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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 02.12.2005
Aktenzeichen: 16 W 31/05
Rechtsgebiete: EuGVVO, AVAG, ZPO


Vorschriften:

EuGVVO Art. 39
EuGVVO Art. 49
AVAG § 2 III
ZPO § 568
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 W 31/05

In der Zwangsvollstreckungssache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Jennissen, Appel-Hamm und Wurm

am 02.12.2005

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 20.09.2005 - 9 O 182/05 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass unter Ziffer II. des angefochtenen Beschlusses die Wendung "von bis zu 10,000,00 €" durch die Wendung "von 10.000,00 €" ersetzt wird.

Die Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Der in den Niederlanden wohnende Gläubiger hat einen Titel der Rechtsbank I gegen die Schuldnerin, eine GmbH mit Sitz in Deutschland, erwirkt, in dem sie u. a. verurteilt worden ist, an den Gläubiger rückständiges und laufendes Gehalt zu zahlen, ihm einen bestimmt bezeichneten PKW mit Tankpass zur Verfügung zu stellen sowie ihn unter Einrichtung eines Büroarbeitsplatzes sowie Neuerteilung einer entzogenen Bankvollmacht wieder zur Arbeit zuzulassen. Diesen Titel hat der Vorsitzende der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen rechtskräftig für vollstreckbar erklärt.

Mit weiterem Beschluss vom 20.09.2005 hat der Vorsitzende der Zivilkammer den Gläubiger antragsgemäß wegen des Pkws zur Ersatzvornahme ermächtigt, die Schuldnerin zu einem Kostenvorschuss von 40.000,00 € verurteilt und wegen der Weiterbeschäftigung ein Zwangsgeld "bis zu 10.000,00 €" festgesetzt. Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat und mit der sie geltend macht, für die Vollstreckungsmaßnahmen sei nicht das Landgericht Aachen sondern das niederländische Prozessgericht, also die Rechtsbank I zuständig.

II.

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist gem. § 793 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist davon auszugehen, dass das Rechtsmittel rechtzeitig eingelegt worden ist. Das Landgericht hat nach erfolglosem Zustellversuch am Sitz der Schuldnerin mit einer am 06.10.2005 ausgeführten Verfügung die Zustellung des angefochtenen Beschlusses per Einschreiben mit Rückschein an die niederländische Privatanschrift ihres Geschäftsführers verfügt. Auch wenn auf dem Rückschein der niederländische Zusteller das Datum der Aushändigung nicht eingetragen hat und die Feststellungslast wegen der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels bei der Schuldnerin liegt, kann wegen der längeren Postlaufzeiten ins Ausland unabhängig von der Erklärung der Schuldnerin, sie habe die angefochtene Entscheidung am 21.10.2005 erhalten, bereits nach normalem Verlauf der Dinge davon ausgegangen werden, dass mit dem Eingang des Rechtsmittels am 25.10.2005 die 2 Wochen-Frist des § 569 Abs. 1 ZPO gewahrt ist.

Über das mithin zulässige Rechtsmittel hat der Senat in seiner GVG-mäßigen Besetzung und nicht der Einzelrichter des § 568 ZPO zu entscheiden. Der aufgrund EG-Rechts gem. Art. 39 EuGVVO i. V. m. Anhang II der EuGVVO oder aufgrund internationaler Abkommen i. V. m. § 2 Abs. 3 AVAG zuständige Vorsitzende der Zivilkammer des Landgerichts entscheidet zwar alleine, aber als eigenständiger Spruchkörper und nicht als "Einzelrichter" i. S. d. §§ 348 ff, 568 ZPO (Senat InVO 2002, 28 = IPrax 2003, 354 m. Anm. Geimer S. 337; OLG Zweibrücken, InVO 2005, 428). Eigenständiger Spruchkörper bleibt er - ungeachtet der fehlerhaften Bezeichnung seiner Funktion in dem angefochtenen Beschluss als "Einzelrichter" - auch dann, wenn er - wie hier - nach der Vollstreckbarkeitserklärung weitere Entscheidungen in seiner Eigenschaft als "Prozessgericht" trifft. Auch für diesen Fall ist er nicht aufgrund der originären oder obligatorischen Einzelrichterzuständigkeit nach den § 348, 348a ZPO, sondern aufgrund der europarechtlichen Kompetenzzuweisung des Anhangs II der EuGVVO tätig geworden.

In der Sache hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg.

