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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.12.2007
Aktenzeichen: 16 Wx 250/07
Rechtsgebiete: FFG, FrhEntzG, KostO


Vorschriften:

FFG § 27
FFG § 29
FrhEntzG § 5 Abs. 1
FrhEntzG § 5 Abs. 1 Satz 1
FrhEntzG § 5 Abs. 2
FrhEntzG § 7
FrhEntzG § 11 Abs. 2 Satz 2
FrhEntzG § 14
FrhEntzG § 16
KostO § 16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Anschlussrechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass die vom Amtsgericht Aachen mit Beschluss vom 02.07.2007 - 41 XIV 5846 B - angeordnete Sicherungshaft rechtswidrig war.

Im übrigen bleibt es bei der mit Beschluss des Landgerichts Aachen vom 26.09.2007 - 3 T 288/07 - angeordneten Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Aachen vom 02.07.2007.

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

1.

Beide sofortigen weiteren Beschwerden sind zulässig, §§ 27, 29 FFG i.V.m. § 7 FrhEntzG.

Der Antragsteller als Behörde ist durch die Entscheidung des Landgerichts beschwert, die im Tenor nicht eindeutig erkennen lässt, ob die Aufhebung der Haftanordnung nur für die Zukunft wirken soll. Zwar versteht der Senat den Beschluss aufgrund der Formulierungen zur Begründung in dieser Weise. Gleichwohl ist auch eine andere Auslegung - Aufhebung mit Rückwirkung - nicht ausgeschlossen, so dass zugunsten des Antragstellers von einer Beschwer und damit von der Zulässigkeit des rechtzeitig eingelegten Rechtsmittels auszugehen ist.

Der als (Anschluss-) Rechtsbeschwerde auszulegende Antrag des Betroffenen vom 15.11.2007 enthält ein zulässiges, selbständiges Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts, soweit dieser nicht die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung festgestellt hat. Die weitere Beschwerde ist auch nicht verspätet, da der Beschluss des Landgerichts vom 26.09.2007 den Beteiligten nicht zugestellt worden ist, so dass die Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen ist.

Nach am 04.09.2007 erfolgter Abschiebung und damit Haftentlassung des Betroffenen hat sich die freiheitsentziehende Maßnahme erledigt. Jedoch besteht ein Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen auf Prüfung der Frage, ob die Haftanordnung rechtswidrig war (BVerfGE 104, 200 = NJW 2002, 2456). Dieser - durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich zugelassene - Antrag kann erst nach Erledigung der Maßnahme gestellt werden, so dass die diesbezügliche Argumentation des Antragstellers ins Leere geht.

2.

Das Rechtsmittel des Betroffenen war insofern erfolgreich, als die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung vom 02.07.2007 festzustellen ist.

Der Senat kann über die weiteren Beschwerden in der Sache entscheiden, da auch das Erstbeschwerdegericht ohne Verfahrensfehler zur Sache entschieden hat. Die Erstbeschwerde war - entgegen der jetzigen Meinung des Antragstellers - zulässig. Hierzu wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den gerichtlichen Hinweis des Landgerichts vom 24.07.2007 Bezug genommen, aufgrund dessen rechtlicher Würdigung der Antragsteller mit Schriftsatz vom 03.08.2007 keine Einwände mehr gegen die Zulässigkeit erhoben hat.

Die Anordnung der Verlängerung der Sicherungshaft vom 02.07.2007 ist nicht rechtsfehlerfrei. Die nach § 5 Abs. 1 FrhEntzG erforderliche Anhörung des Betroffenen ist unterblieben und auch nicht unverzüglich nachgeholt worden. Es lag auch kein Grund nach § 5 Abs. 2 FrhEntzG vor, wonach ausnahmsweise von einer Anhörung hätte abgesehen werden können.

§ 5 Abs. 1 Satz 1 FrhEntzG ist mit Blick auf Art. 104 Abs. 1 GG, der insoweit eine Verfassungsgarantie mit grundrechtlichem Schutz enthält, so auszulegen, dass die Verpflichtung zur mündlichen Anhörung in allen Fällen grundsätzlich besteht und nur bei Gefahr im Verzug diese ausnahmsweise zunächst unterbleiben kann, aber unverzüglich nachzuholen ist, §§ 5 Abs. 1, 11 Abs. 2 Satz 2 FrhEntzG (vgl. BVerfG vom 07.09.2006, InfAuslR 2006,462-466; OLG München v. 28.10.2005, - 34 Wx 125/05-).

