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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 13.03.2006
Aktenzeichen: 16 Wx 10/06
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 10/06

In der Wohnungseigentumssache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Jennissen, Dr. Ahn-Roth und Appel-Hamm

am 13.03.2006

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 08.12.2005 - 2 T 148/05 - wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerinnen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Geschäftswert der Rechtsbeschwerde: 6.000,00 €

Gründe:

I.

Die Verfahrensbeteiligten gehören der Wohnungseigentümergemeinschaft N-Straße 25, xxxxx B, an. Die Antragstellerin zu Ziff. 1 ist Sondereigentümerin der Einheiten 3 und 4, die Antragstellerin zu Ziff. 2 ist Sondereigentümerin der Einheit 5. Die Einheit 2 (inzwischen Wohneinheit) sowie die Druckerei Nr. 9 stehen im Sonder- bzw. Teileigentum des Antragsgegners. Die Beteiligten streiten über durch den Antragsgegner schon begonnene, bisher noch nicht vollendete Bauarbeiten zum Anschluss seines Sondereigentums an das Fernwärmenetz der Stadtwerke B.

Die Teilungserklärung vom 04.11.1996 sieht unter " Gemeinschaftseigentum" - § 5 - vor, dass die im "Heizraum" des Kellergeschosses befindliche Heizungsanlage mit Öltank der Versorgung der Einheiten Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 9 (Druckerei) dient. Die anderen Sondereigentümer (Wohnungen 1, 3, 5-8) haben eine eigene Heizungsanlage in ihrem Sondereigentum. Weiter bestimmt die Teilungserklärung: "Sollte der Eigentümer der Druckerei den Betrieb der Heizung (z.B. wegen Überalterung der Heizungsanlage, Anschluss an die Fernwärme oder aus Kostengründen) nicht mehr fortführen, so sind der jeweilige Eigentümer der Gewerbeeinheit 2 und der Wohnung 4 berechtigt, die Heizungsanlage auf eigene Kosten weiter zu betreiben und berechtigt, andere Wohnungen auf deren Kosten anschließen zu lassen; eine Gegenleistung für das Recht des Anschließens ist nicht zu zahlen.

Sollte der jeweilige Eigentümer der Druckerei den Betrieb der Heizung nicht mehr fortführen, so hat er das Recht, im Heizraum selbst eine neue Heizungsanlage auf seine Kosten zu installieren und die Druckerei an diese Heizungsanlage anzuschließen und die Gewerbeeinheit 2 oder die Wohnung 4, sofern Frau N T noch Eigentümer der Wohnung 4 ist auf deren Kosten anschließen zu lassen; eine Gegenleistung für das Recht des Anschließens ist nicht zu zahlen."

Der Antragsgegner möchte die Versorgung der in seinem Eigentum stehenden Einheiten auf Fernwärme umstellen, da der weitere Betrieb der Ölheizung emissionsrechtlich nicht mehr zulässig ist. Im Zuge dieser Umstellung hat er ohne Verständigung mit den übrigen Miteigentümern u. a. im Kellerraum Rohre verlegen lassen sowie mit dem Bau einer Stichleitung von der Straße ins Haus begonnen; diese soll nach seiner Vorstellung von der Straße unmittelbar unter den Hauseingang durch den Keller des Vorderhauses in den Heizungskeller geführt werden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 31.05.2005 Bezug genommen. Die Antragstellerinnen, die grundsätzlich mit einem Anschluss an das Fernwärmenetz einverstanden sind, wenden sich indes gegen die Verlegung der neuen Rohre und dem damit verbundenen Mauerdurchbruch sowie gegen die vom Antragsgegner geplante Wegführung der Fernwärmezuleitung; die Fernwärmezuleitung soll ihrer Ansicht nach unter der Hofzufahrt seitlich des Hauses und weiter unter dem Hinterhof verlegt werden. Deshalb haben sie beantragt, dem Antragsgegner die Durchführung baulicher Veränderungen in den Kellerräumen zu untersagen sowie ihn zur Beseitigung der bereits gelegten Rohre und der geschaffenen Mauerdurchbrüche und Öffnungen zu verpflichten. Der Antragsgegner widersetzt sich diesem Antrag.

Die Entscheidung des Amtsgericht, die die Anträge abgewiesen hat, ist von den Antragstellerinnen angefochten worden. Das Landgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Mit ihrem Rechtsmittel verfolgen die Antragstellerinnen ihren ursprünglichen Antrag weiter.

II.

Die nach §§ 45 Abs. 1 WEG, 22, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Die Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 FGG, 546 ZPO).

Antrag zu 1.

Den Antragstellerinnen steht kein Anspruch auf Untersagung baulicher Veränderungen zu, die im Zusammenhang mit der Umstellung der Heizung auf Fernwärmeversorgung erforderlich sind. Denn der Antragsgegner ist aufgrund § 5 Abs. 3 der Teilungserklärung befugt, sein Sondereigentum auf dem von ihm gewählten Weg an das Fernwärmenetz anzuschließen und die dazu erforderlichen Baumaßnahmen durchzuführen.

