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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.04.2000
Aktenzeichen: 16 Wx 17/00
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 5 Nr. 2
WEG § 21 Abs. 4
WEG § 23 Abs. 3
WEG § 21 Abs. 5
WEG § 47
WEG § 48
BGB § 288
BGB § 291
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 17/00 29 T 178/99 - LG Köln - 204 II 266/98 - AG Köln -

In der Wohnungseigentumssache

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Dr. Ahn-Roth

am 14.04.2000 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Köln vom 21.05.1999 - 204 II 266/98 - und des Landgerichts Köln vom 14.12.1999 - 29 T 178/99 - abgeändert.

Der Beschluss zu TOP 02 der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 10.08.1998 wird für ungültig erklärt.

Die Antragsgegner zu 2 e), g), h), i), j), m) und n) werden als Gesamtschuldner verpflichtet, an die Antragsteller 540,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27.11.1998 zu zahlen.

Die Antragsgegner haben die in allen Instanzen entstandenen Gerichtskosten zu tragen; außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 60.000,00 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind Miteigentümer der im Rubrum bezeichneten Wohnungseigentumsanlage, die aus einem Vorder- und einem Hinterhaus besteht. In einem Nachtrag zur Teilungserklärung ist bestimmt, dass die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten, einschließlich Rücklage, Betriebskosten und Verwaltungskosten für beide Häuser getrennt abgerechnet werden. In der Vergangenheit wurde deswegen über kostenverursachende Maßnahmen von beiden Hausgemeinschaften getrennt abgestimmt.

Der Antragsteller ist u. a. Eigentümer der im Hinterhaus gelegenen Wohnung Nr. 15, vor der eine im Aufteilungsplan als "Dachterrasse" bezeichnete Flachdachfläche von 57,62 qm liegt, die in der Vergangenheit als Terrasse genutzt worden war. Anläßlich der Ermittlung von Ursachen für Risse in den Wohnungen Nr. 14 und 16 kam der Sachverständige Dipl.-Ing. M. zu dem Ergebnis, dass im Bereich der genannten Fläche die vorhandene Dachkonstruktion zwar als gewöhnliches "Schneelastdach" ausreiche, nicht jedoch für eine Nutzung der Dachfläche als Dachterrasse, die nur nach dem Einbau von Verstärkungen möglich sei. Auf Antrag des Antragstellers wurden daraufhin die an der Hinterhausgemeinschaft beteiligten Miteigentümer zu einer auf den 16.07.1998 anberaumten Versammlung geladen. Nachdem der Verwalter erläutert hatte, dass die Dachterrasse aus Sicherheitsgründen derzeit nicht genutzt werden könne, beschloss die Gemeinschaft mehrheitlich die statischen Voraussetzungen kostengünstig zu schaffen und die Art der Ausführung von der Empfehlung der Architekten J. und R. abhängig zu machen. Deren Kosten seien nicht von der Gemeinschaft zu tragen, während die Kosten für die erforderlichen Maßnahmen aufgebracht werden sollten durch Entnahme eines Teilbetrages von 30.000,00 DM aus der Instandhaltungsrücklage und im übrigen über eine Sonderumlage. Unter dem 03.08.1998 erstellte der Architekt R. eine Kostenschätzung, nach der die Maßnahme etwa 60.000,00 DM kostet. In einer weiteren außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 10.08.1998 beschloss die Hinterhausgemeinschaft unter TOP 02 gegen die Stimmen des Antragstellers den Beschluss aus der Versammlung vom 16.07.1998 über die Schaffung der statischen Voraussetzungen zur Nutzung der Dachterrasse für ungültig zu erklären.

Der Antragsteller wendet sich gegen den Beschluss zu TOP 02 mit einem Anfechtungsantrag und verlangt weiter für die Monate Oktober und November 1998 540,00 DM nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit, weil der Mieter der Wohnung wegen der fehlenden Nutzbarkeit der Dachterrasse die Miete um monatlich 240,00 DM (= 15 % der Nettokaltmiete) mindere.

Amts- und Landgericht haben die Anträge zurückgewiesen. Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren mit der Maßgabe weiter, dass er den Zahlungsantrag nur noch gegen die Mitglieder der Hinterhausgemeinschaft geltend macht.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG; § 45 Abs. 1 WEG) und begründet.

Die Entscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung (§§ 27 FGG, 550 ZPO) nicht stand, wobei der Senat in der Sache selbst entscheiden kann, da der Sachverhalt keiner weiterer Ermittlungen bedarf.

Beide Anträge sind begründet.

