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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 11.09.2002
Aktenzeichen: 16 Wx 164/2002
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 43
ZPO § 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 164/2002

In der Abschiebungshaftsache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Dr. Ahn-Roth und Reinemund

am 11.9.2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) werden der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 16.8.2002 - 3 T 275/02 - und des Amtsgerichts Aachen vom 25.7.2002 - 41 XIV 4642 B. - aufgehoben und der Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen der Betroffenen hat der Antragsteller zu tragen.

Gründe:

Durch Beschluss vom 25.7.02 hat das Amtsgericht Aachen gegen die 17-jährige Betroffene antragsgemäß Haft zur Sicherung der Abschiebung für die Dauer von drei Monaten angeordnet. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde blieb erfolglos.

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde (§§ 3, 7 FEVG, 103 AuslG, 27, 29 FGG) ist begründet.

Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts, das auf zulässige Erstbeschwerde entschieden hat (§§ 2o, 22 FGG), beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 FGG). Das Landgericht hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt verfahrensfehlerfrei und damit für den Senat bindend (§ 27 I S. 2 FGG) festgestellt. Die Tatsachenfeststellung trägt die angefochtene Haftanordnung nicht.

Das Landgericht hat im angefochtenen Beschluss ausgeführt: Das Amtsgericht habe mit Recht gegen die Betroffene die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 24.10.2002 angeordnet. Es bestehe sowohl der Haftgrund aus § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG als auch nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AuslG. Die Betroffene halte sich bereits seit 1995 in der Bundesrepublik auf und sei bei der Einreise zusammen ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester im Besitz weder der erforderlichen Aufenthaltsgenehmigung noch eines Passes gewesen. Ihrer Ausreisepflicht sei sie trotz des Umstandes, dass sowohl der Asylantrag als auch zwei Folgeanträge bestandskräftig zurückgewiesen wurden, bisher nicht nachkommen sondern wiederholt untergetaucht. Im Juli 2002 sei sie nunmehr in einer Gaststätte arbeitend angetroffen worden und habe sich mit der Kopie eines gefälschten Reisepasses ausgewiesen. Eigenen Angaben zufolge sei sie seinerzeit zusammen mit ihrer Mutter und Schwester nach Bulgarien ausgereist, wo diese auch jetzt noch seien, und halte sich inzwischen seit vier bis fünf Monaten hier wieder auf und arbeite. Die angeordnete Haftdauer von drei Monaten halte sich im Rahmen des Gesetzes und sei unter Berücksichtigung der zu treffenden Abschiebungsvorbereitungen verhältnismäßig. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots, dem im Falle der Anordnung von Abschiebehaft gegenüber Minderjährigen besondere Bedeutung zukomme. Keine Anhaltspunkte seien dafür vorhanden, dass die Ausländerbehörde diesen Grundsatz nicht beachte oder gar die Betreibung der Abschiebung ungebührlich verzögere.

Diese Ausführungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Rechtsfehlerfrei haben die Vorinstanzen neben der Ausreisepflicht der Betroffenen den Haftgrund des § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AuslG bejaht. Als verdachtsbegründende Umstände sind mit den Vorinstanzen - auch unter dem Gesichtspunkt rechtsuntreuen Verhaltens - anzuführen: Das zweimalige Untertauchen in die Illegalität sowie die Vorlage einer Kopie des Reisepasses einer anderen Person bei ihrer Festnahme. Ferner verfügt die Betroffene im Bundesgebiet über keinen festen Wohnsitz noch eine feste Bindung, womit der hinreichende Verdacht begründet ist, dass die Betroffene, wenn ihre Abschiebung ansteht, für die Behörde nicht ohne besondere Umstände sogleich erreichbar sein werde.

Dennoch entspricht es im vorliegenden Fall nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, gegen die betroffene Minderjährige Haft zur Sicherung der Abschiebung anzuordnen. Gerade Minderjährige werden von der Vollziehung einer Haftanordnung erheblich betroffen und können hierdurch dauerhafte psychische Schäden davontragen. Nach dem verfassungsmäßigen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit allen Verwaltungshandelns, der die Ausländerbehörde in jedem Falle zwingt, das Abschiebungsverfahren mit größtmöglicher Beschleunigung zu betreiben und unverzüglich die notwendige Vorbereitungen für die Abschiebung zu treffen. ist die Verwaltungsbehörde im Falle Minderjähriger darüber hinaus verpflichtet, alle Möglichkeiten zu prüfen, die auf mildere und weniger einschneidende Weise die beabsichtigte Abschiebung sichern können. Dies gilt nicht erst seit dem Erlass des Innenministers vom 17. 7. 02 zur Ergänzung der Richtlinien zur Vorbereitungs- und Sicherungshaft vom 25. 4. 1996, sondern folgt unmittelbar aus der Verfassung. Mildere Mittel zur Vermeidung der Abschiebehaft könnten die Unterbringung in Jugendeinrichtungen, Meldeauflagen, räumliche Beschränkungen des Aufenthaltsortes u. ä. sein. Dass derartige mildere Mittel von der Verwaltung geprüft wurden und warum sie im Einzelfall nicht in Betracht kommen, ist von der Verwaltung bereits in ihrem Haftantrag ausführlich darzustellen. Dazu genügt es nicht, dass ein vom Betroffenen selbst genanntes milderes Mittel als untauglich qualifiziert wird. Fehlt es an einer solchen ausführlichen Darlegung, ist davon auszugehen, dass die Verwaltung die erforderliche Prüfung unterlassen hat und dass daher die Haftvoraussetzungen derzeit nicht vorliegen. Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller lediglich dargelegt, warum eine Unterbringung bei der von der Betroffenen genannten Vertrauensperson zur Sicherung der Abschiebung ungeeignet sei. Warum es keine geeigneten Jugendeinrichtungen gebe oder warum Meldeauflagen nicht ausreichten, ist nicht dargelegt und nicht ersichtlich.

Da die Voraussetzungen für einen Haftantrag von Anfang an fehlten, waren dem Antragsteller gem. § 16 Abs. 1 FEVG auch die Kosten des Verfahren einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Betroffenen aufzuerlegen.

Ende der Entscheidung

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