Hierbei ist durch Auslegung des § 5 Abs. 3 der Teilungserklärung vom 04.11.1996 zu ermitteln, was dem Antragsgegner als Eigentümer der Einheit 9 (Druckerei) zur Umstellung der Heizungsanlage gestattet ist. Der Senat ist zur Auslegung der Teilungserklärung in vollem Umfange selbstständig befugt (BGHZ 121, 236; BayObLG, WuM 1996, 362; Staudinger/Wenzel, 13. Bearbeitung 2005, § 45 Rdnr. 40). Dabei ist nicht auf den Willen des Eigentümers, sondern - wie bei körperschaftlichen Satzungsbestimmungen - auf Wortlaut, Sinn und Zweck der Erklärung abzustellen, wie sie sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt (BGHZ 121, 236, 239 = NJW 1993, 1329 f.; BGHZ 113, 374, 379 = NJW 1991, 1613; OLG Düsseldorf ZMR 1999, 192, 193; Staudinger/Wenzel, a.a.O.). Diese Auslegung führt zu dem Ergebnis, dass der Antragsgegner befugt ist, die Heizung und die Warmwasserversorgung für sein Sonder- bzw. Teileigentum an die Fernwärmeleitungen anzuschließen.

§ 5 Abs. 3, Unterabs. 4 der Teilungserklärung enthält zugunsten des Eigentümers der Einheit 9 eine ausdrückliche Anschlussbefugnis für eine neue Heizungsanlage. Zwar wird in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich die Fernwärme erwähnt. Jedoch muss der verwendete Begriff "Heizungsanlage" in diesem Sinne ausgelegt werden. Der Begriff "Anlage" setzt nicht voraus, dass die Wärme erst vor Ort erzeugt wird. Auch beim Anschluss an Fernwärme bedarf es im Übrigen einer eigenen technischen Einrichtung, die die Wärme für den Kunden nutzbar macht (Wärmetauscher). Schließlich geht auch die Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) in §§ 12 bis 15 vom Begriff der Anlage aus, wie die verwendete Bezeichnung als Kundenanlage deutlich macht. Der entscheidende Gesichtspunkt, der für eine Einbeziehung der Fernwärme in den Begriff der "neuen Heizungsanlage" spricht, ist die Regelung in dem vorherigen Unterabsatz 3, in dem ausdrücklich als zulässige Änderung der Anschluss an Fernwärme vorgesehen ist. Bei Abfassung der Teilungserklärung haben die Eigentümer erkennbar den Anschluss an die Fernwärme für möglich gehalten. Die systematische Zusammenschau der Unterabsätze 3 und 4 läßt mithin nur den Schluss zu, dass mit der Befugnis aus § 5 Abs. 3 Unterabsatz 4 dem Antragsgegner die Möglichkeit gegeben werden soll, für sein Sonder- bzw. Teileigentum unter Einbau einer neuen Anlage, worunter auch ein Anschluss an Fernwärme zu verstehen ist, eine neue Wärmeversorgung zu installieren.

Dem Antragsgegner ist nicht nur die Installation, sondern auch der Anschluss dieser Anlage gestattet. Dies setzt - unabhängig davon, ob Leitungen bereits vorhanden sind - die Möglichkeit der Rohrverlegung voraus, wobei für die Installation der Fernwärmeanlage - nach den Feststellungen des Sachverständigen - zwei neue Rohre erforderlich sind. Diese zulässige Installation kann schließlich nicht ohne die Durchführung der gleichzeitig erforderlichen baulichen Veränderungen, wie Mauerdurchbrüche wahrgenommen werden, so dass diesbezüglich in dem Passus der Teilungserklärung zumindest eine implizite Ermächtigung liegt.

Daneben kann der Betrieb der alten Heizungsanlage von der Antragstellerin zu 1. aufrecht erhalten werden, so dass die Antragstellerin zu 1 durch den Einbau der neuen Anlage nicht in der Nutzung der alten Heizungsanlage beeinträchtigt wird, sofern sie darauf Wert legt. Hierauf hat bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen.

