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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 09.08.2000
Aktenzeichen: 16 Wx 93/00
Rechtsgebiete: FGG, BGB, KWG, KostO


Vorschriften:

FGG § 20
FGG § 13 Abs. 1 S. 1
FGG § 12
BGB § 1807
BGB § 1811
BGB § 13 Abs. 1 S. 2
KWG § 1 Abs. 1
KostO § 131 Abs. 3
KostO § 30 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

16 Wx 93/00 3 T 288/99 - LG Aachen - J XVII 147 - AG Aachen -

In dem Betreuungsverfahren

betreffend pp.

an dem beteiligt sind

pp.

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch seine Mitglieder Dr. Schuschke, Jennissen und Appel-Hamm

am 09.08.2000

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde des Verfahrenspflegers der Betroffenen gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 22.05.2000 - 3 T 288/99 - wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1. hat dem Beteiligten zu 2. die in zweiter und dritter Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Die 79-jährige Betroffene verfügt über Vermögen von fast 270.000,00 DM und monatliche Einkünfte von ca. 6.100,00 DM, denen monatliche Ausgaben von ca. 4.000,00 DM gegenüber stehen. Der Beteiligte zu 2. ist eines ihrer fünf Kinder und auf übereinstimmenden Vorschlag aller Geschwister im Einverständnis mit der Betroffenen durch Beschluss des Amtsgerichts vom 27.11.1998 zum Betreuer, u. a. mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge bestellt. Bereits zuvor hatte der Beteiligte zu 2., dem die Betroffene eine notarielle Vorsorgevollmacht erteilt hatte, deren Vermögen verwaltet. Dieses ist per Dezember 1999 wie folgt angelegt:

Bundesschatzbriefe 35.000,00 DM Sparbriefe 31.000,00 DM Anteile der P. B. 18.500,00 DM Rentenfonds "Liga-Pax-K-Union" 115.000,00 DM Girokonto, Sparbuch 9.500,00 DM Festgeld (1 Monat) 60.000,00 DM

Unter dem 01.03.1999 hat der Beteiligte zu 2. beantragt, ihm die Anlage eines Betrages von 60.000,00 DM in Anteilen des Fonds "Liga-Pax-Aktien-Union", einem internationalen Aktienfonds mit Schwerpunkt Europa für Kunden der Standesbanken des kirchlichen Bereichs, zu genehmigen. Die Rechtspflegerin des Vormundschaftsgerichts hat diesen Antrag im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen hatte, die Prüfung der Sicherheit sei bei Aktien, insbesondere ausländischen erschwert, da Kursschwankungen und damit auch Verlustrisiken selbst bei günstiger Bankexpertise letztlich nicht vorhersehbar seien. Hiergegen hat der Beteiligte zu 2. Beschwerde eingelegt, im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens seinen Antrag geändert und die Genehmigung für die Anlage von 60.000,00 DM in Anteilen des Wertpapierfonds "UniDeutschland" begehrt, dessen Vermögen in deutschen Standardaktien angelegt ist, wobei sich die Gewichtung am Deutschen Aktien-Index (DAX) orientiert.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 22.05.2000 dem Beteiligten zu 2. die Genehmigung zur Anlage der 60.000,00 DM in den Fond "UniDeutschland" erteilt. Hiergegen wendet sich der Verfahrenspfleger der Betroffenen 2. Instanz mit seiner weiteren Beschwerde.

II.

Die formgerecht eingelegte weitere Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist der Beschwerdeführer als Verfahrenspfleger im Verfahren der Erstbeschwerde zur Einlegung und Begründung der weiteren Beschwerde befugt (§ 67 Abs. 2 FGG).

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts ist aus Rechtsgründen, die allein Gegenstand der Überprüfung im Verfahren der weiteren Beschwerde sein können, nicht zu beanstanden.

