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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 27.09.2002
Aktenzeichen: 16 Wx 115/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 22 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 115/02

In der Wohnungseigentumssache

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Dr. Ahn-Roth

am 27.09.2002

beschlossen:

Tenor:

Die weitere sofortige Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 31.05.2002 - 8 T 272/01 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegner haben die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Der in seinem Sondereigentum im ersten Stockwerk wohnende Antragsteller und seine Eltern, die Antragsgegner, die ihr Sondereigentum im Erdgeschoss bewohnen, bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft U.gasse 13 in S..

Der Antragsteller hat von den Antragsgegnern die Beseitigung von zwei Blumenbeeten sowie eines Überdachs unterhalb des zu seiner Wohnung gehörenden Balkons begehrt. Das Amtsgericht hat dem entsprochen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das Landgericht die Beseitigungsverpflichtung nur noch wegen des Überdachs aufrechterhalten und die Anträge im übrigen zurückgewiesen. Mit der gegen diese Entscheidung gerichteten weiteren sofortigen Beschwerde begehren die Antragsgegner die Zurückweisung auch des Beseitigungsantrags wegen des Überdachs.

Die form- und fristgerecht eingelegte weitere sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 27, 29 FGG, § 45 Abs. 1 WEG), jedoch nicht begründet.

Es ist aus Rechtsgründen, die allein Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens sein können (§§ 27, 546 ZPO), nicht zu beanstanden, dass das Landgericht in der Überdachung eine zustimmungspflichtige bauliche Veränderung i. S. d. § 22 Abs. 1 WEG gesehen und deshalb in diesem Punkt die Erstbeschwerde der Antragsgegner zurückgewiesen hat.

Zutreffend und auch von den Antragsgegnern nicht in Frage gestellt, ist die Feststellung des Landgerichts, dass es sich bei dem Überdach um eine bauliche Veränderung i. S. d. § 22 Abs. 1 BGB handelt. Auch hat der Antragsteller der Errichtung des Daches nicht zugestimmt, sondern der ihm angekündigten Maßnahme ausdrücklich widersprochen. Es stellt sich daher nur noch die Frage, ob eine Zustimmung des Antragstellers entbehrlich war, weil durch die Veränderung seine Rechte nicht oder nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden (§ 22 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 14 Nr. 1 WEG). Die Feststellung, ob eine entsprechende Beeinträchtigung eingetreten ist, liegt grundsätzlich auf tatrichterlichem Gebiet und kann daher vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf etwaige Rechtsfehler überprüft werden' (vgl. z. B. BayObLG ZWE 2002, 75 u. 358; BayObLG ZWE 2000, 575), also nur darauf, ob das Landgericht den Begriff des Beeinträchtigung i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 14 Nr. 1 WEG verkannt und ob es maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und nicht gegen gesetzliche Auslegungs- oder Beweisregeln, gegen die Denkgesetze oder gegen feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. Keidel/Kuntze/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 27 Rdn. 42 m. w. N.).

Gemessen hieran ist die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden.

Das Landgericht ist rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass ein durch eine bauliche Maßnahme geschaffener Nachteil von dem/den anderen Wohnungseigentümer/n nur dann nicht hinzunehmen ist, wenn er eine nicht ganz unerhebliche, konkrete und objektive Beeinträchtigung darstellt, wenn sich also ein Wohnungseigentümer verständlicherweise beeinträchtigt fühlen darf (vgl. BGH NJW 2001, 1212 = NZM 2001, 196 = ZMR 2001, 269 = MDR 2001, 497; BGHZ 116, 392 = NJW 1992, 978 = MDR 1992, 484). Bei der Bestimmung dessen hat es keine schematisierende Betrachtungsweise vorgenommen, sondern der besonderen Situation Rechnung getragen, dass es sich vorliegend um eine Zwei-Personen-WEG mit engen familiären Beziehungen handelt (vgl. zu diesem Kriterium BayObLG FamRZ 1993, 803; Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Auflage, § 22 Rdn. 114) und den Maßstab des noch Hinnehmbaren einer baulicher Veränderung hieran orientiert. Ferner hat das Landgericht die für die Beurteilung relevanten Umstände herangezogen. Es hat einerseits dem Umstand Rechnung getragen, dass eine aus Glas bestehende und am wenigsten auffällige Konstruktionsmöglichkeit gewählt wurde und sich das Überdach an einer der Straße abgewandten Seite des Hauses befindet und somit von vorne nicht sichtbar ist. Die bei der Bestimmung des gleichwohl nicht mehr hinnehmbaren Nachteils herangezogenen Kriterien, dass es für das optische Erscheinungsbild nicht lediglich auf den Standpunkt eines dritten Beobachters abzustellen ist, sondern insbesondere auch auf das sich den Wohnungseigentümern selbst bietende Erscheinungsbild ankomme, dass die Errichtung des Überdaches mit einem Eingriff in die Fassade verbunden sei und zudem das ablaufende Wasser in den Kanal des Hauses abgeleitet werde, sind sachgerecht, anhand der von den Beteiligten zu den Akten gereichten Fotos ohne weiteres nachvollziehbar und tragen die Entscheidung. Insbesondere lässt sich ein nicht mehr unerhebliche optisch nachteilige Veränderung schon deswegen ohne weiteres feststellen, weil der Gesamteindruck des Gebäudes im seitlichen Bereich verändert wurde und für den Antragsteller jedenfalls dann, wenn er vorne auf dem Balkon steht, der Blick zwangsläufig auf das vorstehende Überdach fällt. Dies machen selbst die nunmehr von den Antragsgegnern zum untauglichen Beleg für ihren gegenteiligen Vortrag vorgelegten Fotos deutlich. Zudem ist das Überdach aus den beiden zur Wohnung des Antragstellers gehörenden Fenstern an der Stirnseite des Gebäudes deutlich zu sehen. Ob dies auch dann der Fall ist, wenn man auf dem Balkon sitzt oder vom Rand entfernt steht, ist deshalb irrelevant. Im übrigen ist bei der Gesamtwürdigung auch zu berücksichtigen, dass sich das Überdach nicht etwa vor Räumen befindet, die zum Sondereigentum der Antragsgegner gehören, sondern vor einer Art Wintergarten unterhalb des Balkons des Antragstellers, der - wie andere bauliche Veränderungen - zu einer Zeit. als die Beteiligten noch nicht im Streit miteinander lagen, im offensichtlichen Einvernehmen, von denen sie nunmehr wechselseitig nichts mehr wissen wollen, errichtet worden war. Es geht also nicht um einen Witterungsschutz für den Zugang zum Sondereigentum der Antragsgegner, sondern um eine weitere Ausdehnung ihrer Nutzungsmöglichkeiten am gemeinschaftlichen Eigentum.

