Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 20.01.2003
Aktenzeichen: 16 W 35/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 17
ZPO § 21
ZPO § 119 Abs. 1 Nr. 1b
ZPO § 513 Abs. 2
ZPO § 545 Abs. 2
ZPO § 568 S. 2 Nr. 1
ZPO § 571 Abs. 1 S. 2
ZPO § 766
ZPO § 767
ZPO § 771
ZPO § 807
ZPO § 807 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 899
ZPO § 899 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 W 35/03

In Sachen

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Richter am Oberlandesgericht Jennissen als Einzelrichter am 20.01.2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Euskirchen vom 03.11.2003 - 8 M 2128/03 - aufgehoben und auf ihren Widerspruch hin der Antrag der Gläubigerin auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zurückgewiesen.

Die Gläubigerin hat die Kosten des Widerspruchs- und Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin hat gegen die Schuldnerin ein Versäumnisurteil des Amtsgerichts Euskirchen vom 06.05.2003 über 1.482,75 € nebst Zinsen erwirkt, in dem die Schuldnerin wie folgt bezeichnet ist "F. PG GmbH, gesetzlich vertreten durch D. H., W.straße 13, E.".

Tatsächlich handelt es sich bei der Schuldnerin um eine im Handelsregister des Handelsgerichts Eupen eingetragene Privatgesellschaft mit beschränkter Haftung belgischen Rechts (PGmbH) mit Sitz in Eupen/Belgien. Die Anschrift in Euskirchen ist die Wohnanschrift ihres alleinigen Geschäftsführers.

Nachdem der Geschäftsführer der Schuldnerin im Rahmen eines Vollstreckungsversuchs unter der Anschrift in Euskirchen einer Durchsuchung mit der Begründung widersprochen hatte, dass es dort keine F. PG mbH gebe, erwirkte die Gläubigerin einen Durchsuchungsbeschluss. In dem Protokoll eines weiteren Vollstreckungsversuchs vom 17.09.2003 vermerkte der Gerichtsvollzieher, dass "hier" keine Vermögenswerte der Gesellschaft vorhanden seien und sich deren Geschäftsräume in Eupen befänden. In der Folgezeit widersprach die Schuldnerin der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Diesen Widerspruch hat das Amtsgericht mit einem am 17.11.2003 dem Geschäftsführer der Schuldnerin zugestellten Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 18.11.2003 eingelegte sofortige Beschwerde der Schuldnerin.

II.

Über die sofortige Beschwerde hat gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1b das Oberlandesgericht zu befinden, weil die Schuldnerin ausweislich des von ihr vorgelegten Registerauszugs des Handelsgerichts Eupen dort ihren Gesellschaftssitz und damit ihren allgemeinen Gerichtsstand i. S. d. § 17 ZPO hat.

Das in formeller Hinsicht unbedenkliche Rechtsmittel ist begründet.

1.

Der Geschäftsführer der Schuldnerin ist nicht zur Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung verpflichtet, weil es hierfür an einer internationalen Zuständigkeit deutscher Vollstreckungsorgane fehlt.

a)

Die Schuldnerin ist zunächst mit ihrer Zuständigkeitsrüge nicht gem. § 571 Abs. 1 S. 2 ZPO ausgeschlossen. Diese Norm gilt nämlich ungeachtet ihres weit gefassten Wortlauts - ebenso wie die entsprechenden Regelungen für das Berufungsverfahren in § 513 Abs. 2 ZPO und das Revisionsverfahren in § 545 Abs. 2 ZPO - nicht für die internationale Zuständigkeit (vgl. BGH NJW 2003, 426 = MDR 2003, 348; BGH NJW 2003, 2916 = MDR 2003, 1256; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 24. Auflage, § 513 Rdn. 8 mit Übersicht zum Meinungsstand u. Zöller/Gummer § 571 Rdn. 5).

b)

Die internationale Zuständigkeit für das Verfahren auf Abgabe der Offenbarungsversicherung richtet sich nicht nach der EG-Verordnung Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 (EuGVVO), sondern nach allgemeinen Regeln deutschen Zivilprozessrechts, also grundsätzlich nach § 899 Abs. 1 ZPO..

Die einzige in Betracht kommende Zuständigkeitsregelung des Art. 22 Nr. 5 EuGVVO, die Art. 16 Nr. 5 EuGVÜ entspricht, gilt nach zutreffender Ansicht nur für kontradiktorische Verfahren, die einen unmittelbaren Bezug zur Zwangsvollstreckung haben, wie etwa die Entscheidung über den von der Schuldnerin eingelegten Widerspruch, das Erinnerungsverfahren nach § 766 ZPO oder die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 und die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO, nicht aber für den Erlass einzelner Vollstreckungsakte, wozu auch die eidesstattliche Offenbarungsversicherung nach den §§ 807, 899 ZPO gehört (vgl. OLG Saarbrücken, IPrax 2001, 456; MünchKom/Gottwald, ZPO, 2. Auflage, Art. 16 EuGVÜ Rdn. 39; Kropholler Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Auflage, Art. 22 EuGVVO Rdn. 61 mit weiteren Nachweisen; Schlösser, EU-Zivilprozessrecht, 2. Auflage, Art 22 EuGVVO Rdn. 26; a. A. Mankowski EWiR 1995, 935).

