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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 08.12.2003
Aktenzeichen: 16 Wx 200/03
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 28 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 200/03

In der Wohnungseigentumssache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Appel-Hamm und Sturhahn

am 08. Dezember 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin werden der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 18.09.2003 - 2 T 51/03 - sowie der Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 13.02.2003 - 12 UR II 212/02 WEG - aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin berechtigt ist, sich durch ihren Lebensgefährten R. S. in den Eigentümerversammlungen vertreten zu lassen.

Die Gerichtskosten aller drei Instanzen tragen die Antragsgegner. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 43 Abs. 1 Ziffer 1, 45 Abs. 1 WEG, 22, 27, 29 FGG) und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Der Senat ist entgegen der Entscheidungen der Vorinstanzen der Auffassung, dass sich die Antragstellerin in den Eigentümerversammlungen von ihrem Lebensgefährten vertreten lassen darf.

Eine Regelung in der Teilungserklärung, die das Recht eines Wohnungseigentümers, sich in der Eigentümerversammlung vertreten zu lassen, auf bestimmte Personen beschränkt, insbesondere - wie vorliegend - auf den Ehegatten, den Verwalter und andere Wohnungseigentümer, ist - wie Amtsgericht und Landgericht in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 1993, 1329 ff; BayObLG WE 1997, 276) und Literatur (vgl. Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 25 Rz. 59 m.w.N.) ausgeführt haben - grundsätzlich zulässig. Eine solche Vertragsbestimmung verfolgt den berechtigten Zweck, Versammlungen der Wohnungseigentümer von gemeinschaftsfremden Einwirkungen fern zu halten. Die Wohnungseigentümer sollen in der Versammlung auftretende Meinungsverschiedenheiten allein unter sich austragen und sich deshalb auch nur durch bestimmte, dem eigenen Kreis nahestehende Personen vertreten lassen dürfen (vgl. BGH a.a.O.).

Dieses Ziel der Regelung rechtfertigt die - vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht selbstständig vorzunehmende - ergänzende Auslegung, dass auch der Lebensgefährte der Antragstellerin zu dem Personenkreis zu zählen ist, dem die Vertretung in der Eigentümerversammlung übertragen werden kann. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Antragstellerin mit Herrn S. seit mehreren Jahren in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebt und dass aus dieser Beziehung drei gemeinsame Kinder hervorgegangen sind. Es handelt sich hierbei erkennbar um eine auf Dauer angelegte verfestigte Verbindung, die anstelle einer Ehe getreten ist. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann aus dem Erscheinungsbild der Beziehung der Antragstellerin verlässlich auf ein ehegleiches Verhältnis schließen. Die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften ist seit der notariellen Beurkundung der Teilungserklärung im Jahre 1962 erheblich angestiegen. Sie werden nunmehr gesellschaftsrechtlich weithin toleriert. Die Rechtsprechung hat dem bereits mehrfach Rechnung getragen (vgl. BGH NJW 1993, 999 m.w.N.) und auch der Gesetzgeber hat die nichteheliche Lebensgemeinschaft als Form des Zusammenlebens von Mann und Frau zur Kenntnis genommen und rechtliche Folgen an ihre Existenz geknüpft (vgl. etwa § 122 BSHG; § 129 Abs.1 Ziff.1 SGB III). Sind - wie vorliegend - gemeinsame Kinder vorhanden, so genießt diese Lebensgemeinschaft gleich einer Familie im herkömmlichen Sinne zusätzlich den besonderen Schutz des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG. Im Hinblick auf diese im Jahre 1962 nicht vorhersehbare gesellschaftliche Entwicklung und ihre Beachtung in der Rechtsprechung und Gesetzgebung weist die vorliegende Vertretungsregelung eine Lücke auf, die aus Sicht eines unbefangenen Beobachters dahingehend zu schließen ist, dass der nichteheliche Lebensgefährte der Antragstellerin und Vater ihrer drei Kinder gleich einem Ehegatten zu dem Personenkreis zu zählen ist, dem die Vertretung in der Eigentümerversammlung übertragen werden kann. Eine Lebensgemeinschaft wie die vorliegende weist so weitgehende Ähnlichkeit mit einer Ehe und einer Familie im herkömmlichen Sinne auf, dass sich eine rechtliche Gleichbehandlung im Sinne der Vertretungsregelung als naheliegend ergibt. Nur durch eine solche Auslegung werden die Interessen beider Parteien gewahrt, so, wie es nach Sinn und Zweck der Vertretungsregelung auch gewollt ist. § 17 der Teilungserklärung berücksichtigt zum einen das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers, sich durch eine Person seines Vertrauens vertreten zu lassen. Dass hierfür die Vertretung durch den Verwalter oder einen anderen Wohnungseigentümer keinen angemessenen Ausgleich für die Antragstellerin darstellt, weil sie diesen nicht das gleiche Vertrauen entgegen zu bringen vermag wie ihrem Lebenspartner, liegt auf der Hand. Hinzu kommt, dass es im Hinblick auf die Größe der grundrechtsgeschützten Familie, der drei betreuungsbedürftige Kinder angehören, nach allgemeiner Lebenserfahrung oft erst kurzfristig von den Eltern zu entscheiden sein wird, welcher Elternteil zuhause eher abkömmlich ist und derartige situationsbedingte spontane Entscheidungen nur durch die Stimmberechtigung beider Eltern ermöglicht werden. Eine jeweilige kurzfristige vorherige Abstimmung mit dem Verwalter oder einem anderen Wohnungseigentümer erscheint in solchen Fällen nicht immer und oft nur schwer durchführbar. Die Antragstellerin wäre dann durch die Einschränkung der Vertretbarkeit in unbilliger und gegen Treu und Glauben verstoßende Weise beschränkt. Die Wohnungseigentümer ihrerseits erleiden durch die Zulassung von Herrn S. als Vertreter der Antragstellerin keinen Nachteil, weil von ihm, ebenso wenig wie von einem Ehegatten, gemeinschaftsfremde Einflüsse zu erwarten sind. Die Problematik, zwecks Beschlussfassung eine langjährige verfestigte nicht eheliche Lebensgemeinschaft von einer im Sinne der Vertretungsregelung unbeachtlichen kurzfristigen Lebensgemeinschaft abgrenzen zu müssen, stellt sich für den Verwalter und die übrigen Wohnungseigentümer nicht, wenn - wie vorliegend - die Lebensverhältnisse unstreitig und offenkundig sind.

