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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 16.02.2001
Aktenzeichen: 16 Wx 4/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, WEG, AktG, GenG, FGG


Vorschriften:

ZPO § 148
BGB § 32
WEG § 25 I
WEG § 24 Abs. 6 S. 1
WEG § 10 Abs. 3
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 4
WEG § 45 Abs. 1
AktG § 130 Abs. 2
GenG § 51 Abs. 1
FGG § 28 Abs. 2
FGG § 28 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 4/01 2 T 8/00 LG Aachen 6 II 32/97 AG Eschweiler

In der Wohnungseigentumssache

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Reinemund

am 16.2.2001

beschlossen:

Tenor:

Die weitere sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) bis 4) gegen den Beschluss des Landgerichts Aachen vom 30.11.2000 - 2 T 8/00- wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

GRÜNDE:

Die Beteiligten zu 1) bis 4) waren die Wohnungseigentümer der eingangs genannten Wohnanlage, die von dem Beteiligten zu 5) verwaltet wird. Die Beteiligten zu 1) als auch die Beteiligten 2) haben zwischenzeitlich ihren Miteigentumsanteil veräußert. In der Eigentümerversammlung vom 9.7.96 wurde zum TOP 8 über eine von den Beteiligten zu 1) ohne vorherige Ankündigung vorgelegte Beschlussvorlage "Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegen die A. GmbH (= den Bauträger) wegen Mängel am Gemeinschaftseigentum" abgestimmt. Die schriftliche Beschlussvorlage, der eine umfangreiche Aufstellung ihres Architekten Dipl.-Ing. S. über Mängel ihrer Eigentumswohnung beigefügt war (Bl. 16 - 18 der BA 4 II 18/96 AG Eschweiler), enthielt einen "Hauptantrag" dahin, der A. GmbH zur Beseitigung der Mängel des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß anliegender Auflistung und der Schallschutzmängel des Objekts K. 3 a eine Ausschlussfrist bis zum 1.9.96 zu setzen, und bei fruchtlosem Fristablauf diejenigen Wohnungseigentümer, die die Mängel als vorhanden ansehen und davon betroffen sind, zu ermächtigen, die A. GmbH auf eigene Kosten nach ihrer Wahl auf Minderung oder sog. kleinen Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, sowie einen "Hilfsantrag" dahin, dass im Hinblick darauf, dass die Mängelbeseitigung ihrer Ansicht nach einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern und die Gesamtheit der Wohnungseigentümer in ihrer Wohnruhe übermäßig beeinträchtigen würde, diejenigen Wohnungseigentümer, die die Mängel als vorhanden ansehen und davon betroffen sind, auf eigene Kosten die A. GmbH nach ihrer Wahl auf Minderung oder sog. kleinen Schadensersatz in Anspruch nehmen sollen (Bl. 72 der BA 4 II 18/96 AG Eschweiler). Die vom Verwalter aufgrund der Aufzeichnungen seines Schriftführers M. erstellte und allein unterzeichnete Versammlungsniederschrift (Bl. 62 - 64 der BA) enthält zum Hauptantrag das Abstimmungsergebnis: 85/430 Ja-Stimmen, 201/430 Nein-Stimmen und 144/430 Enthaltungen, und sodann die Feststellung, dass somit der Hauptantrag abgelehnt sei. Zum Hilfsantrag sind ohne Gegenstimmen 85/430 Ja-Stimmen und "245"/430 (richtig: 345/430) Enthaltungen verzeichnet sowie die anschließend verkündete Feststellung wiedergegeben: "Über den Hilfsantrag konnte kein gültiger Beschluss gefasst werden." (Bl. 63 BA, 337 GA). Zum letzteren Beschlussergebnisses kam es angesichts der Unkenntnis, wie Enthaltungen zu werten sind. Die Beteiligten zu 1) hatten im Vorverfahren - 4 II 18/96 AG Eschweiler - den Beschluss fristgemäß angefochten mit dem Antrag festzustellen, dass der Hilfsantrag per Beschluss angenommen wurde. Das Amtsgericht ordnete mit Beschluss vom 19.2.97 Beweiserhebung darüber an, ob hinsichtlich des Hilfsantrags - wie die Beteiligten zu 2) bis 4) behaupteten - im Anschluss an die Abstimmung in der Versammlung Einigkeit darüber erzielt worden sei, dass ein Beschluss nicht gefasst worden sei (Bl. 86 der BA). Den Feststellungsantrag erklärten die Beteiligten zu 1) mit Schriftsatz vom 8.4.97 dann in der Hauptsache für erledigt mit der Begründung, ihr Rechtsschutzinteresse an der begehrten Feststellung sei entfallen, nachdem das Landgericht Aachen in dem von ihnen gegen den Bauträger wegen der Mängel in Höhe von 35.000,- DM angestrengten Schadensersatzprozess - 9 0 556/96 - eine Beweisaufnahme angeordnet habe (Bl. 57 GA). In der abschließenden Entscheidung vom 28.8.98 erklärte das Amtsgericht diesbezüglich trotz des Widerspruchs der Antragsgegner das Verfahren für in der Hauptsache erledigt, allerdings mit der Begründung, der Antrag wäre im Hinblick auf das Abstimmungsergebnis mutmaßlich - die Durchführung der Beweiserhebung sei nicht mehr zulässig gewesen - erfolgreich gewesen.

