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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 03.09.2004
Aktenzeichen: 16 Wx 163/04
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 27
FGG § 29
FGG § 67
FGG § 67 Abs. 1 Satz 1
FGG § 69 Abs. 5 Satz 2
FGG § 69 g
BGB § 1897
BGB § 1897 Abs. 4
BGB § 1897 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2.) bis 5.) wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 13.07.2004 - 4 T 78-81/04 - aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde - an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe: Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2.) bis 5.) sind nach den §§ 69 g, 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 2.) bis 5.) folgt bereits daraus, dass ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist. Das Rechtsmittel hat auch vorläufig Erfolg. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Beschwerdekammer, deren Entscheidung nicht ohne Rechtsfehler ist. Die Beschwerdeführerinnen haben die weitere Beschwerde gegen die Betreuerbestellung zulässigerweise auf die Auswahl des Betreuers gem. § 1897 BGB beschränkt. Dies hat zur Folge, dass der Senat die Voraussetzungen für die Anordnung der Betreuung als solche nicht mehr zu prüfen und sich allein mit der Auswahlentscheidung zu befassen hat. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Auswahlentscheidung ausgeführt, die Anhörung der Betroffenen durch den beauftragten Richter habe ergeben, dass die Führung der Betreuung durch die Beteiligte zu 6.) einem emotionalen Bedürfnis der Betroffenen entspreche. Diesem auf Emotionen beruhenden Wunsch der Betroffenen, die nach dem Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens zu einer rational reflektierten Entscheidung nicht mehr in der Lage sei, sei auch unter Berücksichtigung der Regelungen in § 1897 Abs. 4 und 5 BGB nachzukommen. Diese Begründung trägt die angefochtene Entscheidung nicht, weil sie von unzureichenden tatsächlichen Feststellungen ausgeht. Zudem hat das Landgericht § 67 FGG nicht beachtet. Das Landgericht hat keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die Grundlage für eine Ermessensausübung nach § 1897 Abs. 5 BGB sein können. Diese Vorschrift kommt vorliegend zur Anwendung, weil die Betroffene keinen Vorschlag im Sinne von § 1897 Abs. 4 BGB unterbreitet hat. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerinnen ergibt sich aus der dem Ehemann der Beteiligten zu 5.) erteilten General- und Vorsorgevollmacht vom 01.09.2003 ein solcher Vorschlag nicht. Zwar kann auch in einer wegen Geschäftsunfähigkeit unwirksamen Bevollmächtigung ein Vorschlag zum Ausdruck kommen. Es reicht aus, dass der Betroffene mit natürlichem Willen einen als ernsthaft deutbaren Vorschlag macht. Vorliegend bestehen jedoch durchgreifende Bedenken an der Ernsthaftigkeit eines derartigen am 01.09.2003 geäußerten Wunsches der Betroffenen im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. Er bescheinigt der Betroffenen in seinem Gutachten vom 07.01.2004, sie könne aufgrund der bestehenden - sowohl motorischen (die aktive Ausdrucksfähigkeit betreffend) wie sensorischen (das Sprachverständnis betreffend) - Aphasie allenfalls in einfachsten Zusammenhängen Gesprochenes verstehen. Bei etwas komplexeren Aufgaben komme es bereits zu Verständnisstörungen. Je abstrakter ein sprachlicher Begriff sei, desto schlechter werde er verstanden. Zu Begriffen wie "Vollmacht", "Urkunde" oder "gerichtliche Betreuung" sei eine sinnvolle Kommunikation vollständig unmöglich. Die Betroffene reagiere wegen der bestehen Aphasie mehr auf den emotionalen Gesamteindruck als auf den eigentlichen sprachlichen Inhalt. Da nach den Ausführungen des Sachverständigen und dem übrigen Akteninhalt der Schluss gerechtfertigt ist, dass diese Sprachstörungen der Betroffenen in gleicher Intensität auch bereits zum Zeitpunkt der notariellen Vollmacht am 01.09.2003 bestand, kann nicht festgestellt werden, dass sie seinerzeit dazu in der Lage war, den Inhalt der ihr vom Notar vorgelesenen Urkunde zu verstehen und hierzu einen natürlichen Willen zu äußern. