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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 05.12.2000
Aktenzeichen: 16 Wx 154/00
Rechtsgebiete: BRAGO, FGG, BGB


Vorschriften:

BRAGO § 118 I Nr. 1
BRAGO § 118 I Nr. 2
FGG § 56 g Abs. 5
FGG § 22
FGG § 27
FGG § 29 Abs. 2
FGG § 67 Abs. 3 S. 3
BGB § 1896 Abs. 2
BGB § 1897 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 154/2000 6 T 359/99 LG Köln 15 XVII W 160 AG Leverkusen

In der Betreuungssache

betreffend pp.

an der beteiligt sind:

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Reinemund am 5.12.2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4) wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 2.10.2000 - 6 T 359/99- abgeändert und die Erstbeschwerde zurückgewiesen.

GRÜNDE

Die Betroffene erteilte im Jahre 1994, nachdem sie einen Schlaganfall erlitten hatte, ihrer Nichte, der Beteiligten zu 2) eine notarielle über ihren Tod hinaus geltende Vollmacht dahin, sie in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten, soweit dies gesetzlich zulässig ist, und auch für einzelne von ihr zu bestimmende Rechtsgeschäfte Untervollmacht zu erteilen (Bl. 15, 16 GA).

Mit Beschluss vom 19.1.1999 ordnete das Amtsgericht auf Anregung der Kliniken der Stadt K. im Wege einstweiliger Anordnung für die Betroffene vorläufige Betreuung an mit den Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge, Vertretung bei Behörden und Postkontrolle, und bestellte die Beteiligte zu 2), die sich zuvor mit der Übernahme einer umfassenden Betreuung einverstanden erklärt und die vorgenannte Vollmacht vorgelegt hatte, zur vorläufigen Betreuerin und die Beteiligte zu 3) zur Verfahrenspflegerin. Am folgenden Tag fand die richterliche Anhörung der Betroffenen statt, an der die Beteiligte zu 3) teilnahm. Im anschließend von ihr vorgelegten Bericht (Bl. 50 GA) heißt es u.a.:

".....Weiter liegt die Kopie einer notariellen Urkunde vor. Danach hat die Betroffene ihrer Nichte......die Vollmacht erteilt, sie in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten..........."

Der Sachverständige Dr. H. diagnostizierte sodann in seinem vom Amtsgericht eingeholten psychiatrischen Gutachten eine aphasische Störung der Betroffenen, verursacht durch einen apoplektischen Insult, und stellte ferner fest, dass die Betroffene aufgrund dieser Erkrankung nicht in der Lage sei, eigene Angelegenheiten selbst zu besorgen. Die Beteiligte zu 3) legte daraufhin folgenden ergänzenden Bericht vom 27.1.99 vor (Bl. 52, 53 GA):

"Die Unterzeichnende erhält am 27.1.1999 das Gutachten des Sachverständigen Dr. H. vom 18.1.1999. Danach leidet die Betroffene an einem ausgeprägten hirnorganischen Psychosyndrom. Sie bedarf wohl auf Dauer der umfassenden Betreuung.

Nach telefonischer Rücksprache mit der Nichte, Frau B. F. , vom heutigen Tage hat die Betroffene Frau F. am 21.10.94 eine umfassende notarielle Vollmacht für ihre finanziellen Angelegenheiten erteilt.

Frau F. führt weiter aus, die Wohnung der Betroffenen müsse aufgelöst werden. Die Ärzte hätten ihr übereinstimmend erklärt, dass die Betroffene aufgrund ihrer Erkrankung in Zukunft nicht mehr alleine in der Wohnung werde leben können.

Es wird vorgeschlagen, Frau B. F. ........ als Betreuerin der Betroffenen für fünf Jahre mit nachstehend genanntem Aufgabenkreis einzusetzen:

Aufenthaltsbestimmung Gesundheitssorge Genehmigung der Wohnungsauflösung Behördenangelegenheiten Postkontrolle......"