In der zwischenzeitlich stattgefundenen Eigentümerversammlung vom 21.8.97 war zum TOP 13 "Klarstellende Beschlussfassung.......zu TOP 08 der Eigentümerversammlung vom 9.7.1996" den Wohnungseigentümern folgender unstreitig dann mehrheitlich angenommener Antrag der Beteiligten zu 3) zur Abstimmung vorgelegt worden:

"Jeder Eigentümer mag event. Gewährleistungsansprüche gegen die A. Immobilienhandels GmbH bezüglich seines Sondereigentums nach eigenem Gutdünken geltend machen und ggf. durchsetzen.

Niemand soll jedoch ermächtigt werden, eventuelle Mängel des Gemeinschaftseigentums alleine und im eigenen Namen geltend zu machen. Die Eigentümergemeinschaft beabsichtigt auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht, ein Wahlrecht hinsichtlich event. in Betracht kommender Gewährleistungsansprüche auszuüben (Nachbesserung u. Mängelbeseitigung, Minderung oder Schadenersatz).

Da die Prüfung solcher Mängel am Gemeinschaftseigentum - insbesond. Schallschutzmängel - derzeit Gegenstand von Gutachteraufträgen im gerichtlichen Verfahren beim Landgericht Aachen ist, will die Eigentümergemein- schaft zunächst die insoweitigen Ergebnisse und die Vorlage der Gutachten abwarten, um anschließend hierüber ggf. zu beschließen.

Auf dieser Grundlage stellt die Gemeinschaft nochmals klar, dass in der Versammlung vom 9.7.1996 zu dem insoweitigen Hilfsantrag der Eheleute Ma. kein Beschluss gefasst worden ist."

Dem daraufhin von den Beteiligten zu 1) fristgemäß gestellten Antrag, den vorgenannten Beschluss für ungültig zu erklären, gab das Amtsgericht statt. Die Beschwerdekammer hat die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) bis 4) durch Beschluss vom 30.11.2000 zurückgewiesen. Sie hat zur Begründung ihrer Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Mit Recht habe das Amtsgericht den angefochtenen Eigentümerbeschluss für ungültig erklärt. Zum einen sei für die vorgenommene "Klarstellung" im Hinblick auf das eindeutige Abstimmungsergebnis, mit dem die Beteiligten zu 1) - wenn auch nur mit ihren eigenen Stimmen - mehrheitlich ermächtigt worden seien, den Bauträger unmittelbar wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum auf Minderung oder Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, kein Raum gewesen. Zum anderen sei der Beschluss auch nicht in einen Entzug der erteilten Ermächtigung - wenn ein solcher rechtlich überhaupt zulässig wäre - auszulegen, denn es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Eigentümergemeinschaft bei der Beschlussfassung erkennbar in dem Bewusstsein gehandelt hat, einen bereits wirksam gefassten Beschluss abzuändern.

