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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 20.09.2002
Aktenzeichen: 16 WX 31/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 25 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 WX 31/02

In dem Wohnungseigentumsverfahren

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Appel-Hamm

am 20.09.2002

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde, soweit sie die Entscheidung über die Ablehnungsgesuche betreffend den Vizepräsidenten des Landgerichts M. und die Richterin am Landgericht Dr. P. zum Gegenstand haben, werden zurückgewiesen.

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin werden die Beschlüsse der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 18.12.2001 - 8 T 135/01 - sowie des Amtsgerichts Bonn vom 14.02.2001 - 28 II 177/99 WEG - aufgehoben, soweit sie in der Sache ergangen sind (Verwirkung des Anfechtungsrechts). Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Beschwerdeverfahren - an das Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache insoweit Erfolg, als die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist (§§ 27 FGG, 546 ZPO).

Das gegen den Vizepräsidenten des Landgerichts M. und gegen die Richterin am Landgericht Dr. P. gerichtete Befangenheitsgesuch ist nicht gerechtfertigt. Die Entscheidungen beider Vorinstanzen sind jedoch in der Sache nicht ohne Rechtsfehler.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin - wie das Landgericht gemeint hat - rechtsmissbräuchlich und deshalb unzulässig ist. Jedenfalls liegen - soweit hinreichend individualisiert - keine Gründe vor, die bei vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt der Ablehnenden aus, die Befürchtung erwecken können, die abgelehnten Richter stünden der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber.

Soweit die Antragstellerin die amtsgerichtliche Verfahrensweise rügt, ist - wie auch bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht erkennbar, inwieweit hierdurch eine Befangenheitsbesorgnis gegenüber den abgelehnten Richtern des Beschwerdegerichts begründet sein kann.

Das Ablehnungsgesuch kann auch nicht mit Erfolg auf die Verfahrensweise des Beschwerdegerichts im Verfahren 8 T 292/99 gestützt werden. In diesem Zusammenhang rügt die Antragstellerin die getrennte Terminierung und Entscheidung in den Verfahren 8 T 292/99 (28 II 187/98 AG Bonn), 8 T 140/00 (28 II 2/97 AG Bonn), 8 T 153/00 (28 II 192/97 AG Bonn), 8 T 154/00 (28 II 26/99 AG Bonn) und 8 T 135/01 (28 II 177/99 AG Bonn) sowie die "konsequente Hintanstellung" des Verfahrens 28 II 15/96 AG Bonn und beanstandet des weiteren, dass das Landgericht den besonderen Zusammenhang des Verfahrens 8 T 292/99 mit dem Verfahren 8 T 135/01 nicht beachtet habe. Die Antragstellerin übersieht hierbei, dass der Vorsitzende des Beschwerdegerichts die Verfahren 8 T 140/00, 8 T 153/00 und 8 T 154/00 auf den selben Tag (06.12.2001) terminiert hat und das älteste Verfahren 28 II 15/96 AG Bonn beim Landgericht überhaupt noch nicht anhängig ist. Dass die Verfahren 8 T 292/99 und 8 T 135/01 getrennt und zudem mit den zuvor genannten Verfahren nicht gemeinsam terminiert worden sind, betrifft eine richterliche Ermessensentscheidung im Rahmen der Prozessleitung, die - aus Sicht einer vernünftigen Partei - weder auf eine unsachliche Einstellung der abgelehnten Richter gegenüber der Antragstellerin schließen lässt noch willkürlich erscheint. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der im Verfahren 28 II 187/98 AG Bonn (8 T 292/99 LG Bonn) von den dortigen Antragstellern am 18.09.1999 beantragten einstweiligen Anordnung, mit der der Verwalterin die Durchführung der Wohnungseigentümerversammlung vom 22.09.1999 untersagt werden sollte, deren Beschlussfassung Gegenstand des Verfahrens 28 II 177/99 AG Bonn (8 T 135/01 LG Bonn) ist. Nachdem die Eigentümerversammlung vom 22.09.1999 stattgefunden hatte, bevor die Antragsteller sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 25.10.1999 - 28 II 187/98 - eingelegt hatten, ist nicht erkennbar, dass die abgelehnten Richter "die Tatsache des EA - Antrages vom 18.09.99 kurzerhand ausgeblendet haben" sollen. Der Antrag war im Zeitpunkt der Einlegung der sofortigen Beschwerde durch Zeitablauf bereits erledigt und nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Soweit die Antragstellerin die richterliche Würdigung des im Termin vom 02.10.2001 - 8 T 292/99 LG Bonn - vorgelegten Verwaltervertrages mit Datum vom 18.09.1998 beanstandet und darauf hinweist, dass unter Berücksichtigung des Schriftsatzes der Rechtsanwälte S. pp. vom 28.05.2001 (28 II 129/00 AG Bonn) diese Vereinbarung von der Verwalterin rückdatiert worden sein müsse, die Vereinbarung aber dennoch von den abgelehnten Richtern "kurzerhand als am Tage seines Datums gefertigt" behandelt worden sei, so wird hiermit die Entscheidung in der Sache kritisiert, die Gegenstand der eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde gewesen ist. Fehlerhafte Entscheidungen sind grundsätzlich kein Ablehnungsgrund. Entscheidungen in der Sache unterfallen der grundgesetzlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit und sind im Wege eines Befangenheitsgesuchs nicht überprüfbar. Dies gilt auch bezüglich weiterer Rügen der Antragstellerin, die die Sachentscheidung des Beschwerdegerichts betreffen. Anhaltspunkte dafür, dass eine mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung der abgelehnten Richter gegenüber der Antragstellerin oder auf Willkür beruht, liegen nicht vor.

