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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 28.02.2001
Aktenzeichen: 16 Wx 10/01
Rechtsgebiete: FGG, BGB, WEG


Vorschriften:

FGG § 27
FGG § 29
FGG § 12
BGB § 675
BGB § 666
BGB § 269
BGB § 242
BGB § 226
WEG § 48
WEG § 47
WEG § 28 Abs. 3
WEG § 45 Abs. 1
WEG § 43 Abs. 4 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 10/01 2 T 126/00 LG Aachen 12 UR II 119/00 AG Aachen

In dem Wohnungseigentumsverfahren

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Dr.Ahn-Roth und Appel-Hamm

am 28.Februar 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegners wird der Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 11.12.2000 - 2 T 126/00 aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des weiteren Beschwerdeverfahrens - an das Landgericht Aachen zurückverwiesen.

Geschäftswert der Rechtsbeschwerde: 1.800,- DM

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1), als Miteigentümerin an der bezeichneten Wohnanlage, begehrt von dem Beteiligten zu 2), dem in B. ansässigen Verwalter, Einsicht in die Verwaltungsunterlagen des Jahres 1999 am Ort der Wohnanlage in A.. Der Beteiligte zu 2) hat dies unter Hinweis auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in seinem Büro in R./ OberB. verweigert. Diese Möglichkeit wird von der Antragstellerin als unzumutbar - in Anbetracht einer Anreise von 700 km - abgelehnt. Am 22.7.2000 fand eine Eigentümerversammlung u.a. zur Abstimmung über die Jahresabrechnung 1999 in einem Hotel in A. statt, an der der Ehemann der Beteiligten zu 1) als deren Vertreter teilgenommen hat, und bei der sämtliche Unterlagen vorlagen. Eine Einsichtnahme durch die Antragstellerin ist nicht erfolgt.

Amtsgericht und Landgericht haben der Antragstellerin Recht gegeben und ihr Einsichtsrecht am Ort der Wohnanlage bejaht. Mit seinem Rechtsmittel verfolgt der Antragsgegner weiterhin seinen ursprünglichen Antrag auf Abweisung des Einsichtsgesuchs.

II.

Die in förmlicher Hinsicht gem. §§ 45 Abs.1 WEG, 27, 29 FGG nicht zu beanstandende sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache insofern Erfolg, als die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen ist. Denn die landgerichtliche Entscheidung ist nicht frei von Verfahrens- und Rechtsfehlern. Die übrigen Wohnungseigentümer hätten nämlich an dem Verfahren beteiligt werden müssen, § 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG, da kein Ausnahmetatbestand vorliegt. Ferner hat das Landgericht in der Sache nicht berücksichtigt, dass der Antragstellerin ein Einsichtsrecht außerhalb der Eigentümerversammlung nur zusteht, wenn sie hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis darlegt. Dies ist von Amts wegen auch durch Anhörung der Beteiligten aufzuklären, § 12 FGG.

1.

Die übrigen Wohnungseigentümer waren gemäß der Regelung des § 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG am Verfahren zu beteiligen. Gegen diese Verpflichtung hat das Landgericht - ebenso wie das Amtsgericht - verstoßen. Einer der Ausnahmefälle, in denen eine Beteiligung der übrigen Wohnungseigentümer nicht erforderlich ist, liegt hier nicht vor. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen am Ort der Wohnanlage betrifft auch die rechtlichen Interessen aller übrigen Wohnungseigentümer, da sie bei einer Einsichtnahme in Unterlagen außerhalb des Verwaltungssitzes mit dadurch anfallenden Kosten - als Kosten der Verwaltung - u.U. belastet werden können. Ferner ist eine Entscheidung auch für die übrigen Eigentümer von Bedeutung, wenn in dieser grundsätzlich Umfang und Grenzen des Einsichtsrechts festlegt werden. Aus diesem Grunde ist zur Gewährung rechtlichen Gehörs und eventuellen weiteren Sachaufklärung die Beteiligung aller Wohnungseigentümer erforderlich (ebenso OLG Hamm, NZM 98, 722, 723; KG, NZM 00, 828). Dieser Verfahrensfehler führt zwingend zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache, §§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG, 550, 551 Nr. 5 ZPO.