1. Anfechtungsantrag

Der Beschluss zu TOP 2 der Eigentümerversammlung vom 10.08.1998 (Zweitbeschluss) war für ungültig zu erklären, da er nicht ordnungsgemäßer Verwaltung i. S. d. § 21 Abs. 3 i. V. m. Abs. 5 Nr. 2 WEG entspricht.

Das Landgericht hat gemeint, der Zweitbeschluss sei dahin auszulegen, dass damit die Durchführung der Baumaßnahme abgelehnt werde. An einer entsprechenden Beschlussfassung sei die Gemeinschaft nicht gehindert gewesen, weil der Erstbeschluss wegen Überschreitens der Beschlusskompetenz der Hinterhausgemeinschaft nichtig sei und daher durch diesen subjektive Rechte des Antragstellers nicht begründet worden seien.

Dem liegt zwar eine zutreffende rechtliche Beurteilung der Regelungskompetenz einer Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen eines Zweitbeschlusses zugrunde (vgl. BGHZ 113, 197, 200). Auch teilt der Senat, der den Beschluss selbst auslegen kann (vgl. BGH NJW 1998, 3713 = NZM 1998, 955), die Auffassung des Landgerichts, dass in der Aufhebung des früheren Beschlusses zugleich eine Ablehnung der von dem Antragsteller begehrten Baumaßnahme liegt. Gerade dies war mit dem Beschluss bezweckt und in diesem Sinne haben ihn alle Beteiligten verstanden.

Der rechtliche Ansatzpunkt des Landgerichts, dass der Erstbeschluss nichtig gewesen sei, trifft indes nicht zu.

a)

Die Hinterhausgemeinschaft war befugt, über die von dem Antragsteller begehrte bauliche Maßnahme, in welcher Weise auch immer, sei es positiv oder negativ, abzustimmen.

Wenn - wie vorliegend - die Gemeinschaftsordnung eine Regelung enthält, dass die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten für beide Häuser getrennt abzurechnen sind, so folgt hieraus zugleich die Befugnis über die (kostenauslösende) Maßnahme selbst zu befinden (vgl. BayObLG DNotZ 1985, 414); Göken WE 1998, 129). Auch handelt es sich um eine Instandsetzungsmaßnahme.

Ausweislich des Teilungsplans ist die Fläche als "Dachterrasse" der Wohnung Nr. 15 zugeordnet und Teil dieses Sondereigentums, was auch dadurch deutlich wird, dass sie mit der hälftigen Quadratmeterzahl in die Wohnflächenberechnung eingeflossen ist. Auch handelt es sich - wie bereits dem Plan zu entnehmen ist - und im übrigen von dem Antragsteller unwidersprochen vorgetragen wurde - nicht etwa um eine offene, sondern um eine durch Mauern und Geländer abgeschlossene Terrasse, so dass die Sondereigentumsfähigkeit nicht zweifelhaft sein kann (vgl. BayObLG NZM 1998, 408; Merle a.a.O. § 5 Rdn. 27; Weitnauer, WEG 8. Auflage, § 5 Rdn. 10).

Wenn allerdings die Terrasse aufgrund von baulichen Mängeln der zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Unterkonstruktion nicht als solche genutzt werden kann, sondern derzeit die statischen Gegebenheiten nur für ein "Schneelastdach" ausreichen, hat der Eigentümer der Wohnung gegen die Gemeinschaft einen aus § 21 Abs. 4, Abs. 5 Ziff. 2 WEG folgenden Anspruch auf erstmalige Herstellung eines dem Aufteilungsplan entsprechenden Zustandes der Wohnungsanlage (vgl. BayObLG WE 1997, 73; Senat OLGR Köln 1999, 365; Merle a.a.O. § 21 Rdn. 121).

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft durch die Angelegenheit mitbetroffen sein könnte. Ein sog. Blockstimmrecht nur eines Teils der Wohnungseigentümer scheidet zwar unabhängig von der Kostenregelung dann aus, wenn ein Beschluss Auswirkungen auf das äußere Erscheinungsbild und den Charakter der ganzen Anlage hat (Göken a.a.O.; Merle a.a.O. § 25 Rdn. 77), beispielsweise die Anbringung eines Walmdaches statt eines Flachdaches (Senat WE 1998, 191).