Die Vertretungsregelung in § 17 der Teilungserklärung ist deshalb ergänzend dahin auszulegen, dass sie jedenfalls auch dann auf den nichtehelichen Lebenspartner Anwendung findet, wenn die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft - wie vorliegend - unstreitig ist und ihr mehrere Kinder angehören, deren Betreuungsbedürftigkeit die Möglichkeit einer flexiblen Beteiligung der Eltern an den Eigentümerversammlungen erfordert.

Das mit dem Hauptvertrag verfolgte Begehren der Antragstellerin, das als Feststellungsbegehren auszulegen ist, ist deshalb begründet. Das zu klärende Rechtsverhältnis besteht allein zwischen der Antragstellerin und den übrigen Wohnungseigentümern, so dass der ehemalige Verwalter der Wohnungseigentumsanlage an dem Verfahren nur als weiterer Beteiligter zu beteiligen war.

Mit dieser Entscheidung weicht der Senat nicht von dem Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 12.12.1996 - 2 ZBR 124/96 - ab, so dass eine Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG an den Bundesgerichtshof nicht veranlasst ist. Der vorgenannten Entscheidung lag ein anderer Sachverhalt zugrunde: Es handelte sich um eine Vertretungsregelung in einer Gemeinschaftsordnung, die erst 1985 errichtet worden war, zu einer Zeit, als die angesprochenen gesellschaftlichen Veränderungen bereits weitgehend vollzogen waren, so dass der nichteheliche Lebenspartner in die Vertragsregelung hätte einbezogen werden können, wenn dies beabsichtigt gewesen wäre. Zudem ist nicht ersichtlich, dass auch jener Lebensgemeinschaft betreuungsbedürftige Kinder angehörten und sie deshalb dem besonderen Schutz des Art. 6 GG unterlag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Abs. 1 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, den unterlegenen Antragsgegnern, zu denen nicht die Verwalter zählen, die vorliegend nur weitere Beteiligte sind, die Gerichtskosten der Verfahren aller drei Instanzen aufzuerlegen. Im übrigen bestand keine Veranlassung, von dem Grundsatz abzuweichen, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.500,-- € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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