Diesen Anforderungen genügt der Beschluss vom 02.07.2007 nicht. Der Betroffene wurde weder vor Erlass des Beschlusses angehört, noch unverzüglich nach dessen Erlass. Es kann offen bleiben, ob tatsächlich ein Eilfall vorgelegen hat, der eine erst nachträgliche Anhörung rechtfertigen könnte. Dagegen spricht, dass das Datum des Ablaufs der Haftanordnung durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 02.04.2007 bekannt war, so dass die Verlängerungsanordnung ohne weiteres rechtzeitig hätte beantragt und veranlasst werden können. Jedenfalls hätte das Gericht den inhaftierten Betroffenen unverzüglich nach der Beschlussfassung anhören müssen.

Ein Absehen von der Anhörung aus den vom Gericht vorgesehenen Gründen sieht das Gesetz nicht vor und dies ist schon aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zulässig. Die in § 5 Abs. 2 FrhEntzG aufgeführten Ausnahmetatbestände lagen ersichtlich nicht vor. Der Hinweis des Gerichts auf die drei Monate zurückliegende Anhörung kann das Unterlassen der für die weitere Haftanordnung erforderlichen erneuten Anhörung nicht rechtfertigen, da die vor der Entscheidung vom 02.07.2007 gebotene Anhörung nicht durch eine frühere Anhörung ersetzt werden kann. Dies gilt auch bei einer Verfahrenslage wie hier, wenn der Betroffene bereits seit drei Monaten in dieser Sache inhaftiert ist und wesentliche Änderungen nicht zu erwarten sind. Auch dann kann die gebotene Anhörung durch den Richter nicht entfallen. Denn die persönliche Anhörung soll dazu dienen, dass sich der Richter durch eigenverantwortliche Tatsachenfeststellung eine Entscheidungsgrundlage verschafft, selbst wenn diese zu dem Ergebnis führen sollte, dass keine Veränderungen eingetreten sind.

Die fehlende Anhörung hat zur Folge, dass die angeordnete Sicherungshaft von Anfang rechtswidrig war und auch nicht mehr rückwirkend durch Nachholung der Maßnahme, die hier ohnehin wegen der erfolgten Abschiebung nicht möglich ist, gerechtfertigt werden kann (BVerfG, a.a.O.). Auf die Frage einer möglichen Kausalität zwischen Nicht-Anhörung und Entscheidung kommt es deshalb nicht an.

Ob das örtliche zuständige Gericht entschieden hat, kann nach diesem Ergebnis offen bleiben.

3.

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers, die mit dem Ziel eingelegt worden ist, den Beschluss vom 26.09.2007 wegen der Rechtmäßigkeit der Maßnahme aufzuheben, hilfsweise zurückzuverweisen, bleibt aus den oben erwähnten Gründen erfolglos.

4.

Gerichtskosten sind für das gesamte Verfahren einschließlich der Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung der Abschiebehaft wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht zu erheben, §§ 14 FrhEntzG, 16 KostO.

Vom Auferlegen der Auslagen des Betroffenen auf die beteiligte Behörde hat der Senat abgesehen, da die Voraussetzungen des § 16 FrhEntzG nicht vorlagen. Aus den Gründen der amtsgerichtlichen Entscheidung war die telefonische Antragstellung am 02.07.2007 begründet, da die materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Sicherungshaft vorlagen.

Eine Übernahme der notwendigen Auslagen durch die Staatskasse sehen das FrhEntzG ebenso wenig wie das FGG vor (ebenso OLG Celle, InfAuslR 2005, 423). Nach Ansicht des Senats liegt auch keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke vor, zumal das im Gesetzgebungsverfahren befindliche FGG-Reformgesetz (BT-Drucksache 16/6308) hierzu keine abweichende Regelung enthält.

Ende der Entscheidung

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