Die vom Landgericht als ein Rechtsmittel nur des Beteiligten zu 2. behandelte Erstbeschwerde war zulässig. Hierbei kann es offen bleibe, ob das von der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2. eingelegte Rechtsmittel (auch) ein solches im Namen der Beteiligten zu 1. war. Hierfür spricht die Eingangspassage in der Beschwerdeschrift, dass sich Frau Rechtsanwältin C. für beide bestelle sowie "namens und mit Vollmacht" das Rechtsmittel einlege, wobei der Umstand, dass sie nur von dem Beteiligten zu 2. beauftragt ist, einer entsprechenden Sachbehandlung nicht entgegenzustehen braucht; denn in Fragen, die seinen Aufgabenkreis betreffen, kann ein Betreuer auch namens der Betreuten Beschwerde einlegen (§ 69g Abs. 2 S. 1 FGG). Jedenfalls war der Beteiligte zu 2. für ein Rechtsmittel nur bzw. auch im eigenen Namen nach § 20 FGG beschwerdebefugt, wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, da das Amtsgericht eine von ihm beantragte Genehmigung im Rahmen der ihm übertragenen Vermögenssorge abgelehnt hatte (vgl. Bumiller/Winkler, FGG 7. Auflage, § 20 Rdn. 20). Die Rechtsstellung des Betreuers ist schon deswegen berührt, weil die Entscheidung über einen Antrag auf Genehmigung einer anderweitigen Geldanlage haftungsrechtliche Auswirkungen haben kann.

In der Sache ist die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Bei der Genehmigung einer von Anlageformen des § 1807 BGB abweichende Geldanlage nach § 1811 BGB handelt es sich um eine Entscheidung, die im pflichtgemäßen Ermessen des Vormundschaftsgerichts steht (vgl. SchlHOLG FGPrax 2000, 23; Palandt/Diederichsen, BGB 59. Auflage, § 1811 Rdn. 4) und daher vom Senat nur in eingeschränktem Umfang auf Ermessensfehler überprüfen kann, also darauf, ob der Tatrichter von seinem Ermessen keinen oder einen rechtlich fehlerhaften, Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht hat (vgl. Bumiller/Winkler a.a.O. § 27 Rdn. 21 m. w. Nachw.).

Ein derartiger Ermessensfehler liegt nicht vor.

Das Landgericht hat erkannt, dass ihm bei der Bescheidung des Antrags des Beteiligten zu 2. ein Ermessen zusteht. Es ist hierbei von einem Verständnis von Sinn und Zweck des § 1811 BGB ausgegangen, das den Schutz des Vermögens der betreuten Person in den Vordergrund stellt. Es hat sich nämlich der auf einer Entscheidung des Reichsgerichts beruhenden, insbesondere in der Rechtsprechung vertretenen Meinung angeschlossen, dass es sich bei der anderweitigen Anlage nach § 1811 BGB um eine Ausnahme von dem Grundsatz handelt, eine mündelsichere Anlage nach § 1807 BGB zu wählen, und daher eine Genehmigung nur dann in Betracht kommt, wenn die beabsichtigte Anlage im Einzelfall klar erkennbare wirtschaftliche Vorteile bietet und gleichermaßen sicher ist (vgl. RGZ 128, 309; KG OLGZ 1967, 255; OLG Frankfurt Rpfleger 1984, 147; Soergel/Damrau, BGB, 12. Auflage, § 1811 Rdn. 4 mit weiteren Nachweisen). Wegen dieses strengen Ansatzes bedarf es auch keiner Auseinandersetzung mit der insbesondere in der Literatur mit beachtlichen Gründen vertretenen Auffassung, nach der eine anderweitige Anlage unter erleichterten Voraussetzungen genehmigt werden könne, etwa bereits dann, wenn eindeutig festgestellt sei, dass diese gegenüber einer solchen nach § 1807 BGB sowohl hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedingungen wie auch der Sicherheit gleichwertig sei (so Staudinger/Engler, BGB, 13. Auflage, Rdn. 14 mit Nachweisen; ähnlich Palandt/Diederichsen a.a.O. Rdn. 3 f. unter Aufgabe der noch bis zur 57. Auflage vertretenen strengen Auffassung sowie - etwas strenger - MünchKom/Schwab, BGB 3. Auflage § 1811 Rdn. 5 ff.).