Eine Befangenheit der abgelehnten Richter ergibt sich schließlich auch nicht aus der Beanstandung der Antragstellerin, dass ihr im Verfahren 8 T 154/00 (28 II 26/99 AG Bonn) erstmals mit Terminsverfügung vom 04.10.2001 Doppel der Schriftsätze der Rechtsanwälte S. pp. vom 22. und 31.01.2001 zugeleitet worden sind. Ihrem weiteren Vorbringen ist nicht zu entnehmen, wieso durch die verspätete Zuleitung dieser Schriftsätze Zweifel an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richter gerechtfertigt sein könnten; es fehlen auch insoweit objektive Anhaltspunkte, die aus Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei hierzu Anlass geben.

Wenn auch keinerlei Zweifel an der Unparteilichkeit der abgelehnten Richter bestehen, so ist die Beschwerdeentscheidung - wie auch die Entscheidung des Amtsgerichts - in der Sache jedoch nicht ohne Rechtsfehler.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hat die Antragstellerin ihr Anfechtungsrecht nicht verwirkt.

Zwar ist das Anfechtungsrecht des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG gesetzlicher Ausdruck des schutzwürdigen Interesses der Wohnungseigentümer an alsbaldiger Klarheit über den Bestand der von ihnen gefassten Beschlüsse, so dass der anfechtende Wohnungseigentümer verpflichtet ist, nach fristgerechter Anfechtung auch die ihm obliegenden Handlungen, die zur Zustellung der Antragsschrift erforderlich sind, vorzunehmen. Der Antragstellerin kann vorliegend jedoch nicht angelastet werden, dass die Antragsgegner von der Anfechtung der in der Eigentümerversammlung vom 22.09.1999 gefassten Beschlüsse erst im Oktober 2001 Kenntnis erlangt haben. Die Antragsschrift datiert vom 19.10.1999 und genügt den Anforderungen des auch im Wohnungseigentumsverfahren geltenden § 253 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO a. F. Das Amtsgericht hätte sie deshalb den Antragsgegnern im Hinblick auf deren schutzwürdiges Interesse an baldiger Klarheit über den Stand der von ihnen gefassten Beschlüsse unverzüglich zustellen müssen. Es durfte die Zustellung weder von der Zahlung eines - hier bereits am 23.11.1999 bei Gericht angegangenen - Kostenvorschusses abhängig machen (vgl. Beschluss Senat vom 02.02.2001 - 16 WX 183/00) noch von der Erfüllung gerichtlicher Auflagen zur Beibringung von Unterlagen. Die Frage, ob die Antragstellerin zur Begründung ihres Antrages auf Ungültigerklärung der Eigentümerbeschlüsse ausreichend vorgetragen hat, ist allein eine Frage der sachlichen Begründetheit des gestellten Antrages und für das Erfordernis der unverzüglichen Zustellung der Antragsschrift ohne jede Bedeutung.

Die Antragsabweisung durch das Amtsgericht ist aber auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Antragstellerin ihren Anfechtungsantrag nicht begründet und die gerichtlichen Auflagen nicht erfüllt hat.

Auch wenn im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach den §§ 43 Abs. 1 WEG, 12 FGG der Grundsatz der Amtsermittlung gilt, d. h. das Gericht eine Überprüfung der angefochtenen Eigentümerbeschlüsse von Amts wegen vorzunehmen hat, so trifft die Antragstellerin eine gewisse Darlegungslast. Ihr obliegt es darzulegen, inwiefern und aus welchen Gründen sie die Eigentümerbeschlüsse in ihrem Zustandekommen oder ihrem Inhalt nach beanstandet (vgl. Beschluss des Senates vom 18.01.2002 - 16 WX 187/01; BayObLGZ 1999, 177 ff.). Eine Begründung des Anfechtungsantrages schreibt das Gesetz allerdings nicht vor. Unterbleibt eine solche, so hat das Gericht aufgrund der geltenden Amtsermittlungspflicht eine Überprüfung von Amts wegen vorzunehmen, wobei sich die Amtsermittlungspflicht aber im Hinblick auf die bestehenden Mitwirkungspflichten der Beteiligten abschwächt; sie hat sich nicht auf die für den Antragsteller günstigen Tatsachen zu erstrecken, sofern angenommen werden kann, dass diese im Falle einer Begründung von ihm vorgetragen worden wären (vgl. BayObLG a. a. O.).