2.

Auch in der Sachentscheidung kann der Senat dem Erstbeschwerdegericht nicht in vollem Umfang beitreten.

Es entspricht allerdings ständiger Rechtsprechung des Senats, dass der einzelne Wohnungseigentümer Einsicht in sämtliche Abrechnungsunterlagen der Verwaltung, die Gegenstand der Beschlußfassung über die Jahresabrechnung sind, nehmen kann, da er nur auf diese Weise sein Kontrollrecht gegenüber dem Verwalter ausüben kann ( Beschluß des Senats v. 4.6.1997 - 16 Wx 87/ 97 = OLGR 97,245; Senat v. 18.8.1999 - 16 Wx 95/99 - ; ebenso beispielsweise BayObLG, WE 1989, 146; OLG Hamm, NZM 98,722; KG, NZM 00,828 je m.w.N.). Die Verpflichtung des Verwalters zur Einsichtsgewährung beruht auf § 28 Abs. 3 WEG, §§ 675, 666 BGB. Von diesem Grundsatz, der auch von den Beteiligten nicht in Frage gestellt wird, sind zu Recht auch die Vorinstanzen ausgegangen. In der hier strittigen Frage des Leistungsortes für diese Verpflichtung der Verwaltung teilt der Senat die Ansicht der herrschenden Meinung, dass die Einsichtnahme grundsätzlich am Ort des Verwaltungssitzes geschuldet wird, § 269 BGB ( so beispielsweise OLG Karlsruhe, MDR 76,758; BayObLG aaO.; OLG Hamm, NZM 98, 723; Staudinger/Bub, 12. Aufl., § 28 WEG, Rz. 76 ). Hiervon muß allerdings in Einzelfällen abgewichen werden. Eine Ausnahme kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Sitz des Verwalters und der Ort der Wohnanlage nicht identisch sind, wie es hier der Fall ist. In diesem Fall sind für die verschiedenen Verpflichtungen des Verwalters u.U. verschiedene Leistungsorte anzunehmen. Grundsätzlich ist nämlich der Leistungsort für jede einzelne Verpflichtung des Schuldners gesondert zu bestimmen ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 59.Aufl., § 269 Rz.7 ). Die in diesem Zusammenhang von der herrschenden Meinung entwickelte Regel, wonach Nebenpflichten im Zweifel am Ort der Hauptverpflichtung zu erfüllen sind ( vgl. Palandt/Heinrichs,aaO. m.w.N. ), kann für die Auskunftspflicht des Verwalters jedenfalls nicht ohne weiteres gelten, wenn die in Betracht kommenden Örtlichkeiten so weit entfernt sind wie im vorliegenden Fall ( 700 km ). Vielmehr folgt in diesem Fall aus der Natur des Schuldverhältnisses, insbesondere den Pflichten des Verwalters, dass die Einsichtnahme auch am Ort der Wohnanlage zu gestatten ist. Andernfalls wäre das Prüfungrecht der Wohnungseigentümer wegen der großen Entfernung zwischen den beiden Orten wesentlich beeinträchtigt ( vgl. OLG Karlsruhe, NJW 69,1968; im Ansatz OLG Hamm, NZM 98, 722; Staudinger/Bub, aaO., Rz. 76; Bärmann/Pick,WEG, 8.Aufl., § 28, Rz. 91 ). Insoweit sind auch die Entscheidungen der Vorinstanzen vom Grundsatz her nicht zu beanstanden. Das Einsichtsrecht der Wohnungseigentümer am Ort der Wohnanlage ist allerdings - abgesehen von den Fällen eines Verstosses gegen die Grundsätze von Treu und Glauben und das Schikaneverbot, §§ 242, 226 BGB - in Hinblick auf die berechtigen Belange des Verwalters sowie im Interesse der übrigen Wohnungseigentümer auf Eindämmung der Verwaltungskosten einzuschränken. Dass ein Recht auf Einsicht in die Abrechnungsunterlagen anläßlich der Eigentümerversammlung, die in der Regel am Ort der Wohnanlage stattfindet, besteht und dass dieses beinhaltet, dass den Eigentümern bereits vor, ggfs. auch während und nach der Versammlung die Möglichkeit eingeräumt werden muß, die Abrechnungsunterlagen einschließlich der Einzelabrechnungen ungestört und in ausreichender Zeit einzusehen und zu prüfen, hat der Senat bereits mehrfach entschieden ( vgl. Beschluß v. 18.8.1999 - 16 Wx 95/99 -; Senat v. 24.9.1997, WE 97,232; v. 4.6.1997 - 16 Wx 87/97 -, = OLGR 97,245 ). Somit haben die Wohnungseigentümer, die nicht am Sitz der Verwaltung wohnen, am Tag der Wohnungseigentümerversammlung ohne weiteres die Möglichkeit, die sie interessierenden Unterlagen einzusehen. Hierzu bedarf es zwar nicht einer ausdrücklichen Aufforderung des Verwalters zur Einsicht, jedoch eines Hinweises auf das Vorhandensein und die Einsichtsmöglichkeit (vgl. Senat v. 4.6.1997, OLGR 97,249 ). Nimmt der Wohnungseigentümer die anläßlich der Versammlung mögliche Einsicht in die Abrechnungsunterlagen nicht wahr, so bedarf er für sein individuelles Einsichtsverlangen am Ort der Wohnanlage außerhalb des Versammlungstages eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses. Anders als bei dem Einsichtsverlangen am Ort der Verwaltung, das jederzeit und ohne besonderes Rechtsschutzbedürfnis lediglich unter Berücksichtigung des Bürobetriebes durchgesetzt werden kann ( vgl. z.B. BayObLG NZM 00, 874; KG, NZM 00,828 ), hat nach Ansicht des Senats in diesem abweichenden Fall der Wohnungseigentümer darzutun, warum er außerhalb der Wohnungseigentümerversammlung am Ort der Wohnanlage Einsicht nehmen möchte. Als berechtigte Belange können beispielsweise Krankheit oder eine sonstige Verhinderung an der Versammlung angesehen werden, aber auch erst nach der Versammlung bekannt gewordene, beachtliche Umstände, die Anlaß zur Überprüfung der Abrechnungsunterlagen und eventuell zur Beschlußanfechtung geben könnten.

