Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 10.10.2006
Aktenzeichen: 16 Wx 199/06
Rechtsgebiete: VBVG, HeimG


Vorschriften:

VBVG § 5 Abs. 2
VBVG § 5 Abs. 2 Satz 2
VBVG § 5 Abs. 3
VBVG § 5 Abs. 3 Satz 1
HeimG § 1 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 15.08.2006 - 1 T 270/06 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Betroffene stand seit dem 06.05.2005 bis zu seinem Tod unter Betreuung, für die Beteiligte zu 1. als Berufsbetreuer bestellt worden war.Die Betreuung war für die Bereiche Aufenthalt, Gesundheitsfürsorge, Vermögensangelegenheiten, Vertretung bei Behörden und Empfang der Post eingerichtet worden. Der Betreute befand sich bereits seit dem 13.04.2005 in dem Hospiz W in L. Er litt u. a. an einer Verschlusskrankheit in den Beinen, an einem fortgeschrittenen Hypopharynxkarzinom und war oberschenkelamputiert. Nach dem fachärztlichen Gutachten vom 29.04.2005 bestand zu diesem Zeitpunkt eine ungünstige Prognose hinsichtlich einer Besserung des Zustandes; der Gutachter hielt eine vollstationäre Unterbringung in einem Heim für erforderlich. Dem hat sich eine zweite Gutachterin unter dem 12.05.2005 angeschlossen, die zu dem Ergebnis kam, dass im Rahmen "der Präterminalpflege die Notwendigkeit einer vollstationären Hospizversorgung" bestehe.

Der Betreuer hat mit verschiedenen Anträgen insgesamt Vergütung für die Zeit vom 01.07.2005 bis 25.01.2006 sowie Festsetzung dieser Ansprüche gegen die Staatskasse für den mittellosen Betroffenen beantragt und dabei jeweils die Stundenansätze nach § 5 Abs. 2 Satz 2 VBVG zugrunde gelegt, die für einen nicht in einem Heim untergebrachten Betreuten Anwendung finden. Das Amtsgericht hat hiervon abweichend eine Heimunterbringung angenommen und dementsprechend - auf der Basis geringerer Stundenanzahl - statt der beantragten 1.579,59 € lediglich 1.047,20 € festgesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg, da das Landgericht ebenso wie das Amtsgericht den Hospizaufenthalt als Heimunterbringung angesehen hat. Gegen diese Entscheidung richtet sich das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel des Betreuers.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist infolge ihrer Zulassung statthaft (§§ 69e S. 1, 56 g Abs. 5 S. 2 FGG) und auch im übrigen zulässig.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung stand (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Zur Begründung kann auf die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts Bezug genommen werden. Das Vorbringen in der Rechtsbeschwerde veranlasst noch zu folgenden ergänzenden Überlegungen.

Zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass sich im vorliegenden Fall die Vergütung nach den Ansätzen für einen mittellosen Betreuten, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heim hat, bemißt ( § 5 Abs. 2 Satz 1 VBVG).

Es wird auch von dem Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen, dass das Hospiz W eine Einrichtung im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 1 VBVG ist, die dem Zweck dient, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig ist und entgeltlich betrieben wird (vgl. beispielsweise Fröschle, Betreuungsrecht 2005 Rn. 292 ff).

