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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 01.12.2004
Aktenzeichen: 16 Wx 204/04
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 204/04

In dem Wohnungseigentumsverfahren

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Heidkamp am 01.12.2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin vom 01.10.2004 gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 10.09.2004 - 29 T 228/03 - wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Geschäftswert der Rechtsbeschwerde: 4.000,- €

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1) bis 3) bilden die oben näher bezeichnete Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer Wohnung im zweiten Stock, der Antragsgegner hat eine Wohnung im dritten Stock. Nach dem vom Landgericht als erwiesen festgestellten Sachverhalt wurde im Herbst 2002 in die Wohnung des Antragsgegners eingebrochen. Daraufhin ließ er unmittelbar vor seiner Wohnungseingangstür eine Stahlgittertür anbringen. Eine vorherige Zustimmung der Antragstellerin holte der Antragsgegner nicht ein. Die Antragstellerin begehrt mit dem vorliegenden Verfahren die Beseitigung dieser Tür. Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 09.09.2003 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Einbau der Stahlgittertür sei eine bauliche Veränderung, die von der Antragstellerin nicht zu dulden sei. Denn von der Tür gehe eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung aus. Das Landgericht hat am 10.09.2004 diesen Beschluss aufgehoben und den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen darauf bezogen, dass die Antragstellerin aus Treu und Glauben zur Duldung der Stahlgittertür verpflichtet sei. Der Antragsgegner habe nämlich wegen der konkreten Einbruchgefahr ein schutzwürdiges Interesse an dieser zusätzlichen Türsicherung. Andere, gleichermaßen geeignete Maßnahmen zur Einbruchsicherung kämen vorliegend nicht in Betracht. Das Beseitigungsverlangen der Antragstellerin stelle sich als rechtsmissbräuchlich dar. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde erstrebt die Antragstellerin die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses.

II.

Die nach §§ 45 Abs. 1 WEG, 22, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache selbst keinen Erfolg.

Nach dem von dem Landgericht fehlerfrei festgestellten Sachverhalt ist die angefochtene Entscheidung aus Rechtsgründen, die allein Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens sein können (§§ 27 FGG, 546 ZPO), nicht zu beanstanden.

Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Beseitigung der Stahlgittertür gemäß § 1004 I BGB, weil ihre Zustimmung nach § 22 I Satz 2 WEG nicht erforderlich war und sie deshalb zur Duldung dieses Zustandes verpflichtet ist (§ 1004 II).

Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem Einbau der Stahlgittertür durch den Antragsgegner um eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums im Sinne des § 22 I WEG handelt. Bauliche Veränderung ist jede Umgestaltung des Gemeinschaftseigentums, die vom Aufteilungsplan oder früheren Zustand des Gebäudes nach Fertigstellung abweicht und über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgeht (Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Auflage 2003, § 22 Rdnr. 6). Der Einbau einer zusätzlichen Tür vor dem eigentlichen Wohnungszugang ist eine derartige Veränderung (Bärmann/Pick/Merle, a.a.O. § 22 Rdnr. 100; OLG Stuttgart WEM 1980, 75). Hierdurch wird nämlich das Gemeinschaftseigentum, zu dem auch die Hausflure gehören, auf Dauer gegenständlich verändert. Die zusätzlich zur Sicherung des Sondereigentums des Antragstellers angebrachte Tür betrifft auch keine Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen des Gemeinschaftseigentums.

Die Entscheidung des Landgericht, dass die Antragstellerin zur Duldung der eingebauten Stahlgittertür verpflichtet ist, ist nicht zu beanstanden.

Hierbei geht der Senat jedoch bereits davon aus, das eine Zustimmung der Antragsstellerin zu der durchgeführten baulichen Maßnahme gemäß § 22 I Satz 2 WEG entbehrlich war, weil durch die bauliche Veränderung deren Rechte nicht über das in § 14 WEG umschriebene Maß beeinträchtigt werden. Nach § 14 Nr. 1 WEG darf jeder Wohnungseigentümer von dem gemeinschaftlichen Eigentum - zu dem auch der Hausflur und die Außenseiten der jeweiligen Wohnungseingangstüren gehören - nur in solcher Weise Gebrauch machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Nachteil im Sinne dieser Vorschrift ist zwar jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung (Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Auflage 2003, § 22 Rdnr. 127 m. w. N.). Gleichwohl kann nicht jede Veränderung des optischen Erscheinungsbildes einer Wohnungseigentumsanlage als Nachteil angesehen werden. Erforderlich ist vielmehr, dass sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in einer vergleichbaren Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BGH, Beschluss vom 19.12.1991 - V ZB 27/90 -, NJW 1992, 978, 979; BayObLG, Beschluss vom 30.01.2003 - 2Z BR 121/02 - NJW-RR 2003, 952). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Für die Antragstellerin entsteht durch die Stahlgittertür kein messbarer Nachteil und keine erhebliche Beeinträchtigung. Denn die Gittertür ist nur dann sichtbar, wenn man die Treppe zur Wohnung des Antragsgegners vollständig hinaufsteigt, wofür die Antragstellerin indes im Regelfall keinen Anlass hat. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass die Stahlgittertür vom Wohnungseingang der Antragstellerin überhaupt nicht zu sehen ist. Die Durchführung eines Ortstermins war für diese Erkenntnis nicht erforderlich, weil sich dies einwandfrei anhand der zu den Akten gereichten Fotos erschließen lässt. Weitere konkrete Beeinträchtigungen, etwa akustische Störungen durch das Öffnen und Schließen der Gittertür, hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht. Der vorliegende Sachverhalt ist auch anders zu beurteilen als diejenigen Fälle, in denen ein Wohnungseigentümer ein Gitter an einem Fenster seiner Eigentumswohnung anbringen lässt. In derartigen Fällen wird, da das Fenstergitter von außen sichtbar ist, eine Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks der Wohneigentumsanlage angenommen werden können. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Eingangsbereich zu der Wohnung des Antragsgegners von den übrigen Wohnungseigentümern im Regelfall überhaupt nicht wahrgenommen werden kann, ergibt sich jedoch keine Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks.