Um einen derartigen Fall handelt es sich vorliegend indes nicht. Infolge der Instandsetzungsmaßnahme wird das äußere Erscheinungsbild des Hinterhauses ersichtlich nicht nennenswert tangiert, da - wie das Landgericht im Tatsächlichen zutreffend ausgeführt hat - eine Veränderung gegenüber dem bisherigen Zustand nur dadurch eintritt, dass eine neue Balkenlage verlegt und der Bodenbelag erneuert werden muss. Es ist daher noch nicht einmal ersichtlich, dass diese Maßnahme, die letztlich nur eine Erhöhung der Flachdachkonstruktion zur Folge hat, da der obere Belag dem ursprünglichen angepasst werden kann, überhaupt für einen unbefangenen Betrachter sichtbar sein wird, zumal eine Ummauerung bzw. ein Geländer vorhanden ist. Der hohe Kostenaufwand alleine, auf den das Landgericht sich zur Begründung der gegenteiligen Auffassung stützt, kann kein entscheidendes Kriterium sein. Maßgeblich ist nicht der Umfang der Baumaßnahme, sondern die durch Maßnahme bedingte Veränderung des Erscheinungsbildes der Anlage.

b)

Da die Hinterhausgemeinschaft befugt war, den Erstbeschluss zu fassen, durfte sie ihn nur wieder aufheben, wenn der Zweitbeschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach. Dies ist nicht der Fall.

Hierbei kann es offen bleiben, ob alleine schon wegen der Tatsache, dass ein Erstbeschluss die Maßnahme gebilligt hatte, schutzwürdige Belange des Antragstellers einem abweichenden Zweitbeschluss entgegen standen, was zweifelhaft ist, weil im Zeitpunkt der erneuten Beschlussfassung die Monatsfrist des § 23 Abs. 3 WEG für eine Anfechtung des Erstbeschlusses noch nicht abgelaufen war. Jedenfalls war die Ablehnung der Baumaßnahme deswegen rechtswidrig, weil der Antragsteller - wie ausgeführt - gem. § 21 Abs. 4, Abs. 5 WEG einen Anspruch auf deren Durchführung hatte.

c)

Da die Aufhebung des Zweitbeschlusses die Folge hat, dass der Erstbeschluss weiter wirksam ist, erübrigen sich zu weiteren Fragen Ausführungen, insbesondere zu den Verfahrensrügen des Antragstellers und dazu, ob nicht in dem Anfechtungsantrag zugleich ein Antrag auf Zustimmung zu der Baumaßnahme bzw. auf gerichtliche Ersetzung der Zustimmung liegt (vgl. hierzu OLG Schleswig FG Prax 1999, 51 = WuM 1999, 180).

2. Schadensersatzanspruch

Die Mitglieder der Hinterhausgemeinschaft, die den Zweitbeschluss gefasst haben, sind verpflichtet, an den Antragsteller wegen Mietausfalls für die Monate Oktober und November 1998 Schadensersatz in Höhe von 540,00 DM zu zahlen.

Wenn wegen des baulichen Zustandes des gemeinschaftlichen Eigentums, mag dieser auch von Anfang an so vorhanden gewesen sein, ein Sondereigentum nicht oder nur mit Einschränkungen genutzt werden kann, so haften die Wohnungseigentümer, die es schuldhaft unterlassen, die erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen zu veranlassen, dem Sondereigentümer für den entstandenen Schaden (vgl. z. B. BayObLG OLGR 1998, 9 = NZM 1998, 409; Senat OLGR Köln 1998, 225; Merle a.a.O. § 21 Rdn. 176). Um einen derartigen Fall handelt es sich hier. Dass aufgrund einer unzureichenden Statik die zum Sondereigentum des Antragsteller gehörende Dachterrasse nicht als solche genutzt werden konnte, stand aufgrund eines Gutachtens fest. Ferner war nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Antragstellers den Mitgliedern der Hinterhausgemeinschaft von dem Verwalter die Rechtslage zutreffend erläutert worden. Wenn sie gleichwohl meinten, die Baumaßnahme aus Kostengründen ablehnen zu müssen, und auch der Anregung des Antragsteller nicht zu entsprechen, einen Rechtsanwalt mit der Klärung der Rechtslage zu beauftragen, ist ihr Verschulden und damit ihre Haftung dem Grunde nach evident.

Der Antragsteller hat ferner, ohne dass die Antragsgegner dem substantiiert entgegen getreten sind, dargetan, dass der Mieter die Miete wegen der fehlenden Nutzbarkeit der Dachterrasse um 15 %, also in einer durchaus angemessenen Größenordnung mindere und ihm deswegen ein Schaden von monatlich 270,00 DM entstehe. Auch kann davon ausgegangen werden, dass ohne den rechtswidrigen Zweitbeschluss die erforderlichen Baumaßnahmen bereits vor Oktober 1998 abgeschlossen gewesen wäre.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288, 291 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, den im wesentlichen unterlegenen Antragsgegnern die Gerichtskosten aufzuerlegen, wobei die teilweise Antragsrücknahme wegen de Zahlungsantrags wert- und kostenmäßig nicht ins Gewicht fällt. Für eine ausnahmsweise Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten bestand keine Veranlassung.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 48 WEG und entspricht den Wertfestsetzungen der Vorinstanzen.



Ende der Entscheidung

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