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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.07.2003
Aktenzeichen: 16 Wx 124/03
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 93
BGB § 94
BGB § 95
WEG § 1 Abs. 5
WEG § 10 Abs. 3
WEG § 21
WEG § 21 Abs. 3
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2
WEG § 21 Abs. 5 Nr. 3
WEG § 22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

In der Wohnungseigentumssache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Reinemund am 14.7.2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) wird der Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2.1.2003 - 29 T 72/02 - abgeändert und die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 15.3.2002 - 204 II 70/01 - zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die Beteiligte zu 1) zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

Rechtsbeschwerdewert: 6.000 Euro.

Gründe:

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde (§§ 43 Abs. 1 Nr. 4, 45 WEG, 22, 27, 29 FGG) ist begründet.

Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts, das auf zulässige Erstbeschwerde entschieden hat (§§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 WEG, 20, 22 WEG), beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 FGG, 545, 546 ZPO).

Das Landgericht hat antragsgemäß (auch) die Eigentümerbeschlüsse zu den TOP 9.3. und 9.4. für ungültig erklärt und ausgeführt: Der Beschluss über die Abwälzung des Risikozuschlages bei der Gebäudeversicherung auf das dem Schadensfall zugrundeliegende Sondereigentum sei schon deshalb für ungültig zu erklären, weil er aus sich heraus nicht verständlich sei, denn ein Zuschlag sei mit der Versicherung nicht vereinbart und dem Beschluss lasse sich auch bei Ersetzung des Wortes "Risikozuschlag" durch "Selbstbehalt" eine konkrete Regelung der Tragung dieser Kosten nicht entnehmen. Der nur mehrheitlich zustandgekommene Beschluss über die Generalüberholung des Gartentores sei ungültig, weil er im Hinblick auf den (einstimmig gefassten) Eigentümerbeschluss aus dem Jahre 1984 ("Aufwendungen und Änderungen am Gemeinschaftseigentum bedürfen der Zustimmung aller Eigentümer") nicht mit der erforderlichen Einstimmigkeit gefasst worden ist.

Die Ausführungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1) Das Landgericht hat fehlerhaft den Eigentümerbeschluss über die Abwälzung der Selbstbeteiligung beanstandet.

Wenn und so weit Wohnungseigentümerbeschlüsse nicht klar und bestimmt sind, ist der Inhalt des Beschlusses durch Auslegung zu ermitteln. Für die Auslegung gelten grundsätzlich die allgemeinen Auslegungsregeln für Rechtsgeschäfte (§§ 133, 157 BGB). Maßgebend sind der Wortlaut und Sinn der Regelung, wie er sich für einen unbefangenen Leser als nächstliegende Bedeutung ergibt, und die für jedermann ohne weiteres erkennbaren Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses. Denn Eigentümerbeschlüsse wirken nach § 10 Abs. 3 WEG ohne Eintragung im Grundbuch für und gegen den Sondernachfolger, die auf das objektiv Erklärte vertrauen müssen. Ob die vorinstanzliche Auslegung dementsprechend sachlich richtig ist, hat das Rechtsbeschwerdegericht zu überprüfen. Seine Überprüfungsbefugnis ist nämlich nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht beschränkt auf Rechtsfehler, d.h. die Prüfung, ob die Auslegung durch die Vorinstanzen denk- und erfahrungsgesetzlich möglich ist, den gesetzlichen Auslegungsregeln nicht widerspricht und alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt worden sind. Es kann vielmehr, zumal wenn es sich wie hier um eine Dauerregelung handelt, die sachliche Richtigkeit der Auslegung nachprüfen und den Beschluss - objektiv und normativ - "aus sich heraus" - uneingeschränkt selbst auslegen (vgl. etwa BGH NJW 98, 3713 = NZM 98, 955, 956 mwN = ZMR 99, 41; Senat NZM 99, 178 jeweils mwN; Bärmann/Pick/Merle WEG § 23 Rdnr. 57).