Die vorgenannte Schadensersatzklage der Beteiligten zu 1) gegen den Bauträger - 9 0 556/96 LG Aachen - ist im Hinblick auf die streitige Aktivlegitimation wegen Vorgreiflichkeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung des WEG-Verfahrens gemäß § 148 ZPO ausgesetzt (Bl. 307 GA).

Die gegen die Beschwerdeentscheidung form- und fristgerecht eingelegte weitere sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) bis 4) ist zulässig (§§ 43 Abs. 1 Nr. 4, 45 Abs.1 WEG, 2o, 22 Abs.1, 27, 29 FGG). Die im Schriftsatz der Bevollmächtigten der Beteiligten zu 1) vom 13.02.2001 geäußerten Bedenken führen nicht zur Unzulässigkeit der weiteren Beschwerde (Hartung/Holl, BerufsO, § 3 Rdnr. 72, 73).

In der Sache hält der Senat das Rechtsmittel für unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts sich jedenfalls im Ergebnis als richtig erweist (§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG i.V.m. § 563 ZPO). Einer dahingehenden abschließenden Entscheidung stehen jedoch die auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidungen des OLG Hamm vom 28.12.89 - 15 W 441/89 - und vom 7.6.79 - 15 W 56/79 - (OLGZ 90, 180 und 79, 296) entgegen, denn auf der Grundlage der vom OLG Hamm vertretenen Rechtsauffassung müsste der Senat die Entscheidung des Landgerichts als auch die des Amtsgerichts abändern und den Anfechtungsantrag zurückweisen.

Nach Auffassung des Senats ist hier folgende rechtliche Beurteilung geboten:

1) Für die "Klarstellung", dass seinerzeit kein Beschluss über den Hilfsantrag der Beteiligten zu 1) zustande gekommen ist, bestand kein begründeter Anlass. Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Feststellung des Landgerichts, dass wegen des klaren Abstimmungsergebnisses (außer den "dafür" stimmenden Beteiligten zu 1) hatten sich alle anderen Wohnungseigentümer der Stimme enthalten) der Hilfsantrag angenommen und mithin ein auch bestandskräftiger Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft zustande gekommen war. Dabei ist das Landgericht allerdings ohne besondere Erörterung von der Unerheblichkeit des der Wertung entgegenstehenden in der Versammlung zugleich festgestellten Beschlussergebnisses ausgegangen. Das ist nach Ansicht des Senats, der insoweit der herrschenden Meinung folgt, wonach der (fehlerhaften) Feststellung des Beschlussergebnisses durch den Versammlungsleiter grundsätzlich keine rechtliche Bedeutung beikommt, im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Das ausweislich des Protokolls festgestellte und verkündete Beschlussergebnis des Versammlungsleiters, d.h. hier des den Vorsitz führenden Verwalters, dass über den Hilfsantrag kein gültiger Beschluss gefasst sei, obwohl sich nach dem protokollierten Abstimmungsergebnis mit den Ja-Stimmen ohne jedwede Gegenstimme eine Mehrheit für den Hilfsantrag ergeben hatte und demgemäss der Hilfsantrag angenommen worden war, beruht unstreitig einzig und allein auf der unrichtigen Wertung der Stimmenthaltungen. Wie sich die Stimmenthaltung auf das Beschlussergebnis auswirkt, war auch lange Zeit umstritten. Ein Teil der Rechtsprechung und der Lehre hatten die Stimmenthaltung im Ergebnis als Ablehnung/Gegenstimme gewertet (vgl. etwa OLG Frankfurt OLGZ 88, 316). Seit der Entscheidung des in WEG-Sachen zuständigen V. Zivilsenats des BGH vom 8.12.1988 (NJW 89, 1090 = MDR 89, 435), mit der dieser die vom II. Zivilsenat zu § 32 BGB vertretene Auffassung zur Bedeutung der Stimmenthaltung teilt (BGHZ 83, 35, 37 [= MDR 1982, 551]; WM 1987, 651, 652 [= MDR 1987, 737]; RGZ 20, 140, 142), ist geklärt, dass Stimmenthaltungen bei der Bestimmung der Mehrheit i. S. von § 25 I WEG nicht mitzuzählen sind (ebenso Bärmann/Pick/Merle WEG § 25 Rdnr. 93; Staudinger/Bub § 25 Rdnr. 94; Palandt/Bassenge BGB § 25 WEG Rdnr. 11). Entscheidend ist allein, ob die abgegebenen Ja-Stimmen die Nein-Stimmen überwiegen. Wer sich der Stimme enthält, will weder ein zustimmendes noch ein ablehnendes Votum, sondern seine Unentschiedenheit bekunden. Er will auf die Beschlussfassung nicht anders einwirken, als wenn er der Versammlung ferngeblieben wäre oder sich vor der Abstimmung entfernt hätte. Nichts anderes war bei der streitigen Abstimmung der Fall, zumal da bei dem vorangegangenen Beschluss über den Hauptantrag es neben Enthaltungen gerade auch Gegenstimmen gegeben hatte.

