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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 17.12.2001
Aktenzeichen: 16 Wx 252/01
Rechtsgebiete: FGG, RPflG, ZPO, BGB, BVormVG


Vorschriften:

FGG § 22
FGG § 21
FGG § 27
FGG § 29 Abs. 1
FGG § 22 Abs. 1 S. 1
FGG § 16 Abs. 2 S. 1
FGG § 56g Abs. 5 S. 3
RPflG § 24 Abs. 1 Nr. 1 a)
ZPO § 550
BGB § 1908i
BGB § 1836
BGB § 1836 a
BVormVG § 1 Abs. 1
BVormVG § 1 Abs. 1 S. 2
BVormVG § 1 Abs. 1 Ziff. 2
BVormVG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
BVormVG § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 252/01

In dem Betreuungsvergütungsverfahren

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Dr. Ahn-Roth am 17. Dezember 2001

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 ) gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 30.10.2001 - 4 T 618/01 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1), die Diplom-Biologin ist und daneben eine Ausbildung als Krankenschwester abgeschlossen hat, wurde am 1.3.2001 zur Berufsbetreuerin für die nicht vermögende Betroffene für die Aufgabenkreise Vermögensangelegenheiten, Wohnungsangelegenheiten, Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge bestellt. Für den Zeitraum vom 8.3.01 bis 31.5.01 hat sie die Bewilligung einer Vergütung von 1.865,28 DM einschließlich MWSt. aus der Staatskasse sowie Aufwendungsersatz beantragt. Als Stundensatz hat sie 60.- DM gem. § 1 Abs. 1 Ziff. 2 BVormVG zugrundegelegt. Das Amtsgericht hat eine Vergütung auf dieser Grundlage gewährt. Auf die dagegen vom zuständigen Bezirksrevisor eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht die Vergütung auf 1.398,96 DM reduziert, weil ein Stundensatz von 45,- DM zugrunde zu legen sei. Dagegen wendet sich die Beteiligte zu 1) mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist zulässig. Das Landgericht hat die weitere Beschwerde zugelassen, § 56g Abs. 5 S. 3 FGG. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt, §§ 22, 21, 29 Abs. 1 FGG. Zwar leidet die von der Beteiligten zu 1) am 9.11.01 gegenüber einer Justizhauptsekretärin des Landgerichts eingelegte Beschwerde an einem Formmangel, da sie nicht zu Protokoll eines Rechtspflegers erklärt wurde, § 24 Abs. 1 Nr. 1 a) RPflG. Dieser Formmangel ist jedoch durch die spätere mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigen vom 26.11.2001 erfolgte Beschwerdebegründung der Beteiligten zu 1) geheilt worden, da in diesem Schriftsatz auch eine nochmalige Einlegung der Rechtsbeschwerde gesehen werden muß, mithin diese durch einen Rechtsanwalt erfolgte Rechtsmitteleinlegung der Form des § 29 Abs. 1 S.1 FGG genügt. Diese am 27.11.2001 erfolgte Rechtsmitteleinlegung war nicht verspätet, denn die Frist des § 22 Abs. 1 S.1 FGG hat noch nicht zu laufen begonnen. Der Beschluss des Landgerichts vom 30.10.2001 ist der Beteiligten zu 1) entgegen § 16 Abs. 2 S. 1 FGG bisher nicht zugestellt worden; eine Zustellung ist auch bis jetzt nicht verfügt worden ( Vgl. Bl. 106 d.A.). Die 2-Wochen-Frist hat somit noch nicht zu laufen begonnen.

III.

Das Rechtsmittel ist nicht begründet. Die landgerichtliche Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nach §§ 27 FGG, 550 ZPO stand.

Der Beteiligten zu 1) steht als Berufsbetreuerin der nicht vermögenden Betreuten ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu, §§ 1908i, 1836, 1836 a BGB. Dessen Höhe richtet sich nach § 1 Abs. 1 BVormVG. Zu Recht hat das Landgericht bei der Vergütungsfestsetzung lediglich einen Stundensatz von 45,- DM zugrunde gelegt, da die mit dem Hochschulabschluss erworbenen Kenntnisse der Betreuerin nicht für die Betreuung nutzbar sind, § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 BVormVG.

Zutreffend hat das Landgericht darauf abgestellt, dass die Zubilligung des erhöhten Stundensatzes nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG voraussetzt, dass der Betreuer über besondere Kenntnisse verfügt, die für die Betreuung "nutzbar" sind. Die Beteiligte zu 1) hat mit dem abgeschlossenen Hochschulstudium der Biologie zweifelsohne besondere Kenntnisse, die durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule erworben wurden. "Nutzbarkeit" für die Führung der Betreuung bedeutete, dass die Kenntnisse ihrer Art nach betreuungsrelevant sind und den Betreuer befähigen, seine Aufgabe zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen, somit eine erhöhte Leistung zu erbringen. Notwendig ist insoweit nicht, dass die Kenntnisse das gesamte Anforderungsprofil der Betreuung betreffen. Vielmehr reicht es aus, wenn die Kenntnisse die Bewältigung bestimmter Aufgabenkreise erleichtern (vgl. BayObLG, FamRZ 00, 844,845 m.w.N; OLG Schleswig, FamRZ 00, 846; Senat v. 16.2.00, FamRZ 00,1303 ). Hierbei kommen rechtlichen Kenntnissen grundlegende Bedeutung zu, da die Betreuung als rechtliche Betreuung ausgestaltet ist. Betreuungsrelevant sind ferner in der Regel Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit und Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft. Die gesetzliche Regelung läßt offen, durch welche Ausbildungen für eine Betreuung nutzbare Kenntnisse erworben werden; erforderlich ist indes, dass die Ausbildung in ihrem Kernbereich auf deren Vermittlung ausgerichtet ist ( vgl. zum Ganzen BayObLG, FamRZ 00,845 m.w.N.). Dies ist regelmäßig der Fall bei den Studiengängen Rechtswissenschaft, Medizin, Psychologie, Sozialarbeit und - pädagogik, Soziologie und Betriebswirtschaft.

