beinhaltet. Im Hinblick auf die besondere Fallgestaltung, nämlich dass die Antragsgegnerin umfangreiche Bergschäden an dem Haus bereits reguliert hat, wäre es Sache des Antragstellers gewesen, zunächst einmal anhand der damals vorgelegten Kostenvoranschläge substantiiert aufzuzeigen, dass die damaligen Schäden weder ganz noch teilweise identisch sind mit den jetzt im Bauzustandsbericht aufgeführten Schäden. Dazu gehörte die eindeutige und klare Stellungnahme, ob der Antragsteller und gegebenenfalls wie er welche der früheren, bereits abgegoltenen Bergschäden tatsächlich und dauerhaft beseitigt hat. Dem Erfordernis ist ersichtlich nicht genügt, wenn der Antragsteller auf den Einwand der Antragsgegnerin, ein Vergleich mit den Kostenvoranschlägen zeige eine auffällige und vollständige Kongruenz mit den nunmehr angeführten Schäden, unter Beweisantritt wiederum durch Einholung eines Sachverständigengutachtens lediglich lapidar erwidert, die Schäden seien repariert und das jetzige Schadensbild bestehe nicht "aus vor 1988 abgegoltenen Schäden". Der Antragsteller will ersichtlich seine Darlegungslast durch das Gutachten ersetzen und den Sachverständigen ermitteln lassen, ob und gegebenenfalls welche der von dem Sachverständigen S. festgestellten Schäden "neu" sind, d.h. auf einen weiteren Abbau zeitlich nach der Abfindungsvereinbarung zurückzuführen sind. Sonach ist solange, wie nicht der genannte nähere Vortrag vorliegt, davon auszugehen, dass der Antragsteller ohne greifbare Anhaltspunkte das Vorliegen neuer Schäden "aufs Geratewohl" behauptet und damit unzulässige Beweisermittlung betreibt.

Ende der Entscheidung

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