Die demzuwider getroffene Feststellung in der Versammlung und der Niederschrift, dass kein gültiger Beschluss gefasst sei, ändert indes an der Annahme des Beschlussantrags nichts. Nach der ständigen Rechtsprechung des BayObLG (vgl. zuletzt NZM 99, 712 sowie NZM 98, 867, 917 und 1010 jeweils mwN) und der ihm folgenden h.M., der sich der Senat anschließt, kommt der Feststellung des Versammlungsleiters, dass ein Beschlussantrag abgelehnt oder angenommen sei, grundsätzlich keine ausschlaggebende oder konstitutive, sondern nur deklaratorische Bedeutung zu, was umso mehr gilt, wenn die Feststellung in Widerspruch zu dem gleichfalls festgestellten Abstimmungsergebnis steht (vgl. KG OLGZ 89, 423; 90, 421 und 93, 52,55). Hier ergibt die objektive Auslegung anhand der Versammlungsniederschrift zweifelsohne, dass eine Mehrheit für den Hilfsantrag gestimmt hat und mithin der Antrag angenommen worden war. Im WEG setzt sich die Beschlussfassung zusammen aus dem Beschlussantrag und der Abstimmung hierüber (Bub ZWE 2000, 201). Der Beschluss ist schon existent, wenn die erforderliche Mehrheit dem Beschlussantrag in der Versammlung zugestimmt hat (so auch KG aaO; Weitnauer/Lüke WEG § 23 Rdnr. 13; Staudinger/Bub BGB § 23 WEG Rdnr. 169 + 174 mwN). Über die in der Versammlung gefassten Beschlüsse ist gemäß § 24 Abs. 6 S. 1 WEG eine Niederschrift aufzunehmen, mithin ein sog. Ergebnisprotokoll, das den Wortlaut der gefassten Beschlüsse richtig und vollständig mit dem jeweiligen Abstimmungsergebnis zu enthalten hat, und zwar im Hinblick auf die Bindung auch der Sondernachfolger gemäß § 10 Abs. 3 WEG an frühere Beschlüsse. Damit ist der Mindestinhalt des Protokolls beschrieben, das Gesetz verlangt nicht etwa auch die Wiedergabe der etwaigen Beschlussfeststellungen des Vorsitzenden. Weil die Protokollierung nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Beschluss ist, sondern vor allem der Beweissicherung und Klarstellung dient, kommt der Niederschrift einschließlich einer Beschlussfeststellung also keine konstitutive Wirkung zu (vgl. Staudinger aaO § 24 Rdnr. 22 mwN).