Deutsche Gerichte, also das Landgericht bzw. nunmehr der Senat sind für die Entscheidung über die Anträge auf Ersatzvornahme und Zahlung eines Kostenvorschusses sowie für den Antrag auf Festsetzung eines Zwangesgeldes international zuständig. Hierbei kann es dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem vorliegenden Verfahren über Anträge auf Vornahme einer Ersatzvornahme, eines Kostenvorschusses hierfür und auf Festsetzung eines Zwangsgeldes um solche der "Zwangsvollstreckung" i. S. d. Art. 22 Ziff. 5 EuGVVO handelt, was umstritten ist, wofür aber der Umstand spricht, dass das Verfahren wegen der Pflicht zur Anhörung des Schuldners gem. § 891 ZPO kontradiktorisch ausgestaltet ist und es sich daher nicht lediglich um eine bloße "Maßnahme" der Zwangsvollstreckung handelt (vgl. zu diesen Abgrenzungskriterien Senat InVO 2004, 425 = OLGReport Köln 2004, 157; OLG Saarbrücken, IPrax 2001, 456; MünchKom/Gottwald, ZPO, 2. Auflage, Art. 16 EuGVÜ Rdn. 39; Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Auflage, Art. 22 EuGVVO Rdn. 61 mit weiteren Nachweisen). Jedenfalls folgt die Möglichkeit zu gerichtlichen Inanspruchnahme der Schuldnerin in Deutschland schon daraus, dass sie hier ihren Firmensitz hat (Art. 2 Abs. 1 EuGVVO).

Fraglich und zweifelhaft kann es daher nur noch sein, ob aus einer in Deutschland für vollstreckbar erklärten Entscheidung eines anderen Mitgliedsstaates hier die Handlungsvollstreckung nach den §§ 887, 888 ZPO betrieben werden kann oder ob die entsprechenden Maßnahmen - sofern das jeweilige nationale Recht dies vorsehen sollte - im Ursprungsmitgliedsstaat zu erfolgen haben, um ggfls. sodann nach erneuter Vollstreckbarerklärung, z. B. einer Entscheidung zur Zahlung eines Kostenvorschusses für eine vertretbare Handlung hier für vollstreckbar erklärt und durch die Vollstreckungsorgane durchgesetzt zu werden (vgl. zu dieser Problematik Stadler, IPRax 2003, 430 ff.). Die Zweifel stellen sich vor allem bei Zwangsgeldentscheidungen, zu denen Art. 49 EuGVVO eine gesonderte Regelung dahingehend enthält, dass sie nur für vollstreckbar erklärt werden können, wenn sie im Ursprungmitgliedsstaat der Höhe nach endgültig festgesetzt sind. Damit soll aber nur gewährleistet werden, dass der mit der Vollstreckbarerklärung befasste Richter des Zweitstaates, der mit dem erststaatlichen Prozessrecht nicht vertraut ist, aus der erststaatlichen Entscheidung selbst ersehen können soll, wozu der Schuldner verurteilt worden ist (vgl. Senat InVO 2004, 473 = RIW 2004, 868 mit Bspr. Mankowski RIW 2005, 561 [572]). Nicht ausgeschlossen wird hierdurch indes die Möglichkeit, dass - soweit das jeweilige nationale Recht dies ermöglicht - im Zweitstaat ein Zwangsgeld festgesetzt wird. Vielmehr hat der Gläubiger bei der Handlungsvollstreckung ein Wahlrecht, ob er im Ursprungsmitgliedsstaat die nach dem dortigen Recht möglichen Zwangsmaßnahmen erwirkt oder nach Vollstreckbarerklärung des Ausgangstitels im Vollstreckungssaat die dort möglichen Zwangsmittel, also hier diejenigen nach den §§ 887, 888 ZPO festsetzen lässt (vgl. Kropholler a. a. O. Art. 49 EuGVVO Rdn. 3; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Auflage Art. 49 EuGVVO Rdn. 3a; Bruns ZZP 118 [2005], 3 [14]).

Wenn sodann - wie hier - der Gläubiger die 2. Alternative wählt, ist als Prozessgericht funktionell zuständig der Vorsitzende der Zivilkammer, der den Ausgangstitel für vollstreckbar erklärt hat. Dies ist allgemeine Meinung, wie in der Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts zutreffend ausgeführt wird (vgl. Baumbach/Lauterbach, ZPO 63. Auflage, § 887 Rdn. 10; MünchKomm/Schilken, ZPO 2. Auflage, § 887 Rdn. 10; Schuschke/Walker, 'Vollstreckungsrecht 3. Auflage, § 887 Rdn. 13, § 888 Rdn. 24; Stein/Jonas/Brehm, 22. Auflage, § 887 Rdn. 33; Zöller/Stöber, ZPO 25. Auflage, § 887 Rdn. 6). Aus der Kommentierung im Thomas/Putzo (vgl. dort [26. Auflage] § 888 Rdn. 9) ergibt sich entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung nichts anderes.

Einwendungen gegen die festgesetzten Zwangsmittel selbst hat die Schuldnerin nicht erhoben. Allerdings war klarstellend wegen des Zwangsgeldes der Tenor des angefochtenen Beschlusses zu ändern. Ein Zwangsgeld "bis zu" ist nicht hinreichend bestimmt. Dem Umstand aber, dass der Vorsitzende der Zivilkammer bei der Festsetzung deutlich hinter dem Gläubigerantrag auf Zahlung eines "Zwangsgeldes "bis zu 25.000,00 €" zurückgeblieben ist, macht deutlich, dass er nur ein solches von 10.000,00 € für gerechtfertigt hielt, also ein solches in einer bestimmten Höhe und versehentlich die Wendung aus dem Antrag mit übernommen worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Beschwerdewert: 50.000,00 €

Ende der Entscheidung

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