Mit Beschluss vom 8.2.99 ordnete das Amtsgericht endgültige Betreuung an mit den vorgenannten Aufgabenkreisen und dem zusätzlichen Aufgabenkreis: Vermögenssorge.

Für ihre Tätigkeit als Verfahrenspflegerin beantragte die Beteiligte zu 3) die Festsetzung einer Vergütung (in erster Linie) in Höhe von 890,42 DM gemäß § 118 I Nr. 1 und 2 BRAGO (nach einem Gegenstandswert von 8.000,- DM), wohingegen das Amtsgericht - Rechtspflegerin - die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung nach den Stundensätzen des BVormVG ( = 60,- DM) bemaß und diese damit auf 205,46 DM festsetzte. Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3) änderte das Landgericht den angefochtenen Beschluss ab und sprach dieser unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 7.6.2000 (FamRZ 2000, 1280), wonach ein Verfahrenspfleger nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen könne, wenn zusätzlich zur Verfahrenspflegschaft anwaltspezifische Aufgaben übernommen werden, antragsgemäß eine Vergütung nach anwaltlichem Gebührenrecht in Höhe von 890, 42 DM zu.

Die hiergegen eingelegte sofortige weitere Beschwerde der Landeskasse ist gemäß §§ 56 g Abs. 5, 22, 27, 29 Abs. 2 FGG statthaft. Das Landgericht hat das Rechtsmittel gemäß §§ 56 g Abs. 5 S. 2, 67 Abs. 3 S. 3 FGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts, das auf zulässige Erstbeschwerde entschieden hat (§§ 56 g Absatz 5 S. 1, 20, 22 FGG), beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 FGG, 550 ZPO).

Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Da die Betroffene ihrer Nichte bereits eine notarielle Vollmacht erteilt hatte, sei diese auf Wirksamkeit und Umfang zu überprüfen gewesen. Hierzu sei die Einschaltung eines Rechtsanwalts geboten gewesen, da ein Laie für die Beurteilung von Rechtsfragen, wie sie sich hier insbesondere in Bezug auf die Vollmachtserteilung stellen würden, nicht in Betracht komme.

Die Erwägung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Beteiligte zu 3) hatte im Streitfall nicht zusätzlich zur Verfahrenspflegschaft anwaltspezifische Aufgaben zu erledigen, die nach der BRAGO abgerechnet werden dürften, so dass der Senat die Ansicht der Rechtsbeschwerde teilt, dass hinsichtlich des Vergütungsanspruchs der Verfahrenspflegerin für die Anwendung der BRAGO kein Raum ist.

Zwar kann auch die Führung einer Verfahrenspflegschaft - wie das Bundesverfassungsgericht in den beiden vorgenannten Entscheidungen ausgeführt hat - mit solchen rechtlichen Schwierigkeiten verbunden sein, dass ein Verfahrenspfleger ohne volljuristische Ausbildung rechtliche Unterstützung durch einen Anwalt benötigt - also professioneller Rechtsrat vonnöten oder wenigstens üblich ist. Das hätte hier in der Tat der Fall sein können, wenn vernünftige Zweifel an der Wirksamkeit und/oder hinsichtlich des Umfangs der der Beteiligten zu 2) erteilten notariellen Generalvollmacht aufgetreten wären oder bestehen konnten, und deshalb begründete Veranlassung bestanden hätte, durch einen Volljuristen die Vollmacht überprüfen zu lassen. So liegt der Fall hier aber nicht. Solche Zweifel waren von keiner Seite geltendgemacht worden oder angezeigt. Für eine Unwirksamkeit der Vollmacht wegen etwaiger damaliger Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen sprach nichts: Die Vollmacht war gegenüber einem Notar erteilt worden, zudem mehrere Jahre zuvor, nämlich im Jahre 1994, nachdem die Betroffene einen Schlaganfall erlitten hatte. Ferner ergab nicht etwa das vom Amtsgericht eingeholte psychiatrische Gutachten nunmehr Anhaltspunkte, die Geschäftsfähigkeit der Betroffenen zum damaligen Zeitpunkt in Frage zu stellen. Ebensowenig war eine juristische Überprüfung des Umfangs der Vollmacht angesichts der wünschenswerten Klarheit und Deutlichkeit der getroffenen Regelung veranlasst. Solche Überprüfungen vorgenommen zu haben, hatte zudem die Beteiligte zu 3) selbst mit ihrer Erstbeschwerdebegründung vom 28.8.2000 (Bl. 111 GA) noch nicht geltendgemacht. Zu ihren in Rechnung gestellten Tätigkeiten mit einem Zeitaufwand von insgesamt 2,93 Stunden hatte die Beteiligte zu 3) im übrigen in ihrem hilfsweise gestellten Kostenantrag vom 25.8.1999 auch nur angeführt (Bl. 81 GA):

