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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 15.12.2000
Aktenzeichen: 16 Wx 113/00
Rechtsgebiete: BGB, BVerfGG, FGG


Vorschriften:

BGB § 1836 Abs. 4
BGB § 1908e Abs. 1
BGB § 1835 Abs. 5
BGB § 1897 Abs. 2
BGB § 1835
BGB § 1836
BGB § 1836a
BGB § 1836b
BGB § 1779 Abs. 2
BGB § 1791a
BGB § 1908e
BGB § 1836 Abs. 1
BVerfGG § 31 Abs. 1
FGG § 67
FGG § 50 Abs. 5
FGG § 67 Abs. 3 S. 2
FGG § 70b Abs. 1 S. 3
FGG § 13a Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 113/00 1 T 202/00 - LG Köln - 53 VIII 320/93 - AG Köln -

In der Pflegschaftssache

betreffend pp.

an dem beteiligt sind

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Appel-Hamm

am 15.12.2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4. wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 08.06.2000 - 1 T 202/00 - dahingehend abgeändert, dass der von dem Landgericht festgesetzte Betrag von 771,30 DM dem Beteiligten zu 3. bewilligt wird.

Das weitergehende Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Dem Beteiligten zu 3. sind im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandene Kosten aus der Landeskasse zu erstatten.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 2. ist angestellter Mitarbeiter des Beteiligten zu 3., eines anerkannten Betreuungs- und Vormundschaftsvereins, und seit dem 22.07.1993 persönlich zum Pfleger für den minderjährigen Betroffenen mit dem Wirkungskreis des Aufenthaltsbestimmungsrechts bestellt. Neben der Pflegschaft für den Betroffenen führt der Beteiligte zu 2. im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses zu dem Beteiligten zu 3. sieben weitere Vormundschaften oder Pflegschaften für Minderjährige persönlich sowie zwölf Vormundschaften, in denen der Verein zum Vormund bestellt ist. Die Mündel sind alle mittellos.

Die Beteiligten zu 2. und 3. haben für die im vorliegenden Fall von dem Beteiligten zu 2. geführte Pflegschaft für das Jahr 1999 die Zahlung einer Vergütung von 724,80 DM (12,08 Stunden X 60,00 DM) zuzüglich eines Aufwendungsersatzanspruchs von 46,50 DM, insgesamt 771,30 DM aus der Landeskasse begehrt. Nach Zurückweisung dieses Antrags durch das Amtsgericht hat das Landgericht auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3. den Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch antragsgemäß zu Gunsten des Beteiligten zu 2. festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, der Ausschluss von Aufwendungsersatz- und Vergütungsansprüchen in § 1835 Abs. 4 und § 1836 Abs. 4 BGB beziehe sich nur auf Fälle, in denen der Verein selbst zum Vormund oder Pfleger bestellt sei, nicht aber auf den Fall der Bestellung eines Mitarbeiters oder Mitglieds des Vereins persönlich. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 4. als Vertreter der Landeskasse mit der - zugelassenen - sofortigen weiteren Beschwerde, mit der er im wesentlichen geltend macht, der Beteiligte zu 2. führe die ihm übertragenen Vormundschaften bzw. Pflegschaften nicht berufsmäßig, wie der geringe Umfang des jeweiligen Zeitaufwandes deutlich mache.

II.

Die - zugelassene - sofortige weitere Beschwerde begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. In der Sache führt sie nur dazu, dass die Vergütung und der Aufwendungsersatz nicht zu Gunsten des Beteiligten zu 2., sondern in entsprechender Anwendung des § 1908e Abs. 1 BGB zu Gunsten des Beteiligten zu 3. festzusetzen ist. Im übrigen hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Mit Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass in der vorliegenden Konstellation der Bestellung eines Mitarbeiters eines anerkannten Betreuungs- und Vormundschaftsvereins Aufwendungsersatz- und Vergütungsansprüche nicht gem. den §§ 1835 Abs. 5, 1836 Abs. 4 BGB ausgeschlossen sind. Der Ausschluss betrifft nur den Verein selbst, nicht aber den Mitarbeiter eines Vereins, der persönlich zum Vormund, Betreuer oder Pfleger bestellt ist (vgl. Soergel/Zimmermann, BGB 13. Auflage, § 1835 Rdn. 37).