Das Landgericht hat sodann die gebotene Einzelfallprüfung vorgenommen und unter Auswertung einschlägiger Rechtsprechung zur Genehmigungsfähigkeit von Anlagen in Investment- oder Aktienfonds (SchlHOLG FGPrax 2000, 23) sowie Äußerungen in der Literatur (Vogt Rpfleger 1996, 389; Münchmeyer DRiZ 1963, 229) die Vor- und Nachteile der konkreten Anlage speziell für die Betroffene abgewogen. Es hat sich weiter durch gezielte Anheimgaben an den Betreuer Erkenntnisse zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen und der Anlage ihres Vermögens in der Vergangenheit sowie zur Struktur und Entwicklung des Fonds "UniDeutschland" verschafft und sich schließlich über die in der Redaktionsanmerkung zu der Entscheidung SchlHOLG FGPrax 2000, 23 genannte Internetadresse (www.handelsblatt.de/tabellen) darüber orientiert, bei welchen Fonds Vormundschaftsgerichte in der Vergangenheit Anlagen genehmigt haben, wie einer entsprechenden Liste mit einer Vielzahl von Entscheidungen, die sich bei den Akten befindet, zu entnehmen ist. Da es auf der Hand liegt, dass die Anlage deutliche wirtschaftliche Vorteile gegenüber einer solchen nach § 1807 BGB bietet, was auch der Verfahrenspfleger nicht verkennt, bedurfte es insbesondere der Feststellung, dass der Fond gleichermaßen sicher ist. Gerade hiermit hat das Landgericht sich näher befasst und das Vorliegen dieser Voraussetzung nachvollziehbar zum einen aus den Schutzvorschriften des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG), insbesondere denjenigen über die Risikostreuung (§§ 8 ff. KAGG) in Verbindung mit dem Umstand hergeleitet, dass Kapitalanlagegesellschaften Kreditinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1 KWG sind und der Aufsicht des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen unterliegen. Zum anderen hat es zutreffend auf die spezielle Struktur des Fonds abgestellt und schließlich auch berücksichtigt, dass der laufende Lebensbedarf der Betroffenen durch ihre regelmäßigen Einnahmen mehr als gedeckt ist und die Betroffene auch schon vorher ihr Vermögen über verschiedene Anlagearten gestreut hatte, was ohnehin in der hier gegebenen Größenordnung einer vernünftigen wirtschaftlichen Entschließung entspricht (vgl. SchlHOLG a.a.O. S. 24).

Das allgemeine Risiko von Kursschwankungen eines Aktienfonds und möglicher künftiger Fehleinschätzungen bei der Gewichtung der Werte, auf das die weitere Beschwerde im wesentlichen nur gestützt ist, reicht als solches nicht aus, um die Genehmigung zu versagen. Ein Abstellen nur hierauf würde dazu führen, dass die für eine sachgerechte Ausübung des Ermessens gebotene Prüfung der Vor- und Nachteile einer Anlageentscheidung in einem konkreten Einzelfall letztlich unterbleibt (ähnlich auch SchlHOLG a.a.O.). Es ist zwar nicht zu verkennen, dass insoweit Zweifel bestehen können und die Rentabilitäts- und/oder Sicherheitsfragen im Einzelfall von den Vormundschaftsrichtern bzw. den erstinstanzlich zur Entscheidung berufenen Rechtspflegern nicht vollständig überblickt werden können. In einem derartigen Fällen ist das Vormundschaftsgericht indes gem. § 12 FGG gehalten weiter zu ermitteln und sich gegebenenfalls sachverständig beraten lassen, indem es etwa eine amtliche Auskunft bei dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen oder ein Gutachten bei einem Bankenverband einholt (vgl. BayObLG Rpfleger 1985, 182 LS; SchlHOLG a.a.O. ). Hiervon konnte indes vorliegend abgesehen werden, nachdem das Landgericht sich verfahrensfehlerfrei anderweitige eine hinreichende Gewissheit zur Wirtschaftlichkeit und Sicherheit der Anlage verschafft hatte.

III.

Eine Entscheidung über die Gerichtskosten ist wegen § 131 Abs. 3 KostO entbehrlich. Wegen der dem Beteiligten zu 2. entstandenen außergerichtlichen Kosten folgt die Erstattungspflicht der Beteiligten zu 1. für das Verfahren der weiteren Beschwerde aus § 13 Abs. 1 S. 2 BGB. Für die Erstbeschwerde entspricht eine Kostenerstattung, also letztlich ein Ausgleich der dem Beteiligten zu 2. entstandenen Anwaltskosten aus dem Vermögen der Beteiligten zu 1. ausnahmsweise der Billigkeit i. S. d. § 13 Abs. 1 S. 1 FGG; denn der Beteiligte zu 2. hat, auch wenn das Rechtsmittel möglicherweise nur im eigenen Namen eingelegt war (vgl. oben), mit seiner Erstbeschwerde primär Interessen der Beteiligten zu 1. verfolgt. Auch war es sachgerecht anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, da die rechtliche Situation nicht einfach gelagert war, Beratungsbedarf im Hinblick auf die von der Beschwerdekammer angeregte Antragsänderung bestand und es im Zeitpunkt der Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2. - soweit ersichtlich - veröffentlichte gerichtliche Entscheidungen neueren Datums zu der einschlägigen Problematik nicht gab.

Die Festsetzung des Geschäftswerts folgt aus § 30 Abs. 3 KostO.



Ende der Entscheidung

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