"Erhalt der Unterlagen im einstweiligen Anordnungsverfahren, richterliche Anhörung im Krankenhaus H. und Bericht, Sachverständigengutachten erhalten und gelesen, Telefonat mit der Nichte der Betroffenen, Diktat und Prüfung des Berichts und Kontrolle der richterlichen Entscheidung".

Grundsätzlich hätte hingegen volljuristischer Rat- was die Rechtsbeschwerde weiter geltendmacht - für die Beantwortung der Frage erforderlich werden können, ob und inwieweit die erteilte Vollmacht hinsichtlich einer bestimmten Angelegenheit, nämlich hinsichtlich der der Beteiligten zu 2) bereits zugewiesenen Berechtigung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten, eine amtliche Betreuung entbehrlich machen konnte. Gemäß § 1896 Abs. 2 BGB darf nämlich ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist, was aber ausscheidet, soweit die Angelegenheiten durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1897 Abs. 3 BGB bezeichneten Personen gehört, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Aber auch in einem solchen Fall ist Voraussetzung für die Einholung des Rechtsrats, dass dieser vonnöten ist, um den Wünschen und dem Interesse der Betroffenen gerecht zu werden und dadurch von der Betroffenen mögliche gewichtige Nachteile/Beeinträchtigungen fernzuhalten. Eine solche Konstellation ergab sich im Streitfall aufgrund der Umstände des Falls aber nicht. Da als Betreuerin auch für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge nur die Beteiligte zu 3) in Betracht kam, konnte es für die Betroffene gleichgültig sein, ob der Beteiligten zu 3) die Vermögenssorge aufgrund der Vollmacht oder amtlicher Betreuung anvertraut ist.

Anders mag auch der Fall liegen, wenn die Betroffene eine Vorsorgevollmacht erteilt hat, und Zweifel an deren Wirksamkeit bestehen oder die Frage einer Vollmachtsüberwachungsbetreuung ansteht (§ 1896 Abs. 3 BGB), weil der Betroffene seinen Kontrollanspruch wegen psychischer Erkrankung nicht mehr selbst wahrnehmen kann. Im letzteren Fall vertritt der Senat die Meinung, dass wegen dieses Umstandes nicht schon vorsorglich ein Kontrollbetreuer bestellt werden kann, sondern erst dann, wenn - was anwaltspezifische Beratung erfordert - aufgrund der konkreten Umstände des Falls eine Überwachung auch wirklich geboten erscheint (Beschluss vom 28.6.1999 - 16 Wx 86/99 - OLGReport Köln 2000, 91).

Im Streitfall hätte ein Verfahrenspfleger ohne volljuristische Ausbildung anstelle der Beteiligten zu 3) deshalb zur Wahrnehmung und Durchsetzung der Interessen und Wünsche der Betroffenen im Rahmen der anstehenden Betreuungsanordnung auch keinen Rechtsanwalt eingeschaltet oder einschalten müssen. Der Umstand allein, dass das Amtsgericht für die Betroffene eine Rechtsanwältin als Verfahrenspflegerin bestellt hat, bedeutet nicht, dass sie Tätigkeiten zu erbringen hatte und erbracht hat, die der besonderen Qualifikation eines Rechtsanwalts bedurften.

Ende der Entscheidung

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