Ob ein Berufsbetreuer die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 2 BVormVG erfüllt, obliegt der Beurteilung des Tatrichters. Dessen Beurteilung kann vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler überprüft werden, insbesondere darauf, ob der Beurteilung ein zutreffendes Verständnis des gesetzlichen Maßstabes zugrunde liegt und die rechtlich einwandfrei festgestellten Tatsachen im Rahmen des unbestimmten Rechtsbegriffs zutreffend bewertet worden sind ( vgl. Senat vom 16.2.00, FamRZ 00, 1303; BayObLG, FamRZ 00, 845 ). Das Landgericht hat vorliegend zu Recht darauf abgestellt, dass die Beteiligte zu 1) im Rahmen ihres Biologiestudiums zwar Kenntnisse in Humanbiologie erworben hat. Darunter fallen auch Kenntnisse in Physiologie und Pathologie des Menschen sowie - wie die Beteiligte zu 1) für ihren Studienplan darlegt - in Zytologie, Genetik und Mikrobiologie. Die in diesen Gebieten vermittelten Kenntnisse befassen sich mit den Tätigkeiten und Reaktionen der Zellen, Gewebe und Organe der Lebewesen sowie den zugrundeliegenden Gesetzen, Geschehensabläufen und Gesetzmäßigkeiten bei Krankheiten, Abläufe und Gesetzmäßigkeiten bei Vererbungen sowie allgemein den Verhältnissen bei Mikroorganismen. Hierbei überschneiden sich - das ist der Beteiligten zu 1) zuzugeben - etliche Bereiche mit den im Medizinstudium vermittelten Kenntnissen. Gleichwohl sind diese Kenntnisse nicht in gleicher Weise wie die mit einem Medizinstudium erworbenen Fähigkeiten für eine Betreuung, und zwar im Aufgabenbereich Gesundheitsfürsorge, nutzbar. Denn im Biologiestudium stehen die grundlegenden Zusammenhänge des Ablaufs des Lebens, bezogen zunächst auf sämtliche Lebewesen im Vordergrund. Auch bei der Humanbiologie werden u.a. die Grundlagen der Abläufe im menschlichen Körper erforscht und Möglichkeiten zu verändernden/heilbringenden Eingriffen überprüft. Wie das Landgericht zutreffend betont, stehen hierbei Forschungen für Fortschritte in den medizinischen Grundlagen im Vordergrund. Diese sind indes zunächst theoretischer Natur. Hingegen liegt bei dem Medizinstudium der oder zumindest ein Schwerpunkt im Erkennen und Heilen konkreter Krankheiten. Diese Kenntnisse helfen damit auch bei der Wahrnehmung der Belange kranker und betreuungsbedürftiger Menschen. Hingegen befähigen die im Kernbereich des Biologiestudiums vermittelten Kenntnisse den Betreuer nicht, die konkreten Aufgaben der Gesundheitsfürsorge zum Wohle des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen ( vgl. dazu BayObLG zur Vergütung eines Berufsbetreuers, der Diplom-Geograph ist, FamRZ 00,844 ).

Soweit von anderen Obergerichten die im Rahmen eines Studiums für den Beruf des Lehrers in einem naturwissenschaftlichen oder gesellschaftswissenschaftlichen Fach erworbene Kenntnisse als für die Betreuung nutzbar eingeschätzt wurden, wird jeweils auf die zum Kernbereich des Studiums zu rechnenden Kenntnisse in Pädagogik und Psychologie abgestellt. Das dort vermittelte Fachwissen in Pädagogik, das auf die zwischenmenschliche Kommunikationsfähigkeit abzielt, führt zu einer besonderen Kompetenz in sozialen Fragen, die der Betreuungstätigkeit unmittelbar zugute kommt (vgl. OLG Dresden, FamRZ 00, 847; BayObLG, FamRZ 01, 306 ). Fachwissen auf dem Gebiet der Pädagogik wird indes im Studium der Biologie mit dem Abschluss " Diplom-Biologe" nicht vermittelt.

Soweit die Beteiligte zu 1) ihre Kenntnisse auf pflegerischem und sozialmedizinischem Gebiet betont, die sicherlich die Effektivität bei der Führung der Betreuung erhöhen, handelt es sich nicht um im Rahmen eines Hochschulstudiums erworbene Kenntnisse. Vielmehr hat sie diese bei der Krankenpflegeausbildung erworben.

Auch eine Zusammenschau der Kenntnisse aus dem Biologiestudium und der Krankenpflegeausbildung führen zu keiner anderen Bewertung. Denn wie aufgezeigt sind lediglich die durch die Pflegeausbildung erworbenen Kenntnisse für die Betreuung im Rahmen der Gesundheitsfürsorge betreuungsrelevant. Dass das Zusammentreffen der Grundlagenkenntnisse aus dem Biologiestudium mit denen aus der Pflegeausbildung zu Kenntnissen führt, die denen aus einer abgeschlossenen Hochschulbildung gleichwertig und ferner betreuungsrelevant sind, vermag der Senat nicht zu erkennen.

Mithin ist der Beteiligten - wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat - der Stundensatz von 45, - DM zuzügl. MWSt. in Anbetracht der abgeschlossen Ausbildung zur Ausübung der Krankenpflege zuzubilligen.

Ende der Entscheidung

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