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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 30.11.2009
Aktenzeichen: 16 Wx 94/09
Rechtsgebiete: PStG, BGB, TSG


Vorschriften:

PStG § 5 Abs. 1
PStG § 27 Abs. 1
BGB §§ 1592 ff.
BGB § 1592 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 1592 Nr. 2
BGB § 1595 Abs. 1
BGB § 1598 Abs. 1
TSG § 5 Abs. 3
TSG § 8
TSG § 10
TSG § 10 Abs. 2
TSG § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 5. gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 16.06.2009 - 1 T 186/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beteiligte zu 2. aufgrund der am 21.01.2009 vor dem Jugendamt der Stadt L. abgegebenen Vaterschaftsanerkenntnisse den Geburtseinträgen XX1/2007 und XX2/2007 als Vater mit dem Vornamen beizuschreiben ist, der vor der Rechtskraft der Entscheidung des Amtsgerichts L. vom 19.03.1998 - 378 III 149/95 - maßgebend war.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1. und 2. leben in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft und sind die leiblichen Eltern der am 02.01.2007 geborenen Beteiligten zu 3. und 4., in deren Geburtsanzeigen sich keine Angaben über den Vater befinden.

Die Beteiligte zu 2. war am 09.05.1969 männlichen Geschlechts zur Welt gekommen und hatte den Vornamen D. erhalten. Nach Durchführung einer geschlechtsangleichenden Operation am 30.01.1997 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts L. vom 19.03.1998 - 378 III 149/95 - der Vorname der Beteiligten zu 2. in E. geändert und es wurde festgestellt, dass die Beteiligte zu 2. als dem weiblichen Geschlecht zugehörig anzusehen ist. Zuvor hatte die Beteiligte zu 2. am 06.04.1995 in einer Samenbank ein Spermadepot anlegen lassen. Mit Hilfe dieses Spermas unterzog sich die Beteiligte zu 1. im April 2006 in einer belgischen Klinik einer künstlichen Befruchtung und brachte am 02.01.2007 Zwillinge, die Beteiligten zu 3. und 4., zur Welt. Die Beteiligten zu 1. und 2. begründeten sodann am 09.05.2008 vor dem Standesamt L. eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft und die Beteiligte zu 2. erkannte am 21.01.2009 vor dem Jugendamt - mit Zustimmung der Beteiligten zu 1. - die Vaterschaft zu den Beteiligten zu 3. und 4. an.

Das Standesamt L. hat Zweifel, ob das von der Beteiligten zu 2. abgegebene Vaterschaftsanerkenntnis wirksam ist, weil die Beteiligte zu 2. zum Zeitpunkt der Abgabe des Anerkenntnisses bereits weiblichen Geschlechts gewesen ist. Es hat den Sachverhalt über den Beteiligten zu 5. (Standesamtsaufsicht) dem Amtsgericht L. zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Beschluss vom 28.05.2009 hat das Amtsgericht das Standesamt Köln angewiesen, die Beteiligte zu 2. aufgrund der Vaterschaftsanerkenntnisse den Geburtseinträgen der Zwillinge als Vater beizuschreiben.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 5. hat das Landgericht Köln mit Beschluss vom 16.06.2009 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 5., mit der er eine obergerichtliche Klärung der Rechtslage erstrebt.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 51 Abs.1, 53 Abs.1 PStG, i. d. bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung, §§ 27, 29 FGG). Als Aufsichtsbehörde des Standesbeamten kann der Beteiligte zu 5. Rechtsmittel ohne Rücksicht darauf einlegen, ob er beschwert ist (§ 53 Abs. 2 PStG i. d. bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung).

Das Rechtsmittel hat in der Sache aber nur insoweit Erfolg, als die Beteiligte zu 2. aufgrund der Vaterschaftsanerkenntnisse den Geburtseinträgen der Beteiligten zu 3. und 4. als Vater mit dem Vornamen beizuschreiben ist, der vor der Rechtskraft der Entscheidung über ihre geänderte Geschlechtszugehörigkeit maßgebend war.

Nur mit dieser Maßgabe hält die Entscheidung des Landgerichts der rechtlichen Überprüfung stand (§§ 27 FGG, 546 ZPO).

Gegenstand des Verfahrens ist aufgrund der Zweifelsvorlage des Beteiligten zu 5. (§ 49 Abs. 2 PStG i. d. bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung) die Frage, ob die Beteiligte zu 2. im Wege der Folgebeurkundung als Vater der Zwillinge deren Geburtseinträgen beizuschreiben ist.

Nach § 5 Abs.1 iVm § 27 Abs.1 PStG (i.d. bis zum 31.08.2009 geltenden Fassung) hat das Standesamt die Folgebeurkundung vorzunehmen, wenn die Vaterschaft nach der Beurkundung der Geburt anerkannt oder gerichtlich festgestellt wurde.

Der Senat ist mit den Vorinstanzen der Rechtsauffassung, dass die Vaterschaftsanerkenntnisse der Beteiligten zu 2. wirksam sind und sie deshalb nach § 1592 Nr. 2 BGB auch rechtlich als Vater der Zwillinge anzusehen ist.

Nach § 1598 Abs. 1 BGB ist die Anerkennung der Vaterschaft nur dann unwirksam, wenn sie den Erfordernissen der §§ 1592 ff. BGB nicht genügt, wobei die Prüfung, ob die Vaterschaftsanerkennung wirksam erklärt ist, im Verantwortungsbereich des Standesbeamten liegt, der das Geburtenbuch führt.