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass sie Betroffene anlässlich des Notartermins den ernsthaften Wunsch zum Ausdruck gebracht hat, Herr X möge derjenige sein, der in Zukunft alle Angelegenheiten für sie besorgen solle. Als Vorschlag im Sinne von § 1897 Abs. 4 BGB können auch nicht die Reaktionen der Betroffenen anlässlich ihrer Anhörung am 30.06.2004 gewertet werden. Dem steht zwar nicht entgegen, dass die Anhörung (gem. der §§ 69 g Abs. 5 Satz 1, 68 Abs. 1 FGG) durch den beauftragten Richter erfolgt ist. Gem. § 69 Abs. 5 Satz 2 FGG kann der beauftragte Richter immer dann eingeschaltet werden, wenn er der Kammer die Anhörung und den persönlichen Eindruck eingehend und nachvollziehbar in den Akten niederlegen kann (BT-Drucks 13/7158, S. 39). Dies ist vorliegend der Fall. Dem Vermerk über die Anhörung vom 30.06.2004 ist sowohl der Gesamteindruck von der Betroffenen als auch die Art der Verständigung durch eine nonverbale emotionale Ausdrucksweise zu entnehmen, so dass aufgrund der getroffenen Feststellungen die Kammer das Ergebnis der Anhörung auch ohne eigenen Eindruck von der Betroffenen zu würdigen vermochte. Auch wenn - wie das Landgericht angenommen hat - die emotionalen Reaktionen der Betroffenen eindeutig auf ihren Wunsch schließen lassen würden, dass die jetzige Betreuerin ihre Tätigkeit fortsetzen solle, ist dies nicht als Vorschlag im Sinne von § 1897 Abs. 4 BGB aufzufassen, da es sich um eine Willensäußerung handelt, die nicht von der Betroffenen selbst ausgegangen ist. Allerdings wäre ein solcher Wunsch der Betroffenen auch im Rahmen der Ermessensausübung gem. § 1897 Abs. 5 BGB zu berücksichtigen. Ausreichende Feststellungen, die Grundlage einer Ermessensausübung bei der Betreuerauswahl sein können, hat das Landgericht jedoch nicht getroffen. Wenn - wie vorliegend - der Betroffene niemand vorschlägt, der zum Betreuer bestellt werden kann, ist gem. § 1897 Abs. 5 BGB bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Betroffenen so wie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen. Das Gericht hat insoweit ein pflichtgebundenes Auswahlermessen unter den geeigneten Personen, das vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht nur auf Ermessensfehler überprüft werden kann. Vorliegend durfte das Landgericht seine Ermessensausübung nicht auf den Wunsch der Betroffenen beschränken. Zwar hat ein solcher Wunsch bei der Auswahl des Betreuers insoweit regelmäßig Vorrang, als ihm sein eigenes Wohl nicht entgegensteht (vgl. BayOblG FamRZ 1994, 530, 531). Entgegen den Ausführungen des Landgericht lässt die Anhörung der Betroffenen den Schluss auf einen ernsthaften Wunsch, der die Suche des Gerichts nach einem geeigneten Betreuer im Kreis der nach § 1897 Abs. 5 bevorzugten Personen entbehrlich machen würde, nicht zu. Zwar kann dem Anhörungsprotokoll entnommen werden, dass die Betroffene mit der Tätigkeit des Beteiligten zu 6.) zufrieden ist und keine Einwände gegen eine Führung der Betreuung durch diese hat. Auch wird deutlich, dass die Betroffene abwehrend auf die Frage reagiert hat, ob nicht einer ihrer Verwandten anstelle der Beteiligten zu 6.) sich nunmehr um ihre Angelegenheiten kümmern solle. Insoweit ergeben sich aber aus der Akte konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihres Wunsches aufkommen lassen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. W reagiert die Beklagte - wie bereits ausgeführt - mehr auf den emotionalen Gesamteindruck als auf den eigentlichen sprachlichen Inhalt, wobei der Sachverständige ausführt, dass das Ausmaß der Sprachstörung vom Unkundigen meist erheblich unterschätzt werde, zumal die Betroffene von ihrer Persönlichkeit her einen sehr freundlich-offenen und vertrauensvollen Eindruck mache. Die vom Sachverständigen geschilderte Art der Reaktion der Betroffenen wird deutlich bei der "Beantwortung" ihr gestellter Fragen. Die Frage des Sachverständigen, ob sie Herrn X kenne und wolle, dass er sich um ihre Angelegenheiten kümmern solle, hat die Betroffene jeweils bejaht, wobei sie bei Beantwortung der ersten Frage den Gutachter angestrahlt und genickt hat. Gleichfalls hat sie die Frage, ob sie im Heim bleiben wolle bejaht und war schließlich verwirrt und zeigte Unverständnis, als sie darauf angesprochen wurde, dass Herr X sie aber aus dem Heim herausholen und wieder zu Hause unterbringen wolle. Ähnlich widersprüchlich hat die Betroffene reagiert, als die Beteiligte zu 6.) sie am 12.09.2003 bei ihrer Nichte, der Beteiligten zu 3) aufgesucht hat. Sie hat auf die Frage der Beteiligten zu 6.), ob sie bei ihrer Nichte bleiben wolle, sehr spontan mit "ja" geantwortet und die Beteiligte zu 6.) schloss aus ihrem Verhalten, dass ein weiterer Aufenthalt der Betroffenen bei ihrer Nichte tatsächlich auch ihrem damaligen momentanen Bedürfnis entsprach. Auch am 16.09.2003 erklärte die Betroffene gegenüber der Beteiligten zu 6.), dass sie weiterhin bei ihrer Nichte bleiben wolle, wohingegen sie sich dann im Alten- und Pflegeheim D noch am selben Tag mit einem weiteren Aufenthalt dort einverstanden erklärte. Auch stehen die Ausführungen der Beteiligten zu 6.) in ihrem Bericht vom 16.09.2003, wonach die Betroffene auf Herrn X angesprochen Angst gezeigt habe, in Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W, nach denen sie auf den Namen X freudig reagiert hat. Dieses Verhalten der Betroffenen zeigt deutlich, dass sie aus der jeweiligen Situation heraus emotional reagiert und ihre Wünsche entsprechend äußert, wobei sie diese jedoch - situationsbedingt - auch wieder spontan ändert. Es bestehen deshalb Bedenken, ihrem anlässlich der Anhörung vom 30.06.2004 geäußerten Wunsch eine Ernsthaftigkeit beizumessen, die weitere Ermittlungen nach einem geeigneten Betreuer im bevorzugten Personenkreis des § 1897 Abs. 5 BGB entbehrlich machen würde. Hinzu kommt, dass sich aus dem Akteninhalt auch Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich die Betroffen entgegen dem Inhalt des Anhörungsprotokolls nicht allen Verwandten gegenüber abwehrend verhält. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang ihr Neffe H W, Herr G I und auch die Beteiligte zu 3). Das Beschwerdegericht hätte deshalb im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) zunächst im Kreis der Verwandten der Betroffenen nach geeigneten Personen suchen, sämtliche für und wieder eine Bestellung sprechenden Gesichtspunkte ermitteln und abwägen müssen. Dabei verkennt der Senat nicht, dass sich aus dem Inhalt der Akten Zweifel an der Geeignetheit der Personen ergeben können, die - aus welchen Gründen auch immer - die Betroffene ohne Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand aus dem Alten- und Pflegeheim herausgeholt und am 17.07. und 01.09.2003 zum Notar zwecks Errichtung notarieller Urkunden verbracht haben, und dass Konflikte unter Angehörigen, die zur Übernahme der Betreuung bereit wären, die Bestellung eines familienfremden Berufsbetreuers dann rechtfertigen, wenn der Betroffene diese Spannungen wahrnimmt, unter ihnen leidet und die Wahl eines familienfremden Betreuers die Spannungen zu mindern geeignet ist (vgl. OLG Köln FamRZ 2000, 188, 189). Das Landgericht wird sich aber dennoch von den als Betreuer aus dem Verwandtenkreis in Frage kommenden Personen einen eigenen Eindruck zu verschaffen und den Sachverhalt weiter aufzuklären haben. Es wird gegebenenfalls die Betroffene erneut anzuhören haben, falls im Kreis der Angehörigen eine geeignete und zur Übernahme der Betreuung bereite Person gefunden werden sollte, um zu klären, ob die Betroffene mit einer Betreuung durch diese Person einverstanden ist oder nach wie vor - ernsthaft - die Betreuung durch die Beteiligte zu 6.) vorzieht. Desweiteren wird das Landgericht auch im Auswahlverfahren der Betroffenen gem. § 67 Abs. 1 Satz 1 FGG einen Verfahrenspfleger zu bestellen haben, da die Betroffene nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W nicht ohne weiteres in der Lage ist, im vorliegenden Verfahren ihren natürlichen Willen kund zu tun. Die Sache war deshalb aufzuheben und zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück zu verweisen.

Ende der Entscheidung

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