Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.12.2001
Aktenzeichen: 16 Wx 255/01
Rechtsgebiete: FGG, BGB, KostO


Vorschriften:

FGG § 27
FGG § 550
FGG § 561
BGB § 1896 Abs. 1
BGB § 1896 Abs. 2
BGB § 1897 Abs. 4 S. 1
KostO § 131 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 255/01

In dem Betreuungsverfahren

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Dr. Ahn-Roth

am 19.12.2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 17.10.2001 - 6 T 362/01 - aufgehoben, soweit die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 2. gegen die Bestellung der Beteiligten zu 3. als Betreuerin zurückgewiesen wurde. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Das weitergehende Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Beteiligte zu 2. wendet sich mit seinem formgerecht zu Protokoll der Rechtspflegerin der Geschäftsstelle des Amtsgerichts eingelegten weiteren Beschwerde nur gegen die Zurückweisung der Erstbeschwerde bezüglich der Erweiterung der Betreuung auf die "Vermögenssorge" und die Bestellung der Beteiligten zu 3. als Betreuerin auch für diesen Aufgabenbereich. Dagegen ist die Verwerfung der Erstbeschwerde gegen die Verfahrenspflegerbestellung nicht angefochten worden.

Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet, soweit es wegen der Erweiterung der Betreuung auf die Vermögenssorge eingelegt worden ist. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht, auf dessen Ausführungen verwiesen wird, eine Betreuungsbedürftigkeit bejaht. Die tatsächlichen Feststellungen, die dem zugrunde liegen, sind einer Überprüfung des Senats entzogen. Im Verfahren der weiteren Beschwerde findet nämlich gem. § 27 FGG i. V. m. §§ 550, 561 nur eine reine Rechtskontrolle statt und ein von dem Tatrichter verfahrensfrei festgestellter Sachverhalt, vorliegend insbesondere der Umstand, dass die Betroffene nicht mehr in der Lage ist, den Geldverkehr zu prüfen und zu regeln, und dass der Beteiligte zu 2. auch nicht über eine umfassende Vollmacht verfügt, die ggfls. eine Betreuungsanordnung entbehrlich macht, ist vom Rechtsbeschwerdegericht hinzunehmen. Die rechtliche Würdigung dieser Feststellungen ist korrekt anhand der Normvoraussetzungen des § 1896 Abs. 1, 2 BGB erfolgt.

Anders verhält es sich hingegen bei der Betreuerauswahl. Hier hat das Amtsgericht, auf dessen Ausführungen in dem Nichtabhilfebeschluss vom 29.08.2001 das Landgericht im wesentlichen Bezug genommen hat, zwar zutreffend bei dem Wunsch der Betroffenen angesetzt, dass ihr Vermögen von dem Beteiligten zu 2. verwaltet wird. Indes ist bisher dem Umstand nicht hinreichend Rechnung getragen worden, dass der Wille der Betroffenen bei der Auswahl des Betreuers gem. § 1897 Abs. 4 S. 1 BGB unbedingten Vorrang hat und der von ihr gewünschte Betreuer nur dann nicht zu bestellen ist, wenn die ernsthafte Gefahr besteht, dass der Ausgewählte sein Amt nicht zum Wohle des Betroffenen führen wird (vgl. Senatsbeschlüsse NJWE-FER 1999, 323 = OLGR 1999, 373 LS = FamRZ 2000, 513 LS; NJWE-FER 1999, 57; OLG Düsseldorf NJWE-FER 2000, 291).