Entscheidend für die Abrechnung auf der Basis des reduzierten Stundenansatzes ist, ob der Betreute seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Heim begründet hat (so die BT-Drucksache 15/2494, S. 32; Dodegge, NJW 2005,1896 FN 22). Das Landgericht hat unter Verweis auf den gesundheitlichen Zustand des Betreuten zu Recht bejaht, dass der Betroffene im Hospiz W seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Unter dem gewöhnlichen Aufenthalt ist der Ort zu verstehen, an dem der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person, ihr Daseinsmittelpunkt liegt. Zu fordern ist einmal ein Aufenthalt von einer gewissen Dauer, die zum Unterschied von dem einfachen oder schlichten Aufenthalt nicht nur gering sein darf, zum anderen auch das Vorhandensein weiterer sozialer Beziehungen, in denen - im Vergleich zu einem sonst in Betracht kommenden Aufenthaltsort - der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person zu sehen ist. Dies entspricht sowohl der bisherigen höchstrichterlichen Rechsprechung zum gewöhnlichen Aufenthalt (so z.B. BGH FamRZ 1993, 798), als auch der Rechtsprechung des Senats sowie weiteren Obergerichten zu § 5 Abs. 2 , Abs. 3 VBVG (vgl. Senat vom 29.06.2006 - 16 Wx 207/06; Senat vom 09.06.2006 - 16 Wx 104/06; OLG München vom 28.07.2006 -33 Wx 075/06; OLG München vom 04.07.2006 - 33 Wx 40/06 - je m.w.N.).

Es ist deshalb im Einzelfall darauf abzustellen, ob sich der Betroffene nur vorübergehend oder voraussichtlich auf längere Dauer in der Einrichtung aufhalten wird.

Für diese Beurteilung ist für den Senat allerdings nicht die Frist des § 1 Abs. 4 HeimG (drei Monate) maßgebend (vgl. dazu die Entscheidung vom 09.06.2006, a.a.O.) Vielmehr sind zur abschließenden Beurteilung des Aufenthaltsortes die Gesamtumstände von Bedeutung.

Der allein stehende Betroffene, der über keine familiären Bindungen verfügte, hat sich bis zu seinem Tode über acht Monate in dem Hospiz aufgehalten. Bei seiner Einlieferung war nach den ärztlichen Gutachten, die eine schwere, nicht mehr heilbare Erkrankung attestierten, nicht mehr damit zu rechnen, dass der Betroffene jemals wieder in einer eigenen Wohnung oder in einer Wohngemeinschaft außerhalb einer Klinik oder eines Hospizes wird leben können. Zu Recht weist das Beschwerdegericht auf die Feststellungen der Gutachterin T vom 12.05.2005 hin, wonach bereits damals die Notwendigkeit vollstationärer Hospizversorgung bestanden habe. Dementsprechend hat der Betreuer im Einverständnis mit dem Betreuten im Juni 2005 dessen Wohnung gekündigt und aufgelöst. Ein Wiedereinzug in eine eigene Wohnung wurde weder vom Betreuer noch vom Betroffenen selbst in Aussicht genommen. Einen sonstigen anderen Daseinsmittelpunkt als das Hospiz bestand für den Betroffenen nicht mehr, weil neben seiner früheren Wohnung kein weiterer Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen erkennbar ist. Unter diesen Voraussetzungen ist der Ort der Einrichtung sodann von Anfang an als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen (vgl. OLG München vom 4.7.2006 - 33 Wx 060/06).

Soweit der Betreuer nunmehr darauf hinweist, dass noch im Juni 2005 ein Umzug in ein Pflegeheim überlegt worden sei, hätte ein solcher Umzug nichts an einer Heimunterbringung geändert. Denn auch in diesem Fall wäre ein in Betracht kommendes Pflegeheim der gewöhnliche Aufenthaltsort geworden, so dass es bei dem Aufenthaltsort "Heim" im Sinne des § 5 Abs. 3 VBVG geblieben wäre.

Für die Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthaltes spielt es - anders als der Rechtsmittelführer meint - ebenfalls keine Rolle, dass die den Aufenthalt zahlende Krankenkasse monatlich abgerechnet hat und in diesem Zusammenhang jeweils neu die Voraussetzungen einer Hospizprüfung geprüft hat. Denn entscheidend für die Bejahung eines Heimaufenthaltes sind Lebensumstände des Betroffenen: hingegen können die abrechnungstechnischen Bedingungen der finanzierenden Krankenkasse darauf keinen Einfluss nehmen.

Damit bleibt es bei der vom Amtsgericht Köln festgesetzten Vergütung.

Die Entscheidung ergeht kostenfrei.

Ende der Entscheidung

Zurück