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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: 16 Wx 255/07
Rechtsgebiete: AufenthG, FEVG, FGG


Vorschriften:

AufenthG § 50 Abs. 1
AufenthG § 58
AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
FEVG § 3 Satz 2
FEVG § 7 Abs. 1
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 1
FGG § 27
FGG § 29
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 24.09.2007 - 3 T 344/07 - und die Haftanordnung des Amtsgerichts Aachen vom 20.08.2007 - 41 XIV 5942.B - werden aufgehoben.

Der Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft wird zurückgewiesen.

Die Betroffene ist sofort aus der Haft zu entlassen.

Die notwendigen Auslagen der Betroffenen, die im Verfahren der Erstbeschwerde und im Verfahren der weiteren Beschwerde entstanden sind, hat der Antragsteller zu tragen.

Gründe:

I.

Die Betroffene ist gem. §§ 50 Abs. 1, 58 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig aufgrund Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) vom 18.11.2002. Eine für den 22.06.2007 vorgesehene Abschiebung konnte nicht durchgeführt werden, weil die Betroffene vorher untertauchte. Auch eine erneute für Juli 2007 geplante freiwillige Ausreise wurde nicht durchgeführt, weil die Betroffene erneut unbekannten Aufenthalts war. Ihr Aufenthalt ist seitdem den Behörden unbekannt geblieben. Am 20.08.2007 wurde sie bei der Einreise von Belgien festgenommen.

Die Abschiebung, die zunächst für den 24.10.2007 geplant war, wurde wegen Fehlens der erforderlichen Passersatzpapiere verschoben auf den 14.11.2007. Bisher liegen die nötigen Ersatzpapiere noch nicht vor.

Auf Antrag des Antragstellers hat das Amtsgericht am 20.08.2007 Abschiebungshaft von längstens drei Monaten gegen die Betroffene angeordnet. Diese hat dagegen sofortige Beschwerde eingelegt und, nachdem diese zurückgewiesen wurde mit Beschluss vom 24.09.2007, weitere sofortige Beschwerde mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 16.10.2007, der fristgerecht am 17.10.2007 beim Landgericht eingegangen ist.

II.

Die gemäß §§ 3 Satz 2, 7 Abs. 1 FEVG, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Das Landgericht hat die Voraussetzungen für die angeordnete Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 5 AufenthG bejaht und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht als verletzt angesehen. Weitere Nachfragen zur Dauer der Beschaffung der Ersatzpapiere und der Durchführung der Abschiebung sind nicht erfolgt.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Abschiebungshaft kann nicht aufrechterhalten werden, weil die Behörden die Abschiebung nicht mit der größtmöglichen Beschleunigung betrieben haben und damit gegen das Beschleunigungsgebot verstoßen wurde.

Es ist von folgendem zeitlichen Ablauf auszugehen:

Nach der Anordnung der Abschiebungshaft am 20.08.2007 durch das Amtsgericht wurde die Bundespolizei mit Schreiben vom 4.9.2007 um Beschaffung von Passersatzpapieren gebeten.

Am 05.09.2007 (wohl nicht am 03.09.2007) wurde die Betroffene durch Mitarbeiter der ZAB Düsseldorf in der Haftanstalt aufgesucht zur Aufnahme eines Antrags für neue Passersatzpapiere und zur Fertigung von Fotos. Die Betroffene verweigerte ihre Mitwirkung.

Am 18.09.2007 hat die Bundespolizei den trotz fehlender Mitwirkung der Betroffenen erstellten Antrag bei der Botschaft von Togo in Berlin eingereicht.

Erfahrungsgemäß dauert die Ausstellung von Heimreisedokumenten für Togo regelmäßig mehrere Monate. Die Bundespolizei hat wegen der Inhaftierung die Botschaft darauf aufmerksam gemacht, dass eine eilige Bearbeitung erforderlich sei.

Die für den 24.10.2007 vorgesehene Abschiebung konnte wegen Fehlens der Ersatzpapiere nicht durchgeführt werden.

Ein neuer Abschiebungstermin ist für den 14.11.2007 vorgesehen.

