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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.09.2002
Aktenzeichen: 16 Wx 176/2002
Rechtsgebiete: KiAustrG NW


Vorschriften:

KiAustrG NW § 4 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 176/2002

In der Betreuungssache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Dr. Ahn-Roth

am 18.9.2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3) wird der Beschluss des Landgerichts Bonn vom 25.7.2002 - 4 T 213/02 - teilweise abgeändert und die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 14.3.2002 - 37 XVII M 880 - insgesamt zurückgewiesen, d.h. die Beteiligte zu 4) wird als Betreuer entlassen und für die Aufgabenkreise Vertretung in Vermögensangelegenheiten einschließlich Renten- und Unterhaltsforderungen sowie Sozialhilfe- und Wohnungsangelegenheiten mit der dazugehörigen Postkontrolle ebenfalls der Beteiligte zu 3) zum Betreuer für die Betroffene bestellt.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

Rechtsbeschwerdewert: 2.000,- Euro

Gründe:

Das Amtsgericht hat für die Betroffene auf Anregung der Beteiligten zu 2) - ihrer Tochter - mit Beschluss vom 14.3.2002 wegen einer ausgeprägten Demenz umfassende Betreuung angeordnet und den Beteiligten zu 3) als Sohn zum Betreuer bestellt. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss den Beteiligten zu 3) hinsichtlich der Aufgabenkreise Vertretung in Vermögensangelegenheiten einschließlich Renten- und Unterhaltsforderungen sowie Sozialhilfe- und Wohnungsangelegenheiten mit der dazugehörigen Postkontrolle aus dem Betreueramt entlassen und hierfür die Beteiligte zu 4) als Berufsbetreuerin bestellt, und die weitergehende Beschwerde zurückgewiesen, d. h. die Betreuerbestellung des Beteiligten zu 3) verbleibt für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Entscheidung über eine Unterbringung und freiheitsbeschränkende Maßnahmen sowie Gesundheitsfürsorge.

Die hiergegen gerichtete zulässige Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 3) hat Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Gesetzesverletzung (§ 27 FGG).

Das Landgericht hat ausgeführt: Der Beteiligte zu 3) habe die von der Beteiligten zu 2) aufgeworfenen Bedenken hinsichtlich seiner Eignung zur Führung der Betreuung hinsichtlich der Aufgabenkreise Vertretung in Vermögensangelegenheiten einschließlich Renten- und Unterhaltsforderungen sowie Sozialhilfe- und Wohnungsangelegenheiten nicht ausgeräumt. Die zu Gunsten der Betroffenen bestehenden dinglichen Sicherheiten in Form des im Jahre 1976 im Erbauseinandersetzungsvertrag begründeten unentgeltlichen Wohnrechts und der späteren im Jahre 1985 als Ersatz für das Wohnrecht vereinbarte und durch Eintragung einer Reallast dinglich gesicherte Leibrente über monatlich 200 DM seien nach und nach aufgehoben worden, und auf die letztere seien jedenfalls seit Mai 1994 keine Zahlungen des Beteiligten zu 3) mehr erfolgt, wobei mangels dessen Mitwirkung letztlich nicht habe geklärt werden können, ob die Leibrentenvereinbarung im Jahre 1994 tatsächlich durch einverständliche Regelung aufgehoben worden sei. In der Gesamtschau stehe jedoch fest, dass zwischen dem Beteiligten zu 3) und der Betroffenen in den Jahren 1985 bis 1994 Vereinbarungen getroffen worden seien, die für die letztere im Ergebnis finanziell nachteilig waren und den Beteiligten zu 3) begünstigten. Wenn die Vereinbarungen seinerzeit zwar auch dem Willen der Betroffenen entsprochen haben mögen, so würden sie doch heute insbesondere vor dem Hintergrund des Verhaltens des Beteiligten zu 3) im Beschwerdeverfahren die Gefahr begründen, dass dieser der Betroffenen in vermögensrechtlicher Hinsicht Schaden zufügen könnte. Letztlich bestehe auf Grund des Verhaltens des Beteiligten zu 3) auch die Gefahr einer Interessenkollision. Da dieser trotz einer ausdrücklichen entsprechenden Anforderung weder den Erbauseinandersetzungsvertrag noch die Vereinbarung über die Aufhebung des Leibrentenvertrages und Löschung der Reallast vorgelegt habe, sei nicht ausgeschlossen, dass die Betroffene aus den beiden Verträgen noch Ansprüche gegenüber dem Beteiligten zu 3) habe. Deshalb sei der Beteiligte zu 3) für die vorgenannten Aufgabenkreise aus dem Betreueramt zu entlassen und, da die Beteiligte zu 2) zur Übernahme der Betreuung nicht bereit sei, hierfür die von der Betreuungsstelle des Landratsamts C. vorgeschlagene Beteiligte 4) zur Betreuerin zu bestellen.