Der Antragsgegner ist aufgrund des § 5 Abs. 3 Unterabs. 4 der Teilungserklärung auch befugt, zum Anschluss zur Fernwärme an die städtischen Leitungen bauliche Veränderungen in Kellerräumen und im Gebäude insoweit vorzunehmen, als dadurch die unmittelbare Verbindung zwischen dem Heizungskeller und dem Straßenanschluss hergestellt wird. Der von ihm geplante Weg - direkt von der Straße in einen - niedrigen - Kellerraum des Vorderhauses, sodann im Treppenhaus unter der Treppe und schließlich von dort in den Heizungskeller - ist ihm aus den vom Amtsgericht dargelegten Gründen nicht versperrt. Diese Wegleitung hat der Sachverständige im einzelnen dargelegt und festgestellt, dass die Verlegung durch den ersten Kellerraum schon deshalb die anderen Eigentümer nicht beeinträchtigt, weil dieser Raum keine Stehhöhe aufweist. Im Treppenhaus werden bei dieser Alternative die Rohre nur auf einer kurzen Strecke auf der Wand verlegt, indes besteht auch an dieser Stelle keine Stehhöhe. Soweit die Rohre dort optisch stören können, sind sie durch eine Verkastung oder eine ähnliche Verkleidung zu verdecken. Die mit dieser Maßnahme verbundenen möglichen Beeinträchtigungen sind für die übrigen Eigentümer nicht deutlich größer als diejenigen, die bei Verlegung der Zuleitung unter dem Zufahrtsweg rechts am Haus entlang zu erwarten sind. Das Amtsgericht hat zu Recht ausführlich auf die dabei entstehenden Beeinträchtigungen an der im Gemeinschaftseigentum stehenden Zufahrt hingewiesen, deren Plattenbelag in größerem Umfang aufgenommen werden müsste und die in der Bauzeit nicht nutzbar wäre. In Anbetracht der Mehrkosten für den Weg unter der Einfahrt - selbst in Höhe von "nur" 10.000,- € - ist der Antragsgegner deshalb nicht gehalten, diesen von den Antragstellerinnen geforderten Weg für die Fernwärmezuleitung zu wählen.

Antrag zu 2.

Die Antragstellerinnen haben auch keinen Anspruch auf Beseitigung der bereits geschaffenen Durchbrüche, Öffnungen und der verlegten Rohre. Dies folgt bereits aus der oben erwähnten Befugnis des Antragsgegners, die Einheiten Nr. 2 und 9 an die Fernwärme anzuschließen.

Dies gilt auch bezüglich der vier Rohre, die nach den Feststellungen des Amtsgerichts der Warmwasserversorgung des Wohnungseigentums Nr. 2 dienen sollen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich die Berechtigung zur Installation der Rohre nicht schon aus § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG als Anschluss an die Energieversorgung der kürzlich zu reiner Wohnnutzung umgewandelten Sondereigentumseinheit Nr. 2 ergibt. Jedenfalls kann der Antragsgegner bezüglich des Einbaus einer Warmwasserversorgung für die Wohneinheit Nr. 2 sich wiederum auf die Teilungserklärung stützen. Auch diese Maßnahme fällt unter die ihm eingeräumte Befugnis zur Installation und zum Anschluss an die Fernwärmeversorgung.

Für diese weite Auslegung des § 5 Abs. 3 Unterabsatz 4 der Teilungserklärung spricht zum einen der Zusammenhang mit § 5 Abs. 3 Unterabsatz 3, der eine Aufgabe der alten Heizung wegen des Anschlusses an Fernwärme oder aus Kostengründen vorsieht. Die als zulässig vorgesehene Nutzung der Fernwärme ist wirtschaftlich erst dann sinnvoll, wenn auch die Warmwasserversorgung auf diesem Weg erfolgt. Zu Recht weist die Zivilkammer darauf hin, dass diese Regelung auch in Hinblick auf ein wirtschaftlich sinnvolles Ergebnis zu verstehen ist, weshalb sich diese Auslegung aufdrängt. Dass dies mit den Vorstellungen der Eigentümer bei Abfassung der Teilungserklärung in Einklang steht, zeigt der in § 5 Abs. 3 Unterabsatz 3 enthaltene Hinweis auf "Kostengründe". Diese Auslegung ist auch mit den Vorgaben der AVBFernwärme vereinbar, die nutzungsneutral sind (vgl. insbes. §§ 15, 10, 12 AVBFernwärme). Schließlich unterstützt die Kostenregelung in § 9 Abs. 1 der Teilungserklärung (S. 9) diese Auslegung. In § 9 wird bei der Kostenverteilung davon ausgegangen, dass die alte Heizungsanlage die Bewohner der Einheiten 2, 4 und 9 zugleich mit Heizung und Warmwasser versorgt. Bei den Kosten sind nämlich "Heizung/Warmwasser" in einer Position zusammengefaßt.

Mithin ist bei der gebotenen objektiven Auslegung des § 5 Abs. 3 die eingeräumte Anschlussbefugnis nicht auf eine einzige Nutzungsart zu verengen, sondern erfaßt auch die Warmwasserversorgung.

Eine Neuinstallation der Warmwasserversorgung für die Einheit Nr. 2 ist tatsächlich schon deshalb erforderlich, weil der vorhandene Elektro-Warmwasserspeicher für eine Nutzung der Dusche in der Wohneinheit 2 nicht ausreicht. Die vier verlegten Rohre dienen der geplanten Neuinstallation und sind in dieser Form erforderlich, wie die Vorinstanzen festgestellt haben. Mit der vorliegenden Entscheidung wird die einstweilige Anordnung des Amtsgerichts vom 13.02.2005 unwirksam.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Der Geschäftswert ist - in der Höhe in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen - gemäß § 48 WEG festgesetzt worden.

Ende der Entscheidung

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