Eine derartige Gefahr lässt sich aus dem ambivalenten Verhalten der Betroffenen gegenüber ihrem Ehemann schon deshalb nicht herleiten, weil dieses Verhalten nur schubweise aufgetreten und krankheitsbedingt ist. Es mag sein, dass es - als Folge der Erkrankung - über das "normale" Maß hinausgehende Eheprobleme gibt. Dass hierdurch die bereits seit 65 Jahren bestehende Partnerbeziehung aber nicht gefährdet ist, wird schon dadurch deutlich, dass die Betroffene auch in den angesprochenen Phasen immer wieder den Wunsch geäußert hat, zu ihrem Ehemann zurückzukehren. Gerade die langjährige Bindung der Eheleute aneinander muss dazu führen, dass sie auch noch ihren Lebensabend in finanzieller Hinsicht möglichst nach eigenen Vorstellungen gestalten können und Eingriffe staatlicher Stellen bzw. Einflussmöglichkeiten familienfremder Personen auf einem möglichst niedrigen Niveau zu halten sind.

Wie wichtig und wie geboten es ist, staatliche Eingriffe in eine derart langjährige Ehe auf das zum Wohl des jeweils betroffenen Ehegatten unumgängliche Maß zu beschränken, wird gerade durch die Verhaltensänderungen deutlich, die im Verlaufe des Betreuungsverfahrens zu beobachten sind. Während sich zu Beginn des Verfahrens die Eheleute bei den Befragungen bzw. Anhörungen durch Mitarbeiterinnen des Beteiligten zu 4., des Gutachters Dr. L. und der Vormundschaftsrichterin kooperativ verhielten, sich insbesondere der Beteiligte zu 2. im Hintergrund hielt und die Betroffene dominierte, hatte sich später die Situation geändert, wie in den Berichten des zweitinstanzlichen Verfahrenspflegers vom 27.09.2001 und der Betreuerin vom 04.10.2001 an das Landgericht deutlich wird. Nunmehr war es die Betroffene, die in Ruhe gelassen werden wollte, während der Beteiligte zu 2. gereizt und aggressiv auf das - so von ihm empfundene - Eindringen Fremder in die Beziehung reagierte und versuchte, diese von seiner Ehefrau fernzuhalten. Dieser Wandel wird auch in seinen schriftlichen Eingaben deutlich, deren Wortwahl ("Entmachtung" oder ähnliches) daher Rückschlüsse zu der Prognoseentscheidung, ob eine Bestellung des Beteiligten zu 2. dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufen wird, nicht zulässt.

Die genannten Umstände mögen relevant sein, soweit es um Aufgabenkreise wie Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung geht. Dafür aber, dass nennenswerte Ausstrahlungen auf den vermögensrechtlichen Bereich erfolgen können, etwa dahingehend, dass - wie die Betreuerin befürchtet- Rechnungen des Pflegedienstes nicht bezahlt werden, sind hinreichend konkrete Tatsachen nicht erkennbar, zumal die Hilfe durch den Pflegedienst - soweit ersichtlich - von der Betroffenen akzeptiert wird. In der Vergangenheit, also bis Mitte 2001 hat es - soweit ersichtlich - Probleme mit unerledigten Zahlungsvorgängen nicht gegeben. Auch war und ist das Geld der Betroffenen sinnvoll angelegt, nämlich - möglicherweise unter Einbeziehung von Mitteln des Beteiligten zu 2. - im wesentlichen auf einem Tagesgeldkonto (S-Anlagekonto). Es mag sein, dass die Betroffene in der Vergangenheit den Wunsch geäußert hat, ihre Gelddinge alleine verwalten zu wollen, und sie gegenüber Sparkassenmitarbeitern erklärt hat, dass in dem auf ihrem Namen lautenden Schließfach Dinge lagerten, von denen ihr Mann nichts wissen dürfe. All dies steht indes in Gegensatz zu ihren aktuellen Willensbekundungen, und zwar zu der ihrem Ehemann erteilten Vollmacht wegen des Schließfaches, die zunächst gerade keine allgemeine war, sondern gezielt die Herausgabe eines einzigen Wertgegenstandes, nämlich einer Uhr betraf, und der - möglicherweise von Sorge um Zugriffsmöglichkeiten Dritter bestimmten - weiteren Erklärung mit der das Schließfach gekündigt wurde, über die der Filialleiter der Kreissparkasse, Herr S., dem Vormundschaftsgericht einen Tag später, am 03.07.2001, berichtet hat. Gerade weil zuvor von der Betroffenen für den Beteiligten zu 2. ausgestellte Urkunden zweimal von der Kreissparkasse nicht akzeptiert worden waren und der Tenor des Beschlusses des Vormundschaftsgerichts vom 05.07.2001 über die Erweiterung der Betreuung auf die Vermögenssorge Herrn S. sofort per Fax übermittelt worden war, ist die in dem Aktenvermerk der Vormundschaftsrichterin vom 28.08.2001 niedergelegte telefonische Erklärung der Betreuerin, die Betroffene verweigere "weiterhin" ihrem Ehemann den Zugang zu ihrem Banksafe, nicht so recht nachvollziehbar.