Vorliegend hat die Antragstellerin bereits in der Antragsschrift darauf hingewiesen, dass sie zur Vorbereitung einer detaillierten Antragsbegründung die der Einladung zur Eigentümerversammlung vom 22.09.1999 zugrundeliegende Eigentümerliste sowie die Anwesenheitsliste der Versammlung selbst benötige und hat das Gericht darum gebeten, der Verwalterin aufzugeben, diese Unterlagen vorzulegen. Das Amtsgericht hat ihr daraufhin mitgeteilt, dass der Verwalterin Auflagen erst mit Zustellung der Antragsschrift gemacht werden könnten, die dann allerdings verfahrensfehlerhaft unterblieben ist. Die Zustellung der Antragsschrift ist sodann seitens des Landgerichts mit der Ladung zum Termin vom 15.11.2001 veranlasst worden, ohne dass der Verwalterin die Vorlage der Unterlagen aufzugeben worden ist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin erneut darauf hingewiesen, dass die Anwesenheitsliste benötigt werde "um in der richtigen Reihenfolge zunächst die formelle Korrektheit der Beschlüsse und anschließend daran die sachlich Korrektheit überprüfen zu können"; die vom Amtsgericht, angeforderten Unterlagen hätten mit der Antragsbegründung vorgelegt werden sollen.

Bereits das Amtsgericht, spätestens aber das Landgericht hätte aufgrund der geltenden Amtsermittlungspflicht die genannten Listen von der Verwalterin anfordern und durch Weiterleitung an die Antragstellerin dieser die erbetene Möglichkeit einräumen müssen, die angefochtenen Beschlüsse zunächst daraufhin zu überprüfen, ob sie formell wirksam zustande gekommen sind. Dies gilt unabhängig davon, ob die Antragstellerin selbst von der Verwalterin die Übergabe der Listen verlangen kann. Im Hinblick auf die einmonatige Anfechtungsfrist bis § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG kann die Antragstellerin nicht darauf verwiesen werden, mit der Anfechtung der Beschlüsse solange zu warten, bis ihr die Überprüfung der formellen Wirksamkeit anhand der von der Verwalterin zu beschaffenden Listen ermöglicht wird. Sie liefe dann unter Umständen Gefahr, die Anfechtungsfrist zu versäumen. Ohne gerichtliche Anforderung der von der Antragstellerin erbetenen Listen und ohne weitere Einräumung einer Frist zur Begründung des Antrages ab Erhalt der Listen durfte der Anfechtungsantrag nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, es fehle an einer nachvollziehbaren Begründung der Anfechtung, nachdem eine solche gerade für den Fall der Übermittlung der angeforderten Unterlagen in Aussicht gestellt worden war. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass das Amtsgericht der Antragstellerin entsprechende Auflagen an die Verwalterin mit Zustellung der Antragsschrift in Aussicht gestellt hatte, die Zustellung dann aber seitens des Beschwerdegerichts ohne entsprechende Auflagen und diesbezüglichen Hinweises an die Antragstellerin erfolgt ist.

Da bisher weder vom Amtsgericht noch vom Landgericht in eine Sachprüfung der angefochtenen Eigentümerbeschlüsse eingetreten wurde, hält der Senat es geboten, die Sache unter Aufhebung der Entscheidungen an das Amtsgericht zurückzuweisen. Dieses wird auch über die Kosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 149 ZPO bis zum Abschluss des gegen den ehemaligen Präsidenten des Landgerichts Bonn Dr. G. sowie die Richter am Landgericht V. und X. gerichteten Ermittlungsverfahrens 63 Js 70/02 StA Bonn kommt nicht in Betracht, da dem Vorbringen der Antragstellerin weder zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht einer strafbaren Handlung der genannten Richter entnommen werden kann noch ersichtlich ist, dass das Ermittlungsverfahren - falls es noch nicht abgeschlossen sein sollte - auf die Entscheidung im vorliegenden Verfahren von Einfluss ist.

Geschäftswert der Rechtsbeschwerde: 16.566,00 € (32.400,00 DM)

Ende der Entscheidung

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