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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 08.12.2003
Aktenzeichen: 16 Wx 227/03
Rechtsgebiete: FEVG, AuslG, FGG, StPO


Vorschriften:

FEVG § 3 Satz 2
FEVG § 7 Abs. 1
AuslG § 57 Abs. 2
AuslG § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
AuslG § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
AuslG § 57 Abs. 2 S. 4
AuslG § 64 Abs. 3
AuslG § 103 Abs. 2
FGG § 27
FGG § 29
StPO § 112a Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 227/03

In der Freiheitsentziehungssache

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Appel-Hamm

am 08.12.2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 26.11.2003 - 6 T 396/03 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Betroffene, der sich nach eigenen Angaben zuvor in den Niederlanden aufgehalten hatte und nach Ablehnung eines Asylantrags in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war, wurde am 28.07.2003 zusammen mit mehreren Mittätern bei einem Einbruch in eine Gaststätte polizeilich festgenommen und befand sich deswegen aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Bergisch-Gladbach vom 29.07.2003 bis zum 13.11.2003 in Untersuchungshaft. In der Hauptverhandlung vom 13.11.2003 wurde er mit einem sofort rechtskräftig gewordenen Urteil wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in einem besonders schweren Fall unter Anrechnung der Untersuchungshaft zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Reststrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt und der Haftbefehl aufgehoben.

Auf Antrag der Beteiligten zu 2. vom 14.11.2003 ordnete das Amtsgericht am 17.11.2003 Abschiebungshaft für die Dauer von drei Monaten an. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen hob das Landgericht den Haftanordnungsbeschluss auf. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2., mit der diese geltend macht, der Betroffene sei nach Haftentlassung einer Meldeauflage nicht nachgekommen, sondern wieder untergetaucht.

II.

Die gemäß §§ 3 Satz 2, 7 Abs. 1 FEVG, 103 Abs. 2 AuslG, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist im Ergebnis nicht begründet.

1.

Allerdings begegnet die Entscheidung des Landgerichts durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit es die Haftgründe des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 5 AuslG verneint hat.

a)

Es trifft nicht zu, dass der Haftgrund des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG nur dann bedenkenfrei gegeben sei, wenn der Betroffene sich erkennbar der Abschiebung entziehen werde, was dann nicht der Fall sei, wenn die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG nicht festgestellt werden könnten. Es ist nach dem Gesetz genau umgekehrt: Von der Anordnung der Sicherungshaft nach Satz 1 Nr. 1 kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn der Ausländer glaubhaft macht, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen will (§ 57 Abs. 2 Satz 3 AuslG).

Für eine fehlende Entziehungsabsicht ergaben sich aber aus dem Akteninhalt, auf den das Landgericht sich nur gestützt hat, keine Anhaltspunkte.

b)

Zu § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AuslG geht das Landgericht zwar zutreffend davon aus, dass Straftaten nicht unbedingt auf eine Entziehungsabsicht schließen lassen und entsprechendes auch im Falle eines illegalen Aufenthaltes gelten kann. Es lässt indes unberücksichtigt, dass es jeweils auf eine Gesamtschau der Umstände des Einzelfalles ankommen muss. So ist etwa der Fall, der der Entscheidung des Senats vom 09.04.2003 - 16 Wx 91/03 - = OLGReport Köln 2003, 237 zugrunde lag, keineswegs mit dem vorliegenden vergleichbar. Es ging zwar hierin auch um ein Diebstahlsdelikt. Indes fehlte es an jeglichen Anhaltspunkten für eine Entziehungsabsicht. Der seinerzeit Betroffene pflegte illegal für einen Tag nach Deutschland einzureisen, um nach der Begehung von Diebstählen von sich aus noch am gleichen Tag in sein Heimatland zurückzukehren. Sinn und Zweck der Sicherungshaft nach dem AuslG ist alleine die Sicherung der Ausreise des Betroffenen, nicht aber die Verhinderung von weiteren Straftaten während eines von vornherein begrenzten Aufenthaltes in Deutschland. Letzterem kann nur mit strafprozessualen Mitteln begegnet werden, etwa durch § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO, der aber eine Untersuchungshaft wegen des Haftgrundes der Gefahr der Begehung weiterer Straftaten nur unter engen Voraussetzungen ermöglicht.

