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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 15.09.2008
Aktenzeichen: 16 W 6/08
Rechtsgebiete: StPO, AVAG


Vorschriften:

StPO § 153 Abs. 2
AVAG § 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der Vorsitzenden der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 28.12.2008 - 3 O 532/07 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die zu vollstreckende Verurteilung aus dem Urteil des Landgerichts Athen vom 29.05.2006 - Urteil Nr. 4084/2006 - lautet:

Es wird die konservative Beschlagnahme des beweglichen und unbeweglichen Vermögens des Antragsgegners, sei es in seinen Händen oder in Händen Dritter, und jeder Forderung des Antragsgegners gegenüber dritten Personen und aller seiner Konten angeordnet, damit der Forderung der Antragstellerin bis zu einer Höhe von 550.000,00 Euro entsprochen werden kann.

Im Übrigen wird das Beschwerdeverfahren gemäß Art. 46 Abs. 1 EuGVVO ausgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin erwirkte in Griechenland gegen den Antragsgegner in einem - streitigen - Verfahren über Sicherungsmaßnahmen ein Urteil des Landgerichts Athen - Einzelrichter - vom 29.05.2006, durch das zur Sicherung einer Forderung der Antragstellerin bis zu einer Höhe von 950.000,00 Euro die konservative Beschlagnahme des beweglichen und unbeweglichen Vermögens des Antragsgegners (sei es in seinen Händen oder in Händen Dritter und jede Forderung des Antragsgegners gegenüber dritten Personen und aller seiner Konten) angeordnet wurde. Das Hauptsacheverfahren ist ebenfalls vor dem Landgericht Athen anhängig. In der Hauptverhandlung vom 24.01.2008 hat die Antragstellerin ihre Forderung von ursprünglich 648.711,00 Euro auf den Betrag von 380.476,00 Euro beschränkt. Der Antragsgegner hat vor dem Gericht der Hauptsache die Aufhebung der vom Einzelrichter des Landgerichts Athen beschlossenen Sicherungsmaßnahmen begehrt und hilfsweise mit Schriftsatz vom 04.02.2008 beantragt, die Sicherungsmaßnahmen auf eine zu sichernde Forderung bis zu 380.476,00 Euro zu beschränken. Wegen des der Anordnung der Sicherungsmaßnahmen zugrundeliegenden Sachverhaltes hatte die Antragstellerin gegen den Antragsgegner in Deutschland Strafanzeige erstattet, aufgrund derer gegen den Antragsgegner Anklage erhoben und ein Strafverfahren eröffnet worden war. Das Verfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 31.05.2007 (617 Ls 8/06) nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt; ebenfalls unter dem 31.05.2005 wurde die zuvor erfolgte Anordnung des dinglichen Arrestes in Höhe von 648.711,00 Euro aufgehoben.

Auf Antrag der Gläubigerin hat die Vorsitzende der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln durch Beschluss vom 28.12.2007 das Urteil des Einzelrichters des Landgerichts Athen vom 29.05.2006 für vollstreckbar erklärt.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner fristgerecht Beschwerde eingelegt und beantragt,

- unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückzuweisen,

hilfsweise, die Erteilung der Vollstreckungsklausel aufzuheben und die Zwangsvollstreckung aus dem Titel des Landgerichts Athen vom 29.05.2006 nicht zuzulassen, soweit sie den Betrag von 380.476,00 Euro übersteigt,

- das Verfahren bis zur Entscheidung über das von ihm im Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Athen eingelegten Rechtsmittel auszusetzen,

- hilfsweise, die Zwangsvollstreckung von der Leistung einer Sicherheit abhängig zu machen.

Wegen der weiteren von dem Antragsgegner gestellten Anträge wird auf die Beschwerdeschrift (Bl. 20, 21 d. A.) verwiesen.

Der Antragsgegner trägt vor:

Es läge kein in Deutschland vollstreckbarer Titel vor, da es sich bei der ausländischen Entscheidung lediglich um ein Arresturteil handele. Zudem sei der Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung nicht hinreichend konkretisiert. Die Antragstellerin verfolge im Übrigen eine sittenwidrige Schädigung des Antragsgegners. Sie betreibe - unstreitig - die Sicherungsvollstreckung wegen einer Forderung bis zu einer Höhe von 931.575,32 Euro, obwohl sie im Hauptsacheverfahren ihren angeblichen Schaden nur noch mit 380.476,00 Euro beziffert habe. Es seien zahlreiche gerichtliche Zahlungsverbote seitens der Antragstellerin erwirkt worden, die zu einer Übersicherung geführt hätten. Des Weiteren sei er - der Antragsgegner - zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen worden. Zuzüglich Zinsen, Gerichts- und Vollstreckungskosten errechne sich eine zu sichernde Forderung der Antragstellerin von nicht mehr als 480.814,36 Euro, wie die Berechnung seines griechischen Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt C. vom 06.05.2008 (Anlage 3 zum Schriftsatz vom 03.06.2008) ergebe. Durch die Beschlagnahme würden ihm, dem Antragsgegner, unwiedereinbringliche Nachteile entstehen, zumal er keine Möglichkeit habe, sich an der Antragstellerin, die ihren Sitz in M. habe, schadlos zu halten, falls die Beschlagnahme zu Unrecht erfolgt sei.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie ist der Auffassung, dass die Reduzierung der Hauptforderung für das vorliegende Verfahren keinerlei Auswirkungen habe. Die Berechnung der Gerichtskosten seitens des Antragsgegners sei viel zu niedrig angesetzt und beliefe sich auf ein Vielfaches des von dem Antragsgegner in Ansatz gebrachten Betrages von 8.000,00 Euro.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der von ihnen gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (Art. 43 EuGVVO, § 11 AVAG) und hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Es handelt sich vorliegend bei dem griechischen Titel um eine anerkennungsfähige Entscheidung im Sinne von Art. 32 EuGVVO, da sie in einem konktradiktorischen Verfahren von einem Gericht, bei dem auch die Hauptsache anhängig ist, erlassen wurde (vgl. BGH WM 2007, 220; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 32 Rz. 34). Die formellen Voraussetzungen einer Vollstreckbarerklärung gemäß Art. 38 ff., 53 f. EuGVVO sind erfüllt. Die Antragstellerin hat eine nach Art. 53 EuGVVO erforderliche Ausfertigung der ausländischen Entscheidung sowie eine Bescheinigung nach Art. 54 EuGVVO vorgelegt, die die Vollstreckbarkeit der Entscheidung bestätigt. Der Tenor des ausländischen Urteils ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners hinreichend bestimmt und bedarf im Vollstreckbarkeitsverfahren keiner weiteren Konkretisierung.

Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch im Sinne von § 12 Abs. 1 AVAG hat der Antragsgegner nicht dargetan. Soweit er sich gegen die Art und Weise der von der Antragstellerin betriebenen Sicherungsvollstreckung wendet, insbesondere eine Überpfändung behauptet, handelt es sich um vollstreckungsrechtliche Einwendungen (§ 766 ZPO), über die das Vollstreckungsgericht zu entscheiden hat und mit denen er im vorliegenden Verfahren ausgeschlossen ist.

Es liegen aber die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens gemäß Art. 46 Abs. 1 EuGVVO vor, soweit die Sicherungsvollstreckung wegen einer Forderung

von mehr als 550.000,00 Euro betrieben wird. Der Antragsgegner hat einen im Sinne der genannten Vorschrift ordentlichen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des Einzelrichters des Landgerichts Athen vom 29.05.2006 eingelegt, indem er im Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Athen die Aufhebung der Sicherungsmaßnahmen beantragt hat (Art. 682 Abs. 2, 684, 697 der griechischen Zivilprozessordnung). Die Erfolgsaussicht dieses Rechtsbehelfs ist zu bejahen, soweit die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren die geltend gemachte Forderung auf 380.476,00 Euro reduziert hat. Unter Berücksichtigung von Verzugszinsen (seit dem Tag der Zustellung der Klage an den Antragsgegner) sowie des teilweise streitigen Vorbringens der Parteien zur Höhe von Gerichts- und Vollstreckungskosten hält der Senat im Wege einer Schätzung (§ 287 Abs. 2 ZPO) eine noch zu sichernde Forderung von 550.000,00 € für angemessen, um sowohl dem Interesse der Antragstellerin an einer hinreichenden Sicherung wie auch dem Schutz des Antragsgegners gegen eine Übersicherung Rechnung zu tragen. Soweit die Antragstellerin darüber hinaus die Zwangsvollstreckung betreibt, war das Verfahren bis zur Entscheidung des Landgerichts Athen in der Hauptsache auszusetzen.

Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nicht vor. Wegen des Verbots der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung in der Sache kann ein Aussetzungsantrag nur auf solche Gründe gestützt werden, die der Schuldner vor dem Gericht des Ursprungsstaates noch nicht geltend machen konnte (BGH NJW 1994, 2156; OLG Köln InVo 2005, 250). Solche Einwendungen können dem Vortrag des Antragsgegners nicht entnommen werden. Allein die Tatsache, dass das gegen ihn eröffnete Strafverfahren mittlerweile wegen geringer Schuld gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, vermag eine hinreichende Erfolgsaussicht des beim Landgericht Athen eingelegten Rechtsbehelfs nicht zu begründen.

Soweit die Zwangsvollstreckung zur Sicherung einer Forderung bis zu 550.000,00 Euro zugelassen worden ist, kommt auch die Anordnung einer Sicherheitsleistung gemäß Art. 46 Abs. 3 EuGVVO nicht in Betracht. Zwar steht dem Gericht bei der Entscheidung über eine etwaige Sicherheitsleistung ein weites Ermessen zu, weil dem ausländischen Titel die Vollstreckbarkeit im Inland nicht vorrübegehend genommen, sondern die Durchsetzung des Anspruchs lediglich von einer zusätzlichen Voraussetzung abhängig gemacht wird. Hier ist die Erfolgsaussicht nicht der einzige Maßstab; vielmehr sind alle Umstände des Falles zu berücksichtigen (BGH NJW 1994, 2156 f.). Vorliegend darf die Zwangsvollstreckung aber bereits nach dem Vollstreckungstitel nicht über Maßnahmen der Sicherung durch Beschlagnahme des beweglichen und unbeweglichen Vermögens des Antragsgegners hinausgehen, so dass es im vorliegenden Verfahren der Anordnung einer Sicherheitsleistung zwecks Verhinderung vollendeter Tatsachen zu Lasten des Antragsgegners bis zur Entscheidung des beim Landgericht Athen rechtshängigen Hauptsacheverfahrens nicht bedarf.

Ende der Entscheidung

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