Zudem hat der Antragsgegner ein berechtigtes Interesse an der zusätzlichen Sicherung seines Wohnungseingangs durch die angebrachte Stahlgittertür. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich eine Duldungspflicht der Antragstellerin hier maßgeblich aufgrund einer erhöhten Einbruchsgefährdung der Wohnung des Antragsgegners gründet. Besteht aufgrund besonderer Umstände des Falles eine erhöhte Einbruchsgefahr für das Wohneigentum eines Miteigentümers und lässt er deshalb am Fenster seiner Erdgeschosswohnung ein einbruchshemmendes Gitter anbringen, so kann sich hieraus nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Duldungspflicht der übrigen Wohnungseigentümer dieser baulichen Veränderung ergeben (vgl. Senatsbeschluss vom 17.03.2004 - 16 Wx 48/04 - NZM 2004, 385; KG NJW-RR 1994, 401; KG NZM 2001, 341). Dasselbe muss wegen der gleichen Interessenlage auch dann gelten, wenn ein Wohnungseigentümer die Eingangstür zu seiner Eigentumswohnung durch eine Stahlgittertür konkret gegen drohende Einbrüche sichert. Denn auch in diesem Fall kann das Interesse der übrigen Wohnungseigentümer an einer Beibehaltung des optischen Gesamteindrucks der Wohnungseigentumsanlage hinter dem besonderen Sicherungsbedürfnis des einzelnen Wohnungseigentümers zurücktreten.

Eine besondere Einbruchsgefahr hat das Landgericht hier bejaht. Diese Tatsachenwürdigung ist vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüfbar, ob das Landgericht den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei nicht gegen Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat. Die Überprüfung nach diesen Maßstäben lässt keine Rechtsfehler erkennen. Nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht aufgrund der zu den Akten gereichten Urkunden die Überzeugung davon gewonnen hat, dass es in der Vergangenheit bereits zu einem Einbruch durch die Eingangstür der Wohnung des Antragsgegners gekommen war. Es erscheint auch nachvollziehbar, dass dessen Wohnung in besonderem Maße auch zukünftig einbruchsgefährdet ist, weil sie als einzige Wohnung im obersten Stockwerk der Eigentumsanlage liegt und sich potenzielle Einbrecher dort weitgehend unbemerkt an der Eingangstür zu schaffen machen können.

Zugunsten des Antragsgegners ist hier weiter zu berücksichtigen, dass er sich vor Einbau der Gittertür um ein Einvernehmen mit den übrigen Wohnungseigentümern bemüht, er sie also nicht durch ein bewusst eigenmächtiges Handeln vor vollendete Tatsachen gestellt hat (vgl. BayObLG NJW-RR 1990, 1168). So haben am 25.11.2002 fünf der Miteigentümer, die Miteigentumsanteil von 700/1000 halten, dem Vorhaben des Antragsgegners zugestimmt. Allein zwei Miteigentümer, die Antragstellerin und der Miteigentümer G, erteilten keine Zustimmung.

Auch eine Besorgnis, dass weitere Miteigentümer nunmehr ebenfalls Stahlgittertüren als zusätzliche Sicherung ihres Wohnungseigentums einbauen möchten (sog. "Nachahmungseffekt") führt hier nicht zu einer Verpflichtung des Antragsgegners zur Entfernung der Gittertür. Denn aufgrund der Lage der Wohnung des Antragsgegners als einzige im oberen Stockwerk sprechen besondere Umstände dafür, gerade für diese Wohnung eine spezielle Einbruchsicherung zu erlauben. Bei den übrigen Wohnungen treffen diese speziellen Gesichtspunkte nicht zu.

Da nach den vorstehenden Erwägungen bereits eine Duldungspflicht der Antragstellerin gemäß § 22 I Satz 2 WEG besteht, ist unerheblich, ob eine Sicherung der Wohnungstür technisch auch durch andere Maßnahmen, wie etwa der Einbau von Sicherheitsschlössern oder -riegeln erreicht werden kann. Auch die Sorge der Antragstellerin, es sei ungeklärt, wer für Wartungs- und Instandhaltungskosten der Gittertür aufzukommen und wer die Kosten einer eventuellen späteren Entfernung der Tür zu tragen habe, ist für das vorliegende Verfahren unerheblich. Denn die Antragstellerin ist jedenfalls nach § 16 Abs. 3, 2 Hs. WEG an diesen Kosten nicht zu beteiligen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, der unterlegenen Antragsgegnerin die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Im übrigen besteht keine Veranlassung, von dem in § 47 WEG bestimmten Kostengrundsatz abzuweichen, wonach die Verfahrensbeteiligten die ihnen entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben. Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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