Die von den Antragsgegnern erhobene Aufklärungsrüge, dass eine Ortsbesichtigung hätte durchgeführt werden müssen, geht fehl. Der Tatrichter ist im FGG-Verfahren frei, in welcher Weise er erforderliche Sachverhaltsfeststellungen vornimmt. Die Beurteilung der Frage, ob eine optisch nachteilige Veränderung des Gesamteindrucks eines Gebäudes vorliegt, kann deshalb grundsätzlich anhand von Lichtbildern vorgenommen werden (vgl. BayObLG ZWE 2002, 358). Dies wird gerade im vorliegenden Fall deutlich, in dem die Beteiligten Fotos vorgelegt haben, welche die Situation aus verschiedenen Perspektiven zeigen und durch welche dem Betrachter ein umfassender Eindruck vermittelt wird. Diesen zu beurteilen, ist nicht Sache des Rechtsbeschwerdegerichts, sondern dem Tatrichter vorbehalten.

Mit dem Einwand schließlich, entgegen der Annahme des Landgerichts werde das von dem Überdach abfließende Wasser nicht in den Kanal abgeleitet, sondern verrieselt, können die Antragsgegner nicht gehört werden. Auf den Fotos ist klar zu erkennen, dass das Entwässerungsrohr an das Regenabfallrohr der Dachentwässerung angeschlossen ist. Dementsprechend war bereits in der Antragsschrift, ohne dass die Antragsgegner dem entgegen getreten waren, vorgetragen worden, die Entwässerung des Überdaches sei an das Entwässerungssystem des Wohngebäudes angeschlossen. Anhand der eingereichten Fotos ist deutlich zu erkennen, dass das Regenfallrohr der Dachentwässerung in den Boden geht. Es liegt also eine Situation vor, bei der typischerweise von einer Ableitung des Regenwassers in die Kanalisation ausgegangen werden konnte. Der Vortrag der Antragsgegner, das Regenwasser werde einer Bodenverrieselung zugeführt, ist deshalb neuer Sachvortrag im Rechtsbeschwerdeverfahren, der unbeachtlich ist, da insoweit ohne Anhaltspunkte im Sachvortrag der Beteiligten angesichts der sich aus den Fotos ergebenden Situation kein Aufklärungsbedarf bestand. Im übrigen geht es bei alledem letztlich um eine Marginalie. Selbst wenn die entsprechende Feststellung des Landgerichts rechtsfehlerhaft sein sollte, würde sich am Ergebnis nichts ändern. Für den Senat, der für diesen Fall ohne die Beschränkungen des § 27 FGG die Frage einer optisch nachteiligen Veränderung eigenständig beurteilen könnte, stellt sich auch bei unterstellter Richtigkeit des Sachvortrags der Antragsgegner zur Ableitung des Regenwassers die Gesamtsituation so dar, dass diese die durch § 14 Nr. 1 WEG gezogenen Grenzen überschreitet und daher der Zustimmung des Antragstellers bedurft hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, den unterlegenen Antragsgegnern die Gerichtskosten des Verfahrens dritter Instanz aufzuerlegen. Für eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten bestand keine Veranlassung.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 Abs. 3 WEG. Hierbei folgt der Senat unter Berücksichtigung des beschränkten Verfahrensgegenstandes in der Rechtsbeschwerdeinstanz der Wertfestsetzung des Landgerichts, mit der zutreffend die überhöhte Wertfestsetzung des Amtsgerichts korrigiert worden ist. Es geht letztlich nur um Randpunkte innerhalb des tiefgreifenden Zerwürfnisses der Beteiligten.

Ende der Entscheidung

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