2.

Gleichwohl ist die Aufhebung des Haftanordnungsbeschlusses im Ergebnis richtig.

Die Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen hatte sich bereits während des Anhörungstermins beim Amtsgericht und sodann im Verlaufe des Erstbeschwerdeverfahrens mit Recht darauf berufen, dass vorliegend die Haft unzulässig ist, weil die Beteiligte zu 2., trotz Kenntnis von der Inhaftierung des Betroffenen während der mehr als 3-monatigen Untersuchungshaft nichts unternommen hat, um eine Abschiebung des Betroffenen zu ermöglichen.

Nach einhelliger Rechtsprechung sind in den Fällen, in denen der Betroffene es nicht zu vertreten hat, dass eine Abschiebung innerhalb von 3 Monaten nicht möglich ist, in die Frist des § 57 Abs. 2 S. 4 AuslG andere Haftzeiten, insbesondere Untersuchungshaftzeiten einzurechnen. Die Sicherungshaft soll nicht dazu dienen, den Ausgang eines längeren Ermittlungs- oder Strafverfahrens erst einmal abzuwarten. Die Ausländerbehörde ist vielmehr gehalten, bereits während der Vollstreckung der Untersuchungshaft die ihr möglichen und notwendigen Vorbereitungen für die beabsichtigte Abschiebung so zu treffen, das eine Abschiebung entweder unmittelbar aus der Straf- bzw. Untersuchungshaft heraus oder aus einer etwaigen noch innerhalb der 3-Monatsfrist ab Inhaftierung liegenden Überhaft nach § 57 Abs. 2 AuslG erfolgen kann. Derartige Vorbereitungen haben unabhängig von einer etwaigen - noch - fehlenden Zustimmung der Staatsanwaltschaft mit einer Abschiebung gem. § 64 Abs. 3 AuslG zu erfolgen. Das fehlende Einvernehmen der Staatsanwaltschaft ist zudem ein Abschiebungshindernis, das der Betroffene nicht zu vertreten hat. Ist deswegen nicht damit zu rechnen, dass sich innerhalb einer Frist von 3 Monaten ab Haftanordnung der staatliche Strafanspruch durch Einstellung, rechtskräftigen Freispruch oder Beendigung der Strafvollstreckung endgültig erledigt und der Betroffene innerhalb der genannten Frist nicht ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft abgeschoben werden kann, ist Sicherungshaft ausgeschlossen (vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 16.12.2002 - 16 Wx 252/02 = JMBl NW 2003, 130 = OLGReport Köln 2003, 205; BayObLG BayObLGReport 2001, 87; BayObLG BayObLGZ 2000, 203; OLG Düsseldorf FGRax 2001, 130; OLG Frankfurt StV 2000, 377; Schleswig-Holsteinisches OLG InfAuslR 2000, 449; OLG Zweibrücken InfAuslR 2003,157 Schleswig-Holsteinisches OVG EzAR 048 Nr. 49; LG Berlin NStZ-RR 2002, 343).

Vorliegend hat die Beteiligte zu 2. weder versucht, das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft zu erhalten, noch hat sie die Sache so weit gefördert, dass im Hinblick auf eine evtl. demnächst mögliche Zustimmung der Staatsanwaltschaft oder eine Erledigung des staatlichen Strafanspruchs eine Abschiebung innerhalb der Frist von 3 Monaten ab Inhaftierung des Betroffenen möglich gewesen wäre. Vielmehr ist sie überhaupt erst nach Ablauf dieser Frist tätig geworden, was der Anordnung von Sicherungshaft entgegensteht.

3.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil der Senat wegen der Unbegründetheit des Rechtsmittels davon abgesehen hat, den Betroffenen über seine Verfahrensbevollmächtigte am Verfahren zu beteiligen.

Ende der Entscheidung

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