Dieser Verfahrensablauf zeigt, dass die Behörden bei der Abschiebung gegen das Beschleunigungsgebot verstoßen haben. Dieses beruht bei Freiheitsentziehungsmaßnahmen auf Art. 2 Abs.2 GG und verlangt, dass Freiheitsentziehungen vorrangig und beschleunigt zu bearbeiten sind (BVerfGE 46, 194; 61, 28). Für die Abschiebungshaft bedeutet dies, dass die Freiheitsentziehung auf den unbedingt erforderlichen Zeitraum zu beschränken ist, der für die Vorbereitung und Durchführung der Abschiebung benötigt wird (BayObLGZ 2000,203; OLG Düsseldorf vom 16.07.2007 - I- 3 Wx 156/07; v. 16. 10.2006 - I-3 Wx 217/06-).

Diesen Anforderungen genügt das Vorgehen der Behörden hier nicht.

Es dauerte vom Tag der Inhaftierung gerechnet vier Wochen, bis der Antrag auf Verlängerung der Ersatzpapiere bei der Botschaft von Togo einging. Dies bedeutet eine in diesem Fall nicht mehr hinnehmbare Verzögerung. Zum einen war die Antragstellung erleichtert, weil bereits ein gerade abgelaufenes Ersatzpapier existierte, das nur verlängert werden musste. Insbesondere war eine Vorführung der Betroffenen bei der Botschaft von Togo nicht erforderlich. Zum anderen war seitens der Behörden ein besonders schnelles Handeln nötig, da nach den eigenen Erfahrungen der Bundespolizei die Ausstellung von Heimreisedokumenten für Togo regelmäßig mehrere Monate dauert. Der Antragsteller und die in Amtshilfe für sie tätigen weiteren Behörden waren demnach gehalten, sich beschleunigt um den erforderlichen Antrag zu kümmern und diesen umgehend der Botschaft zuzuleiten. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die Betroffene wurde erst am 05.09.2007, also über zwei Wochen nach ihrer Inhaftierung in der Haftanstalt aufgesucht, obwohl bereits ein Ersatzpapier vorlag. Selbst ein möglicher Besuch am 03.09.2007 läge 14 Tage nach der Festnahme. Warum die beteiligten Behörden die Betroffene hier nicht umgehend binnen acht bis spätestens zehn Tagen kontaktiert haben, ist nicht bekannt. Dazu hat der Antragsteller auch auf Nachfrage keine Stellungnahme abgegeben.

Auch das weitere Vorgehen genügt nicht mehr den Anforderungen des Beschleunigungsgebots. Der Antrag auf Ersatzpapiere, der offensichtlich trotz der Verweigerung der Betroffenen aufgenommen werden konnte, gelangte erst am 18.09.2007 - 13 Tage nach dem Aufsuchen der Betroffenen - zur Botschaft von Togo. Auch dieser Vorgang hätte mit deutlich kürzerem Zeitablauf erledigt werden können.

Es ist hier für die Beurteilung des Beschleunigungsgebots unerheblich, ob die Verzögerung auch auf strukturellen Gegebenheiten beruht, wie beispielsweise der Beteiligung verschiedener, örtlich getrennter Behörden. Unzuträglichkeiten in der behördlichen Zusammenarbeit können nicht zu lasten des inhaftierten Betroffenen gehen (ebenso OLG Düsseldorf v. 16.07.2007, a.a.O.).

Auch spielt es keine Rolle, dass die Betroffene ihre Mitwirkung an der Beschaffung von Ersatzpapieren verweigert hat. Aus den Stellungnahmen der beteiligten Behörden ist nämlich nicht ersichtlich, dass dieser Umstand für die eingetretenen Verzögerungen kausal geworden ist.

Die dargestellten Verletzungen des Beschleunigungsgebots erfolgten bereits während des Erstbeschwerdeverfahrens, so dass schon im Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung die Haft nicht mehr rechtmäßig war. Somit ist diese Entscheidung und der zugrunde liegende Beschluss des Amtsgericht aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Ende der Entscheidung

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