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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 28.05.2003
Aktenzeichen: 16 Wx 115/03
Rechtsgebiete: FEVG, AuslG, FGG


Vorschriften:

FEVG § 3 Satz 2
FEVG § 7 Abs. 1
FEVG § 14
FEVG § 15
AuslG § 57 Abs. 2 S. 4
AuslG § 103 Abs. 2
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 2
FGG § 27
FGG § 29
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 115/03

In der Freiheitsentziehungssache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Sturhahn

am 28.05.2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 07.05.2003 - 6 T 148/03 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Haftanordnung wie folgt neu gefasst wird:

Gegen den Betroffenen wird mit Wirkung ab dem 06.05.2003 für die Dauer von 2 Monaten Abschiebungshaft als Sicherungshaft angeordnet.

Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

Die gemäß §§ 3 Satz 2, 7 Abs. 1 FEVG, 103 Abs. 2 AuslG, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

De Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft liegen aus den zutreffenden und durch das Vorbringen der Rechtsbeschwerde nicht entkräfteten Gründen des angefochtenen Beschlusses, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, ersichtlich vor.

Nach dem der Beschwerdekammer im Zeitpunkt seiner Entscheidung bekannten Sachverhalt wäre allerdings die Anordnung einer Überhaft von 3 Monaten nicht gerechtfertigt gewesen, sondern nur eine solche von 1 Monat. Im Hinblick darauf, dass die Ausländerbehörde bereits während der Vollstreckung der Untersuchungshaft notwendige Vorbereitungen für die Abschiebung zu treffen hat, wird dieser Zeitraum in der Regel ausreichen, um ihr die Abschiebung im Anschluss an die Untersuchungshaft zu ermöglichen, wie der Senat schon wiederholt in Verfahren, an denen der Antragsteller beteiligt war, entschieden hat (Senatsbeschlüsse vom 10.08.2001 - 16 Wx 159/01 - und 22.05.2002 - 16 Wx 77/02 - Renner Ausländerrecht, 7. Auflage, § 57 Rdn. 24). Gründe, die eine Abweichung von diesem Grundsatz hätten rechtfertigen können, waren nach Aktenlage im Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts oder Landgerichts nicht erkennbar. Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen, nämlich wegen der Verfahrensgarantien des Art. 104 GG und wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geht es nicht an, pauschal und ohne Rücksicht auf Umstände des Einzelfalles in jedem Falle, in dem ein Ausländer sich zunächst in Untersuchungshaft befindet, im Anschluss an diese Haft, deren Dauer zunächst nicht absehbar ist, quasi "auf Vorrat" eine Sicherungshaft von 3 Monaten anzuordnen. Eine derartige Handhabung widerspricht dem hohem Rang des Freiheitsgrundrechts eines Betroffenen und hätte vor allem die Folge, dass die nach Art. 104 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. GG erforderliche richterliche Kontrolle der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 S. 4 AuslG nicht mehr gewährleistet wäre; denn die Dreimonatsfrist des § 57 Abs. 2 S. 4 AuslG beginnt im Falle der Anordnung von Sicherungshaft als Überhaft im Anschluss an eine Untersuchungs- oder Strafhaft nicht erst mit deren Vollzug, sondern bereits mit der Anordnung selbst (vgl. z. B. Senatsbeschlüsse vom 16.12.2002 - 16 Wx 252/02 - und 24.05.2002 - 16 Wx 91/ 02 - = OLGR 2002, 364 = NVwZ-Beilage I 4/2003, 8; OLG Düsseldorf FGPrax 2001, 130 = InfAuslR 2001,340; SchlHOLG FGPrax 2000, 167 = InfAuslR 2000, 449; KG FGPrax 1995, 83; OLG Hamm NVwZ-RR 1993, 273; LG Bielefeld InfAuslR 2001, 347). Wenn deshalb im Anschluss an eine zu vollstreckende Untersuchungs- oder Strafhaft eine Sicherungshaft von 3 Monaten angeordnet wird, kann dies zu einer Überschreitung der Regelfrist führen. Hierbei soll nicht angezweifelt werden, dass die Ausländerbehörden dann, wenn Haftvoraussetzungen wegfallen, pflichtgemäß handeln. Nur steht deren Handeln nach dem Grundgesetz bei Freiheitsentziehungen unter der Kontrolle des Richters, der alleine über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Haft entscheiden darf und der er sich dem nicht durch eine Haftanordnung entziehen kann, die - was er im Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht beurteilen kann - möglicherweise eine gesetzlich vorgesehene Frist überschreitet. Auch gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass in jeder Lage des Verfahrens das öffentliche Interesse an der Sicherung der Abschiebung und das Freiheitsinteresse des Betroffenen abgewogen und geprüft wird, ob die Anordnung bzw. Aufrechterhaltung der Haft (noch) erforderlich ist (vgl. z. B. BVerfG NVwZ-Beilage I 2001, 26 = AuAS 2001, 54). Deshalb hat es bei einer Überhaft von einem Monat zu verbleiben, die nach den Erfahrungen des Senats in der Regel von den Ausländerbehörden des hiesigen OLG-Bezirks auch nur beantragt wird, zumal z. B. die relativ häufigen Abschiebungen straffällig gewordener türkischer Staatsangehöriger in kurzer Zeit erfolgen können. Sollte sich herausstellen, dass die Monatsfrist nicht ausreicht, um die Abschiebung bewirken zu können, ist es der Ausländerbehörde unbenommen, einen Verlängerungsantrag zu stellen. Auch ist sie nicht gehindert, bereits mit dem Haftantrag Tatsachen vorzutragen, die im Einzelfall eine längere Überhaft als diejenige von einem Monat rechtfertigen, etwa dass wegen der Art des dem Betroffenen vorgeworfenen Delikts mit einer alsbaldigen Entlassung aus der Untersuchungshaft zu rechnen ist.

Vorliegend greift indes die Monatsfrist ohnehin nicht. In Abschiebungshaftsachen ist wie in allen anderen FGG-Sachen für die tatsächlichen Verhältnisse die Situation in den Tatsacheninstanzen, also vor Abschluss des Erstbeschwerdeverfahrens maßgeblich. Die Untersuchungshaft des Betroffenen war aber am 05.05.2003 beendet und damit vor dem angefochtenen Beschluss vom 07.05.2003 bzw. dessen Herausgabe aus dem Geschäftsbereich des Landgerichts am 08.05.2003. Wenn dies dem Landgericht bekannt gewesen wäre, hätte sich die Frage der Zulässigkeit der Überhaft und deren Dauer nicht mehr gestellt und es hätte es nicht mehr bei dem Tenor des Amtsgerichts belassen dürfen, sondern "normale" Sicherungshaft anordnen müssen. Dies kann der Senat auch als Rechtsbeschwerdegericht nunmehr selbst nachholen, da die Tatsache der Beendigung der Untersuchungshaft unstreitig ist und auch sonst für die Bemessung der Haft der Sachverhalt keiner weiteren Aufklärung bedarf.

Hiernach scheidet, weil ein Teil der Regelfrist des § 57 Abs. 2 S. 4 AuslG bereits durch die Untersuchungshaft verbraucht ist und ggfls. im Rahmen eines Verlängerungsantrags darüber zu befinden ist, ob eine Überschreitung möglich ist, eine Haftanordnung für die Dauer von 3 Monaten aus. Andererseits kann die Haft auch nicht zu kurz bemessen werden, da Passersatzpapiere zu beschaffen sind bzw. waren. Eine mit dem Tag nach Entlassung aus der Untersuchungshaft beginnende Frist von 2 Monaten erscheint dem Senat daher unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der von dem Antragsteller pflichtgemäß in die Wege geleiteten Maßnahmen als notwendig, aber auch als ausreichend. Insbesondere gebietet der Umstand, dass - wie der Antragsteller mit Fax vom 27.05.2003 mitgeteilt hat - inzwischen eine Flugbuchungsbestätigung für den 05.06.2003 vorliegt, keine kürzere Frist, da nicht gewiss ist, ob die vorgesehene Rückführung tatsächlich wie geplant erfolgen kann und den Ausländerbehörden zeitlicher Spielraum für Umdispositionen zu belassen ist.

Der Umstand schließlich, dass der Betroffene einen Asylfolgeantrag gestellt hat und die Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 02.05.2003, die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abzulehnen, noch nicht bestandskräftig ist, steht der Verhängung von Abschiebungshaft nicht entgegen. Die von dem Betroffenen gegen den Bescheid vom 02.05.2003 erhobene Klage hat keine aufschiebende Wirkung.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 14, 15 FEVG, § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG. Die Verkürzung der Haftdauer hat hierauf keine Auswirkungen, da der Betroffene mit seinem Begehren auf Aufhebung der Haftanordnung nicht durchgedrungen ist.

Ende der Entscheidung

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