Entgegen der Ansicht des Landgerichts und auch der Beteiligten zu 1) kann keine Rede davon sein, dass der angefochtene Beschluss zum TOP 9.3 (Abwälzung des Selbstbehalts bei der Gebäudeversicherung für Wasserschäden durch einen Wasserrohrbruch im Sondereigentum) für die Eigentümer nicht hinreichend klar und verständlich ist. Er enthält vielmehr eine unmissverständliche Regelung, wie bereits das Amtsgericht mit Recht angeführt hat. Die Abwälzung der mit der Versicherung aufgrund der vielfachen Wasserschäden in der Vergangenheit vereinbarten Selbstbeteiligung (Selbstbehalts) auf den Sondereigentümer gilt nur im Falle eines Wasserschadens, der durch ein nach der Teilungserklärung in dessen Sondereigentum stehendes Wasserrohr verursacht ist, für dessen ordnungsgemäßen Zustand dieser ohnehin zu sorgen habe. Das Landgericht hat bei der Auslegung unberücksichtigt gelassen, dass dem zur nächsten Eigentümerversammlung gestellten Antrag der Beteiligten zu 3) im Schreiben an die Verwaltung vom 15.9.00 "Sollte wieder ein Wasserrohrbruch im Sondereigentum auftreten, muss der betroffene Eigentümer für den Risikozuschlag der Gebäudeversicherung aufkommen" (Bl. 201 GA) die folgende Begründung beigefügt war: "Aufgrund der gravierenden Wasserrohrbrüche in den vergangenen Jahren, deren Häufigkeit und Kosten einen Risikozuschlag der Gebäudeversicherung zur Folge hatte, haben die Eigentümer Frau G und Familie C in 1999 das Wasserrohrsystem in ihrem Sondereigentum sanieren lassen. Frau X aber nicht. Seit diesem Zeitpunkt ist das Risiko unterschiedlich verteilt. Dieses unterschiedliche Risiko kann auch Einfluss auf das Heizungssystem innerhalb Sondereigentums haben, da bei Reparaturarbeiten am Wasserrohrsystem auch das darüber liegende Heizsystem geschädigt werden kann, was Kosten und gegebenenfalls Folgekosten für die Gemeinschaft verursacht......." Ferner heißt es im Versammlungsprotokoll vom 6.3.2001 ausdrücklich, dass dem Protokoll das Antragsschreiben der Beteiligten zu 3) zu Punkt "9. Anträge von Herrn Dr. C lt. Schreiben vom 15.9.00 - beigefügt" ist (Bl. 7 GA).

Für jedermann (insbesondere einen Sondernachfolger), der das Versammlungsprotokoll einschließlich des beigefügten Antrags der Beteiligten zu 3) liest, konnte es danach keine Frage sein, dass die getroffene Regelung die Abwälzung des gesamten Selbstbehalts auf den betroffenen Wohnungseigentümer beinhalten sollte, wenn ein von der Versicherung zu regulierender Wasserschaden wieder auf den Bruch eines in dessen Sondereigentum stehenden Wasserrohrs zurückgeht. Nicht anders hatte das auch die Beteiligte zu 1) entgegen ihrer Darstellung in der Rechtsbeschwerdeschrift verstanden, wie die Antragstellung im vorliegenden Verfahren zeigt. Ihr Problem war nur, dass sie meinte, durch den Beschluss werde der Bruch eines Wasserrohres dem Kostenrisiko eines Sondereigentümers zugeordnet, obwohl es sich dabei um Gemeinschaftseigentum handele, weshalb das nur einstimmig wirksam habe beschlossen werden können. Die Auffassung ist falsch. Die Wasserrohre sind teilweise Sondereigentum. Das ergibt sich aus § 3 Nr. 2 e der Teilungserklärung, wonach Sondereigentum alle Anlagen innerhalb der im Sondereigentum stehenden Räume sind, soweit sie nicht dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen, und also Sondereigentum sind die Zu- und Ableitungen der Versorgungs- und Entwässerungsanlagen jeder Art von den Hauptsträngen an, soweit diese Gegenstände nicht wesentliche Bestandteile des Grundstücks i.S. der §§ 93 und 95 BGB sind (Bl. 106 GA). Anders ist es freilich mit den Schlangen der Fußbodenheizung. Diese sind nach dem einstimmigen Beschluss der Wohnungseigentümer vom 18.1.90 zum TOP 8b) Gemeinschaftseigentum (Bl. 141 GA), weshalb auch das Amtsgericht mit Recht den diesen abändernden, aber nur mehrheitlich getroffenen Beschluss zum TOP 9.1 für ungültig erklärt hat. Daher kommt insoweit bei einem Bruch eine Abwälzung der Selbstbeteiligung auf den betreffenden Wohnungseigentümer natürlich nicht in Betracht, was auch gar nicht mehr streitig ist. Danach kann die Beschlusszuständigkeit der Versammlung für die Regelung zur Abwälzung der vereinbaren Selbstbeteiligung nicht zweifelhaft sein, da diese nur eine Klarstellung enthält: Wenn ein Wasserrohrbruch durch eine im Sondereigentum stehende Wasserleitung verursacht wird, ist selbstverständlich der entsprechende Wohnungseigentümer - wie schon das Amtsgericht angeführt hat - zur Schadensbehebung verpflichtet. Die zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung gem. § 21 Abs. 5 Nr. 3 WEG gehörende Versicherungspflicht besteht grundsätzlich nur hinsichtlich des Gemeinschaftseigentums im Sinne von § 1 Abs. 5 WEG. Zur Versicherung auch des Sondereigentums sind die Wohnungseigentümer nicht verpflichtet, denn diese ist nicht Gegenstand der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums. Eine dennoch erfolgte Erweiterung des Versicherungsschutzes infolge einer (sog. verbundenen) Gebäudeversicherung auf das Sondereigentum hat nicht zur Folge, dass sich die Pflicht zur Instandhaltung und Instandsetzung als Gegenstand ordnungsgemäßer Verwaltung nach Eintritt des Versicherungsfalls auch auf das Sondereigentum erstreckt, denn die kombinierte Versicherung für das gesamte Gebäude erfolgt allein aus versicherungspraktischen Gründen (vgl. KG NJW-RR 92,150).