Vor allem hat die Betroffene, die nach dem Eindruck des vernehmenden Richters bei ihrer Anhörung in den Rheinischen Kliniken D. am 27.07.2001 weitestgehend orientiert war, und auf deren natürlichen Willen es unabhängig von einer etwaigen Geschäftsunfähigkeit ankommt, sich klar und unmissverständlich gegen eine Betreuung durch eine familienfremde Person ausgesprochen, sich darüber aufgeregt, dass die Betreuerin in ihren finanziellen Angelegenheiten "herum spioniere" und den Wunsch geäußert, ihre finanziellen Angelegenheiten notfalls mit Hilfe des Beteiligten zu 2. alleine zu regeln. Diesem durchaus verständlichen und nachvollziehbaren Anliegen der hochbetagten Betroffenen, bei Vermögensdispositionen keiner Kontrolle durch Fremde, allenfalls durch den Ehemann, mit dem man 65 Jahre verheiratet ist, zu unterliegen, ist Rechnung zu tragen, sofern damit keine konkrete Gefährdung ihrer allgemeinen Situation verbunden ist. Der Bereich der Sozial-, insbesondere der Pflegeversicherung, mit dem möglicherweise auch der Beteiligte zu 2. nicht hinreichend vertraut ist, mag hiervon ggfls. ausgenommen werden.

Allerdings bedarf der Sachverhalt weiterer Aufklärung in der Tatsacheninstanz, also durch das Landgericht. Insbesondere ist wegen einer möglichen Gefahr von Interessenkonflikten den Fragen nachzugehen, ob sich in einem der beiden Schließfächer, die nach der Mitteilung der Kreissparkasse K. vom 12.07.2001 auf die Betroffene bzw. auf beide Eheleute lauten, auch dem Beteiligten zu 2. gehörende Wertgegenstände befinden und ob - was in einer langjährigen Ehe ebenfalls nicht ungewöhnlich wäre - die Hälfte der auf dem Tagesgeldkonto angelegten Mittel im Innenverhältnis dem Beteiligten zu 2. gehört. In diesem Zusammenhang dürfte es angezeigt sein, für die Betroffene wieder einen Verfahrenspfleger zu bestellen, und zwar zur Entschärfung der Situation und zur Vermeidung von Verzögerungen infolge eines möglichen Rechtsmittels gegen die Bestellung, das nach Auffassung des Senats in einer bisher noch nicht beschiedenen Vorlage an den Bundesgerichtshof zulässig wäre, möglichst einen neuen.

Für die Betroffene und für den Beteiligten zu 2. sei zur Klarstellung ausgeführt, dass bis zu einer etwaigen abweichenden Entscheidung des Landgerichts Frau B. weiterhin Betreuerin auch für den Bereich der Vermögenssorge ist und es in ihrem eigenen Interesse liegt, wenn durch eine kooperative Zusammenarbeit mit Frau B. und dem Gericht eine möglichst schnelle Klärung der Fragen erfolgt, ob der Beteiligte zu 2. Eigentümer von Vermögenswerten im Schließfach ist bzw. einen Anspruch gegen die Betroffene auf Überlassung der Hälfte des Guthabens auf dem Tagesgeldkonto hat.

Eine Kostenentscheidung ist wegen § 131 Abs. 3 KostO nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

Zurück