Die Schuldnerin ist eine juristische Person belgischen Rechts gem. den Art. 210 ff. des code des sociétés mit einer, einer deutschen GmbH ähnlichen Struktur. Bei juristischen Personen ist nach allgemeinen Regeln deutschen Zwangsvollstreckungsrechts grundsätzlich nicht der Wohnort des zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichteten Organs, also etwa des Geschäftsführers einer GmbH maßgeblich, sondern der statuarische Sitz der Gesellschaft i. S. d. § 17 ZPO (vgl. z. B. Riecke DGVZ 2003, 17; LG Bochum, Rpfleger 2001, 442; Heß Rpfleger 1996, 89; Schuschke/Walker, ZPO, 3. Auflage, § 899 Rdn. 2.). Dieser Sitz ist indes in Eupen mit der Folge, dass sich hieraus ein internationaler deutscher Gerichtsstand nicht herleiten lässt (Heß a. a. O. S.).

Auch der Gerichtsstand der Niederlassung, der entsprechend § 899 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 21 ZPO in Betracht kommt (vgl. LG Zwickau BB 1995, 1664 = IPrax 1996, 193; Rauscher IPrax 1996, 179; Zöller/Stöber, ZPO 24. Auflage, § 899 Rdn. 5; Geimer Internationales Zivilprozessrecht, 4. Auflage, Rdn. 3284), scheidet aus. Tatsachen dafür, dass die Schuldnerin unter der Wohnanschrift ihres Geschäftsführers in Euskirchen eine auf eine gewisse Dauer eingerichtete Geschäftsstelle und damit eine Niederlassung i. S. d. § 21 ZPO unterhält, lassen sich dem Vorbringen des Gläubigers nicht entnehmen und sind auch sonst nicht erkennbar. In der Handelsregisteranmeldung gegenüber dem Handelsgericht Eupen ist im Gegenteil angegeben, dass die Schuldnerin nur am Gesellschaftssitz ihre Hauptniederlassung hat und keine Zweigniederlassung oder Agentur unterhält.

Zwar dürfte vom juristischen Ansatzpunkt her die Auffassung des Amtsgerichts zutreffen, dass auch dann, wenn die Schuldnerin unabhängig von den Voraussetzungen des § 21 ZPO am Wohnort ihres Geschäftsführers Geschäfte tätigt und sich deshalb Vollstreckungsmöglichkeiten im Inland wie eine Kassen- oder Forderungspfändung ergeben könnten, ebenfalls eine internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Euskirchen besteht, sog. Gerichtsstand des voraussichtlichen Vollstreckungsortes (vgl. Heß a. a. O.; Zöller/Stöber a. a. O.; Riecke DGVZ 2003, 33). Diese Frage bedarf indes letztlich keiner abschließenden Entscheidung. Für einen entsprechenden Gerichtsstand kann es nämlich nicht ausreichen, dass der Gläubiger vermutet, dass sich an dem entsprechenden Ort Vermögensgegenstände eines Schuldners befinden (so aber Heß a. a. O.); denn dies würde bei ausländischen juristischen Personen als Schuldnern einen Gerichtsstand quasi nach Gutdünken und Belieben des Gläubigers eröffnen. Auch wenn dem Gesichtspunkt der Effizienz einer Inlandsvollstreckung eines deutschen Titels Rechnung zu tragen ist (vgl. hierzu Rauscher a. a. O.), sollte auch bedacht werden, dass innerhalb der Europäischen Gemeinschaft mit der EuGVVO inzwischen ein effizientes Instrumentarium zur Vollstreckung deutscher Titel am Sitz eines ausländischen Schuldners zur Verfügung steht. Zur Vermeidung einer ansonsten drohenden Ausuferung potentieller deutscher Zuständigkeiten für die Abgabe eidesstattlicher Offenbarungsversicherungen ausländischer Schuldner müssen daher für die Annahme einer voraussichtlichen Vollstreckungsmöglichkeit an einem bestimmten Ort im Inland greifbare Anhaltspunkte bestehen. Der Umstand alleine, dass ein Organ des Schuldners an dem betreffenden Ort seinen Wohnsitz hat, reicht hierfür nicht; denn dies würde bei ausländischen juristischen Personen zu einer Art Gerichtsstand des Wohnsitzes des Organs führen, den es nach § 899 Abs. 1 ZPO gerade nicht gibt.