Für das Betreuungsrecht ist in § 1897 Abs. 2 BGB ausdrücklich gesetzlich bestimmt, dass ein Mitarbeiter eines Betreuungsvereins zum Betreuer bestellt werden kann (Vereinsbetreuer). Dem korrespondiert die Regelung des § 1908e Abs. 1 BGB, wonach der Verein in einem derartigen Fall für seinen Mitarbeiter Aufwendungs- und Vergütungsansprüche gem. den §§ 1835, 1836, 1836a, 1836b BGB verlangen kann. Für Fälle der Vormundschaft, Pflegschaft oder der Verfahrenspflegschaft fehlen allerdings ausdrückliche gesetzliche Regelungen über die Bestellung eines "Vereinsvormunds", "Vereinspflegers" oder "Vereinsverfahrens-pflegers. So ist - worauf der Beteiligte zutreffend hinweist - entweder nach § 1779 Abs. 2 BGB eine natürliche Person oder gem. § 1791a BGB ein Verein zum Vormund bzw. Pfleger zu bestellen, der sich bei der Führung der Vormundschaft oder Pflegschaft einzelner seiner Mitarbeiter bedient (§ 1791a Abs. 3 BGB). Konsequenterweise gibt es auch keine ausdrückliche gesetzliche Regelung für den Fall der Bestellung eines Vereinsmitarbeiters zum Vormund oder Pfleger. Allerdings ist in § 67 Abs. 3 S. 2 FGG in der seit dem Betreungsrechtsänderungsgesetz vom 25.06.1998 - BGBl. I S. 1580 - geltenden Fassung wegen der Vergütung eines Verfahrenspflegers ausdrücklich die entsprechende Anwendung des § 1908e BGB, also der für den Vereinsbetreuer geltenden Regelung bestimmt.

Mit Beschluss vom 11.11.1999 - 1 BvR 122/94 - (BtPrax 2000, 30 = FamRZ 2000, 414) hat das BVerfG auf eine von dem Beteiligten zu 3. und einem seiner Mitarbeiter gegen eine Entscheidung des Landgerichts Köln erhobene Verfassungsbeschwerde die Verweisung in § 67 Abs. 3 S. 2 FGG auf § 1908e dahingehend ausgelegt, dass hierin eine gesetzlich Klarstellung liege, dass einem Betreuungsverein für die Tätigkeit eines Mitarbeiters als Verfahrenspfleger ein Vergütungsanspruch zustehe. Es hat u. a. deswegen, also weil altes Recht betreffend, die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen, aber in den Gründen ausgeführt, die Vorenthaltung jeglicher angemessener Entschädigung für die Wahrnehmung einer Verfahrenspflegschaft gem. § 67 FGG durch einen Mitarbeiter eines Betreuungsvereins, der bei diesem beschäftigt werde, um Betreuungen und Pflegschaften aufgrund gerichtlicher Bestellungen zu übernehmen, stelle eine übermäßige, durch keine Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigte Einschränkung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit dar und sei auch mit dem Gleichheitsgebot unvereinbar. Es hat sodann die in dem damaligen Verfahren vertretene Auffassung des Landgerichts zum alten Recht, es sei weder eine analoge Anwendung des § 1908e BGB möglich, noch könne der Mitarbeiter persönlich eine Vergütung beanspruchen, jeweils für sich betrachtet als durchaus vertretbar und mit Verfassungsrecht in Einklang stehend betrachtet, aber das durch die Verbindung beider Argumentationsketten entstandene Ergebnis der Aberkennung einer Entschädigung als nicht mehr mit Art. 12 Abs. 1 GG in Einklang stehend angesehen.

Diese Entscheidung ist in der Literatur auf Kritik gestoßen, soweit das BVerfG der Neufassung des § 67 FGG eine Liquidationsmöglichkeit eines Vereins für einen angestellten Verfahrenspfleger entnommen hat. Begründet wird dies damit, dass das Gesetz zwar in § 1897 Abs. 2 BGB einen "Vereinsbetreuer" aber keinen "Vereinsverfahrenspfleger" vorsehe (vgl. Bienwald FamRZ 2000, 935; Zimmermann BtPrax 2000, 47). Diese Meinung begegnet durchgreifenden Bedenken; denn die Normierung der entsprechenden Anwendung des § 1908e BGB in § 67 Abs. 3 S. 2 FGG und in den §§ 50 Abs. 5, 70b Abs. 1 S. 3 FGG gäbe keinen Sinn, wenn nicht das Gesetz von der Möglichkeit der Bestellung eines "Vereinsverfahrenspflegers" ausginge. Alleine aus der pauschalen Bezugnahme von Vorschriften des Betreuungsrechts (§§ 1908e bis 1908i BGB) und dem Fehlen einer Hinweises auf die Rechtsfigur des Vereinsverfahrenspflegers den Schluss ziehen zu wollen, diese Rechtsfigur sei auch nach der Novellierung des Vormundschafts-, Pflegschafts- und Betreuungsrechts nicht möglich (so wohl Bienwald Rpfleger 1999, 429) und die Verweisung auf § 1908e nur verwirrend (ders. FamRZ 2000, 935), erscheint daher zweifelhaft, zumal - wie beispielsweise der vorliegende und der vom BVerfG entschiedene Fall deutlich machen - in der Praxis "Vereinspfleger", "Vereinsvormünder" und "Vereinsverfahrens- pfleger schon lange vor der Novellierung bestellt wurden. Auch weist das Landgericht mit Recht darauf hin, dass dem Vorrang der Einzelvormundschaft bzw. -pflegschaft auch dann Rechnung getragen wird, wenn ein Mitarbeiter oder Mitglied eines Vormundschaftsvereins zum Vormund oder Pfleger bestimmt wird.

Letztlich kommt es auf die aufgeworfene Frage nicht an. Faktum ist nämlich, dass durch eine bestandskräftige Entscheidung - ob gesetzeskonform oder nicht - der Beteiligte zu 2. persönlich, und zwar in seiner Funktion als Mitarbeiter des Beteiligten zu 3. ("vom Sozialdienst K. M....") schon seit 1993 als Pfleger und damit als "Vereinspfleger" bestellt ist. In einem derartigen Fall ist es von Verfassungs wegen geboten, dem Verein, bei dem er angestellt ist, eine Liquidationsmöglichkeit zu eröffnen, sei es durch einen Anspruch unmittelbar gegen den Pflegling bzw. - in dem hier gegebenen Fall einer Vermögenslosigkeit des Pfleglings - gegen die Landeskasse oder aber durch die Zubilligung entsprechender Ansprüche für den Mitarbeiter, der ggfls. arbeitsvertraglich seine Forderungen gegen den Verein abzutreten bzw. Erlöse abzuführen hat. Die von dem BVerfG genannten Grundsätze treffen nicht nur auf einen "Vereinsverfahrenspfleger", sondern in gleicher Weise auch auf einen "Vereinspfleger" oder "Vereinsvormund" zu. Die von der Bindungswirkung des § 31 Abs. 1 BVerfGG erfassten tragenden Erwägungen des BVerfG beziehen sich nicht nur auf Verfahrenspfleger, sondern allgemein auf von einem Vereinsmitarbeiter übernommene Pflegschaften.

Fraglich kann es damit nur sein, wonach sich im Einzelnen die Voraussetzungen und ggfls. der Umfang der Ansprüche bestimmen. Es bieten sich sowohl der von dem Landgericht aufgezeigte Weg einer Liquidationsmöglichkeit des Vereinsmitarbeiters nach den §§ 1835 ff. BGB wie auch eine entsprechende Anwendung des § 1908e BGB an. Der Senat hält den letztgenannten Weg für vorzugswürdiger. Wollte man dem Mitarbeiter einen eigenen Vergütungsanspruch zubilligen, ginge dies nur, wenn zugleich die Feststellung getroffen werden kann, dass - wie die weitere Beschwerde mit Recht geltend macht - die Pflegschaft berufsmäßig i. S. d. § 1836 Abs. 1 BGB geführt wird (vgl. Zimmermann BtPrax 2000, 47). Diese Feststellung kann aber im Einzelfall schwierig sein (vgl. Bienwald Rpfleger 1999, 429 [430]). Dies macht auch der vorliegende Fall deutlich, in dem der Vereinsmitarbeiter vom Umfang der übernommenen Pflegschaften und der hierfür aufgewandten Zeit her nicht die Kriterien der §§ 1915, 1836 Abs. 1 S. 3, 1. Alt., S. 4 BGB erfüllt und die berufsmäßige Führung nur dann angenommen werden könnte, wenn - ggfls. im Wege einer verfassungskonformen Auslegung - bereits die Betrauung mit Vormundschaften und Pflegschaften im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit einem Vormundschaftsverein hierfür ausreichend wäre. Einfacher und diese Abgrenzungsschwierigkeiten vermeidend, ist eine entsprechende Anwendung des § 1908b BGB auch auf den "Vereinsvormund" und "Vereinspfleger". Hierdurch wird zugleich gewährleistet, dass gleichgelagerte Sachverhalte auch vergütungsmäßig gleich behandelt werden, nachdem ein Verein bereits in unmittelbarer Anwendung dieser Norm für "Vereinsbetreuer" und nach der Gesetzesnovellierung durch die Verweisungen in § 50 Abs. 5, 68 Abs. 3, 70b Abs. 1 S. 3 FGG für "Vereinsverfahrenspfleger" liquidieren kann. Gerade durch diese Verweisungen hat § 1908b BGB zudem die ursprüngliche Stellung als Ausnahmevorschrift für die Vergütung eines "Vereinsbetreuers" verloren.

Der Höhe nach lässt die Festsetzung der Vergütung keine Rechtsfehler erkennen; insoweit erfolgt auch mit der Rechtsbeschwerde keine Rüge.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 3. beruht auf § 13a Abs. 1 S. 2 FGG. Im übrigen war eine Kostenentscheidung nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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