Die Erklärung der Beteiligten zu 2. wurde höchstpersönlich abgegeben (§ 1596 Abs. 4 BGB) und wirksam öffentlich beurkundet (§ 1597 Abs. 1 BGB). Diesem Formerfordernis entspricht auch die Zustimmungserklärung der Beteiligten zu 1. gemäß § 1595 Abs. 1 BGB.

Dass die Beteiligte zu 2. zum Zeitpunkt der Anerkennung nicht mehr männlichen Geschlechts gewesen ist, steht der Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft nicht entgegen.

Zwar kann gemäß § 1592 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Anerkennung nur von einem Mann abgegeben werden und gemäß § 10 TSG (Transsexuellengesetz) richten sich von der Rechtskraft der Entscheidung über die Geschlechtsumwandlung an die vom Geschlecht der Beteiligten zu 2. abhängigen Rechte und Pflichten nach ihrem neuen Geschlecht. Dies gilt aber nur, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Eine derartige anderweitige Bestimmung enthält § 11 TSG. Nach dieser Vorschrift lässt die Entscheidung, dass die Beteiligte zu 2. als dem weiblichen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, das Rechtsverhältnis zwischen ihr und ihren Kindern unberührt. Diese Reglung erfasst nicht nur im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nach § 8 TSG bereits geborene oder gezeugte Kinder, sondern auch solche, die später zur Welt gekommen sind. Dies ergeben Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Gesetzes. Die Gesetzesmaterialien - BT-Drs 8/2947 Seite 1654 ff. - zeigen, dass der Gesetzgeber alle Kinder erfasst haben wollte: Nach dem Regierungsentwurf waren von § 11 zunächst nur die leiblichen Kinder erfasst, die vor Rechtskraft der Entscheidung über die Geschlechtsumwandlung bereits "empfangen" waren (BT-Drs 8/2947 Seite 6). Zur Begründung wurde angeführt, dass die berechtigten Interessen der Kinder des Betroffenen auf jeden Fall zu wahren seien. Dazu gehöre insbesondere, dass der Status des Transsexuellen als Vater (bzw. als Mutter) auf jeden Fall unberührt bleiben solle, so z.B. für den Unterhalt, das Erbrecht, die Vaterschaftsfeststellung, die Ehelichkeitsanfechtung; dies solle auch dann gelten, wenn das Kind erst nach der Änderung der Geschlechtszugehörigkeit des Vaters geboren oder die Vaterschaft später festgestellt werde (BT-Drs 8/2947 Seite 16 unter 3.11). In seiner Stellungnahme hierzu erhob der Bundesrat Bedenken (BT-Drs 8/2947 Seite 23 unter 10.). Er regte an, das in § 11 geregelte Eltern-Kind-Verhältnis uneingeschränkt auf leibliche Kinder der Betroffenen zu beziehen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es nach bisherigen Erfahrungen nicht ausgeschlossen sei, dass Personen, die als fortpflanzungsunfähig galten, noch Kinder zeugen oder empfangen könnten. Diesen Kindern könne nicht die Möglichkeit genommen werden, ihre Abstammung feststellen zu lassen. Diesem Vorschlag des Bundesrates stimmte die Bundesregierung sodann zu (BT-Drs 8/2947 Seite 27 zu 10.).

Es entspricht mithin dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers, dass allen leiblichen Kindern der Betroffenen der Schutz des § 11 TSG gebührt. Von § 11 TSG erfasst ist deshalb auch das Rechtsverhältnis der Beteiligten zu 2. zu den Beteiligten zu 3. und 4.. Dass die von den Beteiligten zu 1. und 2. gewählte Form der Insemination nach den Regeln deutschen ärztlichen Standesrechts nicht erlaubt ist (vgl. Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion vom 18.11.2006, Ziffer 3.1), steht dem nicht entgegen. Der Anspruch eines jeden Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung ist grundgesetzlich geschützt und wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet (BVerfGE 90, 253 ff.). Für alle Kinder gilt gleichermaßen, dass die Kenntnis der Herkunft wichtige Anknüpfungspunkte für das Verständnis des familiären Zusammenhangs und für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit geben kann und dass die Unmöglichkeit, die eigene Abstammung zu klären, den Einzelnen erheblich belasten und verunsichern kann. Insbesondere ist für die Entwicklung eines jeden Kindes neben seiner Abstammung das Wissen und die Gewissheit von maßgeblicher Bedeutung, zu wem es gehört, welcher Familie es zugeordnet ist, wer als Vater oder Mutter Verantwortung für es trägt (BVerfG FamRZ 2003, 816 ff., 819) und ihm zum Unterhalt verpflichtet ist.

Die Regelung des Eltern-Kind-Verhältnisses in § 11 TSG führt deshalb dazu, dass die Beteiligte zu 2. wirksam die Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB anerkennen konnte.

Demzufolge ist sie als Vater in dem Geburtsregister beizuschreiben, allerdings mit dem Vornamen, der vor der Änderung ihrer Geschlechtszugehörigkeit maßgebend war. Dies folgt aus den §§ 10 Abs. 2, 5 Abs. 3 TSG. Diese Regelungen sowie die allgemein für die Ausstellung von Personenstandsurkunden geltenden Vorschriften stellen sicher, dass bei der Ausstellung von Geburtsurkunden für Kinder der Betroffenen die Eltern mit den ihrem Geschlecht entsprechenden Vornamen angegeben werden. Auch die Regelungen der §§ 10 Abs. 2, 5 Abs. 3 TSG dienen den berechtigten Interessen der Kinder und letztendlich auch denjenigen der Beteiligten zu 2.. Denn die Eintragung in der Geburtsurkunde soll bei Dritten keinen Anlass zu Spekulationen geben und der Gefahr einer Offenlegung der Transsexualität eines Elternteils vorbeugen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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