Unter Beachtung dieser Grundsätze wird das Landgericht in einer nachzuholenden mündlichen Verhandlung den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme geben und die weiteren Umstände aufklären müssen. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Ehemann als Vertreter der Antragstellerin an der Eigentümerversammlung vom 22.7.2000 teilgenommen hat, ohne die Abrechnungsbelege einzusehen, obwohl zeitgleich die Antragstellerin hierum gebeten hatte (Schr. v. 14.6.2000 ). Zwar hat der Antraggsgegner nicht vorab einen Hinweis auf die Möglichkeit der Einsichtnahme gegeben, wie es nach der erwähnten Rechtsprechung des Senats erforderlich wäre, jedoch könnte ausnahmsweise eine solche Hinweispflicht entbehrlich sein, wenn die gesamten Akten erkennbar für alle Teilnehmer vorlagen und es dem Vertreter der Antragstellerin ohne besonderen Aufwand möglich gewesen wäre, zumindest nach Schluß der Versammlung - am Nachmittag - um Einsichtnahme nachzufragen. Damit zusammenhängend ist der Antragstellerin Gelegenheit zur Darlegung ihres Rechtsschutzbedürfnisses zu geben, warum sie in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Eigentümerversammlung gleichwohl unabhängig von dieser Auskunft durch Einsicht verlangt hat.

Das Landgericht wird auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde gem. § 47 WEG zu entscheiden haben.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 WEG und entspricht der nicht angefochtenen Festsetzung durch die Vorinstanzen.

Ende der Entscheidung

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