Die Ausführungen halten der im Verfahren der weiteren Beschwerde allein zulässigen rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Auffassung des Landgerichts, der Beteiligte zu 3) sei als Betreuer hinsichtlich der Aufgabenkreise Vertretung in Vermögensangelegenheiten einschließlich Renten- und Unterhaltsforderungen sowie Sozialhilfe- und Wohnungsangelegenheiten nicht geeignet, ist nicht gerechtfertigt. Das Landgericht hat insoweit die in § 1897 Abs. 1 BGB geregelte Geeignetheit für die Betreuerbestellung nicht rechtsfehlerfrei beurteilt und den in § 1897 Abs. 5 BGB statuierten Vorrang der Angehörigen bei der Betreuerauswahl nicht hinreichend berücksichtigt.

Die Beurteilung der Geeignetheit als unbestimmter Rechtsbegriff (vgl. MünchKomm/Schwab, BGB 3. Aufl., § 1897 Rn. 25 i.V.m. § 1779 Rdnr. 4 f; BayObLG FamRZ 1996, 507 m.w.N.) kann vom Rechtsbeschwerdegericht darauf überprüft werden, ob relevante Umstände unvertretbar über- oder unterbewertet oder wesentliche Umstände unberücksichtigt geblieben sind (vgl. Senatsbeschluß vom 19.5.1999 - 16 Wx 33/99 -/FamRZ 2000, 512 m. w. N.; BayObLG aaO). Das ist hier der Fall, so dass die Ausführungen des Landgerichts die geäußerten Bedenken gegen die Geeignetheit des Beteiligten zu 3) nicht tragen und damit zu einer fehlerhaften Ausübung des Auswahlermessens bei der Betreuerbestellung führen. Mit Recht macht der Beteiligte zu 3) geltend, dass gegen seine Eignung als Betreuer nicht die genannten Vereinbarungen in den Jahren 1985 bis 1994 anzuführen sind. Mit der notariellen Vereinbarung vom 3.7.85, die die Beteiligte zu 2) mit dem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 10.7.2002 vorgelegt hatte, war aus steuerrechtlichen Gründen das durch den Erbauseinandersetzungsvertrag für die Betreute begründete Wohnrecht (Altenteilsrecht) aufgehoben worden und als Ersatz hierfür mit Wirkung vom 1.7.85 zugunsten der Mutter eine Leibrente mit einem Betrag von monatlich 200 DM getreten, dinglich gesichert durch eine im Grundbuch eingetragene Reallast (Bl. 134 GA); zugleich wurde zwischen der Mutter und dem Beteiligten zu 3) ein Mietvertrag über die Wohnung abgeschlossen. Dafür, dass diese Umwandlung des Wohnrechts in eine an der Miete orientierte und dinglich gesicherte Leibrente für die Betroffene (und auch in nennenswertem Umfang) vermögensschädlich gewesen wäre, ist nichts ersichtlich. Davon abgesehen war die Betroffene zu dem Zeitpunkt - was der Beteiligte zu 3) mit Recht geltend macht und das Landgericht unberücksichtigt gelassen hat - voll geschäftsfähig, sodass sie etwaig daraus resultierende, allenfalls geringfügige finanzielle Einbußen - aus welchen Gründen auch immer - offensichtlich akzeptieren wollte. Ferner hat der Beteiligte zu 3) zwar die vom Landgericht angeforderte Vereinbarung über die Aufhebung des Leibrentenvertrages nicht vorgelegt und stattdessen erklärt, mit notariellem Vertrag vom 24.5.1994 sei die von seiner Mutter bewohnte Eigentumswohnung verkauft und in diesem Zusammenhang die Leibrentenvereinbarung einverständlich aufgehoben und die Reallast gelöscht worden (Bl 115 GA), und weil die Eigentumswohnung also nicht mehr vorhanden und die Betroffene auch im Jahre 1994 zu ihm nach C. verzogen ist, seien naturgemäß von ihm keine Leibrentenzahlungen mehr zu erbringen gewesen und auch nicht mehr erbracht worden. Soweit der Wegfall der Leibrente demgemäss eine entsprechende finanzielle Einbuße für die Betroffene bedeutete, und den Beteiligten zu 3) entsprechend begünstigte, lässt sich allein damit dessen Ungeeignetheit zur Besorgung der vermögensrechtlichen