Darin unterscheidet sich die Sach- und Rechtslage vom Aktien- und Genossenschaftsrecht, das jeweils - im Gegensatz zum WEG für die Eigentümerversammlung - ausdrücklich vorschreibt, dass in der Niederschrift einer Hauptversammlung einer AG oder die Generalversammlung einer Genossenschaft neben dem Ergebnis der Abstimmung auch die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlussfassung anzugeben ist. Die im Aktienrecht gemäß § 130 Abs. 2 AktG geregelte Feststellung des Vorsitzenden der Hauptversammlung über die Beschlussfassung verleiht dem Beschluss (zusammen mit der notariellen Niederschrift) erst rechtliche Wirksamkeit. Diese Wirkung erklärt sich daraus, dass die Feststellung des Beschlussergebnisses vor allem Bedeutung für die Geltendmachung von Mängeln hat. Da die Anfechtungsklage an die kurze Frist von einem Monat gebunden ist (§ 246 Abs. 1 AktG), müssen die Anfechtungsberechtigten von einem bestimmten Beschlussergebnis als maßgebend ausgehen können. Dazu ist erforderlich, dass dieses Ergebnis festgestellt und verkündet wird. In gleicher Weise hat der Gesetzgeber die Beschlussanfechtung im Genossenschaftsrecht geregelt. Nach § 51 Abs. 1 GenG kann ein Beschluss der Generalversammlung wegen Verletzung des Gesetzes oder Statuts im Wege der Klage angefochten werden, wobei auch hier die Klage binnen einem Monat erhoben werden muss. Dieser Gleichlauf der gesetzlichen Regelungen im Aktien- und Genossenschaftsrecht gebietet es, der Feststellung des Beschlussergebnisses durch den Versammlungsleiter auch im Genossenschaftsrecht konstitutive Bedeutung beizumessen ( BGH NJW 97, 318 = MDR 97, 152). Im Bereich des Vereinsrechts wird dagegen die konstitutive Wirkung der Feststellung und Verkündung eines Beschlussergebnisses abgelehnt, wofür maßgebend ist, dass der Gesetzgeber im Vereinsrecht davon abgesehen hat, eine fristgebundene Anfechtungsklage einzuführen (BGH aaO und NJW 75, 2101). Im WEG ist zwar in gleicher Weise wie im Aktien- und Genossenschaftsrecht das fristgebundene Anfechtungsverfahren geregelt, gleichwohl kann die Wertung konstitutiven Charakters von Beschlussfeststellungen im Interesse konformer Lösungen im Verbandsrecht nicht auf das WEG-Recht übertragen werden (so aber Wenzel aaO 385 ff; Bub aaO 202).

Wenn aber der Feststellung des Vorsitzenden über das Beschlussergebnisse keine konstitutive Wirkung zukommt, bleibt eine fehlerhafte Feststellung ohne Einfluss auf des Beschlussergebnis, die dann zwar beseitigt werden kann, aber nicht beseitigt werden muss (vgl. Wenzel ZWE 2000, 384).