Für die Annahme, dass die Schuldnerin vom Wohnort ihres Geschäftsführers aus Geschäfte betreibt, bestehen und bestanden auch in erster Instanz keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte. Auch wenn in dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Euskirchen der belgische Sitz der Schuldnerin nicht angegeben war, sondern lediglich die Anschrift in Euskirchen, gab die in dem Titel und den Vollstreckungsunterlagen genannte Gesellschaftsform "PG GmbH" bzw. "PG mbH", die es im deutschen Recht nicht gibt, Anlass für Zweifel und konnte für die Richtigkeit der Behauptung der Schuldnerin in ihrem Widerspruch sprechen, dass sie ihren Sitz und ihre Geschäftsräume im Ausland habe. Hierauf konnte auch die den Vollstreckungsunterlagen beigefügte Auskunft der Stadt Euskirchen hindeuten, wonach unter der im Rubrum des Versäumnisurteils angegebenen Bezeichnung und Anschrift kein Gewerbebetrieb bzw. Gewerbetreibender zu ermitteln war. Es waren zudem keine Tatsachen vorhanden, die geeignet waren, die Behauptung des Geschäftsführers der Schuldnerin anlässlich des Pfändungsversuchs vom 09.07.2003 zu widerlegen, dass sich in Euskirchen nur seine Privatwohnung befinde. Ferner hatte der Gerichtsvollzieher in dem Vollstreckungsprotokoll vom 17.09.2003 festgestellt, dass unter der Anschrift in Euskirchen keine Vermögenswerte der Gesellschaft vorhanden seien. Alleine der Umstand, dass Zustellungen im Erkenntnisverfahren ohne weiteres möglich waren, besagt entgegen der Meinung der Gläubigers nichts; denn in dem Titel war - ersichtlich basierend auf ihren eigenen Angaben in der Klageschrift - die ihr bekannte Anschrift der Schuldnerin in Eupen selbst nicht angegeben, sondern nur diejenige des Geschäftsführers. Gegen die Annahme, dass die Schuldnerin auch von Euskirchen aus ihre Geschäfte betreibt, spricht im Übrigen, dass auch die Rechnung des Gläubigers, die dem Titel zugrunde liegt, an die Anschrift der Schuldnerin in Eupen gerichtet ist.

2.

Selbst bei unterstellter Zuständigkeit des Amtsgerichts Euskirchen wäre der Widerspruch der Schuldnerin begründet. Die Voraussetzungen des § 807 ZPO liegen ersichtlich nicht vor.

Die Gläubigerin hat weder nachgewiesen, dass Pfändungsversuche ganz oder teilweise erfolglos geblieben sind, noch hat sie glaubhaft gemacht, dass sie durch Pfändung keine vollständige Befriedigung erlangen kann (§ 807 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 ZPO). Bei der Vollstreckung gegen eine Handelsgesellschaft haben grundsätzlich Vollstreckungsversuche an allen dem Gläubiger bekannten Geschäftsorten, jedenfalls am Ort ihrer Hauptniederlassung zu erfolgen (OLG Köln - 2. ZS - Rpfleger 2000, 283; Zöller/Stöber a. a. O. § 807 Rdn. 14; Schuschke/Walker a. a. O. Rdn. 9). Dass sie dies versucht, also am Sitz der Schuldnerin in Eupen einen Vollstreckungsversuch unternommen hat, hat die Gläubigerin nicht dargetan. Alleine der Umstand, dass die Schuldnerin ihren Sitz in einem anderen Mitgliedsland der Europäischen Gemeinschaft hat, rechtfertigt es wegen der ohne weiteres nach der EuGVVO in Belgien eröffneten Vollstreckungsmöglichkeiten nicht, sich für diesen Fall mit einem fruchtlosen Pfändungsversuch am inländischen Wohnort einer ganz anderen Person, nämlich des Geschäftsführers der Schuldnerin zu begnügen. Missbrauchsversuchen eines Gläubigers wäre zudem Tür und Tor geöffnet, wenn er ohne Vollstreckungsversuch bei der juristischen Person selbst oder Glaubhaftmachung der Aussichtslosigkeit einer Pfändung nur aufgrund einer fruchtlosen Pfändung in der Privatwohnung eines Organs eine eidesstattliche Versicherung erwirken könnte.

Die Voraussetzungen des § 807 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen aus den genannten Gründen ebenfalls nicht vor. Bei der Vollstreckung gegen eine juristische Person reicht ohne Vollstreckungsversuch im Geschäftslokal die Verweigerung der Durchsuchung der Wohnung nämlich nicht aus (Zöller/Stöber a. a. O. Rdn. 18a).

3.

Die Voraussetzungen für eine Übertragung der Sache auf den Senat gem. § 568 S. 2 Nr. 1 ZPO, um diesem die Möglichkeit zu eröffnen, ggfls. die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor. Zwar dürfte es sich bei der Frage, ob der in der Literatur teilweise vertretenen Meinung zum Gerichtsstand des "voraussichtlichen Vollstreckungsortes" bei ausländischen juristischen Personen zu folgen ist, um eine solche grundsätzlicher Art handeln. Diese Frage bedurfte indes keiner abschließenden Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück