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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 24.03.2009
Aktenzeichen: 16 Wx 213/08
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, VBVG, BGB, StPO


Vorschriften:

FGG § 27 Abs. 1
ZPO § 546
VBVG § 4 Abs. 2 Satz 2
BGB § 1835 Abs. 3
StPO § 140
StPO § 140 Abs. 1
StPO § 140 Abs. 2
StPO § 141 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Landgerichts Aachen vom 11.09.2008 - 3 T 99/08 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 18.02.2008 - 69 XVII N 429 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1. ist seit 2006 Berufsbetreuer des Betroffenen. Mit Beschluss vom 05.03.2007 wurde die Betreuung auf die Vertretung des Betroffenen in Straf- und Ermittlungsverfahren erweitert. Nachdem am 02.04.2007 ein Strafbefehl gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr ergangen war, legte der Beteiligte zu 1. dagegen Einspruch ein, den er in der Hauptverhandlung vom 30.08.2007 zurücknahm.

Unter dem 08.10.2007 hat der Beteiligte zu 1. für die anwaltliche Vertretung des mittellosen Betroffenen in der Strafsache die Festsetzung von 850,26 € gegen die Staatskasse beantragt. Dem lag eine Abrechnung für Strafverteidigergebühren nach dem RVG zugrunde. Nach Zurückweisung dieses Antrags durch das Amtsgericht hat das Landgericht auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. eine Pflichtverteidigervergütung von 556,33 € für gerechtfertigt angesehen und das weitergehende Rechtsmittel zurückgewiesen. Hiergegen haben beide Beteiligten die vom Landgericht zugelassene sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Der Beteiligte zu 1. hat inzwischen sein Rechtsmittel zurückgenommen.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2., über die nur noch zu entscheiden ist, ist zulässig und begründet.

Die Entscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung gem. § 27 Abs. 1 FGG i. V. m. § 546 ZPO im Ergebnis nicht stand.

Dem Beteiligten zu 1. steht ein Aufwendungsersatzanspruch in Höhe der Pflichtverteidigerkosten nicht zu.

Rechtlich zutreffend ist der Ausgangspunkt des Landgerichts, dass die Tätigkeit des Betreuers im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises, also vorliegend für die Vertretung im Strafverfahren von seiner pauschalen Vergütung nach dem VBVG gedeckt ist und dass ein Anwalt, der daneben einen Aufwendungsersatzanspruch gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 VBVG i. V. m. § 1835 Abs. 3 BGB für anwaltsspezifische Dienste geltend machen will, unter dem Gesichtspunkt einer kostensparenden Amtsführung regelmäßig gehalten ist, zuvor einen Antrag auf Bestellung zum Pflichtverteidiger zu stellen.

Eine Ausnahme von dieser Pflicht besteht nach der Rechtsprechung des Senats für eine anwaltliche Tätigkeit im Ermittlungsverfahren, weil dort die Bestellung gem. § 141 Abs. 3 StPO einen Antrag der Staatsanwaltschaft voraussetzt, ein solcher regelmäßig nicht gestellt wird, der Betroffene bzw. sein Betreuer eine Antragstellung durch die Staatsanwaltschaft nur anregen kann und deren ablehnende Entschließung nicht anfechtbar ist (Senatsbeschluss vom 09.10.2008 - 16 Wx 171/08 -). Um in diesem Verfahrensstadium, bei dem es dem Betroffenen oder seinem Betreuer verwehrt ist, eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, einen möglichen Aufwendungsersatzanspruch für anwaltliche Dienste letztlich nicht ins Leere laufen zu lassen, ist es ausnahmsweise gerechtfertigt, nachträglich durch das Vormundschaftsgericht im Einzelfall zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 140 StPO vorgelegen haben.

Nach Anklageerhebung ist die Situation indes eine andere. Nunmehr kann der anwaltliche Betreuer eine Bestellung zum Pflichtverteidiger beantragen und ist hierzu - wie auch das Landgericht vom Ansatz her richtig sieht - aus dem Gesichtspunkt der kostensparenden Amtsführung verpflichtet. Gegen eine etwaige ablehnende Entscheidung kann er namens des Betroffenen Beschwerde einlegen und so die Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigerbestellung im Instanzenzug durch mit der Materie vertraute Richter überprüfen lassen. Wird im Strafverfahren ein Antrag abgelehnt, steht fest, dass die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1, 2 StPO nicht vorliegen. Dies hat die Folge, dass ein nicht anwaltlicher Betreuer keinen Anlass haben muss, einen Anwalt mit der Verteidigung des Betroffenen zu beauftragen und dies wegen seiner Pflicht zur kostensparenden Amtsführung auch nicht darf. Für den anwaltlichen Betreuer kann nichts anderes gelten. Dem Aufwendungsersatzanspruch aus § 1835 Abs. 3 BGB liegt der Gedanke zugrunde, dass der Betroffene - bzw. bei mittellosen Personen die Staatskasse - keinen Vorteil daraus ziehen soll, dass sein Betreuer zufällig aufgrund einer besonderen beruflichen Qualifikation etwas verrichten kann, wozu ein anderer Betreuer berechtigterweise die entgeltlichen Dienste eines Dritten in Anspruch nehmen würde (BGH NJW 2007, 844). Besteht - wie in Strafsachen nach Anklageerhebung - nach der jeweiligen Verfahrensordnung die Möglichkeit, hierzu eine Klärung im Verfahren selbst herbeizuführen, ist der Betreuer gehalten, dieses Verfahren einzuhalten, also einen entsprechenden Antrag zu stellen. Unterlässt er dies, ist für eine Liquidation gegenüber der Staatskasse kein Raum (im Ergebnis ebenso LG Mainz, Beschluss vom 05.05.2008 - 8 T 87/08 -). Insoweit kann nichts anderes gelten als im Zivilprozess, in dem ein Aufwendungsersatzanspruch ausscheidet, wenn der anwaltliche Betreuer es unterlassen hat, ein Prozesskostenhilfegesuch zu stellen (BGH a. a. O.). Hinzu kommt, dass die Kostenschuldner für Pflichtverteidigerkosten und einen Aufwendungsersatzanspruch nicht identisch sein müssen. Wenn nämlich das Strafverfahren in einem anderen Bundesland geführt wird, würde die Staatskasse, die für einen etwaigen Aufwendungsersatzanspruch eintrittspflichtig wäre, mit Kosten belastet, die sie bei einer sachgerechten Amtsführung durch den Betreuer, nämlich einem bloßen Antrag auf eine Pflichtverteidigerbestellung nicht zu tragen bräuchte (vgl. zu diesem Gesichtspunkt ebenfalls BGH a. a. O.).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Beschwerdewert: 556,33 €

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