Nach der Rechtsprechung des OLG Hamm (OLGZ 90, 180 und 79, 296) soll hingegen die Feststellung des Vorsitzenden der Eigentümerversammlung, ein Antrag habe die erforderliche Mehrheit nicht gefunden und es sei damit kein Eigentümerbeschluss zustande gekommen, vorläufig verbindlich sein, wenn nicht die Sachlage so eindeutig ist, dass auch ohne Verkündung durch den Vorsitzenden eine eindeutig protokollarisch festgelegte Willensäußerung der Eigentümerversammlung vorliegt. Zur Beseitigung der Rechtswirkung einer sonach vorläufig verbindlichen Feststellung, wenn also - wie hier - der Versammlungsleiter an Stelle des positiven Beschlussergebnisses unrichtig die Ablehnung des Antrags feststellt, bedürfe es zunächst der rechtzeitigen Anfechtung des Beschlusses gemäß §§ 43 Abs. 1 Nr. 4, 23 Abs. 4 S. 2 WEG, mit der der weitere Antrag auf positive Feststellung des rechtlich wirklich gefassten, jedoch in der Niederschrift nicht festgestellten Beschlusses verbunden werden könne (ebenso Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG § 23 Rdnr. 38; Weitnauer/Lüke WEG § 23 Rdnr. 13; so früher auch Staudinger/Wenzel BGB § 43 WEG Rdnr. 13). Dementsprechend wäre im Streitfall die Entscheidung des Versammlungsleiters, dass kein gültiger Beschluss über den Hilfsantrag gefasst sei, verbindlich. Zunächst einmal war die Sachlage nicht so eindeutig, dass auch ohne Verkündung des rechtlichen Beschlussergebnisses eine eindeutig protokollarisch festgelegte Zustimmung der Eigentümerversammlung zum Hilfsantrag vorliegt. Richtig ist zwar, dass seit der vorgenannten Entscheidung des BGH in der veröffentlichten Rechtsprechung zum WEG kein Fall mehr aufgetreten ist, in dem bei einer Eigentümerversammlung Stimmenthaltungen wie Nein-Stimmen gewertet worden wären. Für diejenigen aber, die - wie hier - die Rechtsprechung über die Bewertung von Stimmenthaltungen nicht kennen und diese nach wie vor (fälschlicherweise) als Nein-Stimmen werten, konnte eine positive Beschlussfassung keineswegs offensichtlich sein. Die Beteiligten zu 1) hatten dann auch den Beschluss mit Recht fristgemäß mit dem Feststellungsantrag angefochten, es aber versäumt, den Antrag auch durchzufechten bis zur möglichen und erforderlichen abzuschließenden Entscheidung, dass die Feststellung des Beschlussergebnisses fehlerhaft und der Hilfsantrag vielmehr angenommen war.

Sonach wäre bei Zugrundelegung der Auffassung des OLG Hamm die Rechtsbeschwerde erfolgreich.

2) Die Rechtsbeschwerde kann nicht etwa aus anderen Gründen bereits Erfolg haben.

Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landgerichts, der angefochtene Beschluss beinhalte keinen wirksam getroffenen den Erstbeschluss abändernden Zweitbeschluss, der zur Folge haben könnte, dass deshalb der Anfechtungsantrag unbegründet ist. Dabei teilt der Senat aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten Gründen die Auffassung, dass der Beschluss nicht dahin ausgelegt werden kann, dass - wie die Beteiligten zu 2) bis 4) geltend machen - hilfsweise damit die den Beteiligten zu 1) erteilte Ermächtigung widerrufen sein sollte. Weiterer Vertiefung bedarf die Frage nicht, denn unabhängig davon wäre der Entzug der Ermächtigung unzulässig. Ein abändernder Zweitbeschluss ist zwar grundsätzlich zulässig. Deshalb ist eine Eigentümergemeinschaft befugt, über eine bereits geregelte Angelegenheit erneut zu beschließen, der neue Eigentümerbeschluss muss aber nach § 21 Abs. 3 und 4 WEG schutzwürdige Belange eines Wohnungseigentümers aus dem Inhalt und Wirkungen des Erstbeschlusses beachten (vgl. BGH NJW 91, 979). Hier wäre es keine Frage, dass die Beteiligten zu 1), wenn ihnen die Ermächtigung wieder entzogen würde, durch den abändernden Zweitbeschlusseinen rechtlichen Nachteil im Verhältnis zur Regelung im Erstbeschluss erleiden würden, was für eine unzulässige Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Belange ausreichen würde (vgl. Bärmann aaO § 23 Rdnr. 67 mwN), zumal da eine Veränderung der Sachlage, die den Entzug der Ermächtigung rechtfertigen könnte, weder ersichtlich noch dargetan ist.

Da sonach der Senat in Bezug auf die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zu Punkt 1) mit der Gesetzesauslegung von der genannten Rechtsprechung des OLG Hamm abweicht, war eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 und 3 FGG geboten.

Ende der Entscheidung

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