2) Rechtlich zu beanstanden ist die Ungültigkeitserklärung des Beschlusses über die Generalüberholung des Gartentores (TOP 9.4).

Der zustimmende Mehrheitsbeschluss über den Antrag der Beteiligten zu 3) "Die Gartentüre einschließlich der Zarge muss wegen Rost, Farbabblätterung, defektem Schloss und Schäden am Putz generalüberholt werden" (Bl. 214 GA) ist wirksam. Entgegen der Ansicht des Landgerichts musste der Beschluss nicht im Hinblick auf den einstimmig gefassten Beschluss der Wohnungseigentümer in ihrer ersten Eigentümerversammlung vom 21.8.84 einstimmig getroffen werden. Die Auslegung des Landgerichts, dass durch diesen Beschluss die Regelung des § 5 der Teilungserklärung vom 21.1.83, der die §§ 10 bis 29 WEG und mithin u.a. § 21 WEG als geltende Regelung bestimmt, in dem Sinne abbedungen werden sollte, dass auch für jede ordnungsmäßige Instandhaltung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums die Zustimmung aller Eigentümer erforderlich sein soll, teilt der Senat nicht. Bei verständiger Würdigung des Wortlauts und des Sinns der Regelung und der Sachlage fehlt für eine Abänderung des § 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG ein vernünftiger Anhaltspunkt. Wie sich aus der Wortwahl "Aufwendungen und Änderungen" unschwer herleiten lässt, ging es dabei ersichtlich um Aufwendungen und Veränderungen im Sinne von § 22 WEG, d.h. um solche, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums hinausgehen, und nicht um Aufwendungen und Änderungen, die nur durch eine ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung verursacht werden, d.h. die zur Erhaltung des Gemeinschaftseigentums notwendig sind - wie die vorliegend streitige Instandsetzungsmaßnahme.

Dass es sich bei dem Gartentor - was der Beteiligten zu 1) bei der Beschlussfassung noch nicht klar war und nach dem Vermerk im Protokoll allein ihre Ablehnung des Antrages begründete - zweifelsfrei auch um Gemeinschaftseigentum handelt, ergibt sich eindeutig daraus, dass den Beteiligten zu 3) hinsichtlich des Gartens (nur) ein Sondernutzungsrecht zusteht. Fraglich konnte daher allenfalls sein, ob durch eine Regelung in der Teilungserklärung gleichwohl die Beteiligten zu 3) zur Instandhaltung auch des Gartentores verpflichtet worden sind. Das aber ist zu verneinen. Den Beteiligten zu 3) ist mit dem Recht neben der Nutzung des gesamten Gartens wie u.a. der Fläche "neben dem Haus im Erdgeschoss hinter der Frontmauer", § 4 Nr. 2 der Teilungserklärung (Bl. 106 Rs GA) zwar zugleich die Pflicht zur Instandhaltung des Gartens auferlegt worden, § 8 Nr. 1 + 2 der Teilungserklärung (Bl. 107 Rs GA). Diese Instandhaltungspflicht umfasst indes nicht auch das Gartentor, weil es sich - wie die nunmehr auf Anforderung des Senats von beiden Parteien vorgelegten Fotos zeigen - in der vorgenannten Frontmauer befindet, die den Abschluss der Eigentumswohnanlage zur Strasse bildet, so dass es sich bei dem Gartentor um ein Außentor handelt, das zur Sicherheit der Eigentumswohnanlage intakt sein muss, wenn es auch durch die anderen Wohnungseigentümer grundsätzlich nicht genutzt werden kann, weil sie keinen Zutritt zum Garten haben.

Schließlich war entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 1) die Beschlussfassung keineswegs völlig überflüssig im Hinblick auf den vorangegangenen Eigentümerbeschluss vom 13.4.2000 zum TOP 11, wonach den Beteiligten zu 3) der Einbau einer neuen Tür mit Zarge auf eigene Kosten erlaubt wurde und die Gemeinschaft die Kosten der Neuverputzung und des Anstrichs tragen wollte (Bl. 13/14 GA). Der Beschluss begründete ersichtlich keine entsprechende Einbauverpflichtung der Beteiligten zu 3), sondern nur eine solche Erlaubnis, von der sie Gebrauch machen konnten, aber nicht mussten.

3) Da es weiterer tatsächlicher Feststellungen nicht bedarf, konnte der Senat die ersetzende Sachentscheidung selbst treffen und die Erstbeschwerde unter entsprechender Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung zurückweisen.

Die Kostentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, der unterlegenen Beteiligten zu 1) die Gerichtskosten beider Rechtsmittelverfahren aufzuerlegen. Im übrigen besteht keine Veranlassung, von dem in § 47 WEG bestimmten Kostengrundsatz abzuweichen, wonach die Verfahrensbeteiligten die ihnen entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben.

Ende der Entscheidung

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