Angelegenheiten der Betroffenen nicht begründen. Denn auch zu diesem Zeitpunkt war die Betroffene noch voll geschäftsfähig, sodass einiges dafür spricht, dass sie den Wegfall der Leibrente bewusst hingenommen bzw. als Ausgleich für andere Dinge (wie etwa Umzug zu ihrem Sohn) gesehen hat. Der Umstand kann daher hier nicht die Befürchtung rechtfertigen, der Beteiligte zu 3) werde die Gelder seiner Mutter nicht in ihrem Sinne verwalten und zu ihren Lasten (und seinen Gunsten) vermögensschädliche Verfügungen vornehmen. Nach den auf die Anforderung des Landgerichts ergangenen und unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beteiligten zu 3) bezieht diese nur eine monatliche Rente in Höhe von 1.240 EUR, von der sie für das Seniorenwohnheim nach Abzug der Leistungen aus der Pflegeversicherung bereits ca. 990 EUR aufbringen muß, und beträgt ihr Barvermögen (lediglich) rund 14.500 EUR (Bl. 124 GA). Deshalb sind ebenso wenig die vom Landgericht angeführten Umstände geeignet, die ernsthafte Gefahr eines Interessenkonflikts in der Person des Sohnes der Betroffenen zu begründen. Zum Ausschluss als Betreuer wäre zwar nicht der Nachweis einer konkreten Interessenkollision erforderlich, es genügte vielmehr, wenn konkrete Verdachtsgründe in der Person oder dem Verhalten des Verwandten die Annahme rechtfertigen, dessen Bestellung und Betreuungstätigkeit könnten dem Wohl des Betreuten zuwiderlaufen (so schon OLG Düsseldorf BtPrax 95, 110; a.A. Palandt/Diederichsen BGB, 60.Aufl., § 1897 Rdnr. 7). Die Annahme setzt mithin die ernsthafte Gefahr von Interessenkollisionen voraus, die sich schädlich auf das Wohl der Betreuten auswirken würden, eine nur abstrakte Gefahr einer Interessenkollision oder nur geringfügiger Interessenkonflikte könnte hingegen nicht ausreichen, einen nahen Angehörigen zu übergehen (vgl. Senat in FamRZ 99, 54 m. w. N. und FamRZ 2000, 512; BayObLG Rpfleger 94, 110; Palandt/Diederichsen aaO). Hier indes fehlen für die vom Landgericht angenommene Interessenkollision begründete Anhaltspunkte; denn dafür, dass noch Ansprüche der Betroffenen gegen den Beteiligten zu 3) aus dem Erbauseinandersetzungsvertrag oder der Leibrentenvereinbarung bestehen, spricht nichts. Das Landgericht hat es im Hinblick darauf, dass der Beteiligte zu 3) trotz seiner Aufforderung die Verträge nicht vorgelegt hatte, auch nur nicht ausschließen wollen, dass der Betroffenen aus den beiden Verträgen noch Ansprüche gegenüber dem Beteiligten zu 3) zustehen.

Schließlich können allein die erheblichen Spannungen zwischen den Halbgeschwistern ebenso wenig einen Grund abgeben, die Eignung des Beteiligten zu 3) als Betreuer für die betreuungsbedürftige Mutter in Frage zu stellen, denn nichts ist dafür ersichtlich oder dargetan, dass der Umstand - was hierfür aber erforderlich wäre (vgl. den Beschluss des Senats vom 19.5.1999 - 16 Wx 33/99 = FamRZ 2000, 512) - für eine objektive und sachgerechte Betreuungstätigkeit durch den Beteiligten zu 3) in nennenswertem Ausmaß abträglich ist und dessen Betreuung sich also nachteilig auf deren Wohl auswirken würde.

Steht mithin auch für die fraglichen Aufgabenkreise der Beteiligte zu 3) als Betreuer zur Verfügung, muss diesem vor einem familienfremden Betreuer der Vorzug gegeben werden und ist deshalb der amtsgerichtliche Beschluss wiederherzustellen dadurch, dass die Beteiligte zu 4) als Betreuer entlassen und der Beteiligte zu 3) erneut zum Betreuer auch für diese Aufgabenkreise bestellt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Ende der Entscheidung

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